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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

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© 2017 Franzis Verlag GmbH, 85540 Haar bei München

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Satz: DTP-Satz A. Kugge, München
art & design: www.ideehoch2.de

eISBN 978-3-645-22426-0

Vorwort

Ich war gerade auf dem Weg ins Theater, als mich mein Verlag anrief: »Ob mein neues Buch einen roten Faden hätte?«

Gleich nach der Vorstellung hatte ich die Antwort parat: Die Social-Media-Welt ist ein großes Theater. Alle möchten Applaus, und schlimmer als der Tumult ist es, nicht beachtet zu werden.

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Inhaltsverzeichnis

1Idee und Inspiration

1.1Das Theater

1.1.1Das klassische Theater

1.1.2Das moderne Theater

1.1.3Das Social-Media-Theater

1.1.4Die großen Skandale

1.2Das Publikum

1.2.1Entertainment bitte

1.2.2Applaus und Zugabe

1.2.3Buhrufe und Saalflucht

1.2.4Schubladendenken

1.3Sparten, Genres und Rollen

1.3.1Social-Media-Sparten

1.3.2Social-Media-Genres

1.3.3Eine Rolle einnehmen

1.3.4Von der Muse geküsst

1.3.5Zwischen Thaleia und Erato

1.4Social-Media-Stars

1.4.1Erfolgsrezepte: von Julien Bam bis Renate Bergmann

1.4.2Neue Stars erschaffen

1.4.3Stars in Szene setzen

1.4.4Der treue Begleiter

1.4.5Der Chor

1.5Kulisse, Kostüme und Requisiten

1.5.1Die Kulisse

1.5.2Kostüme und Accessoires

1.5.3Triggernde Texte

1.5.4Bühnenreife Bilder

1.5.5Attraktive Animationen

1.5.6Virale Videos

1.6Comedy und Community

1.6.1Die Marke hinter der Maske

1.6.2Das ist doch hoffentlich Ironie

1.6.3Running Gags aufbauen

1.7Die Bühnen der Welt

1.7.1Die Großen: Facebook, Twitter und YouTube

1.7.2Die Neuen: Instagram, WhatsApp und Snapchat

1.7.3Die Bilderbühne: Pinterest

1.7.4Die Klangbühnen: Soundcloud und musical.ly

1.7.5Die Businessbühnen: LinkedIn und XING

1.7.6Die Spezialisten: Google Plus, Lego Life und Insta

1.7.7Eine eigene Bühne gründen

1.7.8Vorsicht, Lampenfieber: Nicht stolpern!

2Erfolg auf allen Bühnen

2.1Vor dem Auftritt: den Fundus füllen

2.1.1Musen halten sich nicht an Zeitpläne

2.1.2Stil- und Ideensammlung

2.1.3Bilder und Bild-Text-Kombinationen

2.2Bilder effektiv erstellen

2.2.1Passgenaue Bilder mit Canva

2.2.2Infografiken mit Easel.ly

2.2.3GIF-Animationen

2.2.4Gelungene Imagevideos

2.2.5Videos produzieren

2.2.6Videos bearbeiten

2.2.7Videos veröffentlichen

2.3Facebook – das Staatstheater

2.3.1Profile und Seiten

2.3.2Facebook-Seite anlegen

2.3.3Die wichtigsten Facebook-Instrumente

2.3.4Facebook-Seite ausstatten und Fans gewinnen

2.3.5Facebook-Marketing

2.3.6Animationen und Videos auf Facebook

2.3.7Facebook-Gruppen aufbauen und administrieren

2.3.8Der Facebook-Knigge für Unternehmen

2.3.9CHECKLISTE FACEBOOK

2.4Twitter – die Narrenbühne

2.4.1Spirit hinter Twitter

2.4.2Account anlegen

2.4.3Twitter-Instrumente

2.4.4Account ausstaffieren

2.4.5Einstieg in Twitter

2.4.6Reichweite erhöhen

2.4.7Tipps und Tricks

2.4.8CHECKLISTE TWITTER

2.5YouTube – die Videobühne

2.5.1YouTube-Basiswissen

2.5.2Eigener YouTube-Kanal

2.5.3Den Kanal ausstaffieren

2.5.4Videos hochladen

2.5.5Reichweite erhöhen

2.5.6Tipps und Tricks für YouTube

2.5.7CHECKLISTE YOUTUBE

2.6Google Plus – die gescheiterte Bühne

2.6.1Trauen Sie keiner Statistik

2.6.2Was läuft auf Google Plus?

