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Alexandra Krebs

Stirb - Im Namen meiner Mutter

Hamburg Krimi





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Inhalt

Inhalt

Prolog

1.Kapitel

2.Kapitel

3.Kapitel

4.Kapitel

5.Kapitel

6.Kapitel

7.Kapitel

8.Kapitel

9.Kapitel

10.Kapitel

11.Kapitel

12.Kapitel

13.Kapitel

14.Kapitel

15.Kapitel

16.Kapitel

17.Kapitel

18.Kapitel

19.Kapitel

20.Kapitel

21.Kapitel

22.Kapitel

23.Kapitel

24.Kapitel

25.Kapitel

26.Kapitel

27.Kapitel

28.Kapitel

Epilog

 

 

 

 

 

 

Prolog


Alles wahrhaft Böse wird aus Unschuld geboren.

-Ernest Hemingway-

 

Wie sie da sitzt, mit ihrem Lächeln und einem wunderschön hellklingenden Lachen. Sie strahlt von innen und ihre Augen leuchten wie kleine Sterne am Himmel in der Nacht. Ich fühle mich so nah bei ihr und doch bin ich so fern. Bis jetzt hat sie mich noch nicht einmal wahrgenommen. Keines Blickes hat sie mich gewürdigt, sie blickt durch mich hindurch, als sei ich nicht da. Dabei würde ich so gerne mit meinen Händen durch ihr blondes Haar streichen. Vermutlich sind meine Hände zu grob für dieses feine Haar! Mutter meinte immer, ich wäre so grobschlächtig wie ein Bauer und keine Frau würde das mögen, ich solle mich lieber von ihnen fernhalten. Über drei Stunden beobachte ich sie und ihre Freundinnen. Alles sind sie Schönheiten und ziehen die Blicke vieler Männer auf sich. Sie selber ist offen, lacht alle an. Erzählt Anekdoten. In meinen Ohren hört sich ihre Stimme wie eine wunderschöne Melodie an. Ihre ganze Art ist offen. Immer wieder hebt sie ihr Glas, prostet einem Umstehenden zu und trinkt dann einen ganz kleinen Schluck. Sie ist bestimmt sehr sparsam und das ist eine wunderschöne Eigenschaft von Frauen. An dem ganzen Abend hat sie erst zwei Getränke zu sich genommen.

Sie ist sparsam, aber nicht sittsam, denn ihr Rock ist viel zu kurz. Er endet weit über den Knien und lässt mich immer wieder ihre Haut sehen. Wie gerne würde ich über die Haut streichen, nur ich traue mich nicht. Außerdem hat Mutter immer gesagt, dass seien Flittchen. Doch die Frau macht mir gar nicht den Anschein, als sei sie eines. Den Mann, der sich zu ihr gesellt hat, hält sie immer wieder auf Abstand. Kommt er ihr zu nahe, schiebt sie ihn mit ihren Händen fort. Ihre Finger, sie sind so feingliedrig, ihre Nägel aber nicht in einem knalligen rot lackiert, sondern in einem verspielten pink. Die harmonieren wunderbar mit ihrem engen Top. Es steht ihr sehr gut, denn sie hat eine helle Haut. Überhaupt ist sie sehr hell. Fast wie eine Puppe. Ihre blonden Haare, sie sind fast weiß, nur ihre kleine Stupsnase ist ein wenig rot. Vielleicht haben die zwei Gläser Martini doch gereicht.

 

Von ihrer Nase lasse ich meinen Blick auf ihren Hals wandern. Er ist lang und schmal. Eine kleine Einkerbung am Schlüsselbein. Ein Zittern durchläuft meinen ganzen Körper. Ich muss sie kennen lernen. Sie sieht so perfekt aus. Dieses Mal werde ich es schaffen.

1.Kapitel

 

Mit Gewalt erreicht man keine Liebe.

-Boris Leonidowitsch Pasternak-

 

»Töte sie.« Mutters Stimme ist so laut. Sie hallt durch die ganze Kirche. Egal, wie sehr ich mir meine Hände auf die Ohren drücke, um sie nicht mehr hören zu müssen, dringen sie wie Pfeile in mein Gehirn.

»Sie bringt dir nur Unglück, versteh das doch Junge. Sie ist nicht gut genug für dich.« Aber was hat denn die Frau wirklich getan? Ja, sie wollte keine Zeit mit mir verbringen. Ok. Sie fand mich nicht attraktiv. Aber sie deswegen gleich töten? Doch immer wieder peitschen die Worte »Nicht gut genug« in meinen Kopf hinein.

»Sie war eine Schlampe.« Mutter kneift die Augen zusammen und ihre Stimme ist hämisch. Sie liebt dieses Wort. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft sie es benutzt.

»Aber…« Doch weiter komme ich nicht, denn mit einer Handbewegung deutet Mutter auf das Mädchen, das bewusstlos auf dem Boden liegt.

