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Sissi Kaipurgay

Käufliche Liebe 16





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Käufliche Liebe Vol. 16

 

Kann man Liebe kaufen? Diese Frage stelle ich das 16te Mal und die Antwort bleibt ein klares Jein.

 

Warnhinweis: Es besteht keinerlei Realitätsbezug. Es sind kitschige Elemente und elementare Kuschelszenen enthalten. Zartbesaitete, die in Ohnmacht fallen, wenn sie die unverblümten Ausdrücke für gewisse Körperteile lesen, sollten die Finger von der Lektüre lassen. Ach ja: Es handelt sich um Liebe zwischen Mann und Mann.

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!

 

Text: Sissi Kaiserlos

Foto von shutterstock – Design Lars Rogmann

Korrektur: Aschure. Danke!

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/


Angelo – Nomen est omen

Lucas ist ein typischer Nerd: Völlig auf seine Profession fixiert. Sein Studium hat er erfolgreich, aber ohne nennenswerte soziale Kontakte absolviert. Seit seinem Abschluss arbeitet er auf einem hochdotierten Posten im Labor eines Pharmaunternehmens und besitzt immer noch seine Jungfräulichkeit. Um sie endlich loszuwerden, besucht er einen Callboy: Angelo.

~ * ~


1.

Lucas tauschte den weißen Laborkittel gegen seine Lederjacke, schloss den Spind und verließ den Umkleideraum. Wie immer war er der letzte in der Abteilung, der Feierabend machte. Auf die anderen wartete daheim Familie, eine Lebensgefährtin, irgendjemand, auf ihn bloß die Glotze.

In Foyer nickte ihm die Kollegin, die hinterm Empfangstresen saß, freundlich zu. Die Gesichter in diesem Bereich wechselten häufig, daher lohnte es nicht, sich die Namen der Damen zu merken. Überhaupt kannte er die meisten Mitarbeiter nur vom Sehen, wenn überhaupt. Bei über 1.000 Angestellten kein Wunder. Trotz der Fülle an Angebot befand sich kein Mann unter ihnen, der als Partner infrage kam. Dabei hieß es doch stets in den Medien, dass sich die meisten Beziehungen am Arbeitsplatz entwickelten.

Draußen herrschte typisches Aprilwetter. Mittags hatte noch die Sonne geschienen, nun regnete es Bindfäden. Er schlug den Kragen seiner Jacke hoch und hastete zur nächsten Bushaltestelle. Bis er dort ankam, war sein Haar klitschnass und durch seine Brille konnte er nur noch verschwommen sehen.

Lucas nutzte den öffentlichen Nahverkehr, weil er auf dem Arbeitsweg gern ein bisschen schmökerte. Außerdem gab er die Hoffnung nicht auf, vielleicht in Bus oder Bahn auf seine zweite Hälfte zu stoßen.

Mit einem Taschentuch verschaffte er sich einigermaßen klare Sicht. Natürlich hatte der Regen prompt aufgehört, sobald er das Wartehäuschen erreichte. Verdammter April! Zum Glück trug er Schuhe aus wasserabweisendem Material, sonst hätte er auf dem Heimweg ein kaltes Fußbad genossen.

Wenig später hielt ein Bus, wie üblich überfüllt. Einige Stationen musste Lucas stehen, bevor er einen Platz ergatterte und seine Lektüre, einen Krimi, hervorkramte. Obwohl die Handlung spannend war, sah er, anstatt zu lesen, gedankenverloren aus dem Fenster.

In knapp zwei Wochen wurde er dreißig. Eigentlich kein Grund, um schon Torschlusspanik zu bekommen, dennoch fürchtete er sich vor diesem Datum. Laut seinen Recherchen in den letzten Wochen zählte er zu der winzigen Gruppe von zwölf Prozent, die mit über zwanzig noch Jungfrau waren. Genauere Studien dazu, wieviel Männer in seinem Alter diesen Status besaßen, existierten nicht. Ehrlich gesagt würde er auch lügen, falls ihn jemand dazu befragte. Es war einfach zu peinlich.

Seit Tagen beschäftigte er sich mit der Frage, wie er seinen Zustand ändern konnte. Na gut, das Thema war schon etwas älter, aber allmählich brannte es ihm unter den Nägeln. Er wollte unbedingt vor seinem Geburtstag in die körperliche Liebe eingeweiht werden.

