Über Craig Russell

Craig Russell, Jahrgang 1956, wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, seine Bücher wurden in 23 Sprachen übersetzt. Er hat sich schon als Student für deutsche Kultur interessiert und lebt in der Nähe von Edinburgh.

Als Aufbau Taschenbuch sind die Romane um den Hamburger Ermittler Jan Fabel lieferbar: »Blutadler«, »Wolfsfährte« und »Auferstehung«.

Die Romane »Blutadler«, »Wolfsfährte«, »Brandmal«, »Carneval«, »Walküre« und »Tiefenangst« sind als E-Books bei Aufbau Digital erhältlich.

Sein neuer Roman »Wo der Teufel ruht« erscheint 2018 bei Rütten & Loening.

Wolfgang Thon lebt als freier Übersetzer in Hamburg. Er hat viele Thriller, u. a. von Brad Meltzer, Joseph Finder und Paul Grossman ins Deutsche übertragen.

Informationen zum Buch

Ein junger Psychologe wird in Prag Zeuge eines Mordversuchs. Die Stadt wird Anfang der dreißiger Jahre von einem Serienmörder in Atem gehalten. In einer Anstalt soll der Psychologe mit hochgefährlichen Psychopathen arbeiten – an seiner Seite zwei undurchsichtige Forscher und eine Frau, in die er sich sogleich verliebt. Währenddessen geht in Prag die Mordserie weiter. Und plötzlich glaubt der junge Wissenschaftler, den Mörder zu kennen: sein alter Studienfreund, der verschwunden ist.

Ein Roman, wie ein moderner Lovecraft ihn geschrieben haben könnte.

Craig Russell

Wo der Teufel ruht

Thriller

Aus dem Englischen
von Wolfgang Thon

Inhaltsübersicht

Über Craig Russell

Informationen zum Buch

Prolog

1. Teil: Ein Ort, der das Böse verwahrt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

2. Teil: Der Clown und die Vegetarierin

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

3. Teil: Der Glassammler und der Holzfäller

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

4. Teil: Der Totenbeschwörer und die Knochenkirche

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

5. Teil: Der Schmetterling und die Steinsonne

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

6. Teil: Mr. Hobbs

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Epilog

Epilog 2

Nachwort

Impressum

Das Herz eines Mannes ist der Ort,

in dem der Teufel haust; ich spüre manchmal eine Hölle in mir selbst.

THOMAS BROWNE
(1605–1682)

Prolog

Das Auftauchen dieser Stimme, dieser dunklen Persönlichkeit war, als würde eine schreckliche schwarze Sonne aufgehen, die den Turm der Burg mit einer schimmernden Dunkelheit füllte. Obwohl der Patient festgebunden auf dem Stuhl saß, fühlte Viktor sich seltsam allein – verletzlich und verängstigt. Und was er vernahm, hatte keinen Sinn – konnte ihn nicht haben.

Viktor begriff, dass diese Stimme nicht Ausdruck der zersplitterten Persönlichkeit seines Patienten war. Sie war etwas völlig anderes. Etwas weit Schlimmeres.

»Ich spüre Ihre Furcht«, sagte Mister Hobbs. »Ich bin sehr empfänglich für die Furcht von Menschen. Sie ist die Energie, die mich belebt, und jetzt beleben Sie mich. Sie haben mir nachgespürt, und jetzt haben Sie mich gefunden. Sie wollen wissen, was ich denke, was ich fühle. Gut, ich erzähle es Ihnen: Als ich sie ermordet habe, als ich all diese Menschen getötet habe, ihnen all diese schrecklichen Dinge angetan habe, habe ich jede Sekunde davon genossen. Was ich tat, habe ich wegen des düsteren Vergnügens getan, das es mir bereitete. Ich habe ihren Schmerz und ihre Furcht wie köstlichen Wein gekostet. Am meisten gefiel mir, wenn sie am Ende um ihr Leben bettelten. Wenn sie das taten, und sie taten es alle am Schluss, gab ich vor, zu zögern. Dann sah ich in ihren Augen das schwache Glimmen ihrer letzten, verzweifelten Hoffnung. Ich ließ sie ihnen, einen Moment, dann nahm ich sie ihnen. Und dies, das Erlöschen ihrer letzten Hoffnung, genoss ich mehr als alles andere, noch mehr, als ihrem Leben tatsächlich ein Ende zu bereiten. Verstehen Sie, Dr. Kosárek, in diesem Moment spürten sie die Gegenwart des Teufels und flehten Gott an, ihnen zu helfen und sie ihm zu entreißen. Es war derselbe Moment, in dem ich sie erkennen ließ, sie endlich begreifen ließ, dass Gott die ganze Zeit bereits da gewesen war. In diesem Moment erfassten sie, dass der Teufel nur Gott in seinem Nachtgewand ist.«

1. Teil

Ein Ort, der das Böse verwahrt

1

Im Spätherbst 1935 war Dr. Viktor Kosárek ein großer, schlanker Mann von neunundzwanzig Jahren. Er sah gut aus, wenn auch nicht auf die Art, welche den meisten böhmischen Menschen eigen ist. Seine lange gerade Nase, die ausgeprägten Wangenknochen und die klaren blaugrünen Augen unter den geschwungenen dunklen Augenbrauen sowie sein pechschwarzes Haar verliehen ihm die Ausstrahlung alten Adels. In einem Alter, in dem sehr viele Männer noch etwas jungenhaft aussahen, machten Viktor Kosáreks strenge Gesichtszüge ihn älter, als er tatsächlich war. Sie verliehen ihm unterschwellige Reife und eine autoritäre Ausstrahlung, die ihm bei seiner Arbeit half. Als Psychiater war es Viktors tägliche Aufgabe, innere Geheimnisse aufzuspüren, Licht in die finstersten, am besten geschützten Ecken im Verstand seiner Patienten zu werfen. Diese Patienten würden ihre sorgsam gehüteten Geheimnisse, ihre schlimmste Verzweiflung und ihre dunkelsten Begierden schwerlich einem Jungen enthüllen.

Es war Nacht, und es regnete, ein kalter Regen, der den Wechsel der Jahreszeiten ankündigte, als Viktor seine Mietwohnung zum letzten Mal verließ. Weil er so viel Gepäck dabei hatte und sein Regionalzug vom Bahnhof Masaryk in der Hybernská Straße abfuhr und nicht vom Prager Hauptbahnhof, hatte er ein Taxi genommen. Wegen des großen Schrankkoffers und der zwei schweren Reisekoffer und auch weil er wusste, wie schwer es war, einen Gepäckträger zu ergattern, hatte er seine Ankunft im Bahnhof so geplant, dass er eine Dreiviertelstunde Zeit hatte. Wie sich herausstellte, war das auch gut so, denn nachdem er den mürrischen Taxifahrer bezahlt hatte, hatte der das Gepäck einfach auf dem Trottoir vor dem Haupteingang des Bahnhofs deponiert und war davongefahren.

