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Birgit Rusche-Hecker

Annette Dorstijn

FÜHLENDE WESEN

Tiere als
Brücke zu unserer
wahren Natur

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Alle Rechte vorbehalten.

Copyright © 2018 Verlag »Die Silberschnur« GmbH

ISBN: 978-3-89845-590-9
eISBN: 978-3-89845-820-7

1. Auflage 2018

Umschlaggestaltung: XPresentation, Güllesheim; unter Verwendung eines Motivs von © Orlando Florin Rosu, www.fotolia.com

Verlag »Die Silberschnur« GmbH · Steinstraße 1 · D-56593 Güllesheim www.silberschnur.de · E-Mail: info@silberschnur.de

Tiere besitzen eine Kraft,
die es ihnen ermöglicht,
auf ganz besondere Weise
unsere Seele zu berühren.

Birgit Rusche-Hecker

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

Wie es zu diesem Buch kam

Ausblick auf das Buch

1. KAPITEL

Wenn alles ganz natürlich wäre

2. KAPITEL

Die Realität

» Unsere bisherige Strategie: eine “Backform”

» Ein Blick auf das Leben der Tiere in unserer menschlichen Welt

3. KAPITEL

Hilfe für die Tiere

» Was brauchen Tiere wirklich?

» Unsere Haustiere brauchen uns als natürliche Menschen

» Achtsame Wanderung auf dem schmalen Grat zwischen Liebe und Qual

» Tiere müssen sich auf uns verlassen können – bis zum Schluss

» Wenn wir uns voneinander verabschieden müssen

» Euthanasie – Segen oder Fluch?

4. KAPITEL

Ursachen für fehlendes Bewusstsein

» Ritterrüstung und Glücklichmacher als hilflose Lösungsstrategien

» Vertrauen – Beziehung – Ängste – Grenzen

» Deine und meine Grenzen

5. KAPITEL

Heilung ist möglich – der Weg zu dir

» Eine Weisheit des Buddhismus

» Freier Mensch – entspanntes Tier

» Fragen, die zu dir selbst führen

» Wie findest du deine Bestimmung?

Meditation

Nachwort

Meine Vision – kurz und knackig

Danksagung

» Hinweise und Glossar

» Quellen & Links

» Buchtipps

» Über die Autorinnen

Weil dieses Werk eine echte Herzensangelegenheit ist, freue ich mich ganz besonders, dass ich meine liebe Freundin und Kollegin Annette Dorstijn dafür gewinnen konnte, es mit ihren liebevoll geschriebenen Texten in Gedichtform zu bereichern. Mögen sie dich inspirieren und dein Herz ebenso berühren wie das meine.

An dieser Stelle möchte ich mich von ganzem Herzen bei all meinen Klienten und ihren Tieren für ihr Vertrauen in mich und meine Arbeit bedanken, insbesondere bei denen, die sich bereiterklärt haben, dass ihre Geschichte anhand der in diesem Buch aufgeführten Fallbeispielen von mir erzählt werden darf. Ihr seid die, die verstanden haben, dass wir mehr für unsere Tiere tun können, und übernehmt Verantwortung für euer Handeln – aus Liebe zu euch und eurem Tier.

Ich danke euch so sehr dafür!

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EINLEITUNG

Du musst selbst die Veränderung sein, die du in der Welt sehen willst.” (Gandhi)

Wie es zu diesem Buch kam

Ursprünglich sollte dieses zweite Buch ein weiterer Ratgeber, ein “Eye-Opener” für Menschen werden, die Tiere lieben und sie noch besser verstehen möchten.

Als ich vor drei Jahren meine ersten Gedanken dazu niederschrieb, war dies eine Zeit, in der es in mir brodelte wie in einem Vulkan. Meine Trauer über den Umgang mit Mutter Natur und den Tieren in unserer Welt versuchte, sich ein Ventil im Schreiben zu suchen – kein wirklich guter Start für ein Buch, das seine Leser erreichen möchte.

Dennoch, meine Trauer oder vielmehr meine tiefe Ohnmacht fanden damals über das Schreiben einen Weg, sich auszudrücken, und so habe ich einige Passagen, die du lesen wirst, eben in dieser Zeit geschrieben. Du wirst sie wahrscheinlich sofort an ihrer Energie erkennen und die damit verbundenen Emotionen in dem ein oder dem anderen Fall vielleicht selbst nachvollziehen können.