Eigentlich stellte das kein Problem dar. Schließlich gab es genug Männer, die ihren Körper für Geld anboten. Lucas hatte etliche Anzeigen auf einschlägigen Portalen studiert, doch darunter war keine gewesen, die ihn ansprach. Für seine Zwecke sollte es schon ein besonderer Mann sein, nicht bloß ein Typ mit großer Klappe.

Seufzend versuchte er sich auf sein Buch zu konzentrieren. Der Kommissar wäre ein Kerl nach seinem Geschmack. Ein Naturbursche mit Witz und Charme. Ob es Sinn hatte, wenn er selbst eine Kontaktanzeige aufgab? ‚Jungfrau, 29 Jahre, mittelblond, blaue Augen, 180 cm, schlank, Brillenträger, nicht hässlich, sucht liebevollen Mann, der ihn nach allen Regeln der Kunst verführt.‘ Na, Klasse! Die Typen würden garantiert Schlange stehen!

Vielleicht sollte er seine Schwanzgröße hinzufügen. Mit etwas Schummeln kam er immerhin auf 17x4 Zentimeter. Da er aber den passiven Part innezuhaben gedachte, spielte das wohl keine Rolle.

Erneut lenkte er seine Aufmerksamkeit auf die Lektüre und verpasste darüber fast die Station, an der er in die Bahn wechseln musste. Allerdings nicht weil er las, sondern weiter über sein Dilemma grübelte.

Das Abteil, in das er einstieg, war einigermaßen leer. Lucas setzte sich auf einen Fensterplatz und ließ das Buch gleich in der Tasche. Es hatte keinen Sinn einen weiteren Leseversuch zu unternehmen, dazu war er viel zu abgelenkt.

In Gedanken formulierte er die Anzeige ein paarmal neu, doch das Ergebnis blieb immer dasselbe. ‚Looser sucht zärtlichen Mann, der ihn ganz vorsichtig entjungfert‘ wäre der Klartext, wenn er alle Schnörkel wegließe. ‚Großzügige Entlohnung‘ könnte er noch dazuschreiben, aber das lockte bestimmt einen Haufen Spinner an, die bloß auf die Knete aus waren. Ha, ha! Sehr witzig! Als ob jemand aus einem anderen Grund mit ihm in die Kiste springen würde.

Frustriert strich er sich durchs mittlerweile nur noch feuchte Haar und betrachtete sein Spiegelbild im Fenster. Gewöhnlich. Ohne die Brille wäre er noch nichtssagender. Das dicke Gestell verlieh ihm zumindest den Anschein von Intellektualität. Er war zwar promovierter Chemiker und entwickelte medizinische Produkte, doch sein kulturelles Allgemeinwissen beschränkte sich auf Kinofilme und Bücher.

Zudem hatte er, was menschliche Kontakte betraf, totale Hemmungen. Die einzige Ausnahme bildete Marlon, ein ehemaliger Studienkollege und ebenfalls schwul. Zwischen ihnen hatte von Anfang an die Chemie gestimmt. Bedauerlicherweise nur insoweit, dass es für eine Freundschaft reichte, sonst hätte er ein Problem weniger.

Apropos: Er sollte lieber an der folgenden Haltestelle aussteigen, sonst käme ein neues hinzu, nämlich auf den nächsten Zug in die andere Richtung zu warten. Das dauerte auf dieser Regionalstrecke gut und gerne mal eine halbe Stunde, da sie von der Bundesbahn betrieben wurde.

Mittlerweile hatte erneut Regen eingesetzt. Um nicht erneut durchnässt zu werden, trödelte Lucas im Bahnhofsgebäude herum und betrat schließlich aus Langeweile den dort ansässigen Kiosk. Es handelte sich um einen der größeren Sorte, mit reichhaltigem Angebot an Lektüre, Rauchwaren und Lebensmitteln. Eher aus Neugier denn Kauflust, stöberte er in den Zeitschriften und erstand schließlich, weil der Typ hinter der Kasse so böse guckte, das Magazin, in dem er zuvor geblättert hatte.