Viktor hatte gehofft, dass sein Freund Filip Starosta da wäre und ihm beim Gepäck helfen würde. Aber der immer unzuverlässiger werdende Filip hatte in letzter Minute abgesagt. Also blieb Viktor keine andere Wahl, als sein Gepäck dort zu lassen, wo es war, und nach einem Träger zu suchen. Dafür brauchte er gut zehn Minuten. Er vermutete, dass das Fehlen von Gepäckträgern etwas mit der Unruhe im Bahnhof zu tun hatte. Viktor hörte aufgeregte Rufe und Schreie, aber er begriff den Anlass dafür noch nicht. Schließlich sicherte er sich die Dienste eines jungen Bahnhofsgehilfen von etwa sechzehn Jahren mit einem viel zu großen roten Käppi. Trotz seines zierlichen Körperbaus schwang der junge Mann den Schrankkoffer und die anderen Koffer jedoch mühelos auf den Kofferkuli.

Sie betraten den Bahnhof, als ein Praga Alfa in Polizeilackierung auf den Platz raste, den Viktors Taxi kurz zuvor freigemacht hatte. Zwei uniformierte Beamte sprangen aus dem Wagen und liefen vor Viktor und dem Träger in den Bahnhof.

»Was ist denn da los?«, fragte Viktor den jungen Mann, der unter seiner zu weiten Uniformjacke mit den Schultern zuckte.

»Ich habe Schreie gehört«, antwortete er, »bevor Sie mich gerufen haben, konnte aber nicht mehr sehen, was los war.«

Viktor folgte dem Jungen und seinem Gepäck in den Bahnhof und erkannte sofort, dass sich dort ein Drama abzuspielen schien. In einer entfernten Ecke der Halle drängte sich eine große Menge Menschen, als würden sie wie Metallspäne von einem Magneten angezogen, so dass die Haupthalle fast leer war. Viktor sah, dass die beiden Polizisten, die an ihnen vorbeigelaufen waren, sich einer Gruppe von anderen Beamten anschlossen, die versuchten, diese Menschentraube zu zerstreuen.

Irgendjemand schrie, ein Mann, aber er wurde von den Leibern der Menschen verborgen. Dann kreischte eine Frau, die ebenfalls nicht zu sehen war, voller Entsetzen.

»Sie ist ein Dämon!«, brüllte der Mann hinter dem Vorhang der Zuschauer. »Sie ist ein Dämon, den der Teufel geschickt hat. Satan!« Nach einer kleinen Pause ertönte die männliche Stimme wieder, drängend und in einem furchtsamen, warnenden Tonfall. »Er ist hier – Satan ist hier! Satan ist unter uns gekommen!«

»Warten Sie hier!«, befahl Viktor dem Gepäckträger. Er ging zügig durch den Bahnhof und drängte sich durch die Menschenmenge nach vorn. Die Leute hatten, zurückgehalten von den Polizisten, einen Halbkreis gebildet. Als Viktor sich zwischen den Leibern hindurchdrängte, hörte er, wie eine Frau ihrem Freund furchtsam und aufgeregt etwas zuflüsterte. »Glaubst du, dass er es wirklich ist? Meinst du, dass es tatsächlich Lederschürze ist?«

Schließlich sah Viktor die Quelle der Schreie: einen Mann und eine Frau. Beide wirkten vollkommen verängstigt. Die Frau, weil der Mann sie von hinten umklammerte und ihr ein großes Küchenmesser an die Kehle presste. Der Mann schien aus Gründen verängstigt zu sein, die nur er kannte.

»Sie ist ein Dämon!«, schrie er erneut. »Ein Dämon aus der Hölle! Seht doch, wie sie brennt!«

Viktor sah jedoch nur, dass die Frau gut gekleidet war und wohlhabend zu sein schien, wohingegen ihr Häscher Arbeiterkleidung trug. Eine schmuddelige Mütze, ein kragenloses Hemd, dazu eine Jacke aus grobem Serge und eine ausgebeulte Cordhose. Es war auf den ersten Blick offenkundig, dass die beiden kein Paar waren. Viktor nahm an, dass der Mann die Frau willkürlich gepackt hatte. Der wilde, umherzuckende Blick des jungen Mannes sowie seine weit aufgerissenen Augen deuteten darauf hin, dass er unter dem existenziellen Horror irgendeines schizophrenen Anfalls litt.

Ein einzelner Polizeibeamter stand etwas näher an dem Paar als die anderen. Er hatte die Hand auf den Griff seiner Pistole gelegt, die im Lederhalfter steckte. Zück die Waffe nicht!, dachte Viktor. Das verstärkt nur das Gefühl des Mannes, bedroht zu werden. Er schob sich bis in die erste Reihe der Zuschauer und wurde sofort grob von zwei Polizisten gepackt und festgehalten.

»Zurück!«, befahl einer in einem starken slowakischen Akzent. »Warum könnt ihr widerlichen Gaffer nicht einfach …?«

»Ich bin Dr. Viktor Kosárek von der Psychiatrie in Bohnice!«, protestierte Viktor und versuchte, sich aus dem Griff der Polizisten zu befreien. »Ich bin klinischer Psychiater, und ich glaube, ich kann hier helfen.«

»Oh …« Der Slowake nickte seinen Kameraden zu, woraufhin die beiden Viktor losließen. »Ist er einer von Ihren Insassen? Ein entflohener Patient?«

»Nicht dass ich wüsste. Jedenfalls ist der Mann keiner meiner Patienten. Aber woher auch immer er kommt, er hat eindeutig einen psychotischen Anfall. Er leidet unter paranoiden Wahnvorstellungen. Unter Schizophrenie.«

»Pavel!« Der Slowake wandte sich an den Polizisten, der immer noch mit der Hand auf dem Pistolengriff dastand. »Hier ist ein Irrenarzt …«

»Schick ihn her.« Der Beamte löste seinen Blick nicht von dem Mann und seiner Gefangenen.

Der Slowake ließ Kosárek durch.

»Sie müssen diese Leute wegschicken«, sagte Viktor leise zu dem Beamten, als er sich von der Menschenmenge entfernte. »Sie bedrängen ihn. Und je ängstlicher er wird, je bedrohter er sich fühlt, desto größer wird die Gefahr für die junge Frau.«

Der Mann nickte und machte sich zusammen mit seinen Kollegen entschlossen daran, die Menge zurückzudrängen.

Viktor ging zu dem Polizisten, den der Slowake mit Pavel angesprochen hatte.

»Sie sind der Seelenklempner?«, fragte der Beamte, ohne den Blick von dem Mann mit dem Messer zu nehmen.