Warum aber dann diese lange Schreibpause von zwei Jahren? Nun, jeder Mensch geht ab und an durch tiefe Krisen, und so führte mich meine Krise in drei Jahre “Seelentauchen”. Mein gesamter Organismus war einer Frage gefolgt, die sich mir ungefähr ein Jahr zuvor gestellt hatte, nämlich: Wer bin ICH eigentlich?

Diese Frage traf mich bei einem Spaziergang mit meinen Hunden Merlin und Linus buchstäblich aus heiterem Himmel. Die Sonne schien, es war angenehm warm und der staubige Feldweg, den wir entlangliefen, führte an einem Rübenacker vorbei. An einer kleinen Kreuzung war sie auf einmal da, diese Frage, drängte fortan nach Antworten und führte mich in den folgenden Monaten wie ein tägliches Mantra in die tiefsten Tiefen meines Seins.

Begegnet bin ich auf diesem Weg nach innen mir selbst, meiner Verletzlichkeit, meiner Scham und meiner eigenen Integrität. Es ist wahrhaftig eine der größten Herausforderungen, sich selbst gegenüber die Hüllen gnadenlos fallenzulassen.

Meinem eigenen Wesen auf dieser Reise authentisch gegenüberzutreten, hat mich in dieser Zeit Schicht für Schicht abgeschält, noch tiefer sensibilisiert und weiter reifen lassen. Auf diesem Weg hielten auch die Tiere, denen ich privat und beruflich begegnet bin, Hinweise für mich bereit, die ich genauer entschlüsseln, erforschen und verstehen wollte. Über das Erkennen meiner eigenen Schwächen, das Sehen dessen, was ich vorher alles nicht gesehen habe, nicht sehen konnte oder wollte, erinnerte ich mich nach und nach an mein wahres Sein und meinen Auftrag in diesem Leben. So bin ich von Herzen in diesem Leben eine Mittlerin zwischen Menschen und Tieren. Mein Lebensweg hat mich darin geschult, beide Seiten zu verstehen und sie auf ihrem Heilungsweg und der Wiederanbindung zu ihrer eigenen Natur zu begleiten.

Diese ungeschminkte und pure Weise der Begegnung mit mir selbst hat nicht nur mich, sondern auch die Schreibweise dieses Buches verändert. So ist es nun statt eines Ratgebers im Laufe der Zeit vielmehr zu einem Werk für all die Menschen geworden, die ebenso die Bereitschaft mitbringen, sich selbst und ihr Handeln ehrlich zu hinterfragen und zu überdenken.

Die Erfahrungen, die ich auf meinem Weg machen durfte, haben viele Fragen an mich und uns alle aufkommen lassen, die unser eigenes Leben und unseren Umgang mit allem anderen Leben auf unserem wunderschönen Planeten Erde betreffen. Diesen Fragen möchte ich hier mit dir auf den Grund gehen, denn mir wurde mit dem Schreiben und den Hinweisen der Tiere immer klarer, dass es mit “Tierschutz”, “Umweltschutz” und “Friedensarbeit” im Außen allein nicht getan ist, um nachhaltig für uns alle etwas zum Positiven zu verändern. Die Notwendigkeit zum Handeln besteht schon lange, das ist uns allen bewusst. Dennoch sehen wir dabei zu, wie beispielsweise riesige Flächen von Regenwald gerodet werden, seine Bewohner ihr Zuhause verlieren und um ihr Leben bangen müssen. Wir gehen daher hier der Frage nach, warum wir nicht handeln, wenn uns die Missstände bewusst sind. Wir sind beim Anblick solcher Bilder erschüttert oder schon abgestumpft und “schlafen” dennoch weiter. Wie kann das sein? Offenbar können oder wollen wir die Geschehnisse nicht in Verbindung mit uns selbst bringen. Dies soll keine Schuldzuweisung sein, denn ich möchte weiter daran glauben, dass auch du eigentlich aus tiefstem Herzen dazu beitragen möchtest, unseren Lebensraum und den der Tiere so vollkommen und wunderschön zu erhalten, wie er uns von Mutter Natur geschenkt worden ist. Ich möchte mich daher dem Thema in diesem Buch aus einer anderen Perspektive nähern, die uns unser Verhalten noch tiefer verstehen lassen soll. Meine Beobachtungen führen mittlerweile nämlich zu der Annahme, dass wir nicht wegschauen wollen, sondern uns in einer Art “Freeze”-Zustand”1 befinden, der uns behindert. Der Frage, wie es dazu gekommen sein könnte, dass wir uns wie eingefroren, wie gelähmt fühlen und daher nicht in die so wichtigen Handlungen finden, werde ich in diesem Buch mit meinem persönlichen Blick auf die Dinge auf den Grund gehen. Hierbei schaue ich einerseits mit meinen Augen als mitfühlender Mensch und andererseits als systemische Therapeutin, die darin ausgebildet ist, das große Ganze und die darin enthaltenen Verbindungen, Beziehungen und Interaktionen sowie die Ursachen zu betrachten. Ich habe bewusst nur wenige Quellen wissenschaftlicher Forschungsberichte angeführt, die meine Informationssammlung untermauern sollen, weil ich hier als Mensch schreiben wollte, der schlichtweg fühlt und fest daran glaubt, dass wir so nicht weitermachen möchten. Die Inhalte des Buches geben meinen ganz eigenen Blickwinkel auf diesen einen Bereich möglicher Ursachen wieder und erheben keinen Anspruch auf die Wahrheit.

