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Nr. 2979

 

Das Despina-Mysterium

 

Neptuns verlorener Mond – im Schatten von Wanderer

 

Uwe Anton

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Sondierungen

2. Das Wrack

3. Der Datensatz

4. Der Überlebende

5. Zwei Haluter

6. Informationen

7. Eine schrecklich schöne Familie

8. Der verlorene Mond

9. YLA

10. Genesis und Exitus

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Forschungsstation »Sunset City«

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Davon ist er in diesen Tagen des Jahres 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung allerdings weit entfernt: In der von der Superintelligenz ES verlassenen Milchstraße machen sich Boten anderer Superintelligenzen breit, ebenso alte Feinde von ES und neue Machtgruppen.

Eine dieser Machtgruppen ist der sogenannte Techno-Mahdi, der das Solsystem unter seine Kontrolle gebracht hat. Sein wichtigster Repräsentant nennt sich Adam von Aures, und er scheint nach der völligen Unabhängigkeit von allen Hohen Mächten zu streben. Bei seinen Bemühungen hat er aber etwas ausgelöst, das den Untergang der Milchstraße nach sich ziehen kann: den Weltenbrand.

Ein Zentrum der neuen Entwicklung liegt im Solsystem, genauer: auf dem Planeten Neptun, in dessen Atmosphäre sich die Kunstwelt Wanderer befindet. Sie umgibt zugleich DAS DESPINA-MYSTERIUM ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Arkonide sucht in einem besonderen Eis.

Icho Tolot – Der Haluter trauert und versucht zu helfen.

Oberst Vanloo – Der Kommandant der MALCOLM SCOTT DAELLIAN hält nicht viel von saloppen Abkürzungen.

Das Aggregat Etain – Lotho Keraete schickt seine schöne Familie aus.

1.

Sondierungen

9. Mai 1552 NGZ

 

Die Sonde explodierte, als sie sich Wanderer auf knapp 100.000 Kilometer genähert hatte.

Ich hatte damit gerechnet. Das war offenbar die Grenze, bei der der Kunstplanet reagierte, sobald etwas ihn anflog. Manchmal wurden die Sonden zerstört, manchmal verschwanden sie einfach aus der Ortung, als hätte man sie nie auf den Weg gebracht. Wanderer ließ sich nicht in die Karten schauen, reagierte willkürlich, vielleicht der jeweiligen Situation angemessen, und für uns Wesen aus den Niederungen der Existenz unvorhersagbar.

Wanderer war vor knapp einem halben Jahr im Solsystem aufgetaucht, am 4. Dezember 1551 NGZ um 22.57 Uhr Terrania-Standardzeit. Gleichzeitig war der Neptunmond Despina verschwunden, an dessen Position Wanderer erschienen war, bevor die halbkugelförmige Welt der Superintelligenz ES in die Neptunatmosphäre abgesunken war.

Despina war ein unregelmäßig geformter Felsen gewesen, der einem breiten Faustkeil ähnelte, mit den Ausmaßen 180 mal 148 mal 128 Kilometer, und sich Neptun langsam annäherte. Irgendwann wäre er auf dem Planeten aufgeschlagen, falls er nicht vorher unter dessen gravitativem Einfluss zerbrochen wäre.

Niemand wusste, was aus dem Mond des Neptun geworden war. Er hatte in den Tagen vor dem Austausch bereits einige Male geflackert. Dann war er weg gewesen, in einer Art hyperenergetischer Blitzentladung verschwunden, und durch die Kunstwelt Wanderer ersetzt worden.

Seitdem redeten sich Forscher ihre Münder fusselig und stellten die abstrusesten Theorien auf. Die Mehrzahl von ihnen behauptete, dass sich der Mond in eine Art Hyperenergie-Rezeptorfeld verwandelt hätte. Aber das war nur eine These. Ursachen und Wirkzusammenhänge ließen sich nicht herausarbeiten, doch zumindest mussten die Wissenschaftler das Phänomen benennen, um ihr Gesicht nicht zu verlieren. Aber die brennendste Frage blieb Monat für Monat unbeantwortet: Wie war diese Verwandlung vonstattengegangen?

»Starke Emissionen im fünfdimensionalen Bereich«, meldete Feto-5. Sie klang stark gereizt, wie fast alle an Bord.