»Dr. Viktor Kosárek. Ich bin Arzt in der Psychiatrie in Bohnice, das heißt, ich war dort Arzt«, verbesserte er sich. »Eigentlich bin ich gerade nach Hrad Orlů unterwegs, in die Psychiatrische Klinik für geisteskranke Straftäter, um meine neue Stelle anzutreten. Deshalb bin ich überhaupt hier im Bahnhof.«

»Danke für Ihren Lebenslauf, Doktor, aber die Situation hier ist ein bisschen heikel.« Seine Stimme troff vor Sarkasmus. »Moment – Hrad Orlů? Sind dort nicht die Satanischen Sechs eingesperrt? Dann dürfte das hier ja wohl genau Ihre Kragenweite sein. Können Sie helfen?«

»Ich versuche mein Bestes, aber wenn der Mann ernsthafte Wahnvorstellungen hat, weiß ich nicht, ob ich bis zu ihm durchdringen kann.«

»Wenn Sie nicht zu ihm durchdringen, dann, fürchte ich, muss ich das tun.« Der Polizist klopfte mit der Hand auf sein Lederhalfter.

Kosárek nickte und stellte sich breitbeinig vor die Frau und ihren Häscher. Dann sah er zuerst der Frau direkt in die Augen.

»Versuchen Sie, Ihre Angst zu beherrschen.« Er sprach ruhig und gelassen. »Ich weiß, dass das sehr schwer ist, aber was auch immer Sie tun, wehren Sie sich nicht und schreien Sie nicht. Ich will nicht, dass dieser Mann sich noch mehr aufregt, als er es im Moment schon tut. Sie müssen tapfer sein, für mich. Verstehen Sie das?«

Die Frau hatte die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen, nickte jedoch.

»Gut.« Viktor bemerkte, dass die Schneide des Messers sich in die Haut ihres Halses unmittelbar über der Halsschlagader grub. Es fehlte nicht viel, nur ein bisschen mehr Druck, und ihr Häscher würde ihr die Ader durchtrennen. Wenn er das tat, würde ihr Leben so schnell aus ihr herausrinnen, dass niemand sie mehr würde retten können.

Dann wandte er sich an ihren Häscher. Er fixierte den Blick des Mannes über die Schulter der Frau hinweg. Er war jung, möglicherweise sogar zwei, drei Jahre jünger als Viktor. Seine Augen waren genauso weit aufgerissen und verrieten nicht weniger Angst als die seines Opfers. Sein Blick zuckte wild umher, ohne sich jedoch auf die Polizisten und die aufgeregte Menge zu fokussieren. Er nahm sie nicht einmal wahr. Stattdessen schien er irgendetwas Entsetzliches zu beobachten, was für alle anderen unsichtbar war. So etwas hatte Viktor Kosárek schon häufig in seiner kurzen Laufbahn erlebt: ein Wahnsinniger, der mental in einer ganz anderen Dimension lebte, während er körperlich in dieser existierte.

»Mein Name ist Dr. Kosárek.« Viktor sprach erneut so ruhig wie zuvor mit der Frau. »Ich will Ihnen helfen. Ich weiß, dass Sie große Angst haben, aber ich tue alles, was in meiner Macht steht, um Ihnen zu helfen. Wie heißen Sie?«

»Sie ist ein Dämon!«, schrie der Mann.

»Wie ist Ihr Name?«, wiederholte Viktor, an den Mann gewandt.

»Ein Feuerdämon! Sehen Sie das nicht? Sie sind überall unter uns! Sie ernähren sich von uns! Und sie wurde hierher geschickt, um von mir zu zehren! Sie wurde vom Teufel geschickt …!«

Der junge Mann unterbrach sich und wirkte, als hätte er plötzlich etwas gehört oder einen merkwürdigen Geruch wahrgenommen. »Er ist hier …« Seine Stimme war ein gepresstes Flüstern. »Der Teufel ist hier, jetzt, hier an diesem Ort. Ich wittere ihn …«

»Ihr Name«, wiederholte Kosárek ruhig und freundlich. »Bitte, nennen Sie mir Ihren Namen.«

Der Mann mit dem Messer wirkte verwirrt, als könnte er nicht begreifen, warum man ihn jetzt mit solchen Nebensächlichkeiten ablenkte. »Šimon«, sagte er schließlich. »Mein Name ist Šimon.«

»Šimon, ich möchte, dass Sie ruhig bleiben. Ganz ruhig.«

»Ruhig?«, fragte Šimon ungläubig. »Sie wollen, dass ich mich beruhige? Der Teufel ist unter uns! Seine Dämonen sind hier! Diese Frau ist ein Dämon. Sehen Sie sie denn nicht?«

»Nein, leider nicht. Wo sind sie?«

Šimons Blick glitt hastig, wie ein Suchscheinwerfer, über den Marmorboden des Bahnhofs. »Sehen Sie sie denn nicht? Sind Sie blind? Sie sind überall!« Er wirkte plötzlich noch verängstigter, noch aufgeregter, als er erneut etwas sah, was nur er wahrnehmen konnte. »Der Boden, der Stein, er schwitzt sie aus! Sie sickern aus dem Marmor heraus. Wie Lava aus den Eingeweiden der Erde. Sie blubbern und schäumen, bis sie schließlich Gestalt annehmen. Wie der hier!« Er packte seine Gefangene fester, seine Hand mit dem Messer zuckte.

»Šimon«, sagte Viktor. »Sehen Sie denn nicht, dass Sie das alles missverstanden haben? Diese Frau ist nur eine Frau. Sie ist kein Dämon.«

»Sind Sie verrückt geworden? Begreifen Sie denn nicht? Sehen Sie nicht die brennenden Hörner, die aus ihrem Schädel herausragen? Die Lava in ihren Augen? Ihre weiß glühenden Hufe? Sie ist ein Elementar-Dämon. Ein Feuerdämon. Ich brenne schon nur dadurch, dass ich sie berühre. Ich muss sie aufhalten. Ich muss sie alle aufhalten. Sie sind hier, um uns zu verzehren, um uns alle zu verbrennen, um uns in den See aus Feuer zu verschleppen, wo unsere Qualen kein Ende nehmen werden!« Er schien über seine eigenen Worte nachzudenken und sprach dann hastig, aber mit ruhiger und überlegter Entschlossenheit weiter. »Jetzt weiß ich es: Ich muss ihr den Kopf abschneiden. Genau, ich muss ihr einfach den Kopf abschneiden. Das ist die einzige Möglichkeit, um einen Dämonen zu töten. Die einzige Möglichkeit.«

Die Frau, die bis jetzt Viktors Befehl so gut sie konnte befolgt hatte und ruhig geblieben war, schrie verzweifelt auf. Kosárek hob die Hand, um sowohl die Gefangene als auch ihren Häscher zu beruhigen. Ihm wurde klar, dass er es hier mit einer schizophrenen Wahnvorstellung gewaltigen Ausmaßes zu tun hatte. Und dass es vielleicht keine Möglichkeit gab, Šimons gequälten Verstand zu erreichen, bevor er sein Opfer tötete.

Er warf einen vielsagenden Blick in Richtung des Polizisten, der kurz nickte und unauffällig die Klappe seines Pistolenhalfters aufknöpfte.