2.6.3Ein Markenkonto einrichten

2.6.4Suchmaschinenoptimierung mit Google Plus

2.6.5Tipps zu Google Plus

2.6.6CHECKLISTE GOOGLE PLUS

2.7Instagram – die Fotobühne

2.7.1Visuelle Identität

2.7.2Instagram-Basiswissen

2.7.3Account anlegen

2.7.4Instagram-Instrumente

2.7.5Biografieseite editieren

2.7.6Hashtags gezielt einsetzen

2.7.7Reichweite erhöhen

2.7.8CHECKLISTE INSTAGRAM

2.8Pinterest – die Pinnwandbühne

2.8.1Pinterest-Basiswissen

2.8.2Einen Pinterest-Account anlegen

2.8.3Pinterest-Instrumente

2.8.4Einstieg bei Pinterest

2.8.5Reichweite erhöhen

2.8.6Pinterest und das Urheberrecht

2.8.7CHECKLISTE PINTEREST

2.9WhatsApp – die mobile Bühne

2.9.1WhatsApp-Marketing

2.9.2Share-Button einbinden

2.9.3Beratungs- und Servicekanal

2.9.4Newsletter mit WhatsApp

2.9.5WhatsApp-Statusmeldungen

2.9.6CHECKLISTE WHATSAPP

2.10Snapchat – die Nachwuchsbühne

2.10.1Snapchat-Basiswissen

2.10.2Account anlegen

2.10.3Snapchat-Instrumente

2.10.4Der Einstieg in Snapchat

2.10.5Stories verbreiten

2.10.6Die Reichweite erhöhen

2.10.7CHECKLISTE SNAPCHAT

3Regie und Recht

3.1Im Regieraum

3.1.1Ich weiß, wo ich herkomme

3.1.2Regie auf die Zielgruppe abstimmen

3.1.3In der Kellerbar

3.2Tools einsetzen

3.2.1Bühnen effektiv bespielen

3.2.2Deus ex Machina nutzen

3.2.3Crowdfire

3.2.4Hootsuite

3.3WordPress als zentrale Bühne

3.3.1Providerwahl vor der Installation

3.3.2WordPress installieren

3.3.3WordPress-Basiswissen

3.3.4Theme auswählen und einrichten

3.3.5Mehr Funktionen mit Plug-ins

3.3.6WordPress mit Widgets bestücken

3.3.7WordPress konfigurieren

3.3.8WordPress als Blog betreiben

3.3.9Social-Media-Bühnen anschließen

3.3.10CHECKLISTE WORDPRESS

3.4Im Kassenhäuschen: Social-Media-Monitoring

3.4.1Erfolg messen

3.4.2Facebook-Statistiken

3.4.3Twitter Analytics

3.4.4YouTube Analytics

3.4.5Erfolgskontrolle auf Google Plus

3.4.6Instagram Insights

3.4.7Pinterest Analytics

3.4.8Externe Social-Media-Tools

3.4.9CHECKLISTE MONITORING

3.5In der Werbeabteilung

3.5.1Das Publikum ist im Foyer

3.5.2Storytelling neu entdeckt

3.5.3Influencer-Marketing

3.5.4Virales Marketing

3.5.5Call-to-Action

3.5.6CHECKLISTE WERBEABTEILUNG

3.6Die Kampagne

3.6.1Ein starkes Team

3.6.2Ziele und Strategie

3.6.3Die Follower-Kampagne

3.6.4Die Produktkampagne

3.6.5Name und Keywords definieren

3.6.6Branded Hashtags definieren

3.6.7Generalprobe und Start

3.6.8Die Kampagne forcieren

3.6.9Die Kampagne auswerten

3.6.10CHECKLISTE KAMPAGNE

3.7Anzeigen schalten

3.7.1Zielgruppengerechte Ansprache

3.7.2Welche Anzeigen funktionieren?

3.7.3Anzeigentools für Facebook und Instagram

3.7.4Targeting und Remarketing mit dem Facebook-Pixel

3.7.5Twitter Ads

3.7.6Google AdWords für YouTube nutzen

3.7.7Anzeigen auf YouTube schalten

3.7.8Anzeigenschaltung auf Pinterest

3.7.9Marketingoptionen via WhatsApp

3.7.10Snapchat-Advertising

3.7.11CHECKLISTE ANZEIGEN SCHALTEN

3.8Marketing mit Gewinnspielen

3.8.1Basics zu Gewinnspielen

3.8.2Gewinnspiele konzipieren

3.8.3Gewinne auswählen

3.8.4Ein Gewinnspiel durchführen

3.8.5CHECKLISTE GEWINNSPIELE

3.9Der Sicherheitsdienst

3.9.1Das Follower-Management

3.9.2Die Shitstorm-Reaktion

3.9.3Die Trollabwehr

3.9.4Der Accountschutz

3.9.5Aufklärung über Social Engineering

3.9.6CHECKLISTE SICHERHEIT

3.10Rechtstheorie und Paragrafen

3.10.1Juristisches Kauderwelsch

3.10.2Allgemeines Recht

3.10.3Medienrecht

3.10.4Datenschutz

3.10.5Urheberrecht

3.10.6Markenrecht

3.10.7Persönlichkeitsrecht

3.10.8Wettbewerbsrecht

3.11Rechtspraxis und Mustertexte

3.11.1Tipps zur Haftung für fremde Inhalte

3.11.2Tipps und Mustertexte zum Impressum

3.11.3Tipps und Mustertexte zum Datenschutz

3.11.4Tipps zum Urheberrecht

3.11.5Tipps zum Markenrecht

3.11.6Tipps zum Persönlichkeitsrecht

3.11.7Tipps zu Abmahnungen

3.11.8CHECKLISTE RECHT

3.12Hausrecht der Bühnen: die AGB

3.12.1Sonnenkönige und ihre AGB

3.12.2Streit um Fake-News

3.12.3Justiz setzt Bühnenbetreiber unter Druck

3.13Hausrecht der Präsenzen: Social-Media-Guidelines

3.13.1Guidelines für die Follower

3.13.2Guidelines für die eigenen Mitarbeiter

3.13.3Vertragliche Vereinbarungen mit Agenturen

3.14Großes Finale

3.14.1Social Media und das wahre Leben

3.14.2Hinter den Accounts: der Mensch

3.14.3Blick in die Zukunft: Social Media 2020

Anhang: Nützliche Ressourcen

Social-Media-Bühnen

Anzeigen schalten

WhatsApp-Marketing

WordPress

Kostenpflichtige Tools

Kostenlose Tools

Recht und Sicherheit

Glossar

Stichwortverzeichnis

1Idee und Inspiration

Nehmen Sie Platz.

Im ersten Abschnitt dieses Buchs erwartet Sie:

Nichts Technisches. Nichts Praktisches. Kein Tutorial.

Im Mittelpunkt steht das Theater selbst, das große Ganze! Lassen Sie sich bezaubern.

Finden Sie Ihre Inspiration.

Werden Sie ein bisschen wahnsinnig – und wieder nüchtern. Gönnen Sie sich für den Sprung auf die Bühne eine Anlaufstrecke.

1.1Das Theater

Was unterscheidet den Menschen von allen anderen Lebewesen? Die Fähigkeit zum Schauspiel. Wo finden Schauspieler und Publikum zusammen? Im Theater. Seine andauernde Popularität verdankt das Theater wie keine andere Institution der Fähigkeit zum Wandel. Ganz grob lassen sich drei Epochen unterscheiden:

1.Das klassische Theater.

2.Das moderne Theater.

3.Das Social-Media-Theater.