Mit meinen Recherchen zu dem Thema möchte ich dich an meinen Erfahrungen teilhaben lassen, um dir aufzuzeigen, wie auch Tiere dazu beitragen, uns Menschen zu “wecken”.

Mein tiefer Wunsch ist daher, diese wunderbaren Wesen darin zu unterstützen, uns wieder mehr für uns selbst und unser natürliches Umfeld, zu dem alle fühlenden Wesen gehören, zu sensibilisieren, damit wir mit uns und dem Gefühl des All-eins-Seins wieder in Kontakt kommen können.

Meine Überzeugung ist, dass wir erst über unser eigenes “Erwachen” die Fähigkeit entwickeln können, andere fühlende Wesen2 wirklich zu sehen, wertzuschätzen und demzufolge zu schützen.

Täglich kontaktieren mich Mensch-Tier-Teams, die kleine und große Probleme miteinander haben – und das, obwohl die Menschen bereits ihr Bestmöglichstes geben, um mit ihrem Tier eine schöne Beziehung zu leben. Anhand von Fallbeispielen aus meinem eigenen Leben, meiner therapeutischen Praxis, der mentalen Arbeit3 mit Tieren, aus systemischen Tieraufstellungen4 sowie aus Einzelsitzungen meiner Klienten möchte ich dir zeigen, dass eine globale positive Veränderung bereits in unseren Wohnzimmern, nämlich bei uns selbst, unseren geliebten Menschen und Haustieren, beginnt und vor allem auch möglich ist.

Wir zoomen also quasi mit dem Blick aus dem Weltall hinab auf die Erde und all ihre derzeitigen Missstände, hinein bis in deine Körperzellen, nämlich dorthin, wo DU etwas verändern kannst. Dann betrachten wir gemeinsam die Möglichkeit, wie es wohl wäre, wenn viele von uns diesen aktiven und heilsamen Weg gehen würden.

Am Ende des Buches wirst du erkannt haben, warum der Weg zur Heilung aller zunächst einmal in deine eigene Mitte führt, um dort dein Herz und deine Seele zum Klingen zu bringen. Bist du mit dir verbunden, sammelst du, zusätzlich zu meinen Vorschlägen im letzten Kapitel dieses Buches, nach und nach selbst eigene Erkenntnisse und Erinnerungen an deinen natürlichen Ursprung.

So wirst du durch dein Sein und dein Tun dein Eingebundensein und deinen Platz in unserer Gemeinschaft wirklich fühlen können, und somit kannst du ein erfülltes Leben führen und einen wichtigen Beitrag zum großen Ganzen für alle Lebewesen beisteuern.

Ich verspreche dir, dass dir in diesem Buch keine Passagen zu schlimmem Tierleid begegnen werden. Ich glaube viel eher an dauerhaft positive Veränderung durch den intensiven Kontakt zu unserem natürlichen Sein und möchte, dass du beim Lesen dein Herz offen halten kannst. Daher habe ich die Inhalte bewusst so gewählt, dass sie dich berühren und nicht verletzen. Solltest du dennoch tiefer zu einzelnen Themen recherchieren wollen, so findest du dazu Informationen am Ende des Buches.