»Ich versichere Ihnen, Šimon, diese Frau ist kein Dämon«, erklärte Viktor. »Es geht Ihnen nicht gut. Es geht Ihnen sogar so schlecht, dass Ihre Sinne Sie täuschen. Schließen Sie die Augen und holen Sie tief Luft.«

»Es ist der Teufel, der täuscht. Der große Verführer, der alle geblendet hat, alle außer mir. Ich bin Gottes Instrument. Wenn ich meine Augen schließe, schleicht sich der Teufel an mich heran und verschleppt mich in die Hölle!« Er senkte die Stimme und klang gequält, verängstigt. »Ich habe den großen Verführer gesehen und ihm ins Gesicht geblickt.« Er stieß einen verzweifelten Schrei aus. »Er hat mich mit seinen Augen verbrannt!«

»Šimon, bitte hören Sie mir zu. Bitte versuchen Sie, zu verstehen: Es gibt keinen Teufel. Alles, was hier passiert, alles, was Sie erleben, passiert nur in Ihrem Verstand. Ihr Verstand, der Verstand jedes Menschen, ist wie ein großes Meer, ein tiefer Ozean. Wir alle leben unser Leben jeden Tag, jeder einzelne von uns, indem wir über die Oberfläche dieses Ozeans segeln. Verstehen Sie mich, Šimon?«

Der Wahnsinnige nickte, aber sein Blick blieb manisch und verängstigt.

»Aber unter jedem von uns«, fuhr Viktor fort, »liegen die großen, unergründlichen Tiefen unseres persönlichen Ozeans. Und in diesen Tiefen lauern furchteinflößende Monster  – gewaltige Ängste und schreckliche Begierden, die scheinbar reale Gestalt annehmen können. Ich weiß das, weil ich die ganze Zeit als Arzt mit diesen Ängsten arbeite. Was Ihnen gerade widerfährt, Šimon, ist ein gewaltiger Sturm auf Ihrem Ozean. Alles wurde aufgewühlt und umtost Sie. All jene finsteren Monster aus den Tiefen Ihres Verstandes sind erwacht und an die Oberfläche gekommen. Ich will, dass Sie darüber nachdenken. Ich möchte, dass Sie verstehen, dass alles, was Ihnen in diesem Moment Angst einjagt, alles, was Sie zu sehen, glauben, nur von Ihrem Verstand geschaffen wird.«

»Ich werde getäuscht?« Šimons Stimme war plötzlich die eines verängstigten, einsamen Kindes.

»Sie werden getäuscht«, wiederholte Viktor. »Die Frau, die Sie da festhalten, ist nur eine ganz gewöhnliche Frau. Der Dämon, den Sie da zu halten glauben, ist nur Ihrer Vorstellung entsprungen. Der Teufel, den Sie fürchten, ist nur ein verborgener Aspekt Ihres eigenen Verstandes. Bitte, Šimon, schließen Sie Ihre Augen …«

»Ich werde getäuscht …«

»Schließen Sie die Augen, Šimon, und stellen Sie sich vor, wie der Sturm vorüberzieht, wie die Wellen sich beruhigen.«

»Getäuscht …« Er schloss die Augen.

»Lassen Sie die Dame gehen, Šimon, bitte.«

»Getäuscht  …« Sein Arm glitt von den Schultern der Frau, und er nahm das Messer von ihrem Hals.

»Hierher!«, zischte der Polizist der Frau zu. »Zu mir, sofort!«

»Getäuscht …«

Die Frau rannte schluchzend los, zu dem Polizisten, der sie hastig hinter den Kordon der Polizisten schob. Eine Frau aus der Menschenmenge schloss sie tröstend in die Arme.

»Und jetzt, Šimon, bitte«, sagte Viktor Kosárek zu dem jungen Mann, der nun allein und mit nach wie vor geschlossenen Augen dastand. »Legen Sie das Messer weg.«

Šimon öffnete die Augen. Er blickte auf das Messer in seiner Hand. »Getäuscht«, wiederholte er. Er hob den Blick, fast kläglich, und streckte flehentlich die Hände mit dem Messer darin vor sich aus.

»Es ist gut«, sagte Viktor und trat einen Schritt auf ihn zu. »Ich werde Ihnen jetzt helfen.«

»Ich wurde getäuscht!« Šimon wurde plötzlich wütend. »Der große Verführer, der Verkleidete, der Finstere – er hat mich getäuscht.« Dann richtete sich sein Blick auf Viktor, und er lachte kurz auf. »Ich habe dich nicht erkannt. Warum habe ich dich nicht erkannt? Aber ich weiß jetzt, wer du bist.« Šimons Augen glühten plötzlich vor Hass. »Jetzt weiß ich es! Jetzt weiß ich, wer du bist!«

Es ging so schnell, dass Viktor nicht reagieren konnte. Šimon stürzte sich auf den jungen Psychiater, das Messer zum Stoß erhoben.

Viktor erstarrte, und zwei Geräusche drangen an sein Ohr, hallten durch die riesige Bahnhofshalle: der ohrenbetäubende Knall des Schusses aus der Pistole des Polizisten und Šimons Schrei, mit dem er sich auf den jungen Arzt stürzte, wobei er ein Wort hervorstieß.

»Teufel!«

2

Es kam Viktor Kosárek vor, als wären Bürokratie und böhmischer Verstand untrennbar miteinander verwoben. Für jeden Aspekt des Lebens, für jede Handlung schien es immer noch ein weiteres Formular zum Ausfüllen zu geben, schien ein Beamter mehr aufgesucht werden zu müssen.

Viktor hatte seinen neuen Arbeitgeber aus der Telefonzelle in der Polizeiwache in der Benediktská Straße angerufen. Er hatte Professor Románek erklärt, was sich in dem Bahnhof zugetragen hatte und dass die Polizei ihn aufgefordert hatte, einen Bericht zu schreiben. Und dann noch einen, so dass er schließlich seinen Zug verpasst hatte. Er erklärte dem Professor, dass sein Gepäck im Masaryk-Bahnhof aufbewahrt wurde und er mit dem ersten Zug am nächsten Morgen käme. Außerdem versicherte er dem Professor, dass ihm diese Ungelegenheiten schrecklich leid täten.