1.1.1Das klassische Theater

Im Athen der Antike war das Theater so beliebt, weil die Inszenierungen sehr genau widerspiegelten, was die Menschen im Stadtstaat bewegte: Liebe und Krieg, Triumphe und Niederlagen, Schicksale und Entscheidungen. Als Höhepunkt der Saison galten die Tragödien- und Komödienwettbewerbe, die in jedem Frühjahr zu Ehren des Dionysos ausgetragen wurden, des Gottes des Rauschs und der ungezügelten Ausschweifungen. Dieses Spektakel durfte sich keine Bürgerin und kein Bürger entgehen lassen. Höchstes öffentliches Ansehen genossen die Stückeschreiber, Regisseure und Schauspieler. Inspiriert wurden sie von den neun Musen, allesamt Töchter des Göttervaters Zeus und seiner Gespielin Mnemosyne. Sie werden diese Damen, die bis heute weder an Anmut noch an Bedeutung verloren haben, in diesem Buch noch näher kennen- und schätzen lernen.

1.1.2Das moderne Theater

Dem Niedergang der griechischen Kultur und des römischen Imperiums folgte das finstere Mittelalter; die Schauspielkunst verlor für fast ein Jahrtausend an Bedeutung. Mit der Epoche der Renaissance, der Wiedergeburt der Ideen der Antike, begann dann der lange und stetige Aufstieg des modernen Theaters. Es wurde gespielt und zensiert, gestritten und randaliert, geliebt und politisiert. Dramatiker wie Shakespeare, Molière und Brecht brachten das Blut in Wallung und die Emotionen zum Kochen. Noch im vergangenen Jahrhundert, insbesondere in den 20er- und 60er-Jahren, galt das Theater gar als subversiv.

Nun sind die Spielstätten ja immer noch in Betrieb, und ihre Existenzberechtigung soll nicht angefochten werden, aber welche gesellschaftliche Relevanz kommt ihnen zu? Subversiv sind sie schon lange nicht mehr. Im Theater von heute sitzt – bedauerlicherweise – nur ein verschwindend geringer Teil der Bevölkerung. Und wozu erdreistet sich dieser bildungsbürgerliche Rest in der Pause oder gar heimlich, still und leise während der Vorstellung? Sie haben es erraten: Das Publikum widmet seine Aufmerksamkeit dem Smartphone. Es treibt sich auf Facebook, Twitter und Instagram herum. Was gibt es da zu sehen, etwa auch Schauspieler?

1.1.3Das Social-Media-Theater

Ja, Schauspieler sind dort auch zu sehen. Allerdings wurde die klassische Form des Theaters aufgehoben – die Anordnung, die den Schauspielern einen Platz auf der Bühne garantiert und die Zuschauer auf die Ränge verbannt.

Bühne ohne Barriere

Im Social-Media-Theater fehlt die Barriere zwischen Bühne und Saal. Auf den Brettern spielen alle wild durcheinander und buhlen gleichzeitig um Aufmerksamkeit. Gesehen und gehört wird allerdings nur, wer den Nerv der Zuschauer trifft – ihre Wünsche, Ängste und Bedürfnisse.

Eine Bühne ist kein Konferenzraum

Eine Bühne ist weder Konferenzraum oder Auskunftsbüro noch Ort zur Verkündigung von Presseerklärungen. Links liegen lässt das vergnügungssüchtige Publikum alles, was auch nur im Verdacht steht, Langeweile zu verbreiten. Nur sehr spärliche Aufmerksamkeit erhalten die Neulinge. Gnadenlos unter geht jede Premiere, die nicht mit Emotionen und Geschichten begeistern kann – und sei es mit der Auslösung eines Skandals.

1.1.4Die großen Skandale

Schon immer waren in der Welt des Theaters zwei Gruppen von Akteuren am Werk:

1.Die Professionellen: Sie erfüllen die Erwartungen, und das Publikum spendet ihnen dafür den verdienten Applaus.

2.Die Besessenen: Die Bühnenluft ist ihr Sauerstoff. Ohne ihn gehen sie elendig zugrunde. Sie erfüllen die Erwartungen nicht. Die Reaktionen des Publikums reichen von der völligen Missachtung über den tosenden Applaus bis zum schweren Tumult. Zu dieser Gruppe zählen ebenso Schauspieler wie Regisseure. Immer gut für einen Skandal war ein gewisser Herr Friedrich Schiller.

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Bild 1.1: Er war für jeden Skandal zu haben: Friedrich Schiller.

Gerade einmal 22 Lenze zählte der »Feuerkopf«, als sein erstes Stück »Die Räuber« am 13. Januar 1782 im Mannheimer Nationaltheater uraufgeführt wurde. Über die Reaktionen des Publikums berichtet ein Augenzeuge:

»Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum. Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung heranbricht.«

Schiller selbst beobachtete die ausverkaufte Premiere inkognito in einer Loge, denn er war zu dieser Zeit als Regimentsarzt beim Militär verpflichtet und ohne Erlaubnis seines Dienstherrn von Stuttgart nach Mannheim gereist. Für seinen Bühnenerfolg musste er schwer bluten. Der Dichter bekam nämlich nicht nur vierzehn Tage Arrest aufgebrummt, sondern wurde auch noch – weit schlimmer für einen Kreativen – mit einem Schreibverbot belegt.

Doch von seiner Leidenschaft ließ er sich nicht abhalten. Schiller büxte aus, reiste unter falschem Namen umher und arbeitete besessen an den nächsten Werken. Unterdessen sorgten »Die Räuber« für weitere Skandale an den deutschen Bühnen. Das Drama wurde entweder völlig verboten oder durch zensorische Eingriffe abgemildert – aus politischen Gründen, aus moralischen Gründen oder um Schiller als Dichter in Misskredit zu bringen. Hart traf den jungen Rebellen die Absage des Mannheimer Theaters, hatte er sich doch dort nach dem Triumph seines Stücks eine feste Anstellung erträumt. Doch trotz aller Skandale konnte Schiller immer auf die Treue seines Publikums zählen. Sie ahnen, wo in unserer Zeit Stars geboren werden und wo sich die großen Gefühlsausbrüche ereignen? Sicher nicht in den Stadt- und Kreistheatern, denn das Publikum dort weiß sich zu benehmen.