»Und die bekannten fünf- und sechsdimensionalen Interferenzphänomene«, ergänzte Feto-6. »Alles wie gehabt. Die bisherigen Beobachtungen werden bestätigt.«

Die Ortungs- und Funkverhältnisse auf dem Neptun waren schwierig. Die energetischen Streufronten gingen nicht nur von Wanderer aus, sondern auch vom Nordpol des Planeten.

»Wir machen uns an die Auswertung der Daten«, ergänzte Feto-5. »Vielleicht ergibt sich ja etwas Neues.«

»Obwohl ich das bezweifle«, fügte Feto-6 skeptisch hinzu.

Die beiden terranischen Schwestern Colina und Veluna Fetoshi erhoben sich gleichzeitig von ihren Arbeitskonsolen in der Zentrale der DAELLIAN. Obwohl sie sehr verschieden waren, benahmen sie sich manchmal wie ein und dieselbe Person. Beide waren Hyperphysikerinnen. Colina war Spezialistin für Fünf-D-Phänomene, Veluna für fünf- und sechsdimensionale. Daher nannte so mancher sie nur Feto-5 und Feto-6, was die beiden längst wussten, sich aber nicht dazu äußerten.

Ich wandte den Blick von dem Holo ab und betrachtete die Frauen kurz. Sie schritten mit eckigen, abgehackten Bewegungen, denen ich das Unbehagen der Schwestern deutlich anmerkte, zum nächsten Schott. Wahrscheinlich hätten sie die Analyse auch in der Zentrale vornehmen können, doch sie schienen es hinter ihren Konsolen kaum noch auszuhalten. Es zog sie in eine dunkle, vermeintlich geschützte Kabine, in der sie aber auch keinen wahren Schutz vor der Pein der Ekpyrosis finden würden.

Die wievielte Sonde hatten wir soeben ins Nichts geschickt?

Ist dein fotografisches Gedächtnis schon so löchrig geworden?, meldete sich der Extrasinn. Die Bemerkung war vielleicht ironisch gemeint, klang aber nur absolut gereizt.

Damit musste ich mich abfinden. Ich spürte ebenfalls, dass ich nun manchmal ungewohnt gereizt und alles andere als souverän reagierte.

Und was die Sonden betraf ... Ich befürchtete, dass jede weitere ebenso zum Untergang verdammt war wie die vorigen. Der Kunstplanet Wanderer war nach wie vor unzugänglich und würde es bleiben, wenn ich richtig lag. Da konnten wir so viele Sonden schicken, wie wir wollten.

Auf diese Weise kommen wir nicht weiter, gestand ich mir oder dem Logiksektor ein. Vorschläge?

Der Extrasinn hüllte sich in Schweigen. Er war genauso ratlos wie ich.

Ich betrachtete andere, kleinere Holos. Derzeit hatte der Neptun nur noch dreizehn Monde, davon lediglich zwei über 400 Kilometer durchmessend: Triton und Proteus. Bis zum Verschwinden Despinas war allerdings der bemerkenswerteste Trabant Nereide gewesen. Nereide war einst – im Jahr 2436 alter Zeitrechnung – zerstört, mittlerweile aber wiederhergestellt worden, indem die Terraner seine Einzelteile zusammengefügt hatten. Damals waren sie anders vorgegangen als derzeit bei Ganymed, dem Jupitermond. Aber meine Gedanken schweiften ins Bekannte ab, das für uns herzlich irrelevant war.

Wo steckte Despina – falls er überhaupt noch existierte? War er als Energielieferant benutzt worden oder hatte er schlicht seinen Platz getauscht wie einst Mars und Trokan? Für uns war er jedenfalls derzeit spurlos verschwunden.

Etliche Raumschiffe und Forschungsplattformen hatten um Wanderer Position bezogen und beobachten den Scheibenplaneten. Die Wachflotte hatte jedoch genauso wenig Erfolge vorzuweisen wie die MALCOLM SCOTT DAELLIAN, mit der ich in den Orbit des Neptun geflogen war. Der Forschungsraumer war ein hochmodernes Schiff der SATURN-Klasse, ein ENTDECKER II, 1800 Meter im Durchmesser, ausgestattet mit vorzüglichem hyperphysikalischem Mess- und Ortungsgerät, mit Spezialrobotern, Sonden und allem, was dazugehörte.

Die DAELLIAN zählte zum Modernsten, was die Menschheit technisch bislang zustande gebracht hatte.

Aber nichts davon schien Licht in das Despina-Mysterium und das Rätsel von Wanderer bringen zu können.