»Mein guter Junge«, hatte Professor Románek geantwortet, »machen Sie sich keine Gedanken. Sie haben zweifellos das Leben dieser jungen Frau gerettet. Und der Unglückliche, der diese Tragödie ausgelöst hat – wie geht es ihm?«

»Danke für Ihr Verständnis …« Kosárek verstummte, als ein Haufen Uniformierter hastig und lärmend an der Telefonzelle vorbei durch den Korridor rannte und durch den Haupteingang hinausstürmte. »Sein Zustand ist ernst«, fuhr er fort, sobald die Polizisten verschwunden waren. »Bedauerlicherweise ist noch nicht klar, ob er überlebt oder nicht. Der Polizist wollte ihn unschädlich machen, weil er um mein Leben fürchtete, aber die Kugel hat viel von ihrer Wucht verloren, weil sie durch den Oberarm gedrungen ist und vom Schulterknochen in die Bauchhöhle abgelenkt wurde. Der junge Mann hat sogar noch Glück gehabt, denn das Geschoss hat lebenswichtige Organe verfehlt, doch er hat starke innere Blutungen. Man wird abwarten müssen. Ich habe veranlasst, dass er in die Psychiatrie in Bohnice eingewiesen wird, falls er überlebt und sobald er sich entsprechend erholt hat.«

»Ein höchst bedauerlicher Vorfall. Ich hoffe, dass er Ihren Neuanfang bei uns nicht getrübt hat.«

»Ganz und gar nicht, Professor. Ich freue mich sehr darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.« Das tat er allerdings. Professor Ondřej Románek war für seine innovativen und manchmal auch höchst kontroversen Methoden berühmt. Románek wandte gern die neueste Technologie an, und man schrieb ihm die Entwicklung neuer und sehr effektiver Behandlungsmethoden des verwirrten menschlichen Geistes zu.

»Ich bedaure, dass ich leider nicht in der Lage bin, Sie persönlich am Bahnhof abzuholen.« Der normalerweise so lebhafte Románek klang plötzlich weniger fröhlich. »Herr Dr. Hans Platner wird Sie abholen. Sie erinnern sich gewiss, dass Sie Dr. Platner bei Ihren Vorstellungsgesprächen kennengelernt haben. Er leitet die Allgemeinmedizin im Hrad Orlů. Hans ist ein ausgezeichneter Arzt und ein guter Mensch, aber er vertritt seine Meinungen manchmal etwas sehr nachdrücklich. Lassen Sie sich dadurch bitte nicht irritieren. Ich freue mich sehr auf unsere Zusammenarbeit.«

»Ich ebenfalls.«

***

Nachdem er aufgelegt hatte, überlegte Viktor Kosárek, was er nun mit sich anfangen sollte. Er hatte sein Quartier gekündigt, weil er erwartet hatte, mittlerweile längst an seinem neuen Arbeitsplatz angekommen und in seinem neuen Quartier untergebracht worden zu sein. Er wusste nicht genau, ob er Filip Starosta anrufen sollte, seinen Freund und ehemaligen Studienkollegen an der Universität, um zu fragen, ob er ihn für eine Nacht aufnehmen könnte. Filip hatte ihn jedoch bereits einmal im Stich gelassen: Viktor hatte es eingerichtet, dass er am Abend zuvor, seinem letzten in Prag, bevor er seine neue Stelle antrat, mit seinem Freund verbringen konnte. Filip hatte allerdings in letzter Minute ein Telegramm geschickt, in dem er ihm mitteilte, dass er an dem Abend keine Zeit hatte und ihn auch nicht zum Bahnhof bringen könnte. Das hatte Viktor bekümmert. Filip war ein sehr intelligenter und sehr leidenschaftlicher junger Mann. Aber sein in letzter Zeit zunehmend unberechenbares Verhalten bereitete Viktor Sorgen. Deshalb erschien es ihm besser, sich ein Hotel in der Nähe des Bahnhofs zu suchen.

Ein alter Mann, klein, mager und mit einem vogelartigen Schädel, wartete bereits darauf, das Telefon zu benutzen. Also verließ Viktor die Telefonzelle, während er weiter überlegte, was er tun wollte. Er stand immer noch im Gang vor der Telefonzelle und debattierte mit sich selbst, als eine weitere Gruppe von Polizisten, diesmal in Zivil, durch den Gang lief. Sie wurden von einem auffälligen Mann angeführt, einem großen, breitschultrigen Mann, der auf eine strenge Weise attraktiv aussah. Ein anderer Beamter sprach ihn als Kapitán Smolák an, als sie an ihm vorbei auf die Straße liefen. Viktor hörte das Aufheulen von Motoren, den dumpfen Schlag von Wagentüren und das Quietschen von durchdrehenden Reifen auf dem feuchten Pflaster.

Ein älterer Uniformierter, ein korpulenter Mann mit kurzgeschorenem Haar und einem gewaltigen Schnauzbart, betrat die Wache. Seine fleischigen Wangen quollen über den steifen Kragen seiner Polizeijacke. Er hatte die Dienstmütze unter den Arm geklemmt und überflog Notizen auf einem Klemmbrett. Seine Abzeichen verrieten, dass er den Rang eines Nadstrážmistr bekleidete.

»Was ist denn los?«, fragte Kosárek den Hauptwachtmeister.

»Polizeiangelegenheiten«, erwiderte der Beamte mürrisch und verschwand im Inneren der Polizeiwache.

»Ich habe es gehört …« Der alte Mann, der darauf gewartet hatte, die Telefonzelle zu benutzen, sprach mit dem verschwörerischen Eifer einer Person, die bei schlechten Nachrichten aufblüht. »Ich habe sie reden hören. Sie haben eine Leiche gefunden. Schon wieder.«

»Ein Mord?«, fragte Kosárek.

Der Mann nickte mit seinem vogelartigen Schädel. Seine Miene verriet grimmige Freude. »Die Leiche einer Frau, vollkommen zerstückelt. Lederschürze hat wieder zugeschlagen.«

3

Sein Vater war Schlachter gewesen.

So war es vielleicht nicht befremdlich, dass Lukáš Smolák beim Anblick des Tatortes der Beruf eines Schlachters in den Sinn kam. Dennoch fand er es merkwürdig, dass er in einem solchen Moment an seinen Vater denken musste. Andererseits war er immer zu seinem Vater gegangen statt zu seiner distanzierten Mutter, wenn ihn die Widrigkeiten der Kindheit überwältigt hatten oder wann immer er besorgt, verwirrt oder verängstigt war. All diese Emotionen durchströmten ihn in diesem Moment mit beträchtlicher Wucht.

Trotz seiner muskulösen Statur, die sein Sohn geerbt hatte, war Smoláks Vater ein sanfter, freundlicher und umgänglicher Mann gewesen. Jemand, der sich niemals aufzuregen schien, ganz gleich, wie ernst oder hitzig die Situation auch sein mochte. Der junge Lukáš hatte nie die harte Hand des Vaters gespürt oder auch nur ein böses Wort gehört. Vielleicht war Smolák deshalb selbst zu einem ruhigen, gelassenen Mann gereift.

In den Erinnerungen an seinen Vater gab es jedoch ein Ereignis, das Lukáš erschüttert hatte. Dieses Ereignis war so dissonant und unterschied sich von allen anderen Erfahrungen mit seinem Vater, dass es ihm schwerfiel zu glauben, dass es tatsächlich passiert war. Als Lukáš neun oder zehn Jahre alt gewesen war, war er von seiner Mutter nach der Schule zum Einkaufen geschickt worden. Sie hatte ihn gebeten, zum Geschäft seines Vaters zu gehen, das in einem niedrigen weißgekalkten Gebäude in der Nähe der Kirche mitten im Dorf lag. Er sollte ein Kilo Ostravské-Würste für das Abendessen holen. Lukáš hatte selbstverständlich gehorcht, aber als er in dem Geschäft eintraf, befand sich sein Vater nicht wie gewöhnlich hinter dem Tresen. Stattdessen stand die Tür zum hinteren Teil des Geschäftes offen. In diesem Teil der Schlachterei seines Vaters war der junge Lukáš zuvor noch nie gewesen. Und aus einem noch entlegeneren Teil des Gebäudes drangen sonderbare Geräusche bis zu ihm.