Adrenalinausschüttung

Seit Schiller vom Provokateur zum Klassiker mutiert ist, stiftet die Aufführung seiner Werke keine Unruhe mehr im Saal. Die Arbeit des Sicherheitspersonals beschränkt sich darauf, vor dem Heben des Vorhangs den ordnungsgemäßen Zustand der Feuerlöscher zu kontrollieren. Ganz andere Zustände herrschen dagegen auf den Social-Media-Bühnen. Hier hegen die Zuschauer noch große Erwartungen, und hier fallen Emotionen auf fruchtbaren Boden – mit den entsprechenden Folgen einer Adrenalinausschüttung:

Die Augen rollen, die Fäuste ballen sich, und die Füße stampfen. Das Publikum erlebt ein Wechselbad von Enthusiasmus, Verzweiflung und Erlösung. Kurz gesagt: Auf Facebook, Twitter, YouTube und Instagram herrscht ein Chaos wie zu Schillers Zeiten. Das Theater in seiner Form als Irrenhaus hat dort eine würdige Heimstätte gefunden.

1.2Das Publikum

Was erwarten die Zuschauer im Social-Media-Theater? Dasselbe wie in jedem anderen Theater:

Sie möchten unterhalten werden.

Sie möchten als Mensch angesprochen und in der Seele berührt werden.

Sie möchten sich mit all ihren Wünschen, Ängsten und Hoffnungen verstanden fühlen.

In mancherlei Hinsicht unterscheiden sich die Theaterbesucher nicht von den Staatsbürgern, den Wählern. Allerdings stehen die Damen und Herren Politiker vor einem gewaltigen Dilemma:

Gewählt werden sie nur, wenn sie vor dem Urnengang mit großen Versprechungen locken.

Die Wähler erwarten, dass die Versprechungen hinterher auch eingehalten werden.

Wird nach den Wahlen irgendein Kuchen nicht gebacken oder ungerecht verteilt, hagelt es heftige Kritik von denen, die sich übergangen fühlen. Ob Autofahrer, Radfahrer, Skifahrer, Millionäre oder Habenichtse, irgendeine Gruppe meckert immer. Zum Glück gelten in der Welt des Theaters ganz andere Regeln. Nicht jeder geweckte Wunsch muss sich an der harten Realität messen lassen; von den Zuschauern bewertet wird alleine die gelungene Inszenierung. Kurzum: Ein Theater ist kein Parlament, sondern ein Ort für die Präsentation von Träumen und Sehnsüchten. Im Theater ist Platz für die Utopie.

Gut leben in der Utopie

Der Begriff »Utopie« entstammt dem Griechischen und lässt sich wörtlich mit »Nicht-Ort« übersetzen oder ein bisschen moderner mit »künstliche Welt«. Namensgebend ist der 1516 veröffentlichte Roman Utopia, verfasst vom Diplomaten und Schriftsteller Thomas Morus. Das unterhaltsame Buch – es beschreibt das gute Leben auf einer fiktiven Insel – enthält eine Fülle von Anspielungen auf die britische Gesellschaft. Tragischerweise wurde Thomas Morus 1535 enthauptet, allerdings nicht wegen seines Romans, sondern aufgrund gravierender Meinungsverschiedenheiten mit König Heinrich VIII. von England, Sie wissen schon, der mit den sechs Ehefrauen.

Glanz und Gloria

Seit zweieinhalbtausend Jahren stellt das Publikum höchste Ansprüche an die Beschaffenheit eines Theaters. Es bevorzugt Orte voller Glanz und Gloria wie das Dionysostheater in Athen, die Arena von Verona und das Wiener Burgtheater. Die legendären Spielstätten glänzten bzw. glänzen nicht nur durch ein exzellentes Programm, sie tun sich auch durch modernste Technik und ein gewaltiges Fassungsvermögen hervor. Letzteres ist wichtig, damit man auch als Zuschauer ein Stück weit in das Licht der Öffentlichkeit tritt, um nicht nur zu sehen, sondern auch gesehen zu werden.

In der Social-Media-Welt vorzüglich flanieren lässt es sich auf Facebook, Twitter, You-Tube und Instagram. Hier, wo so viele beisammen sind, kommen die Flaneure auf ihre Kosten. Ihre Likes werden beachtet, ihre Kommentare goutiert oder missbilligt.

In Stein gemeißelt ist in der Welt des Theaters allerdings nichts, und auch ihr Zentrum verschiebt sich von Zeit zu Zeit. Die New Yorker Metropolitan Opera hat das Dionysostheater als weltweit wichtigste Spielstätte abgelöst. Die Hamburger Elbphilharmonie, vollendet nach zehn Jahren Bauzeit, zieht manchen Zuschauer in den Bann, der früher zu den großen Aufführungen nach Wien oder Verona reiste.

Gleiches gilt, bei einer viel höheren Dynamik, für die digitale Welt. Instagram, Pinterest, WhatsApp und Snapchat benötigten kein Jahrzehnt, um den etablierten Bühnen Zuschauer abzujagen. Der Kampf um die Gunst des Publikums wird täglich neu ausgefochten, vorzugsweise im Genre der leichten Muse, der Unterhaltung.

1.2.1Entertainment bitte

Stellen Sie sich folgende Situation in Ihrem Stadt- oder Kreistheater vor: Während sich das versammelte Publikum gerade für ein Lustspiel begeistert, rennt ein aufdringlicher Marktschreier auf die Bühne und preist dem Publikum seine Ware an. Dieses Szenario klingt reichlich absurd und wenig Erfolg versprechend, oder? Und doch, auf den Social-Media-Bühnen versuchen sich immer wieder Unternehmen mit der Holzhammermethode.

Von den Zuschauern wird so ein Marktschreier als jemand wahrgenommen, der mit dem eigentlichen Geschehen überhaupt nichts zu tun hat. Er macht sich beliebt wie ein Besucher, der während der Aufführung ins Telefon brüllt. Gleichermaßen beim Publikum in Ungnade fallen Störenfriede, die unversehens dazu auffordern, eine Reise oder einen Kurs zu buchen, einer Initiative beizutreten oder etwas zu spenden.

Kommen Sie also nicht auf die Idee, sofort und ständig Ihre Produkte zu bewerben, sondern halten Sie es wie ein guter Stückeschreiber: Versetzen Sie sich in die Perspektive und die Gefühlswelt des Publikums. Arbeiten Sie an einer guten Story und verbannen Sie den Kommerz ins Rahmenprogramm. Ihr erstes Ziel ist nicht die Produktpräsentation und schon gar nicht der Verkauf. Ihr erstes Ziel ist es, das Brot des Künstlers zu erheischen: den Applaus.

