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VALERIA

PARRELLA

ENZYKLOPÄDIE
DER FRAU

UPDATE

Aus dem Italienischen von Gudrun Jäger
und Cathrine Hornung

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Inhaltsverzeichnis

Enzyklopädie der Frau: Update

Ergänzungsband

Symposion

Descartes

Der Andere

Narrenmatt

Grand Tour

Sein oder nicht sein

Rosen und Violinen

Exodus

Traurige Tropen

Arcimboldo

Handkuss

Mein Bruder sagt

Wortschatz

Die Experten antworten

Troja

LookMe

Stat rosa pristina nomine, nomina nuda tenemus

Die Aussteuer

Morgenstund hat Gold im Mund

Die Ampel

Diogenes

Verdienstorden

Schmetterlingssammlung

Lesbisches Trimester

Overbooking

Kopernikus

Violeta

Wir pfeifen auf Hegel

Alphabetisches Stichwortverzeichnis mit Erläuterungen

Verzeichnis nach Sachgebieten

Inhaltsverzeichnis

Der letzte Handkuss

Enzyklopädie der Frau Update

„Alles für den Körper, nichts für den Geist“,

so könnte das Motto dieser Heerscharen

von Frauen lauten, die dazu verdammt sind, in

einer allzu modernen Welt zu leben, in der

sie zwar mühelos Arbeit finden und zu Wohlstand

gelangen, wo sich aber alles gegen sie verschworen

hat, um ihre Natur auszulöschen.

Aus der Enzyklopädie der Frau,
über „Die skandinavische Frau“.

Mit einem verlegenen Lächeln angesichts der Kostbarkeit des Geschenks, das sie ihr überreichen wollte, nahm meine Großmutter mütterlicherseits ihre Tochter nach deren Rückkehr von der Hochzeitsreise in Empfang. Dank der tatkräftigen Unterstützung eines Postangestellten, dem sie ordentlich Dampf gemacht hatte, war es ihr gelungen, rechtzeitig von Fratelli Fabbri Editore den festen Kunstledereinband des monumentalen Werkes zu beziehen, das sie Woche für Woche am Kiosk erstanden und in dem sie auch ein wenig gelesen hatte, aber immer vorsichtig und darauf bedacht, die Klammerheftung nicht zu beschädigen, bevor sie sanft über die Titelseite strich und es wieder neben die saubere Wäsche in den Schrank legte.

Die Enzyklopädie der Frau erschien jeden Samstag als Wochenendbeilage zu 150 Lire, und meine Großmutter versteckte jedes Heft in der Zeitung Il Mattino, die sie immer für meinen Großvater besorgte. Vier Jahre lang (so lange brauchten die Experten von Fabbri, bis sie das Gefühl hatten, alles zusammengetragen zu haben, was eine Frau wissen musste) hegte sie mit einer Geduld, die man heute als pathologisch bezeichnen würde, den geheimen Traum, das kostbare Vademekum eines Tages ihrer erstgeborenen Tochter, meiner Mutter, zu schenken. Am 16. März 1963 (Jahrgang I, Nr. 20, Sonderbeilage) hatte meine Großmutter für 100 Lire sogar die Register von Band II und ein Blatt erstanden, das der einmal gebundenen Ausgabe als Schmutztitel dienen sollte und auf dem auch der Untertitel stand: Enzyklopädie der Frau: Gesammeltes praktisches Wissen und weibliche Allgemeinbildung.

„Ich habe es bloß nicht geschafft, sie rechtzeitig binden zu lassen“, sagte sie bewegt, während sie der Tochter dabei zusah, wie sie die Hefte auspackte, und in ihren Augen glänzte ein Licht, das von der ganzen Zukunft kündete, die sie ihr damit zum Geschenk machte. In jener Nacht haben mich meine Eltern, ohne auf die Enzyklopädie zurückgreifen zu müssen, gezeugt.