Die Rufe nach seinem Vater verhallten ungehört, also war der junge Lukáš zögernd in den verbotenen hinteren Bereich der Schlachterei gegangen. In der kühlen Dunkelheit fand er sich plötzlich zwischen aufgehängten Fleischhälften und Tabletts mit Fleischstücken und Würstchen wieder. Auch hier gab es keine Spur von seinem Vater, also war er noch weiter nach hinten gegangen, den sonderbaren Geräuschen folgend: einem eindringlichen, schrillen Kreischen.

Lukáš hatte die Hintertür des Geschäfts aufgestoßen, war nach draußen getreten und blinzelte nach der Dunkelheit des Kühlhauses in der Sonne. Er befand sich in einem kleinen Hinterhof. Sein Vater war ebenfalls dort. Er stand seitlich zu dem Jungen und bemerkte ihn zunächst nicht. Das schrille Kreischen kam von einem kleinen Schwein, das sein Vater zwischen den von einer Lederschürze geschützten Knien hielt. Lukáš war in dem Moment in den Hof getreten, als der schwere Hammer in der Hand seines Vaters hinabsauste. Es klatschte widerlich, als der Hammer auf den Kopf des Schweins traf, und im selben Moment verstummte das Kreischen. Sein Vater hatte den Hammer weggelegt und ein Messer mit einer langen Klinge aus seiner Schürzentasche gezogen, das er dem Tier schnell durch die Kehle und den Hals zog. Blut spritzte auf die Pflastersteine und lief in den Abfluss, und jeder Pulsschlag pumpte schwächer als der vorige.

In dem Moment hatte sein Vater ihn gesehen. Er legte ihm die Hände auf die Schultern und hatte Lukáš herumgedreht, weg von dem sterbenden Schwein. Er hatte ihn ins Kühlhaus zurückgeleitet, die blutige Lederschürze an die Tür der Vorratskammer gehängt und den schluchzenden Lukáš ins Geschäft geführt. Dort hatte er ihn auf einen Schemel gesetzt und ihm sanft und geduldig von der traurigen Notwendigkeit der Gewalt in seinem Leben erzählt.

Sein Vater war ein Schlachter.

Daran hatte er gedacht, in diesem Raum, der eine kleine Enklave der Hölle geworden war. Kapitán Lukáš Smolák von der Prager Polizei, Sohn eines vor langer Zeit gestorbenen Schlachters, ermittelte seit zwanzig Jahren in Mordfällen und hatte so ziemlich jeden Akt der Gewalt gesehen, den man sich vorstellen konnte. Er hatte Enthauptungen gesehen, Verbrennungen, Erschießungen. Köpfe, die mit Steinen oder Eisenstangen zerschlagen worden waren, Körper, zerfetzt und durchbohrt. Aber die schlimmsten Szenen, denen er sich jemals hatte stellen müssen, waren die Morde, die von dem Wahnsinnigen begangen worden waren, den ganz Prag als »Lederschürze« kannte.

Das hier, diese jüngste Hölle, war jedoch einzigartig.

Die Frau auf dem Bett – auf ihr Geschlecht konnte man nur aus den Resten ihrer Kleidung schließen  – war förmlich geschlachtet worden. Es gab kein anderes Wort dafür. Man hatte Teile ihrer Anatomie herausgeschnitten und entfernt, ihre offene Bauchhöhle und ihre Kehle waren weit aufgerissen, und fast wie bei einem Schiffswrack schimmerten die weißen Knochen ihrer Rippen in dem blutigen Fleisch. In einer Ecke des Bettes hatte der Mörder fein säuberlich die glitschigen graubraunen und rosa Eingeweide des Opfers aufgeschichtet. Auf dem Boden vor dem Fußende des Bettes stand eine Waschschüssel aus Porzellan. Dort waren ebenso sorgfältig die Nieren und das Herz des Opfers arrangiert.

Der Kopf war in Smoláks Richtung gedreht, doch selbst der Schädel vermochte keinen Hinweis auf ihr Geschlecht oder ihre Persönlichkeit zu geben. Denn das Gesicht war ebenfalls entfernt worden, und die lidlosen Augäpfel starrten Smolák vorwurfsvoll und eindringlich aus dem rohen Fleisch über dem weiß schimmernden, lippenlosen Grinsen an.

Die Laken auf dem Bett waren blutdurchtränkt. Es gab nirgendwo in dem Schlafzimmer einen Hinweis auf einen Kampf oder auf Gewalt. Wenn Smolák dem Bett den Rücken zukehren und den Raum betrachten würde, würde sich ihm eine vollkommen normale Szenerie bieten, bis auf den Fleck auf dem Teppich an der Tür, wo der Hausverwalter, der die Leiche gefunden hatte, sich erbrochen hatte.

Smolák musste auch etliche Beamte aus dem Raum schicken, damit sie sich auf der Straße übergeben konnten. Trotz seiner jahrelangen Erfahrung mit Morden stellte er fest, dass auch er nicht allzu lange auf die Leiche blicken konnte, ohne dass ihm brennender Mageninhalt in die Speiseröhre stieg. Die einzige Person, die professionelle Leidenschaftslosigkeit an den Tag legen zu können schien, war ein kleiner, etwas korpulenter Mann. Er trug einen ausgebeulten Anzug und beugte sich sachlich über die menschlichen Überreste. Er hatte seine Krawatte über die Schulter zurückgeworfen, damit sie nicht in das Blut baumelte. Mit einem Vergrößerungsglas in der Hand konzentrierte sich Dr. Václav Bartoš, der Polizeiarzt und Gerichtsmediziner, nur auf die Einzelheiten, nicht auf das Gesamtbild.

Kriminalmeister Mirek Novotný, Smoláks Untergebener, trat zu ihm. Der rothaarige Novotný war ein ehrgeiziger junger Beamter, der sich stets selbstsicher, fast überheblich gab. Nun jedoch zeigte sein Gesicht keinen solchen Ausdruck. Smolák bemerkte, dass die Sommersprossen auf Novotnýs blasser Haut deutlicher hervortraten.

»Haben Sie etwas?«, fragte Smolák.

»Allerdings, Kapitán. Lederschürze war diesmal wohl ein wenig nachlässig.«

»Wieso?« Smolák nahm bei seiner Frage nicht den Blick von dem Leichnam aus Knochen und Blut. Kaum vorstellbar, dass dies einmal ein menschliches Wesen gewesen sein sollte.