Nachdenklich schaute ich auf ein Holo, das die DAELLIAN zeigte, wie sie über dem Neptun schwebte. Er leuchtete in einem geradezu unnatürlich kräftigen, hellen Blau. Der Kugelraumer mit den ungewöhnlichen Aufbauten, dem am Südpol hoch aufragenden Messgerät und dem Ringwulstmodul mit der völlig transparenten Außenwand wirkte winzig im Vergleich zu dem äußersten Planeten des Solsystems, dessen Äquator fast 50.000 Kilometer durchmaß. Die DAELLIAN war nur erkennbar, weil die Bordpositronik sie in der Darstellung entsprechend vergrößerte. Der Eisriese, in Wirklichkeit ein kompakter Gasplanet, wirkte auch aus nächster Nähe kalt, was die tiefblaue Färbung noch betonte.

Kalt und lebensfeindlich. Die Bahn des viertgrößten Planeten des Sonnensystems zeichnete nun seit vielen Jahrhunderten den Rand des Solsystems ins All. Schon vor Vernichtung des Pluto hatte Neptun als letzte Bastion des Lebens im Heimatsystem der Menschheit gegolten.

Das Leben auf dem Neptun konzentrierte sich auf das Meer der Träume nahe dem Nordpol, einer Zone der Ruhe in der ansonsten sehr dynamischen Atmosphäre über einem Methansee, die etwa so groß wie das Mittelmeer war. Obwohl an seiner Oberfläche eine Temperatur von minus 173 Grad Celsius herrschte, hatte man dort die Eiskriecher entdeckt, die größte bekannte Lebensform des Heimatsystems der Menschheit.

Sie glichen dreieckigen, flachen Rochen. Im ausgestreckten Zustand konnten diese molluskenartigen Kreaturen, die einzige bekannte Lebensform des Neptun, eine Größe von zehn Kilometern und mehr erreichen. Ich fragte mich, was diese Lebewesen ohne erkennbare Sinnesorgane, Körperöffnungen und Skelettstrukturen davon halten würden, dass ihre Heimat plötzlich zu einem Brennpunkt geworden war. Aber soweit wir wussten, hatten sie davon gar nichts mitbekommen. Dafür mangelte es ihnen an den nötigen Sinnesrezeptoren.

Sie glitten tagaus, tagein durch den Methanozean und nutzten dabei die thermischen Strömungen aus. Dort erreichte der Anteil des Methans, das die Eiskriecher zum Überleben benötigten, mehr als 80 Prozent an der Gesamtzusammensetzung des Ozeans. Sie nahmen es osmotisch durch die Körperoberfläche auf und gewannen daraus die Energie, die sie zum Leben benötigten.

In letzter Zeit hatte ich mir manchmal gewünscht, auch so ein Tier von der Größe einer terranischen Kleinstadt zu sein, durch die Atmosphäre zu treiben, den ganzen lieben langen Tag nur Nahrung aufzunehmen und keine Gedanken zu haben, die über den bloßen Arterhalt hinausgingen.

Aber die Wirklichkeit sah anders aus.

Ich betrachtete den Neptun, der sich in einem natürlichen Blau von der Schwärze des Alls abhob. Seine oberen Atmosphäreschichten bestanden hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium, hinzu kamen etwas Methan, deuterierter Wasserstoff und Spuren von Ethan, ein farb- und geruchloses Gas, das den gesättigten Kohlenwasserstoffen angehörte.

Die blaue Farbe wurde hauptsächlich durch das Methan verursacht, das rotes Licht absorbierte. Weitere Bestandteile der Atmosphäre sorgten dafür, dass die Farbe so kräftig erschien, viel kräftiger etwa als die des blaugrünen Uranus, dessen Atmosphäre ähnlich aufgebaut war. Die oberen Schichten der Atmosphäre hatten eine Ausdehnung von etwa zehn bis zwanzig Prozent des Planetenradius.

In den unteren Bereichen der Atmosphäre waren höhere Konzentrationen von Methan, Ammoniak und Wasser vorhanden. Diese Umweltbedingungen waren nicht gerade freundlich für Menschen und andere Humanoide. Wegen der großen Entfernung zur Sonne lag die Temperatur auf dem Planeten bei unter minus 200 Grad Celsius.