1.2.2Applaus und Zugabe

Den Nerv des Publikums haben Sie erst getroffen, wenn Applaus erklingt. Den gibt es in unterschiedlichen Formen:

Stufe 1: Höfliches Klatschen. Sie erhalten Likes.

Stufe 2: Ordentlicher Applaus. Sie erhalten positive Kommentare.

Stufe 3: Starker Applaus. Das Publikum teilt freudig Ihre Postings, Tweets, Videos, Pins und Blogbeiträge.

Stufe 4: Zugabe-Rufe. Sie gewinnen neue Freunde, Fans und Follower.

1.2.3Buhrufe und Saalflucht

Auch darauf müssen Sie im Theater vorbereitet sein: Buhrufe und Saalflucht. Stellen Sie sich darauf ein, um im Falle des Falles nicht in Panik zu geraten:

Stufe 1: Leichte Buhrufe. Keine Reaktionen auf Ihre Darbietungen.

Stufe 2: Starkes Buhen. Negative Reaktionen in Form von Beschimpfungen und Beleidigungen.

Stufe 3: Saalflucht. Negative Reaktionen in Form von Entfolgen, Stummschalten und Blocken.

Stufe 4: Tumult. Sie werden bedroht oder beim Bühnenbetreiber gemeldet.

Am besten treten Sie gar nicht erst in ein Fettnäpfchen. Verbreiten Sie keine Humorlosigkeit, Trägheit oder Inkompetenz. Das Publikum erwartet keine Ankündigungen und amtlichen Verlautbarungen, sondern kompetente und verständliche Reaktionen. Insbesondere auf Twitter empfiehlt es sich nicht, Fragesteller lange warten zu lassen und mit Allgemeinplätzen zu vertrösten – wie im folgenden Beispiel (Screenshot vom November 2016):

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Bild 1.2: paydirekt veräppelt den Fragesteller.

Gründlich vergeigt hat es der Zahlungsdienstleister paydirekt im obigen Twitter-Dialog mit der Sparkasse. Die Frage der Sparkasse war ganz locker und mit Sprachwitz eingeleitet: »Kann paydirekt hier vielleicht direkt weiterhelfen?«

Einen halben Tag später trödelte die hilf- und humorlose Antwort ein: »Kurzfristig nicht, aber wir erkundigen uns noch mal bzgl. der Planungen.«

Der Dialog klingt nach einer Szene aus dem Stück »Warten auf Godot« von Samuel Beckett, dem Meister des absurden Theaters. Die Botschaft: Das Unternehmen hat keine Zeit, keine Ahnung und keine Lust.

Souveräner reagierte der Lebensmittelhändler Aldi Süd auf seinem Unternehmensblog auf die Nachfrage eines kritischen Verbrauchers zu Fair-Trade-Produkten.

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Bild 1.3: Aldi geht im Unternehmensblog auf eine kritische Frage ein.

Die Frage im Wortlaut: »Können wir diesem Projekt auch wirklich trauen oder gibt es damit noch Haken und Ösen?? Wer kann dies außerhalb von Aldi glaubhaft bestätigen?«

Die Antwort von Aldi: »Vielen Dank für Ihren Kommentar. Weitere Informationen zu dem Projekt finden Sie auf den Seiten von Fairtrade Deutschland«, gefolgt vom passenden Link.

Noch einmal zum Vergleich:

paydirekt erkundigte sich.

Aldi löste das Problem. Präsentiert wurde der zur Frage passende Link – zu einer glaubhaften Autorität außerhalb des Konzerns.

Punktabzug gibt es für Aldi allerdings bei der Reaktionszeit. Ganze drei Tage hat das Unternehmen den Fragesteller warten lassen.

1.2.4Schubladendenken

Sie kennen vielleicht die Szene aus dem Film »Blues Brothers«, in der sich die Band einen Auftritt in einer Trucker-Kneipe erschwindelt hat. Schon bei den ersten Takten reagiert das Publikum mit Buhrufen, und es dauert nicht lange, bis die ersten Flaschen auf die Bühne fliegen. Was den Zorn erregte: Die Musik passte nicht in die Schublade Country & Western. Ein Publikum strömt nicht ohne bestimmte Erwartungen zusammen, nicht einmal ein Theaterpublikum, das sich selbst als vielseitig und weltoffen versteht.

Wer sich auf ein flottes Musical oder eine nette kleine Operette eingestellt hat, möchte nun mal nicht mit einer schweren griechischen Tragödie konfrontiert werden. Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, mit welchem Können und welcher Leidenschaft die Schauspieler auftreten; mit dem Heben des Vorhangs steht das Ensemble schon auf verlorenem Posten. Im schlimmsten Fall steckt ein enttäuschter Nörgler seine Sitznachbarn an, worauf sich die halbe Reihe zum Ausgang bewegt. Schließlich lichtet sich der Saal, und die Unzufriedenen sammeln sich am Kassenschalter – um das Eintrittsgeld zurückzufordern.

Für einen gelungenen Auftritt muss alles perfekt aufeinander abgestimmt sein:

Die Sparte.

Das Genre.

Die Rollen.

1.3Sparten, Genres und Rollen

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Je größer das Haus, desto vielfältiger das Angebot. Im stationären Theater werden diese fünf Sparten unterschieden:

Sparte Schauspiel: Die überwiegend gesprochene Darbietung.

Sparte Oper: Die grandiose Mischung aus Musik, Drama, Kulissen, Kostümen, Effekten und Überraschungen. Alles, was die Bühnenkunst zu bieten hat, findet in der Oper Platz.

Sparte Operette: Die kleine und heitere Form der Oper.

Sparte Musical: Eine moderne Form der Operette, bei der Musik und Tanz im Vordergrund stehen.

Sparte Ballett: Der künstlerische Tanz.

Sie sehen schon: Das One-and-only-Theater gibt es gar nicht, in Wirklichkeit handelt es sich um eine gemeinsame Spielstätte unterschiedlicher Sparten.

1.3.1Social-Media-Sparten

Die fünf Sparten des Social-Media-Theaters:

Sparte Wort: Der pure Text.

Sparte Bild: Unbearbeitete und bearbeitete Fotografien, Bildmanipulationen und Grafiken.