»Wir haben Fingerabdrücke gefunden, die nicht dem Opfer gehören. Und in der Ecke dahinten …« Novotný deutete auf einen Bereich des Bodens neben dem Bett. »Da ist er ins Blut getreten und hat einen halben Fußabdruck zurückgelassen.«

Smolák runzelte die Stirn. »Das sieht ihm nicht ähnlich.« Er bückte sich und untersuchte den Abdruck. Er war deutlich: ein halber Abdruck von einem Schuh oder Stiefel mit glatter Ledersohle. Der Abdruck eines Männerschuhs, eines kleinen Schuhs. »Das passt überhaupt nicht zu ihm. Er ist nicht nachlässig. Er hat noch nie einen solchen Fehler gemacht, und dasselbe gilt für die Fingerabdrücke.«

Novotný zuckte mit den Schultern. »Vielleicht will er ja erwischt werden. Manchmal machen diese Verrückten das doch – sie fühlen sich in ihrem Innersten schuldig und wollen, dass wir sie erwischen und bestrafen. Oder sie spielen alberne Katz-und-Maus-Spiele.«

»Dieser Handwerker hier genießt seine Arbeit viel zu sehr. Wenn das kein Fehler, sondern Absicht war, will er uns damit verhöhnen. Er will uns zeigen, dass wir ihn nicht fassen können. Aber selbst das bezweifle ich.« Er warf noch einen Blick auf den Fußabdruck. »Jedenfalls ist es merkwürdig. Noch etwas?«

»Wie Sie schon wissen, gab es keinerlei Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen«, antwortete Novotný. »Laut dem Hausverwalter musste er die Frau vor drei Tagen in ihre Wohnung lassen, nachdem sie den Markt in der Unterstadt besucht hatte. Sie hatte ihre Schlüssel verloren und glaubte, sie hätte sie irgendwo fallen lassen.«

Smolák nickte nachdenklich. »Und Sie glauben, dass der Mörder sie ihr auf dem Markt aus der Tasche gestohlen hat?«

»Möglich wäre es jedenfalls. Und es würde erklären, wie er hier hereingekommen ist. Ich wollte ein paar Männer auf den Markt schicken, die überprüfen, ob an dem Tag noch jemand Opfer von Taschendieben geworden ist.«

»Überprüfen Sie auch, ob vorige Opfer an den Tagen vor ihrer Ermordung ihre Schlüssel verloren haben«, sagte Smolák. »Das wurde vielleicht nicht erwähnt oder sogar übersehen.«

Sobald Novotný gegangen war, wandte Smolák seine Aufmerksamkeit wieder auf den Gerichtsmediziner. Er hatte die Untersuchung des Leichnams beendet, richtete sich auf und zog seine Krawatte wieder herunter.

»Sie ist etwa einen Tag oder etwas länger tot«, erklärte Dr. Bartoš. »Es ist schwierig, eine präzise Todesursache festzustellen. Es gibt zu viele Einschnitte, und es fehlt auch zu viel, aber auf jeden Fall hat man ihr die Kehle durchgeschnitten. Sollte das die erste Verletzung gewesen sein, dann war sie gnädigerweise tödlich. Wir können nur hoffen, dass dem so war und es sie davor bewahrt hat, all das ertragen zu müssen, was danach kam. Eines jedoch kann ich ganz klar feststellen: All das wurde sehr präzise durchgeführt.«

»Sehr präzise?«

»Wenn das ein weiterer Mord der sogenannten Lederschürze ist, wird sie zunehmend ehrgeiziger. Und zeigt dabei außergewöhnliche Geschicklichkeit bei der Zerstückelung. Es ist keinerlei Zögern beim Ansetzen des Messers zu erkennen. Wer auch immer das hier getan hat, wusste sehr genau, was er da tat, und ist zudem sehr methodisch vorgegangen.«

»Ein Arzt?«

»Nicht notwendigerweise. Natürlich könnte es ein Chirurg oder ein Anatom gewesen sein, aber genauso gut ein Schlachter oder ein Metzger. Jedenfalls sind mir Gerüchte zu Ohren gekommen, dass Sie vielleicht Ihren Verdächtigen bereits in Gewahrsam haben könnten.«

»Was?« Smolák war verblüfft.

»Es handelt sich um einen Lehrling eines jüdischen Metzgers, wie ich gehört habe. Er hat eine Frau im Bahnhof von Masaryk gepackt und sie mit einem Messer bedroht, bevor er von einem Ihrer Leute niedergeschossen worden ist.«

Smolák schüttelte den Kopf. »Er war kein Jude – ich habe keine Ahnung, wie man auf diese Idee gekommen ist. Außerdem war das nicht unser Mann. Nur ein Verrückter mit einem Messer.«

»Halten Sie das hier etwa nicht für die Arbeit eines Wahnsinnigen?«, fragte Bartoš ungläubig und deutete mit dem Kopf auf die zerstückelten menschlichen Überreste.

»Natürlich glaube ich das, aber hier handelt es sich um eine andere Art von Wahnsinn. Um eine andere Spezies. Wer auch immer dafür verantwortlich ist, lebt in unserer Welt, nicht in irgendeinem Phantasiereich. Er ist organisiert und, wie Sie selbst sagten, er weiß genau, was er tut. Mir ist nur nicht klar, nach welchen Kriterien er ausgerechnet diese Frau ausgesucht hat.« Smolák ließ erneut den Blick durch das teuer möblierte Schlafzimmer gleiten. Die Wohnung erstreckte sich über zwei Stockwerke in einem vornehmen Mietshaus, das in einer geschwungenen Häuserzeile von ähnlich barocken Gebäuden auf der Malá Strana lag. Es war ein wohlhabendes Viertel, in dem traditionell viele Deutsche wohnten, so dass man es auch Prager Kleinseite nannte. Auf seinem Weg durch die Wohnung zum Schlafzimmer war Smolák auf dem Beistelltisch im Flur ein Exemplar des deutschen Prager Tageblatts aufgefallen. Und die Bücher im Regal waren fast alle auf Deutsch gewesen. Zudem hatte man ihm den Namen des Opfers mitgeteilt. Sie war eine gewisse Maria Lehmann. Eine Deutsche. Die früheren Opfer hatten alle tschechisch-deutsche Familiennamen gehabt, aber Smolák hatte dieser Übereinstimmung bislang nur wenig Bedeutung beigemessen. Er war davon ausgegangen, dass ihr Beruf das Motiv für den Mord geliefert hatte, nicht ihr ethnischer Hintergrund.

Das hatte Smolák gerade noch gefehlt, ein wahnsinniger Mörder mit einer kulturellen Agenda.

»Wie auch immer.« Václav Bartoš ging zur Tür. »Ich schicke Ihnen meinen Bericht.« Kurz bevor er die Wohnung verließ, drehte er sich jedoch stirnrunzelnd noch einmal zu Smolák herum.

