Freunde, ist das Leben schön

Der Überraschungsgeburtstag

Der Geburtstag ist ein ganz besonderer Tag. An einem Geburtstag sind alle da, die man gerne hat. An einem Geburtstag wird gefeiert. Eigentlich sollte jeder Tag ein Geburtstag sein. Aber der Reihe nach.

 

Der kleine Tiger und der kleine Bär wohnten in einem gemütlichen Haus am Fluss, und das Leben war schön. Und wenn das Leben schön ist, macht man sich weniger Sorgen. Steht in keinem Schulbuch, ist aber so.

Der kleine Bär war an diesem Morgen wie an jedem Morgen beim Pilzefinden im Wald. Und der kleine Tiger? Hatte Besuch von der Tante Gans.

 

»Welcher Tag ist heute?«, fragte die Tante Gans.

»Moment«, sagte der kleine Tiger und schaute auf den Kalender an der Wand.

»Dienstag«, sagte der kleine Tiger. »Au weh. Morgen hat der Bär Geburtstag.«

»Ein Bärengeburtstag«, schnatterte die Tante Gans, »ist fast so gut wie ein Gänsegeburtstag. Nur mit weniger Federn.«

»Ich weiß nicht, was ich ihm schenken soll«, sagte der kleine Tiger.

»Schenk ihm doch einen Überraschungsgeburtstag.«

»Was ist denn ein Überraschungsgeburtstag?«

Und die Tante Gans erklärte es ihm: »Ein Überraschungsgeburtstag ist, wenn man für das Geburtstagstier ein Fest organisiert. Mit allen Freunden und einer großen Sause. Aber heimlich, sodass es das Geburtstagstier nicht merkt und dann total überrascht wird.«

»Ich liebe Überraschungsgeburtstage«, sagte der kleine Tiger.

Und dann sprachen sie noch über andere wichtige Dinge. Über das Wetter. Über Körner und Pilze. Über die Sterne.

Als die Tante Gans gegangen war, machte sich der kleine Tiger auf zu seinen Freunden. Zum Überraschungsgeburtstag einladen.

»Wann ist denn der Überraschungsgeburtstag?«, fragte der müde Maulwurf.

»Morgen«, sagte der kleine Tiger. »Und jeder bringt etwas für die große Sause mit.«

»Geht klar«, sagte der müde Maulwurf.

 

Unten am Fluss traf er auf den riesengrauen Elefanten und den flinken Fisch, die gerade Rüssel-Latten-Hochsprung übten.

»Wann morgen?«, fragte der riesengraue Elefant.

»Hm, gute Frage«, überlegte der kleine Tiger. »Wenn die Sonne über dem Wald aufgeht.«

»Geht klar«, sagte der riesengraue Elefant.

»Und keine Ausreden«, sagte der kleine Tiger zum flinken Fisch.

»Aber wenn es zu trocken ist?«, fragte der flinke Fisch.

»Für eine große Sause für den Bären ist es nie zu trocken.«

Am Waldrand begegnete er dem schnellen Hasen mit den langen Ohren.

»Wir treffen uns hinter dem Haus«, sagte der kleine Tiger. »Aber leise, damit es der Bär nicht merkt.«

»Geht klar«, sagte der schnelle Hase. »Und jeder bringt etwas für die große Sause mit?«

»Woher weißt du das?«, fragte der kleine Tiger.

»Bin eben nicht nur schnell, sondern auch klug«, rief der schnelle Hase. Und schon war er weg. Termine!

Im Wald musste der kleine Tiger aufpassen, dass er nicht auf den kleinen Bären traf. War vorsichtig wie die Maus vor dem Adler. Dabei traf er den Fuchs.

»Kommt die Gans auch?«, knurrte der Fuchs.

»Kommt auch«, sagte der kleine Tiger. Und der Fuchs wollte auch kommen. Und der Igel auch. Und die Krähe und der Reiseesel Mallorca auch. Und alle wollten etwas für die große Sause mitbringen.

 

Am Abend saßen der kleine Tiger und der kleine Bär auf dem weichen Sofa aus Plüsch. Hatten es auf einen Maulwurfshügel gestellt. Hat man einen guten Ausblick. Und ein guter Ausblick bringt große Glückseligkeit.