Sparte Animation: Bewegte Bilder in ihrer einfachsten Form, der GIF-Animation.

Sparte Video: Kleine und große Videofilme.

Sparte Audio: Angebote zum Hören, die nicht mit bewegten Bildern hinterlegt sind.

Die Tabelle zeigt die Verbreitung der Sparten auf den wichtigsten Bühnen:

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Twitter ist die perfekte Bühne für die Meister der kurzen und prägnanten Texte, also für Rapper, Aphoristiker und Dadaisten. Besonders schlagfertige Twitterer verzichten auf einen Fundus an Texten und feuern ihre Wortsalven wie ein Stand-up-Comedian ab. Keinen Platz auf Twitter haben dagegen die großen Erzähler. Ihre langen Texte sind bei Facebook oder in einem Blog besser aufgehoben.

Bildbotschaften sind das Markenzeichen von Instagram, Pinterest und Snapchat. Einen immer größeren Anteil nehmen dabei die Animationen ein, kurze Bewegtbildsequenzen im GIF-Format.

Videokünstler schätzen YouTube als Heimatbühne, wo sie viel Zeit und Arbeit in den Aufbau und die Pflege des eigenen Channels stecken. Doch auch auf Facebook und Instagram wächst der Videoanteil.

Sie könnten die ketzerische Frage stellen, ob dieses ganze Schubladendenken nicht überholt sei. Schließlich stört sich ja heute niemand mehr daran, wenn die Einstürzenden Neubauten ein Konzert in der Elbphilharmonie geben oder ein Boulevardschauspieler eine Hauptrolle in einem klassischen Drama besetzt. Allerdings gilt auch in der Theaterwelt das Promi-Prinzip. Wer über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügt und deshalb überall ein Publikum generiert, darf auf alle Grenzen pfeifen; wer nicht, der nicht.

Sie oder Ihr Unternehmen sind noch nicht wirklich prominent, möchten es aber gerne werden? Dann ist es klüger, den ersten Applaus im schützenden Biotop einzuheimsen und den Horizont später zu erweitern. Doch welches Biotop ist das richtige? Ein Opernsänger bringt seine Kunst mit der Unterstützung eines großen Orchesters zur Vollendung, ein Liedermacher würde von der massiven instrumentalen Begleitung erschlagen. Falls Sie sich nicht entscheiden können: Beginnen Sie auf Facebook.

Facebook als Heimatbühne

Facebook eignet sich für eine Reihe von Sparten als geeigneter Nährboden. Die Gründe:

Ob Text, Bild, Animation oder Video, alles lässt sich platzieren.

Das Publikum ist schon da. Auf Facebook fehlt keine Zielgruppe.

Es ist vergleichsweise einfach, einen Grundstock an Freunden für ein Facebook-Profil aufzubauen. Mit ein paar Tricks – Sie werden sie in diesem Buch noch kennenlernen – gelingt auch der Aufbau einer kritischen Masse an Fans für die Facebook-Seite.

Es ist auf Facebook üblich, die Anhängerschaft auf andere Bühnen mitzunehmen. Häufige Ziele sind eigene Präsenzen auf Instagram und Snapchat. Außerdem ist Facebook gut geeignet, um zusätzlichen Traffic für die eigene Website zu generieren.

Der Nachteil dieser Riesenbühne ist allerdings, dass man sich im Gewirr der Möglichkeiten leicht verlaufen kann. Den Überblick behalten Sie auf Facebook und anderen Bühnen durch die Sortierung der Stücke nach unterschiedlichen Genres.

1.3.2Social-Media-Genres

Die Stücke, die auf den Social-Media-Bühnen gespielt werden, lassen sich in vier Genres einsortieren:

Unterhaltung.

Tutorials.

Werbung.

Ideelles.

Die Tabelle zeigt die Präsenz der Genres auf den wichtigsten Bühnen.

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Unterhaltung

Haben Sie sich eigentlich schon mal gefragt, welche Menschen den größten Teil des Social-Media-Traffics verursachen? Besonders wichtig sind drei Gruppen, die sich auch überschneiden können:

Berufstätige: Viele Berufstätige werden von ihrem Arbeitgeber dazu verdonnert, täglich von 9 bis 17 Uhr an einem Bildschirm zu sitzen, egal ob irgendeine konkrete Arbeit vorliegt oder nicht. Wenn die Stunden bis zum Feierabend lang werden, tut Abwechslung not. Was machen die Berufstätigen dann? Sie beschäftigen sich mit lustigen Sprüchen, Bildern und Videos.

Schüler und Studenten: Schüler und Studenten sind entweder auf der Suche nach schnellen Lösungen für ihre Hausaufgaben, oder sie sind einfach nur gelangweilt. Wenn sie gelangweilt sind, suchen sie nach Abwechslung durch Action oder Unterhaltung.

Pendler aller Art: Pendler sind morgens müde und am Abend gestresst. Bahnpendler hängen während der gesamten Fahrt am Handy. Alle Pendler haben eines gemeinsam: Sie ertragen ausschließlich leichte Unterhaltung.

Fazit: Mit gut aufbereiteter Unterhaltung findet jede Social-Media-Präsenz ein Publikum.

Tutorials

Die Technik sollte ja dazu dienen, das Leben der Menschen zu vereinfachen, und in vielen Bereichen ist das auch gelungen. Der beste Beweis sind Sie selbst, liebe Leserin und lieber Leser. Ihre Urgroßväter und Urgroßmütter hatten nämlich gar keine Zeit, dicke Bücher zu wälzen. Falls sie nicht gerade von adeliger Herkunft waren, rackerten sie sich in der Landwirtschaft ab oder absolvierten einen harten Zehnstundenarbeitstag in einer Fabrik. Der Fortschritt hat aber zwei Seiten. Mit dem Einzug der modernen Technik befreite sich der Mensch zwar vom Joch der harten körperlichen Arbeit, doch der Alltag wurde komplizierter.

Unsere Vorfahren hatten ihr überschaubares Arbeitsmaterial noch unter Kontrolle, sie schärften den Pflug und spitzten den Bleistift selbst. Der heutige Mensch ist ein Sklave der Technik, und der zu zollende Tribut wird immer höher. Die Lage:

Die Welt ist voller Schalter und Knöpfe.