»Gibt es noch etwas, Doktor?«

Der Gerichtsmediziner zuckte mit den Schultern. »Es ist nur eine Beobachtung, etwas, was außerhalb meines beruflichen Zuständigkeitsbereiches liegt.«

»Glauben Sie mir, Doktor, ich bin sehr dankbar für alle Beobachtungen, die Sie mir mitteilen. Das hier ist bereits der vierte Mord dieser Art.«

»All das hier …« Der Arzt deutete mit der Hand auf die Szenerie auf dem Bett. »All das kommt mir sehr bekannt vor. Vor etwa fünfzig Jahren gab es eine Reihe ähnlicher Morde in England, in London. Und wie bei allen bisherigen Morden von Lederschürze wurden auch diese Morde in England auf den Straßen oder den Gassen begangen. Aber es gab damals auch einen, der im Zimmer des Opfers stattfand. Ich kann Ihnen sagen, dass der Tatort, den der Mörder hinterließ, diesem hier sehr ähnlich war. Sie haben vielleicht davon schon gehört: Die Sache gehört in London mittlerweile fast zum Lokalkolorit. Der Mörder, der übrigens niemals gefasst wurde, wurde als Jack the Ripper bekannt.«

Smolák runzelte die Stirn und betrachtete die entsetzliche Szene vor sich. Diesmal jedoch blickte er darüber hinaus, auf andere Fälle, auf die Chronologie von Morden und Verstümmelungen. »Sie wollen damit sagen, dass ich nach einem Engländer suchen sollte? Und dazu nach einem, der mittlerweile zwischen siebzig und neunzig Jahren alt sein müsste?«

Der Mediziner schüttelte den Kopf. »Alle, die sich damit auskennen, denken bei der Erwähnung des viktorianischen Londons an drei Dinge: Königin Victoria, Charles Dickens und Jack the Ripper. Und das nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge. Ich sage nur, dieser wahnsinnige Mörder, der Frauen so schrecklich terrorisiert und ihnen furchtbare Schmerzen zugefügt hat, ist in England fast zu einer romantischen Gestalt verklärt worden – volkstümlich, wie ich sagte. So wie unser Jan Neruda von Charles Dickens beeinflusst wurde, sieht sich unsere tschechische Lederschürze vielleicht als kreativer Erbe von Jack the Ripper. Es gibt gewiss einige Ähnlichkeiten, an die man da denken muss.«

Smolák nickte nachdenklich. Er hatte ebenfalls bereits daran gedacht, besaß jedoch nicht das fundierte Wissen des Mediziners über die Londoner Tatorte von Gewaltverbrechen. »Die Opfer in London waren gewöhnliche Prostituierte, glaube ich. Dieses Opfer da«, er nickte zu der verstümmelten Leiche auf dem Bett, »war keine Prostituierte. Sie war eine wohlhabende junge Frau.«

Der Mediziner zuckte erneut mit den Schultern. »Wie ich sagte, es ist nur eine Beobachtung.«

»Ich werde ihr nachgehen«, antwortete Smolák. »Ich danke Ihnen, Doktor.«

»Und es gibt noch etwas, was mir aufgefallen ist«, sagte Bartoš im Gehen. »Es gibt Berichte, dass man einmal einen Verdächtigen in der Nähe des Tatortes eines Ripper-Mordes gesehen hat. Diesen Beschreibungen zufolge trug er eine Lederschürze.«

Smolák sah es erst, nachdem der Mediziner bereits verschwunden war: den kleinen glitzernden Gegenstand, der über die Bodendielen in die Ecke neben dem Bett gerollt war.

4

Ein Vorteil der Verspätung bestand darin, dass es erheblich erfreulicher war, die Reise bei Tageslicht zu unternehmen, sagte sich Viktor Kosárek. Er besaß diese einzigartige tschechische Liebe zur Heimat: eine tiefe Verbindung mit ihrer Natur, Landschaft und Kultur, ohne den bitteren Beigeschmack des Nationalismus. Eine Handelsware, mit der die teutonischen Nachbarn der Tschechoslowakei den Markt zu überschwemmen schienen. Nach den Erlebnissen der letzten Nacht war es gut, einfach nur dazusitzen und durch das Zugfenster zu beobachten, wie die Stadt allmählich der Natur wich.

Es war wieder ein kalter Tag, aber die Sonne blitzte strahlend hell durch die Zweige und die durchscheinenden rot-goldenen Blätter der Bäume, die die Zugstrecke säumten. Und jenseits dieses vom Herbst vergoldeten Randes lagen die Kiefernwälder, dicht und smaragdgrün, mit ihren zahlreichen Legenden und Mythen. Sie erstreckten sich über Hügel, drängten sich auf Bergen und machten nur Feldern, Städten und Dörfern Platz. Das dunkle Herz von Europa.

Während er sich allmählich an das abwechselnde Muster vor dem Fenster gewöhnte, Feld-Wald-Weide-Wald, drängte sich jedoch immer wieder das Gesicht dieses jungen Mannes vom Bahnhof in seine Gedanken. Er sah vor allem seine verzweifelte Miene, das Entsetzen und den Hass, als er sich mit erhobenem Messer auf Viktor gestürzt hatte. Jetzt lag der Mann auf einer Station im Allgemeinen Universitätskrankenhaus von Prag, ein Bewohner dieses dunklen Landes, dieses Raumes zwischen Leben und Tod.

Trotz all seiner Studien, trotz der vielen Fälle von Wahnvorstellungen und Paranoia, die er studiert oder behandelt hatte, konnte sich Viktor Kosárek immer noch nicht in das Zentrum des Universums eines Wahnsinnigen hineinversetzen. Er konnte die Welt nicht durch seine Augen sehen, pervertiert, chaotisch und furchteinflößend. Wie musste es sich anfühlen, wenn man so sehr um sein Leben fürchtete? Wenn man Dämonen und Monster und Teufel um sich herum wahrnahm, sie wirklich sah?

Dennoch konnte die Erinnerung an einen geistig verwirrten Fremden ihn nicht daran hindern, die vorbeifliegende Landschaft zu genießen, und ein anderes Gesicht drängte sich in Viktors Gedanken, ein sehr vertrautes. Er hatte Filip Starosta das letzte Mal drei Nächte vor seiner Abfahrt aus Prag gesehen.

Filip war ein herzlicher, liebenswürdiger, gelassener Mensch, dessen Gesellschaft Viktor sehr genoss. Sein Freund hatte jedoch auch düstere, leidenschaftliche und besessene Wesenszüge, die Viktor wiederum zu ausgeprägt fand. Seit ihrem ersten Treffen hatte Viktor gelernt, Ersteres zu genießen und Letzteres zu tolerieren. Filip Starosta war ein Paradoxon aus Persönlichkeiten: In einer Fallstudie hätte Viktor das stimuliert, aber bei einem Freund beunruhigte es ihn. Und diese Sorge war in letzter Zeit größer geworden. Filips Perioden, in denen er jede Gesellschaft mied und seinen unvermittelten und intensiven dunklen Leidenschaften verfiel, waren häufiger geworden und dauerten länger an.