»Weißt du, was morgen für ein Tag ist?«, fragte der kleine Bär.

»Logisch«, sagte der kleine Tiger. »Vielleicht Pilzsammeltag?«

»Nein«, sagte der kleine Bär, »ein anderer Tag. Ein besonderer.«

»Ach so«, sagte der kleine Tiger. »Vielleicht Saltospringtag?«

»Nei-hein!«, sagte der kleine Bär. »Morgen ist mein Geburtstag. Hast du fast vergessen, was?«

»Fast vergessen, stimmt«, sagte der kleine Tiger.

Perfekt abgelenkt, kleiner Tiger!

Dann kam die Tante Gans zu Besuch. Wollte ein Abendschwätzchen halten. Über das Wetter. Über Pilze und Körner. Und über andere wichtige Dinge.

 

»Morgen habe ich Geburtstag«, sagte der kleine Bär. »Kommst du mich besuchen?«

»Geht leider nicht«, schnatterte die Tante Gans. »Hab eine Feder verloren. Muss zum Gänsedoktor.«

Perfekt geschwindelt, Tante Gans!

Der schnelle Hase kam vorbei. War auf dem Weg zu einem Spättermin. Setzte sich aber für ein kurzes Pläuschchen zu den beiden auf das weiche Sofa aus Plüsch.

»Morgen habe ich Geburtstag«, sagte der kleine Bär.

»Ich weiß«, sagte der schnelle Hase.

»Hase!«, rief der kleine Tiger, und der schnelle Hase hätte sich am liebsten die Ohren lang gezogen.

»Woher denn?«, fragte der kleine Bär.

»Äh, hab’s mir gemerkt«, sagte der schnelle Hase. »Vom letzten Jahr. Da hattest du auch morgen Geburtstag, stimmt’s?«

»Stimmt«, sagte der kleine Bär.

In allerletzter Sekunde perfekt geschwindelt, schneller Hase.

»Kommst du mich besuchen?«, fragte der kleine Bär.

»Leider keine Zeit«, rief der schnelle Hase, »hab wichtige Termine. Und wichtige Termine müssen eingehalten werden.«

Und schon war er weg, der schnelle Hase. Zuerst die Pfoten, dann die Ohren. Die Ohren kamen manchmal nicht mehr mit beim schnellen Hasen.

»Das wird aber ein langweiliger Geburtstag«, sagte der kleine Bär. »Machst du mit mir eine Sause, Tiger?«

»Tut mir leid«, sagte der kleine Tiger. »Ich muss morgen dem Fisch helfen. Der Fisch möchte mal einen Spaziergang machen. Komplizierte Sache.«

»Macht nichts«, sagte der kleine Bär. »Ein Geburtstag ist auch nur ein Tag.«

 

Und dann gingen sie schlafen. In den Geburtstag hinein. Unter der warmen Decke. Eine warme Decke ist wie ein guter Freund. Der kleine Tiger aber tat nur so. Stand heimlich wieder auf und bereitete hinter dem Haus die große Sause für den kleinen Bären vor.

Der müde Maulwurf half ihm dabei. Tisch aufgestellt. Tisch gedeckt. Girlanden aufgehängt. Alles geschmückt. Perfekt!

Dann ab in den Wald, Pilze finden. Jetzt ist es aber so, dass Pilze finden in der Dunkelheit sauschwer ist. Sieht man sie ja noch weniger. Der müde Maulwurf half ihm dabei. Fand die Pilze mit der Nase, nicht mit den Augen.

Und jetzt schnell zurück ins Bett, kleiner Tiger. Damit der kleine Bär nichts bemerkt.

Der kleine Bär schlief tief und fest. Träumte von einer leckeren Pilzpfanne. Und von einer großen Sause mit seinen Freunden.

 

»Tiger!«, sagte der kleine Bär am nächsten Morgen. »Steh auf. Ich habe heute Geburtstag.«

»Ich bin so müde«, sagte der kleine Tiger. »Später.«

»Ist auch nur ein Tag«, sagte der kleine Bär und ging wie jeden Tag in den Wald. Er kam aber nicht weit. Denn am Waldrand fand er einen ganzen Korb voll gesammelter Pilze. Und einen Zettel darin, auf dem stand: Alle Gute, Bär!