Trockenen Fußes daheim angekommen, warf er das Blatt auf die Garderobe. Nachdem er Jacke und Schuhe abgelegt hatte, ging er in die Küche und holte die Reste vom Vortag aus dem Kühlschrank. Kochen war, neben seinem Beruf, sein Steckenpferd. Er experimentierte gern mit Lebensmitteln. Zutaten zu vermengen, ohne vorherige Analyse der Zellstruktur sowie anderer Eigenschaften, besaß für ihn perfekten Entspannungseffekt. Nicht immer kam dabei ein wohlschmeckendes Elaborat zustande, doch zumindest war es stets gesünder als Fertignahrung.

Während die Mikrowelle sein Abendessen erhitzte, tauschte er seine Jeans gegen eine Jogginghose. Anschließend hockte er sich mit dem Teller auf die Couch, um beim Essen ein bisschen in die Glotze zu gucken und blieb bei einer Quizshow hängen. Es war faszinierend, welche Rätsel – deren Lösung im Prinzip niemanden interessierte – die Kandidaten per Multiple-Choice-Verfahren beantworten mussten. Beispielsweise verlangsamten beim Frittieren freigesetzte Moleküle die Erderwärmung. Diese bahnbrechende Erkenntnis beruhigte höchstens das Gewissen sämtlicher Fastfood-Junkies, ansonsten gehörte sie auf den Abfallhaufen unnützen Wissens.

Obwohl ihn die Belanglosigkeit der Sendung nervte, sah er sie bis zum Schluss an. Vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem Schaulustige bei einem Unfall gafften: Es erzeugte ein erregendes Schaudern einer Katastrophe zuzusehen, ohne selbst davon betroffen zu sein.

Er ließ den Fernseher laufen, schaltete aber den Ton leiser und brachte den leeren Teller in die Küche. Auf dem Rückweg fiel ihm das Magazin ins Auge. Dessen Inhalt war zwar fast ebenso banal wie die Quizsendung, aber zumindest sprach es ihn auf gleichgeschlechtlicher Ebene an.

Erneut ließ er sich auf der Couch nieder und schlug die Zeitschrift auf. Die ersten Seiten handelten von irgendwelchen Prominenten, von denen er nicht mal die Hälfte kannte. Es folgten Szenetipps, dann Kleinanzeigen. Gelangweilt überflog er die Inserate, blätterte um und war mit einem Mal wie elektrisiert.

Dunkle Augen in einem attraktiven Gesicht. Leider nur eine schwarzweiß Fotografie, dennoch sehr beeindruckend. Schön geschwungene Lippen, umrahmt von einem Dreitagebart. Der Mann besaß eindeutig südländische Wurzeln, schätzungsweise spanische oder italienische. Letzteres schloss Lucas aus dem Namen: Angelo. Ach, Quatsch. Bestimmt war das ein Pseudonym.

Gespannt las er den Anzeigentext: „Er für schöne Stunden $$. 190 cm, Muskeln, 19x5, Brusthaar, gepflegt, OV, AV nur aktiv, kein BDSM, Fetisch o.ä., Kontakt unter: angelo.himmelstor@ ...“

Wow! Das hörte sich gut an! Er studierte das Inserat abermals und begann zu lächeln. Blind tastete Lucas nach einem Stift, umrandete die Anzeige und lehnte sich zurück. Da war er also, sein Lebensretter.

Eine Weile starrte er zufrieden grinsend ins Leere, bevor er sein Notebook heranzog, aufklappte und startete. Als erstes tippte er Angelos Kontaktdaten bei Google ein, nur vorsichtshalber, um keinem Scharlatan aufzusitzen. Da keine relevanten Ergebnisse angezeigt wurden, wechselte er zu seinem E-Mail-Account.

Mal wieder quoll sein Postfach über vor Spam. Er löschte den ganzen Scheiß und öffnete eine ungelesene Nachricht von Marlon.

„Hi. Gehen wir am Wochenende zusammen ins Kino zu Black Panther? LG Marlon.“

„Gute Idee. Ich ruf dich Freitag an. LG Lucas“, antwortete er und klickte auf den Button, um eine neue Email zu schreiben.

„Hallo Angelo, mein Name ist Lucas und ich bin noch Jungfrau ...“ Autsch! Das klang eher wie ein Brief an Dr. Sommer vom Bravo-Team. Er löschte die Zeile und fing neu an: „Hallo Angelo, ich möchte einen Termin mit dir vereinbaren. Wie hoch ist dein Stundensatz? Gruß, Lucas.“

Ehe ihm Bedenken kommen konnten, sandte er die Nachricht ab. Im Anschluss checkte er das Kinoprogramm in dem von Marlon und ihm bevorzugten Filmpalast. Black Panther lief am Samstag zu den üblichen Zeiten. Meist gingen sie in die Vorstellung um acht oder halb neun und aßen vorher zusammen etwas.

