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Eulenspiegel Verlag – eine Marke der
Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage

ISBN E-Book: 978-3-359-50081-0

ISBN Buch: 978-3-359-01374-7

1. Auflage 2018

© Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin

Umschlaggestaltung: Verlag, Karoline Grunske

www.eulenspiegel.com

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»Es ist ein Treiben in mir,
dass ich oft denke, ich verliere
mein bisschen Verstand.«

Alexander von Humboldt,
oder: Der Schalk aus Tegel

Als wären zehntausend Säue hinter ihm her: So empfand Alexander von Humboldt sein Leben. Der preußische Adlige, der adligen Dünkel verachtete, war getrieben von unbändiger Forscher- und Entdeckerlust, er kämpfte sich durch Bergwerkstollen und Dschungel, maß die Temperatur von Meeresströmungen und bestimmte die Bläue des Himmels, bestieg Vulkane und legte in den fast neun Jahrzehnten seines Lebens Zehntausende Kilometer auf Schiffen, Maultieren, Pferden, in Kutschen, Schlitten, der Eisenbahn und zu Fuß zurück. Er war ein Wissenschaftler und Autor von ungeheurem Horizont, brillanter Redner, begnadeter Netzwerker, Kritiker der Sklaverei, Vordenker der Globalisierung, einer der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit – eine Wucht, ein Ereignis.

Und: Er war ein Schalk, ein Spötter, ein Lästermaul. Angeblich verließen manche Zeitgenossen eine Abendgesellschaft nicht, solange Alexander von Humboldt anwesend war, denn sie wollten nicht riskieren, dass nach ihrem Abgang über sie hergezogen werde. »Mein Freund Humboldt«, so sagte es der Physiker François Arago, »ist das beste Herz auf der Welt, aber auch das größte Schandmaul, das ich kenne.« Er könne nur einen Fehler an Alexander von Humboldt entdecken, gab der Hamburger Großkaufmann Caspar Voght zu Protokoll, nämlich »die Freude über die Entdeckung lächerlicher Seiten an den Menschen, die ihn umgeben«. Humboldt selbst, Salonlöwe und Kammerherr, der in Paris und Berlin manchmal mehrere Abendgesellschaften nacheinander besuchte, nannte seinen Hang zur Moquerie »meine oft etwas scharfen Urteile«. Die Spottlust lebte er nicht nur im Gespräch aus, sondern auch in seinen Schriften, vor allem in Briefen.

Der »an den Höfen zahm gewordene Waldmensch vom Orinoco« – so hat er sich im Alter einmal bezeichnet – hätte gewiss zugestimmt: Auch sein eigenes Leben hatte durchaus komische Momente. Oder ist es nicht merkwürdig, wenn er auf einem Einbaum den Orinoco herunterfährt und fürchten muss zu ertrinken – weil er nicht schwimmen kann? Wenn er todesmutig durch Eis und Schnee den Berg besteigt, der den Zeitgenossen als der höchste der Erde gilt, und dabei weder Handschuhe noch feste Stiefel trägt? Wenn er galvanische Experimente am eigenen Körper ausführt und sich über jede Entzündung, jeden heftigen Schmerz freut?

Und so ist das Leben des Alexander von Humboldt nicht nur abenteuerlich, draufgängerisch, einzigartig, wissenschaftlich hoch ergiebig und welthistorisch bedeutsam, nein, es ist auch amüsant. Zwei Kenner Alexanders, die langjährigen Leiter der Alexander von Humboldt Forschungsstelle der Berliner, später Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Kurt-R. Biermann und Ingo Schwarz haben beklagt, dass in der Humboldt-Biografik der »Sinn für Schalkhaftigkeit« eher stiefmütterlich behandelt werde. Nun denn! Das lässt sich ändern