Knöpfe sind wie Köpfe – einer Hydra. Für jeden abgeschlagenen wachsen drei neue nach.

Die technischen Funktionen werden immer umfangreicher, die Bezeichnungen immer wirrer.

Das mühsam angeeignete technische Wissen wird in immer kürzeren Zeiträumen wertlos.

Verständliche Bedienungsanleitungen sind Mangelware.

Auf den Social-Media-Bühnen werden die Bedienungsanleitungen Tutorials genannt. Gute Tutorials generieren alle Formen von Interaktionen, insbesondere Kommentare und Nachfragen an den Autor.

Fazit: Auch mit diesem Genre lässt sich ein Publikum gewinnen.

Werbung

Werbung ist noch nicht auf allen Bühnen ein selbstverständlicher Teil, und wo sie es ist, tritt schnell ein Sättigungseffekt ein. Klassische Werbeformen wie Banner blenden die Zuschauer unbewusst aus. Damit Werbung wahrgenommen wird, muss sie neue Wege gehen: Die Schlüsselwörter heißen Storytelling und Influencer-Marketing. Attraktiv sind Formate, die die Werbung nicht in den Vordergrund stellen.

Fazit: Mit offensiver Werbung allein lässt sich kein Publikum generieren.

Ideelles

Ja, auch ideelle und politische Anliegen haben auf den Social-Media-Bühnen ihren Platz – wenn die Verpackung stimmt. Erfolgreiche Organisationen setzen hier ebenso wie die Werbeindustrie auf das Storytelling. Ein Problem von 100 oder 1.000 Menschen ist für das Publikum nur schwer zu greifen. Leichter nachvollziehbar ist die Geschichte eines einzelnen Menschen in einer konkreten Situation – stellvertretend für alle anderen.

Fazit: Ideelle Anliegen werden vom Publikum eher zur Kenntnis genommen, wenn sie zu einer Person in Verbindung stehen.

1.3.3Eine Rolle einnehmen

Auf den Social-Media-Bühnen nehmen alle eine Rolle ein, sie mimen den harten Kerl oder die ausgeflippte Partymaus. Doch bei den durchschnittlichen Usern blitzt immer noch das Private durch. Neben ihrer Inszenierung bleiben sie Beamte, Mütter oder Fans des lokalen Sportvereins. Sie essen am Sonntag Kuchen und berichten darüber in ihren Texten, Bildern und Videos. Als professioneller Akteur, der sich von der Masse abheben will, sollten Sie sich von dieser undifferenzierten Form der Selbstdarstellung lösen. Nehmen Sie lediglich eine Rolle ein und füllen Sie sie komplett aus.

Rollen von Bedeutung

Jeder Schauspieler, egal ob er im stationären Theater auftritt oder den Social-Media-Bühnen, hat seine Lieblingsrolle. Für das Marketing sind diese vier von Bedeutung:

Der Spaßvogel: Er ist universell einsetzbar, passt auf jede Bühne und glänzt auch im Verkauf. Wenn er am Sonntag Kuchen isst, tweetet er seine Beobachtungen über das seltsame Verhalten der Menschenschlange vor einer Kuchentheke.

Der Reporter: Er kennt sich in der Welt des Sports und der Politik oder in den Niederungen von Tratsch und Klatsch aus. Zum Sonntagskuchen hat er einen Prominenten eingeladen und streamt das Interview live bei Facebook.

Der Verkäufer: Er tritt ganz offen als jemand auf, der etwas an die Frau und den Mann bringen möchte. Den Kuchen genießt er auf einer Verkaufsmesse. Sein Bild- und Videomaterial veröffentlicht er als Story auf Snapchat und Instagram.

Der Erklärer: Er löst die Probleme andere Leute. Sein Kuchen ist nach einem alten Rezept gebacken. Die Zutatenliste veröffentlicht er auf Facebook und Pinterest.

Die Tabelle zeigt, auf welchen Bühnen sich die vier genannten Rollen am besten spielen lassen:

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Eine Rolle glaubwürdig zu spielen ist eine so große Herausforderung, dass sie der Mensch allein gar nicht bewältigen kann. Er benötigt Hilfe von oben – die Unterstützung der Götter.

1.3.4Von der Muse geküsst

In der Welt der Antike entwickelte sich eine Idee nicht von selbst, sondern wurde von den Musen auf die Menschen übertragen. Die neun Schwestern hatte der Göttervater Zeus einst mit Mnemosyne gezeugt, der Göttin der Erinnerung. Und hier sind sie, die wahren Pioniere des Theaters:

Urania

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Bild 1.4: Die Muse Urania. (Quelle: wikipedia)

Urania, die Muse der Sternenkunde und der Philosophie, trägt eine blaue Robe und hält Globus und Zeigestab in ihren Händen.

Sie dient als Inspirationsquelle für kosmische Angelegenheiten.

Beispiel für eine Astronomie- oder Astrologieseite:

Veröffentlichung von Sternbildern auf den Social-Media-Bühnen und Verlinkung zu Horoskopen oder Tutorials zur Himmelsbeobachtung.

Klio

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Bild 1.5: Die Muse Klio. (Quelle: wikipedia)

Klio heißt die Muse für die Geschichte und das Gitarrenspiel. Ihre typischen Accessoires: Buch und Feder sowie als Musikinstrument eine Gitarre oder eine Trompete. Auf dem Haupt trägt sie einen Lorbeerkranz.

Lassen Sie sich von ihr küssen, um historische Fakten in Ihre Texte, Bilder, Animationen und Videos einfließen zu lassen.

Beispiel für einen Bildungsanbieter:

»Hätten Sie es gewusst? 1901 wurde der erste Nobelpreis verliehen. Den Friedensnobelpreis erhielt Henri Dunant, der Gründer des Roten Kreuzes.«

Euterpe

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Bild 1.6: Die Muse Euterpe. (Quelle: wikipedia)

Euterpe heißt die Muse für Flötenmusik und lyrische Poesie. Leicht zu erkennen ist sie an der Doppelflöte, einem in der Antike weitverbreiteten Instrument. Lassen Sie sich von ihr inspirieren, um Poesie zu verbreiten.