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Kurswechsel

Setz die Segel,
brich die Regel,
lass frischen Wind heftig wehen
durch deinen Körper und Geist,
lass sie erzählen von dem,
was deine Seele längst weiß …
Reiße die Mauern ein, die du auf dem Weg hast gebaut,
staune, was hinter ihnen liegt, wenn du dich hast getraut,
aufzuräumen, was dir die Sicht hat verstellt,
mit Mut hinzuschauen, auch auf das, was dir nicht gefällt
.

Sei zum Wandel bereit,
öffne dich für eine neue Zeit,
in der du es bist, der die Lebenskurssegel setzt,
der sich mit seinen wahrhaftigen Wünschen vernetzt.
Höre zu, denn sie wollen sich dir offenbaren,
wage es, aus der zum Schutz gepanzerten Haut zu fahren,
die zu eng und zu lange von dir getragen ist,
die dich umhüllt, doch nicht mehr zeigt,
wer du darunter bist
.

Es ist deine innere Stimme,
dein innerer Kompass, der dich leitet,
deine Zuversicht,
ein wunderbarer Freund, der dich begleitet.
Mach das Herz weit offen für den Weg,
den du noch nicht kennst,
mach den Kopf frei von Gedanken,
in die du dich nur zu gerne verrennst
.

Deine Sterne stehen günstig am Firmament,
weisen den Weg,
der dir neue Aus- und Einsichten schenkt.
Die Zeit ist reif für einen Wandel im System,
für einen radikalen Austritt aus dem Verstrickungsproblem
.

Setz die Segel,
brich die Regel,
so findest du zu deiner ureigenen Form,
befreit und losgelöst von
Konditionierungen und falscher Norm
.

Annette Dorstijn

Ausblick auf das Buch

Nun folgt für die Neugierigen unter euch ein Ausblick auf die einzelnen Kapitel in diesem Buch. Wer ungeduldig ist und sofort loslegen möchte, kann auch direkt zu Kapitel 1 weiterblättern.

Wenn alles ganz natürlich wäre. Erinnern, wer wir sind und woher wir kommen

Dieses Buch soll eine Einladung an dich und an mich sein, ehrlich nach innen zu schauen und ungeschminkt die Diskrepanz zwischen der Realität und unserem Wunsch nach Leben, wie es für uns und alles Leben gesund und natürlich ist, zu erkennen. Vor allem aber soll uns das Buch daran erinnern, wer wir – jeder Einzelne – wirklich sind. Nämlich natürliche Wesen.

Stell dir nur einmal folgendes, paradiesisches Kurzszenario vor, bei dem ich deinen Fokus zunächst einmal auf alles, was dich umgibt, lenken und deinen Blick somit etwas weiten möchte:

Was wäre, wenn wir alle dazu beitragen und eine friedliche Welt schaffen könnten, in der wir Zeit und Raum hätten, liebevoll nach uns selbst zu schauen, achtsam unsere Mitmenschen zu begleiten, unsere Tiere besser zu verstehen und zu achten und mit Mutter Erde und ihren Ressourcen wertschätzender umzugehen? Wir würden klare, reine Luft atmen, unser Wasser wäre sauber und trinkbar, die Pflanzen würden üppig wachsen, die Tierwelt könnte sich erholen und ein natürliches Gleichgewicht würde sich wieder einstellen können. In einem Lebensraum wie diesem würden wir alle ein gesünderes, vitaleres, glücklicheres und erfüllteres Leben führen. Hier könnten wir uns in Frieden verbunden fühlen mit allem Leben, das uns umgibt. Das wäre das Ergebnis einer gelungenen Renaturierung. Es geht mir nicht um Rückschritte, denn Entwicklung gehört zum Leben dazu. Nur wäre es hilfreich, wenn wir uns erinnern, dass auch wir natürliche Wesen sind, denen die Natur nicht nur guttut, sondern die sie zum Überleben schlichtweg brauchen.

Woran erinnerst du dich noch? Wie hast du dich als Kind mit Tieren und in der Natur erlebt? Wie hast du dich dabei gefühlt? Was war dir wichtig? Und wie ist es heute?