Ich wandte den Blick von dem Holo ab und zerbrach mir wieder den Kopf darüber, Spuren nachzugehen und aussichtsreiche Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Aber es gab keine, weder von der einen noch von der anderen Sorte. Lotho Keraetes Schiff, die FLORENCE LAMAR, schien spurlos verschwunden zu sein, verborgen im Wasserstoff, Helium und Methan der oberen Schichten der Atmosphäre. Ich ging davon aus, dass sich die FLORENCE LAMAR in den Tiefen des Neptun verborgen hielt, in einem todsicheren Versteck, in dem wir sie höchstens durch einen unwahrscheinlichen Zufall entdecken würden.

Zudem waren wir mit Wanderer keinen Schritt weitergekommen.

Nuus Vanloo, der terranische Kommandant der DAELLIAN, schaute von seiner Konsole auf. »Wir haben etwas. Die Hyperfunkabteilung hat einen ultrakurzgerafften Hyperfunkimpuls empfangen.«

Stirnrunzelnd schaute ich zu ihm hinüber. Vanloo hatte das Sagen an Bord des Forschungsraumers; ich war nur ein geduldeter Gast. Einer, auf dessen Lebenserfahrung Wert gelegt wurde, aber trotzdem nur ein Gast. Daher sah ich es Vanloo nach, dass er es so spannend machte.

Er bemerkte meinen fragenden Blick.

»Der Impuls konnte von der Bordpositronik nicht entschlüsselt werden«, fuhr er fort. »Sie hat jedoch festgestellt, dass er gewisse Muster aufweist, die auf einen halutischen Ursprung schließen lassen.«

»Ein halutischer Hyperfunkimpuls?«, wiederholte ich nachdenklich.

»Das habe ich doch gerade gesagt!«, fauchte der Oberst aufgebracht.

Auch das sah ich ihm nach. Etwas anderes blieb mir nicht übrig. Die Auswirkungen des Weltenbrands waren ständig spürbar. Sie beeinträchtigten die Besatzungsmitglieder, riefen eine gereizte Stimmung hervor. Selbst, wer sich davor kurzfristig schützen konnte, blieb eingeschränkt, fühlte sich zunehmend gefangen.

Als Zellaktivatorträger war ich weniger stark betroffen als andere. Doch ich spürte die Wirkung ebenfalls. Es war dabei kein Trost, dass mein Extrasinn vergleichbaren Beeinträchtigungen unterworfen war, ganz im Gegenteil. Mein bevorzugter Gesprächspartner konnte seine Rolle als wichtiger Ratgeber nur noch unzureichend wahrnehmen.

Ich reagierte nicht auf die Reaktion des Kommandanten. Mir gelang es besser als ihm, mich zusammenzureißen, doch das war nicht mein Verdienst, sondern eine Fügung des Schicksals.

Ich atmete tief durch. Endlich kam etwas Bewegung ins Spiel. Ich konnte mir noch keinen Reim darauf machen, dafür gab es zu viele Möglichkeiten. Sollte einer der Haluter, die sich an Bord der GOS'TUSSAN II befunden hatten, deren Vernichtung überlebt haben? Handelte es sich um einen automatischen Impuls? Oder stammte er gar von Lotho Keraete?

»Die Bordpositronik soll den Hyperfunkimpuls noch einmal genauestens untersuchen«, bat ich den Kommandanten.

Zumindest bildete ich mir ein, ihn höflich gebeten zu haben. Sein ungeduldiges Schnaufen deutete jedoch an, dass ich mich im Ton vergriffen hatte.

Dann riss Vanloo sich zusammen und nickte unwillig.

Ich wartete.

Zwei Minuten später schaute er wieder auf. »Die Bordpositronik hat keine neuen Erkenntnisse gewonnen.« Bildete ich es mir nur ein, oder glitt tatsächlich ein leichtes Grinsen über seine Züge? Genau, wie ich es schon gesagt habe. Warum willst du mir nicht glauben, du arroganter Arkonide?

Ich hatte meinen Entschluss längst gefasst. Sogar, ohne den Logiksektor konsultiert zu haben.

»Bitte, schick einen verschlüsselten Funkspruch an Reginald Bulls Haus am Kleinen Goshunsee«, sagte ich.

»An Reginald Bulls Haus?«

Ich nickte. Zumindest meine Einsichtsfähigkeit litt nicht unter dem Weltenbrand. In Bulls Haus hielt sich letzten Informationen zufolge Icho Tolot auf und versuchte, die Haluter-Pest zu erforschen, genauer gesagt das Stasis-Syndrom, das für die sanften schwarzen Riesen eine tödliche Gefahr darstellte. Bulls Haus war zwar nicht der ideale Ort für derartige Forschungen, aber dort lebte die kleine Shinae, Reginalds Tochter, die der halutische Riese unter seine Fittiche genommen hatte und innig liebte.