»Was denkst du wird passieren, wenn sie wieder wach ist?« Mit ihren Augen fixiert sie mich. Sie schafft es immer wieder, dass ich mich wie ein kleiner Junge fühle. Keiner wird mir glauben, dass ich schon fast 30 Jahre alt bin.

»Sie wird dich wiedererkennen und dann?« Sie zuckt so seltsam mit dem Kopf. Immer wieder ein Zeichen, mir zu zeigen, dass ich nachdenken soll.

»Du bist aber auch immer zu blöd. Du weißt doch ganz genau, dass sie dich wiedererkennen kann. Dann geht sie zur Polizei und wird dich anzeigen. Dann gehst du in den Knast, für immer!« Sie behandelt mich wieder wie ein unselbständiges, kleines Kind. In dieser Beziehung ist sie so schrecklich.

»Was würdest du denn machen, wenn du an Stelle dieser Frau wärest? Immerhin hast du sie mit einem Schlag auf die Halsschlagader ausgeknockt.« Wie sie das sagt, hört es sich hart an, aber die Frau wird keine Schmerzen davontragen. Vielleicht ein wenig Kopfschmerz. Angefasst habe ich sie auch nicht. Auch wenn meine Mutter meinte, dass ich wenigstens einmal meinen Spaß gehabt haben soll, habe ich es nicht getan. Ich weiß immer gar nicht, was genau sie von mir will. Auf der einen Seite sind alle Frauen nicht gut für mich, außerdem sind sie Schlampen und am Ende soll ich sie ermorden. Was soll ich jetzt genau tun? Doch vermutlich hat sie Recht. Ich würde es ja auch nicht so einfach mit mir machen lassen und in den Knast gehe ich nicht. Niemals! Eher bringe ich alle um.

»Was machst du denn jetzt?« Die Stimme meiner Mutter überschlägt sich. Ich hätte nie gedacht, dass sie mit ihrer Stimme so hoch kommt. Wieder mache ich etwas nicht richtig.

»Ich setze sie hin. Du hast doch immer gesagt, dass man in der letzten Stunde seines Lebens ins Angesicht des Herrn sehen sollte.« Damit zeige ich auf die kleine Jesusfigur über dem Altar. Sofort ist sie besänftigt. Sogar ein kleines Lächeln bekommt sie hin.

»Nie hätte ich gedacht, dass du mir überhaupt jemals zuhörst.« Wie lange habe ich darauf gewartet, dass sie mich lobt. Immer nur beschimpft hat sie mich die letzten Wochen und Monate. Stolz schaue ich sie an und sofort bellt sie wieder ihre Befehle. Dieses Mal hat ihre Stimme einen freudigen Unterton.

»Hol dein Messer raus, du kannst das so gut. Es ist immer schnell und dieser kleine Zischlaut beim Schneiden.« Sie klatscht vor lauter Freude in die Hände. »Das gefällt mir so gut.« Breitlächelnd steht sie vor mir. Ihr Blick ist auf meine

Beine gerichtet. Dort, wo immer das Messer in der Scheide liegt. Sie kennt mich so gut.

Ein leichter Schauer läuft mir den Rücken herunter. Wie kann man nur so mordlustig sein?

»Junge, mach, sie beginnt schon, wach zu werden, dann hast du Probleme mit ihr, das willst du doch nicht, oder?« Nein, noch mehr Probleme will ich wirklich nicht. Mutter reicht mir vollkommen.

Meine Hand fährt mein Bein herunter. Seit Jahren trage ich dort immer ein Messer. Es ist mir so in Fleisch und Blut übergegangen, ohne gehe ich nicht raus, sonst fühle ich mich nackt.

Sanft streichle ich über das Metall, Handarbeit, keine Massenware. Nur das ist ein wahres Messer. Kein Schnickschnack, aber ein Griff, der gut in der Hand liegt. Ich schleife es regelmäßig liebevoll. In den letzten Jahren benutzte ich es oft. Ja, eigentlich zu oft. Doch ich höre auf Mutter. Denn sie hat immer Recht.

Ich setze rechts einen Daumenbreit unter ihrem Ohr an. Der perfekte Platz für den perfekten Schnitt. Ich will nicht, dass sie lange leidet, der Schnitt muss also genau sitzen.

Schnell ziehe ich von rechts nach links. Ein Stöhnen, sie reißt die Augen auf und starrt mich entsetzt an. Doch mehr als ein Röcheln kommt nicht mehr aus ihr heraus. Vorsichtig halte ich sie zurück, nicht dass sie umfällt. Nur noch ein kurzes Zucken und schon ist es vorbei. Dieses Mal ist viel Blut geflossen. Doch ich kann ihre Hände falten, ohne dass ich in Berührung mit ihrem Blut komme.

»Komm jetzt, du musst verschwinden. Es dauert nicht mehr lange bis es hell wird. Du willst doch nicht gesehen werden.« Mit diesen Worten dreht sich Mutter um und will gehen. Doch ich bin noch nicht so weit. Ich kann nicht gehen, ohne Buße zu tun.