Ich wurde in einer Stadt geboren, die sich gerade erst von den Knien aufrichtete, in die der Krieg sie gezwungen und auf denen die Amerikaner sie zurückgelassen hatten. Knie des Todes oder der Unterwerfung, auf jeden Fall noch blutunterlaufen und zerschunden. Während Francesco Rosi1 eingestürzte Wohnhäuser und den Abriss ganzer Stadtviertel filmte und Achille Lauro seine Hände nach der Stadt ausstreckte, kam ich schreiend in einem Kreissaal des Krankenhauses Loreto Mare zur Welt: natürliche Geburt, keine langen Wehen. Meine Eltern gaben mir den Namen Amanda, obwohl die Großmütter dagegen waren. Sie nannten mich so, weil sie Latein konnten: Das hatten sie ab der Mittelstufe in der Schule gelernt und in der lateinischen Messe vertieft. Es ist nicht leicht, einem Gerundium gerecht zu werden, aber diese Prägung, die mir als Wickelkind noch nicht bewusst war, muss der Beginn vieler Dinge gewesen sein. Sie nannten mich Amanda, weil meine Mutter bei meiner Geburt – genau in jenem Moment – durch die großen Fenster, die auf den Hafen gingen, eine rote Wolke erblickte, die rasch näherkam: Sie brachte den Schirokko mit. Auch mein Papà, der rauchend auf und ab ging, wie in den Schwarzweiß-Karikaturen der Settimana Enigmistica, vernahm das laute Rauschen der Bäume und das leise Klirren der Glasscheiben im Wind. Sie konnten nicht wissen, dass die sexuelle Revolution im Anrücken war und auch sie erfassen würde, die Proletarier und die bürgerliche Mittelschicht, praktische, unintellektuelle Leute, die mit zweiundzwanzig bereits arbeiteten und Kinder in die Welt setzten und kirchlich heirateten, Leute, die Waschmaschinen kauften. Sie konnten es nicht wissen, aber sie ahnten es, sie mussten ahnen, dass dies ein heidnischer Wind war, dass sich der Odem des Ovid über die Jahrtausende hinweg erneuerte und dass er ihre Art und Weise, Liebe zu machen und über die Liebe zu denken, hinwegfegen würde. Er würde in den Schlafzimmern die Lichter anknipsen, in den Städten die Schamgrenzen der Paare niederreißen und an den Stränden die Bikinihosen von den Hintern wehen.

Die unmittelbaren Folgen waren, dass meine Mutter mithilfe einer Cousine, die einen amerikanischen Besatzungssoldaten geheiratet hatte, illegal eine Schachtel Antibabypillen aus den Vereinigten Staaten erwarb. Dass ich beim Herumkrabbeln ein hübsches, kreisrundes Blister fand und es schaffte, drei der rosaroten Pillen zu verzehren, und sie mich ins Krankenhaus Santobono brachten, um mir den Magen auspumpen zu lassen, ohne etwas über die verbotene Substanz, die in meinem Bauch rumorte, zu verraten. Dass ich immer schon wusste, dass die Männer es im Stehen machen, weil mein Vater die Klotür offen ließ. Dass ich an die Madonna glaubte, und zwar an die von Munch, die als gerahmter Druck im Wohnzimmer hing, blaue Haare, orangefarbener Heiligenschein und schielende Brustwarzen. Wenn ich groß war, wollte ich so sein wie sie. Dass Millers Wendekreis des Krebses vom vielen Lesen ganz zerfleddert war und sie mir aus dem Schulmäppchen den Uhu klauten, mit dem der Buchrücken wieder zusammengeklebt wurde. Ich erinnere mich, wie Papà das Buch hielt, während Mamma mit Wäscheklammern den Einband befestigte. Ich weiß noch, wie Antigone in Cavanis Film I cannibali mit wehenden Haaren im Motorboot flüchtete, als wäre ich es selbst gewesen. Und wie ich in pubertärer Aufmüpfigkeit stinksauer auf meine Mutter war, weil sie mir für eine Party nicht rechtzeitig den Rock ausgebessert hatte, und wie mein Vater mir über den Mund fuhr und sagte: „Schäm dich, Mamma ist eine berufstätige Frau.“ Er war Feminist, Leute, und ich habe geglaubt, dass es überall so sei: Dass immer der, der gerade Zeit hat, einkaufen geht, kocht, den Abwasch macht und nachmittags den Kindern bei den Hausaufgaben hilft. Dass es gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt, und dass, falls einer mehr arbeitet und weniger verdient, das zuständige Ministerium dafür verantwortlich ist (meine Eltern waren beide Beamte, der Privatsektor war ein Moloch, dem man um jeden Preis entkommen wollte, und wer bei einem Privatunternehmen arbeitete, wurde bemitleidet wie ein zu kurz gekommener Bruder). Dass niemand andere herumkommandieren darf, und dass ein diskriminierender Ausdruck unmöglich als Beleidigung herhalten kann. Man kann niemanden als „Nutte“ oder „Schwuchtel“ beschimpfen, weil die Menschen alle gleich sind, egal, wie das Leben ihnen mitgespielt hat. Folglich ist der Gedanke, ein sexuelles Schimpfwort könne einem anderen etwas anhaben, schlichtweg unproduktiv und unvorstellbar. Ich glaubte wirklich, dass alle so dachten. Und dass bei den Klassenkameraden, auf die das nicht zutraf, nur der Schirokko noch nicht vorbeigekommen war, dass sie es aber verstehen würden, wenn sie älter wurden. Im Übrigen: Auch meine heiß geliebten Großeltern, mehr oder weniger praktizierende Katholiken, waren anders, und auch ihre ethisch-moralische Orthodoxie erklärte ich mir damit, dass sie einer längst vergangenen Epoche angehörten, derselben, die 50 Millionen Kriegstote auf dem Gewissen hatte. Dass sie zu der Generation gehörten, die den Faschismus zugelassen, Hitler gewählt und die Rassengesetze toleriert hatte. Es ging ihnen nicht gut: Sie lagen falsch, das hatten sie ja bereits bewiesen. Sie waren antiquiert, von gestern, hatten das Verfallsdatum überschritten. Die übrige Menschheit konnte gar nicht anders, als ebenfalls den revolutionären Pfad meiner Eltern einzuschlagen. Zwangsläufig: alle ohne Unterhosen, ohne Vorurteile, ohne Tabus. Männer und Frauen haben an der gleichen Sache Spaß: sich lieben, sich anfassen, sich küssen, kommen. Auf die gleiche Art und Weise: Wir wollen alle die gleiche Sache, und wir sind frei.