»Tiger, Tiger!«, rief der kleine Bär schon von Weitem ganz aufgeregt. »Ich habe eine Geburtstagsüberraschung bekommen.«

Als er am Haus ankam, war da aber kein Tiger. Dafür hing ein Zettel an der Haustür. Auf dem stand: Such mich doch!

Also suchte der kleine Bär nach ihm. Zuerst in der guten Stube: kein Tiger. Dann unter dem weichen Sofa: kein Tiger. Und im Topf war er auch nicht. Der kleine Bär ging wieder nach draußen. Er schaute um die erste Ecke: kein Tiger. Aber dann, als er um die zweite Ecke schaute: Paukenschlag und Trompeten.

Geburtstagslied vom schnellen Hasen und dem Igel, der Tante Gans und dem Fuchs, dem riesengrauen Elefanten, dem flinken Fisch und dem müden Maulwurf. Und: vom kleinen Tiger!

Happy Birthday to you,

die Pilze haben heute Ruh’,

die Katze küsst die Tatze,

Happy Birthday to you.

Alles Gute zum Geburtstag, lieber Bär. Und der kleine Bär? Musste sich erst einmal setzen. Konnte nichts mehr sagen. Überraschung gelungen.

 

»Lieber Freund Bär«, sagte der Reiseesel Mallorca in seiner feierlichen Geburtstagsrede. »Heute ist dein Geburtstag. Und an dem wichtigsten Tag in deinem Leben …«

»Stimmt«, rief der flinke Fisch im Topf. »Sonst wärst du nämlich gar nicht hier.«

»Stimmt«, rief der schnelle Hase. »Das wäre nämlich verdammt schade.«

»Also«, sagte der Reiseesel Mallorca, »am wichtigsten Tag in deinem Leben machen wir, deine Freunde, mit dir, unserem Freund, die allerschönste Sause, die du dir vorstellen kannst.«

Und der kleine Bär? War platt vor Freude. Überraschung gelungen.

Der kleine Tiger servierte eine leckere Pilzpfanne. Der schnelle Hase hatte einen köstlichen Möhrensalat gemacht. Der flinke Fisch eine herrliche Fluss-Suppe. Und zum Nachtisch gab es ausgezeichneten Maulwurfskuchen. Sie sprachen über das Wetter, über Pilze und Körner und über die Sterne. Und als sie genug geplaudert hatten, spielten sie Musik und tanzten in den Abend hinein. Überraschung gelungen!

Als sie in dieser Nacht im Bett lagen, sagte der kleine Bär: »Oh, Tiger! Das war der schönste Geburtstag in meinem Leben. Am liebsten hätte ich jeden Tag Geburtstag.«

Und der kleine Tiger? Konnte nichts mehr antworten. War vor Müdigkeit sofort eingeschlafen.

»Wenn du Geburtstag hast«, flüsterte der kleine Bär und deckte ihn mit der warmen Decke zu, »bekommst du auch einen Überraschungsgeburtstag.«

Die Reise immer geradeaus

Dies ist die Geschichte, wie dem kleinen Tiger einmal langweilig war. Und wie er die Langeweile vergaß. Denn Langeweile merkt man nur, wenn einem langweilig ist. Aber der Reihe nach.

 

Der kleine Tiger und der kleine Bär wohnten in einem gemütlichen Haus am Fluss, und das Leben war schön. Heute aber war irgendetwas anders. Als der kleine Bär nämlich von einer guten Pilzsuche zurückkam, lag der kleine Tiger im Gras. Auf dem Bauch, flach wie ein Kartoffelpuffer.

»Was ist mit dir?«, fragte der kleine Bär.

»Nichts«, sagte der kleine Tiger.

»Mir kannst du nichts erzählen«, sagte der kleine Bär, denn er kannte den kleinen Tiger fast so gut wie sich selbst. Und das ist ganz schön viel. »Was ist?«