Als Kinder fühlen wir uns instinktiv noch verbunden mit den Tieren und mit Mutter Natur. Wir wissen, was uns Freude macht, sind begeisterungsfähig, haben Energie, sind neugierig, leicht zu erfreuen, fragen den Erwachsenen Löcher in den Bauch, forschen, staunen, packen die Dinge an, probieren Neues, sind innovativ und phantasievoll. Wir lernen durch unsere Interaktionen ein angemessenes, soziales Verhalten mit anderen Menschen und Tieren. WAS aber passiert auf dem Weg in das Erwachsensein, so dass wir diese ursprüngliche, natürliche Verbindung verlernen, verlieren und sogar vergessen?

Dieser Frage werde ich auf der Suche nach Ursachen im zweiten Teil des Buches ausführlich nachgehen und dann auch aufzeigen, wie du deine natürliche Verbindung wieder aufnehmen kannst.

Zunächst möchte ich dich mit meinen eigenen Gedanken auf eine Reise zu dir selbst einladen und dich erst einmal nur darin unterstützen, dich an deine Natürlichkeit zu erinnern, falls dies überhaupt nötig sein sollte. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass du die Erfahrung machst, dass dieser natürliche Teil in dir, der Mitgefühl und die Verbundenheit zu fühlenden Wesen empfinden kann, nicht “verloren” ist, sondern möglicherweise nur etwas mehr oder weniger “verschüttet” wurde. Sobald du ihn erinnerst und in dein Bewusstsein zurückholst, kann er wieder lebendig werden.

Mein eigener Erinnerungsversuch: Schon als Kind fühlte ich mich zutiefst der Natur und den Tieren verbunden und litt wahnsinnig, wenn ihnen Schaden oder Leid zugefügt wurde, denn ich fühlte ihr Leid bereits zu dieser Zeit in meinem eigenen Körper. Ich erinnere mich noch an eine Szene, in der mich meine Mutter festhalten musste, sie umklammerte mich regelrecht, als ich den ersten Bericht über Tierversuche im Fernsehen sah. Ich war damals 14 Jahre alt und dachte bis dahin, dass die Welt ein friedvoller Ort sei. Wir lebten auf dem Land und die meiste Zeit lief ich am liebsten barfuß durch “unsere” Felder und Wälder. Ich baute mit meinen Freunden Staudämme im plätschernden Bachlauf in dem kleinen Tal unseres Waldes. Abends kamen wir erfüllt und glücklich und natürlich richtig schön “eingesaut” nach Hause, wir fielen sauerstoffgeschwängert in einen traumerfüllten Tiefschlaf. Unsere Gefährten waren meine Hündin “Mücke”, Kaninchen, Vögel, Mäuse und Blindschleichen, wir aßen Äpfel, Birnen, Pflaumen und Beeren von den Bäumen und Sträuchern am Wegesrand und lagen inmitten von Wiesen, auf denen Wildblumen blühten, mit kitzeligen Gräsern zwischen den Zehen. Wir schauten in den Himmel, während der Duft der Natur in unsere Nasen zog. Die pure Idylle.

Das war damals meine Realität – mein Bild von der Welt. Mein Weltbild wurde jedoch an diesem besagten Tag des Fernsehberichts bis auf die Grundmauern erschüttert, als ich mit ansehen musste, wie ein winselnder Cockerspaniel für einen Tierversuch brutal in eine klitzekleine Kammer gesperrt wurde. Es zerriss mir das Herz. Bis dahin hatte ich geglaubt, auch andere Menschen könnten wie ich fühlen, was Tiere fühlen, oder hätten zumindest ein Gewissen und Mitgefühl. Im Traum wäre mir nicht eingefallen, dass Menschen zu so etwas fähig sein könnten. Ich tobte, ich schrie, mir schossen die Tränen in die Augen und ich schlug wild um mich. Meine Ohnmacht, diesem ausgelieferten Hund nicht helfen zu können, schmerzte und erschütterte mich so sehr, dass ich diesen Moment nie mehr vergessen konnte. An dem Tag wurde ich jäh aus meiner kindlichen Naivität, meiner heilen Welt gerissen und ich schwor mir, mich für die Rechte der Schwächeren, der Tiere, einzusetzen und ihnen eine Stimme zu geben. Es dauerte weitere fünf Jahre, bis mir dann auch bewusst wurde, wie es zu dem Stück Fleisch auf unseren Tellern kommt. Zu dieser Zeit, im Jahr 1987, wurde die Reportage “Fleisch frisst Menschen” von Manfred Karremann im ARD-Fernsehen ausgestrahlt. Fassungslos über so viel Grausamkeit war ich erneut meiner Ohnmacht beim Anblick der schlimmen Bilder ausgesetzt. Mein Mitgefühl für die Tiere führte dazu, dass ich sie seither nie wieder essen konnte und wollte. Es kam mir schon immer vor wie ein Verrat an ihnen, so dass mein Fleischkonsum bereits vorher sehr gering war.