Beispiel für eine Eventagentur:

Ein Gedicht zitieren, zum Beispiel von Ringelnatz oder Wilhelm Busch. Diese Poeten sind vor mehr als 70 Jahren verstorben, ihre Werke sind deshalb gemeinfrei. Die Werke von Erich Kästner und Loriot hingegen sind geschützt.

Thaleia

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Bild 1.7: Die Muse Thaleia. (Quelle: wikipedia)

Thaleia verkörpert die leichte Unterhaltung, die Komödie und die ländliche Dichtung. Sie ist von freundlichem und angenehmem Wesen. Als Erkennungszeichen trägt sie oft einen Hirtenstab.

Lassen Sie sich von ihr inspirieren, um gute Laune zu verbreiten.

Beispiel für die ländliche Gastronomie:

Präsentation von humorvollen Sprüchen.

Melpomene

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Bild 1.8: Die Muse Melpomene. (Quelle: wikipedia)

Melpomene ist für die tragische Dichtung zuständig. Sie trägt zumeist die Insignien der Macht, ist aber auch von Symbolen des Verfalls umgeben. Ihre ganze Erscheinung hat etwas Melancholisches.

Lassen Sie sich von ihr inspirieren, um vor Gefahren zu warnen.

Beispiel für eine Versicherung:

»Im Unglücksfall ist es beruhigend, zumindest finanziell abgesichert zu sein.«

Terpsichore

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Bild 1.9: Die Muse Terpsichore liebt frohen Tanz und Chorgesang. (Quelle: wikipedia)

Dargestellt wird sie häufig tanzend oder mit einem Musikinstrument in der Hand. Außerdem gilt sie als Schirmherrin der Logik.

Lassen Sie sich von ihr inspirieren, um Besucher für Events anzulocken.

Beispiel für eine Tanzschule:

Produktion eines Videoclips für einen Ball.

Erato

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Bild 1.10: Die Muse Erato. (Quelle: wikipedia)

Erato bringt den Sterblichen Gesang, Tanz und Liebesdichtung. Abgebildet wird sie oft mit Myrten und Rosen oder in Begleitung eines geflügelten Amor, dem kleinen Knilch, der eifrig die Pfeile der Liebe verschießt.

Lassen Sie sich von ihr für alles inspirieren, was mit Herzensangelegenheiten zu tun hat.

Beispiel für einen Geschenkeshop:

Aufforderung an des Social-Media-Publikum, von den schönsten Liebeserlebnissen zu berichten – und mit einem Augenzwinkern von den schlimmsten.

Polyhymnia

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Bild 1.11: Die Muse Polyhymnia. (Quelle: wikipedia)

Polyhymnia heißt die Muse für Tanz, Pantomime und den hymnischen Gesang. Zuständig ist sie aber nicht nur für die Musik, sondern auch für das perfekte Zusammenspiel von Stimme und Körper. Deswegen wird sie häufig mit einem Instrument und einer weißen Robe dargestellt.

Sie dient als Inspirationsquelle für Hymnen aller Art.

Beispiel für einen Sportverein:

Audioaufnahme der Vereinshymne.

Kalliope

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Bild 1.12: Die Muse Kalliope. (Quelle: wikipedia)

Angeführt werden die Damen von der Hauptmuse Kalliope. Sie verkörpert das Saitenspiel, die heroische und die epische Dichtung.

Kalliope inspiriert alle, die sich auf Abenteuer einlassen.

Beispiel für einen Tourismusanbieter:

Marketing von Abenteuerreisen mit Bezug zu bekannten Mythologien – von Odysseus bis Jules Verne.

Lassen auch Sie sich von einer der Musen küssen – aber bitte nicht von allen gleichzeitig. Das wäre nicht nur sehr anstrengend, und das Ergebnis würde auch das Publikum überfordern.

Betrachten Sie sich selbst – und Ihr Team. Von welcher Muse fühlen Sie sich magisch angezogen? Falls Sie noch etwas unsicher sind, freunden Sie sich mit Thaleia an.

1.3.5Zwischen Thaleia und Erato

Thaleia, die Muse der leichten Komödie und der ländlichen Dichtung, eignet sich für alle Social-Media-Premieren als Inspirationsquelle. Was die Dame so attraktiv macht? Die zeitlosen Eigenschaften, die der gestresste Städter mit dem Landleben in Verbindung bringt:

Ehrlichkeit und Einfachheit

Ruhe und Idylle

Natur

Freiheit

Unschuld

Ein einfacher Spruch und ein idyllisches Bild genügen, um Thaleia ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern – und eine positive Resonanz vom Publikum zu erhalten.

Kein Porno mit Erato

Die Muse Erato kann als Inspiration für Social-Media-Bühnen dienen, auf der sich das etwas reifere Publikum tummelt. Mit ihrem zärtlichen Gesang weckt sie die Lust bei allen eisernen Jungfrauen und anderen notorischen Singles. Wohlgemerkt – sie weckt die Lust. Für konkrete Darstellungen ist sie nämlich ebenso wenig zu haben wie Face-book, wo alle Bilder und Videos mit nackten Tatsachen von der Bühne verbannt werden.

Welche Lüste sind aber erlaubt? Diese hier:

Die Lust an der Selbstinszenierung.

Die Lust, einen Eindruck vom Gegenüber zu gewinnen und ihn ein bisschen aus der Reserve zu locken.

Der Flirt mit dem Publikum.

1.4Social-Media-Stars

Zur Abwechslung dürfen Sie nun eine kleine Aufgabe lösen. Verbinden Sie mit jedem der folgenden Stars eine bestimmte Attitüde. Zur Verfügung stehen:

1) Otto Waalkes, 2) Marilyn Monroe, 3) Martin Luther King, 4) Stephen Hawking, 5) Garfield

a) Sex-Appeal, b) Gerechtigkeit, c) Gefräßigkeit, d) Intelligenz, e) Humor Lösung: 1e, 2a, 3b, 4d, 5c

Zugegeben, das war keine wirkliche Herausforderung. Echte Stars verkörpern eine Attitüde so unmittelbar, dass Verwechslungen völlig ausgeschlossen sind. Natürlich verfügt, von Garfield abgesehen, jeder Star auch über eine private Seite. Hinter so manchem Komiker verbirgt sich ein von Weltschmerz geplagter Moralist, der das Genre benutzt, um möglichst viele Menschen zu erreichen.