Die Welt, die sich mir bot, war perfekt, und ich hatte das große Glück, pünktlich zu meiner Geschlechtsreife eine derart perfekte Welt vorzufinden. Zu jener Zeit, es war in der vierten Klasse auf dem Gymnasium, kam ich zu dem Schluss, dass mein Name kein weiblicher Singular, sondern ein neutraler Plural war. Amanda.

Was die Enzyklopädie der Frau betrifft, so hat sie mich lange begleitet. Schon während der Entwöhnung von der Mutterbrust und noch darüber hinaus bin ich darauf gesessen. Mit jedem Jahr, das verging, nahm mein Vater einen weiteren Band von meinem Stuhl, bis ich groß genug war, um ohne Erhöhung am Tisch zu sitzen. Damals breitete ich die einzelnen Hefte noch auf dem Küchenboden aus und ordnete sie nach den Farben der Titelblätter neu an, wobei höchst fantasievolle Regenbögen entstanden, die keinem optischen Gesetz folgten. Dann begann ich hineinzuschauen, fasziniert von den kolorierten Zeichnungen, die verschiedene Werke der Weltliteratur und des Theaters illustrierten: Anna Karenina, Lord Byron, der Stilnovismus, Madame Bovary, Goldonis Mirandolina. Derselbe Zeichner widmete sich auch den historischen Persönlichkeiten. Der dritte Band war umwerfend: Beatrice Cenci, Caterina de’ Medici, Ines Castro, Marie Antoinette und Lucrezia Borgia, alle waren darin versammelt. Die moderneren Themen, zum Beispiel die Tiroler Bauernmöbel oder die Möbel im Stil der Renaissance, waren mit Fotos illustriert. Jede Woche gab es mindestens zwei Seiten mit Farbfotos von Hängeleuchten und einen Schnittmusterbogen, der ausgefaltet fast so groß war wie ich, den aber nie jemand herausgetrennt hatte. Sobald ich in der Lage war, die winzigen Druckbuchstaben zu entziffern, nahm meine Mutter mir die Enzyklopädie weg. Sie fand sie gefährlich, das sagte mir mein Familieninstinkt, der ja nie rational begründbar ist. Sie wurde auf dem Dachboden verstaut: Schließlich war sie ein Geschenk der Großmutter gewesen, und meine Mutter brachte es nicht übers Herz, sie wegzuwerfen. Doch das Machwerk war schlicht zu reaktionär, viel zu reaktionär, und bei sowas hörte der Spaß auf: Und so wuchs ich rasch heran und mit mir die Nation.