Zurück in seinem E-Mail-Konto stellte er fest, dass Angelo noch nicht geantwortet hatte. Enttäuscht surfte er ziellos herum und schaute einige Minuten später erneut nach. Weiterhin Fehlanzeige. Bediente der Typ gerade einen Kunden? Kein schöner Gedanke.

Lucas ließ sich gegen die Sofalehne sinken und runzelte die Stirn. Offenbar litt er an akuter Doppelmoral. Angelo war nun mal ein Callboy und was tat ein solcher? Genau! Der bot Sex gegen Geld.

Lebte Angelo von diesem Job oder war das bloß ein Nebenerwerb? Er recherchierte das im Internet. Anscheinend betrieb die überwiegende Anzahl männlicher Prostituierter das Gewerbe bloß nebenberuflich. Allerdings handelten die Berichte von solchen, die sich weiblicher Kundschaft anboten. Über Männer, die für Bares mit Kerlen vögelten, fand er wenig Brauchbares.

Noch immer keine E-Mail von Angelo. Mittlerweile war eine halbe Stunde seit seiner Nachricht vergangen. Genervt stieß Lucas einen Seufzer aus, stellte das Notebook beiseite und schnappte sich die Fernbedienung, um die Glotze lauter zu drehen.

Es lief irgendein Kriminalfilm. Der Plot war interessant genug, um ihn für eine ganze Zeit zu fesseln, zumal es keine Werbeunterbrechungen gab. Erst als der Inspektor den Fall gelöst hatte, besann er sich auf Angelo und checkte wieder seine E-Mails.

Inzwischen war eine Antwort eingetroffen. „Hi Lucas. Je nach dem, was du möchtest, variiert mein Stundensatz zwischen 150 und 400 Euro. Bitte schick mir ein Bild von dir. A.“

Mist! Lucas fand sich absolut unfotogen. Leider hörte es sich nicht danach an, als ob Angelo mit einem Schwanzfoto zufrieden wäre.

Missmutig begab er sich ins Schlafzimmer, vor den bodentiefen Spiegel und probierte eine der Posen, die man tausendfach bei irgendwelchen Trullas im Internet fand: Die Beine überkreuzt, als würde man schreiten, eine Hand in die Seite gestemmt und die Lippen lasziv leicht geöffnet, dazu ein sexy Blick. Gott! Sah das Scheiße aus! So, als ob er dringend aufs Klo musste.

Letztendlich lichtete er sich im Sitzen ab, ein gezwungenes Lächeln auf den Lippen. Wenigstens wirkte er nun nicht mehr so, als wenn seine Blase voll wäre, stattdessen machte er den Eindruck eines verklemmten Nerds. Tja. Irgendwie stimmte das ja auch.

Er lud das Foto aufs Notebook und schrieb dazu: „Hallo Angelo, wann passt es dir denn? Ginge Freitag? Gruß, L.“

Diesmal war der Callboy von der schnellen Sorte. Schon nach kurzem Warten blinkte eine neue Nachricht in seinem Posteingang. Aufgeregt öffnete er sie.

„Kommt drauf an. Was genau stellst du dir vor?“

Gute Frage. „AV mit viel Vorspiel. Bin ziemlich unerfahren.“

Erneut erfolgte eine rasche Antwort: „Okay. Ich hätte zwischen 7 und 8 Zeit. Nur Barzahlung. 200 Euro.“

Ganz schön happig, aber Geld spielte für ihn nur eine untergeordnete Rolle. Seine Eltern waren vermögend, außerdem verdiente er selbst jeden Monat ein hübsches Sümmchen. „Alles klar. Wie geht’s jetzt weiter?“

In der nächsten Mail nannte ihm Angelo eine Adresse und Mobilfunknummer, damit er kurz vorher anrief und verabschiedete sich mit: „Bis Freitag.“

Mit vor Nervosität zitternden Fingern tippte Lucas die Daten in sein Smartphone. Nun war es also soweit. Nur noch drei Tage, bis er seinen Makel loswurde.