Wenn ich Glück hatte, erwischte ich ihn dort. Er hatte vor, demnächst das Kastell aufzusuchen, die geheime Basis der Society of Absent Friends im Inneren des Jupitermondes Neo-Ganymed, der sich noch immer im Bau befand, in dem ihm bessere Möglichkeiten zur Verfügung standen. Falls der Funkspruch tatsächlich von einem Haluter stammte, hatte Icho bessere Chancen als ich, ihn zu entschlüsseln.

»Du hast mich gehört. Bestell Icho Tolot schöne Grüße und bitte ihn, so schnell wie möglich zu uns an Bord zu kommen.«

 

*

 

Icho Tolot wirkte ... anders, als er aus dem Transmitter trat. Und ich bezweifelte, dass dies an den Folgen des Weltenbrands lag.

Ich spürte sofort, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Wir beide waren Freunde seit ewigen Zeiten, und ich respektierte die Gebräuche und Sitten der Haluter, selbst wenn ich sie nicht bis ins Letzte verstand. Ich wusste, dass sie beinahe übermäßig großen Wert auf die Einhaltung ihrer Privatsphäre legten, und verhielt mich entsprechend. Ich ließ mir also nichts anmerken, als ich ihn herzlich begrüßte. Auf einen kräftigen Händedruck oder eine Umarmung musste ich aus verständlichen Gründen allerdings verzichten.

»Ich habe den weitergeleiteten Funkspruch empfangen, Atlanos«, sagte Tolot statt einer Einleitung. »Er kam mir so eigenartig vor, dass ich mich sofort hierher begeben habe, um dem Rätsel auf den Grund zu gehen. Auch wenn ich Shinae deshalb ... nun ja, im Stich lassen musste. – Sie ist für mich das Leben«, fügte er leiser hinzu.

Ich zog die Brauen hoch. Wenn mein alter Freund sich persönlich einmischte und dabei sogar Reginalds Tochter verließ, musste mehr dahinterstecken, als ich ahnte. »Was hast du herausgefunden?«

Tolot setzte sich in Bewegung, und ich musste mich sputen, mit ihm Schritt zu halten. Sein Ziel war die Zentrale der MALCOLM SCOTT DAELLIAN. Oberst Vanloo erhob sich respektvoll, als wir eintraten, und hieß ihn an Bord willkommen.

Der Haluter begab sich ohne Umschweife an eine Funkkonsole und rief den Hyperfunkimpuls mit einem akustischen Befehl auf.

»Der Impuls ist eindeutig halutischen Ursprungs«, bestätigte er unsere ursprüngliche Vermutung. »Die Matrix ist unverkennbar. Allerdings ist es mir nicht gelungen, die Verschlüsselung zu brechen. Die Positronik arbeitet noch daran, doch es kann Stunden, wenn nicht sogar Tage dauern, bis es ihr gelingt. Ich fürchte, so viel Zeit haben wir nicht.«

»Wie meinst du das?«

»Es handelt sich zweifelsfrei um einen Hilferuf, der anscheinend nur von einem Haluter verstanden werden soll.«

Das ist unlogisch, meldete sich mein Extrasinn. Welchen Sinn hat ein Hilferuf, wenn niemand ihn versteht?

Ich wiederholte den Einwand des Logiksektors.

Ein Grollen drang auf Tolots Kehle. »Du denkst nicht weit genug, Atlanos«, sagte er sanft. »Entweder ist dem vorgesehenen Empfänger die Verschlüsselung bekannt, sodass er den Spruch im Klartext versteht. Oder aber, der Absender will aus irgendwelchen uns unbekannten Gründen nur von einem Haluter gerettet werden. Dann setzt er auf die Neugier des Empfängers, falls der ein Haluter ist. Eine andere Person kann mit dem Spruch nicht das Geringste anfangen.«

Ich vollzog den Gedankengang nach und kam auf dieselbe Lösung, auf die auch mein alter Freund gekommen sein musste. »Du vermutest einen Zusammenhang mit der abgestürzten GOS'TUSSAN II?«

»Was sonst könnte für den Funkspruch verantwortlich sein? Wirst du dem Hyperfunkimpuls nachgehen?«

»Das ist hoffentlich keine ernst gemeinte Frage!«

»Dann werde ich dich begleiten.«