Ein paar ganz persönliche Daten: Ich saß 35 Minuten lang im Treppenhaus der Oberschule Campanella in der Via Foria 88 und wartete auf meine Eltern. Es war der 10. Februar 1976, ich war zwölf, Mamma und Papà standen mit dem Personalausweis in der Hand Schlange, um ihre Unterschrift für ein Volksbegehren zu leisten. Mamma wurde niemals müde, obwohl sie einen dicken Bauch vor sich herschob: Sie war mit meinem Bruder Armando schwanger, der fünf Tage später zur Welt kam. Am 22. Mai 1978 schenkte mein Vater meiner Mutter 194 violette Anemonen.

Nachdem sich im Land etwas bewegt hatte, trat eine gewisse Entspannung ein. Ich fuhr fort, in der Stille des Dachbodens in meiner Enzyklopädie der Frau zu schmökern.

Das Faszinierendste daran war (und für einen neugierigen Teenager sind solche Dinge geradezu unwiderstehlich), dass sie, anders als die herkömmlichen Enzyklopädien, keiner alphabetischen Ordnung folgte. Sie folgte überhaupt keiner Ordnung, denn sie war die Summe der Hefte, die über die Jahre hinweg Woche für Woche erschienen waren. Eine Truhe voll mit geballtem Wissen. Doch wie jedes Durcheinander verlangte sie nach einem guten Ordnungskriterium, und tatsächlich waren ihre Register so hervorragend gemacht, dass mir während meiner gesamten Schul- und Universitätslaufbahn in den folgenden vierzig Jahren nie wieder etwas dermaßen Systematisches unterkommen sollte. Es gab ein Inhaltsverzeichnis, das nach fortlaufenden Seitenzahlen geordnet war: Die russische Frau, das Briefpapier, der Russische Salat, das Bett, die Ringe, die grünen Salate, die Zubereitung von Eierspeisen (erster Teil), die Aufbewahrung von zu Hause nicht waschbaren Kleidungsstücken, die Nasennebenhöhlenentzündung.

Daran schloss sich das Verzeichnis nach Sachgebieten an: A wie Abendkleidung / die eleganten Handschuhe, S. 509, die Stöckelschuhe, S. 582, die Seidenstrümpfe, S. 522, und weiter über B wie Bettwäsche und D wie Dessous zu K wie Kunst und Kunsthandwerk / das Porzellan von Sèvres und Limoges und M wie Möbel, bis hin zu T wie Tourismus und Z wie Zoologie.

Und schließlich das alphabetische Stichwortverzeichnis: E wie Ebenholz, Efeu, Ekzeme, Erziehung … Bei S wie Salome gelangte ich zum Orgasmus und dachte, was für wunderbar selbstgenügsame Wesen wir doch sind, wie die einzelligen Organismen, und dass wir im Leben aus zwei wesentlichen Gründen nichts zu befürchten haben: Es hat keinerlei Bedeutung, und um uns über diese Leere hinwegzutrösten, haben wir alles, was wir brauchen.

Fast ein halbes Jahrhundert später, beim herzzerreißenden Abschied von den Überresten des alten Hauses, in dem niemand mehr wohnte, war die Enzyklopädie der Frau das Einzige, was ich als Erbschaft mitgenommen habe. Mein Bruder hat Papàs geliebte Katze behalten, ich Mammas verschmähtes Geschenk. Alles Übrige haben wir dort gelassen, denn was übrig ist, hat keine Bedeutung: Das haben sie uns schließlich gelehrt. Wir haben die Tür hinter uns zugezogen und sind gegangen. Ich habe die Enzyklopädie in der Waschküche meines Hauses deponiert, wo der Filipino häufig darauf zurückgreift, wenn er schwierige Flecken beseitigen muss. „Es sind immer noch die einzigen Mittel, die wirklich helfen“, sagt er. Aber ich habe ihn auch schon in der Kaffeepause mit einem Heft in der Hand ertappt, wie er über die Freiheit der skandinavischen Frauen sinnierte. „In Italien ist es jetzt genauso, oder?“, fragte er mich, ohne den Blick von den Aquarellzeichnungen abzuwenden.

Aber eine Sache, die ich immer äußerst unbequem fand und wegen der ich mit Freude die Ankunft des Computers in unserem Leben begrüßt habe, zusammen mit AutoCAD und 3ds Max, sind die aktualisierten Ergänzungsbände der Enzyklopädien. Sie wurden immer in die Bibliotheken oder nach Hause geschickt, und an der Uni ist das bis heute so. Aber ich finde sie wahnsinnig umständlich: Zuerst muss man das Stichwort im Hauptband suchen, und wenn man es dort nicht findet, muss man zur gesuchten Information die Zeit hinzurechnen, die seit dem Erscheinen des Bandes vergangen ist (was schon mal viel über die Information selbst aussagt und einem außerdem vor Augen führt, wie alt man ist), um schließlich zu prüfen, ob jemand daran gedacht hat, das Stichwort in den Ergänzungsband aufzunehmen. Eine Katastrophe. Bei der Enzyklopädie der Frau besteht diese Gefahr nicht: Sie hat alle Themen ein für alle Mal erschöpfend behandelt. Nur ein einziges Sachgebiet fehlt, und zwar komplett. Von A bis Z ein einziges Sachgebiet, das die Frau sehr persönlich betrifft und das in der Enzyklopädie nie zur Sprache kommt: die Möse. Kein geringes Versäumnis, dem die gewissenhafte und akribische Universitätsdozentin, inzwischen im Besitz einer Planstelle, nun schleunigst Abhilfe schaffen will.

1Die im Text hervorgehobenen Begriffe und einzelne Kapitelüberschriften werden im alphabetischen Stichwortverzeichnis (S. 137 ff.) erläutert.

ERGÄNZUNGSBAND

Symposion

Jüngst hatten sich in den Wohnzimmerecken Spinnweben gebildet. Ich bat den Filipino, sich darum zu kümmern, und er meinte, dazu brauche er ein spezielles Werkzeug, das er mir schlecht und recht beschrieb, bevor er ging. Da ich nicht die geringste Lust hatte, in Geschäften danach zu suchen, schlug ich im Register der Enzyklopädie unter dem Stichwort „Besen, Bürsten, Schrubber“ nach, und als ich die Seite aufschlug, erschien vor meinen Augen eine akribisch erstellte Übersicht über Kehrbesen, Handfeger und sonstige Borstenreiniger, alle liegend fotografiert, damit die Hausfrau auf einen Blick erkannte, wozu sie eingesetzt werden. Es war das gleiche Bild, das sich uns an Chiaras fünfzigstem Geburtstag bei ihr zuhause am Küchentisch bot, wo die Vertreterin von „Der rote Koffer“ – eine soziokulturelle Weiterentwicklung der Avon-Beraterin – vor den geladenen Gästen ihr mitgebrachtes Spielzeug ausgebreitet hatte. Erdacht und entworfen für das weibliche Vergnügen. Männer: nicht vorgesehen. Alba begutachtete eine Gummiente, die vibrierte, wenn man sie in den Nacken kniff; was Alba mit einer gewissen Herablassung quittierte. Chiara widmete sich einigen Klitoriscremes auf Chilibasis, oder besser gesagt, sie bat um ein Gratismuster, das aussah wie die Parfümpröbchen, die man eingeklebt in Zeitschriften findet. Und Bianca, die am meisten Fantasie besaß, schnappte sich ein Gebilde aus Silikonkugeln, die nach steigendem Durchmesser aneinandergereiht und mit einem Rückholring versehen waren. „Ich bin gespannt, ob mein Mann sich die in den Hintern stecken lässt“, sagte sie. Wir tauschten uns kurz darüber aus, ob das Ding wohl solide genug verarbeitet war, und gingen zum nächsten über. Freddie Mercury war gerade fünfundzwanzig Jahre tot, und Bianca und Alba improvisierten ein Duett, das sicher in Kürze ins kollektive Gedächtnis eingehen würde, indem sie rotierende Vibratoren als Mikrofone benutzten. Sie haben sehr schöne Stimmen.

Die Vertreterin ging händereibend und höchst zufrieden weg und wir, nicht hundertprozentig überzeugt, blieben noch ein wenig sitzen und erörterten die Frage, ob es wirklich das Werkzeug ist, das den Meister macht. Dann plauderten wir über andere Themen, denn Chiara entkorkte ihre beste Flasche. Alba, die einen Haufen Geld ausgegeben hatte, hatte ein Gummiei geschenkt bekommen. Man stelle sich ein Ei vor, das innen hohl ist, an einem Ende ein Loch hat und dessen Innenverkleidung sich zum anderen Ende hin verjüngt. Sie sagte: „Damit holst du ihm einen runter, verstehst du? Wenn du keinen Bock hast, setzt du dich hin, füllst es mit Gleitgel, zack, zack, zack, und besorgst es ihm.“ Sie ist eine Romantikerin. austausend, dann hundert, dann weiteren tausend Mal