Gehörst du heute auch noch zu den Menschen, denen das Herz weich wird, wenn du eine Katze dabei beobachtest, wie sie sich gemütlich einkuschelt, wenn das Blätterdach im Wald leise raschelt und die Sonne hindurchstrahlen lässt? Wenn die Vögel ihre Lieder singen, frische Luft deine Lungen füllt und die Natur eine Stille für dich zaubert, dass deine Seele einen tiefen Seufzer nehmen möchte? Dann berührst du mich, denn du bist eines der Wesen, die wir auf unserem Planeten jetzt dringend als Unterstützer brauchen.

Wäre es nicht wundervoll, wenn unsere Wildtiere keine Todesangst mehr vor uns haben müssten, so dass wir sie wieder viel öfter zu Gesicht bekämen? Wenn Kühe, Schweine und all die anderen sich wohlig im Freien aufhalten und, auf natürlichem Boden in der Gruppe ihrer Familienangehörigen stehend, die Sonne genießen könnten? Hast du schon einmal Kühe gesehen, die nach dem Winter aus dem Stall auf die Weide gelassen wurden? Wie sie freudig hopsen, rennen und buckeln? Was wäre, wenn wir den Tieren ihr Recht auf Freiheit und Leben zurückgeben würden? Welche Auswirkungen hätte dies auch auf unser Leben? Würden wir achtsamer unser Konsumverhalten beobachten und neu entscheiden, so wäre dies ein ganz großartiger Anfang, damit die Tiere ihr Leben zurückerhalten. Als ich vor über 30 Jahren zur Vegetarierin wurde, war ich noch sehr allein mit dieser Haltung und wurde oft verspottet – sogar in Restaurants. Man könne mir den Salat in die Mikrowelle stellen, war dort einmal die Antwort auf meine Frage, ob man mir auch etwas Warmes ohne Fleisch anbieten könne.

Heute sind wir glücklicherweise so viele mehr, die aufwachen und bereit sind, für die Umwelt und die Tiere entscheidende Schritte zu gehen. Unsere Tiere können hier eine wichtige Brücke sein, denn sie erinnern uns täglich an unseren natürlichen Ursprung.

Auch wenn wir in diesem Buch den Fokus auf unsere Haustiere und uns gerichtet halten, so möchte ich dennoch das große Ganze nicht aus den Augen verlieren, denn wir alle sind kleine Teile dessen und alles, was jeder Einzelne von uns tut, hat eine Wirkung.

Die Realität

Unser unbewusster Umgang mit Leben ist ein Symptom der menschlichen Entwicklung, die meines Erachtens besonders in den vergangenen 100 Jahren massiv vom Kurs des Natürlichen abgekommen ist. Wir glauben, wir wären die Krönung der Schöpfung, dabei zerstören wir gerade systematisch den Lebensraum aller Lebewesen auf diesem Planeten. Können wir das menschliche Intelligenz nennen?

Wie wir Menschen aus Unwissenheit, Unachtsamkeit, fehlender Empathie oder gar Raffgier mit Tieren umgehen, beschäftigt mich persönlich ganz besonders und ist daher der Hauptpunkt, auf den ich vor allem im Kapitel “Die Realität” in diesem Buch immer wieder unseren Blick richten werde. Dort wird unser Umgang mit allen Tieren und dann insbesondere mit unseren Haustieren behandelt. Dabei war mir wichtig, besonders die Beziehung zu unseren Tieren und die häufig daraus resultierenden Schwierigkeiten und Missverständnisse, die mir in meiner täglichen Arbeit immer wieder begegnen, zu behandeln. Insbesondere auf das Thema “kranke und sterbende Tiere” gehe ich intensiv ein, denn hier dürfen wir Menschen noch verlässlicher und sicherer werden sowie mehr im Vertrauen in unsere Intuition5 üben.

Weil mir das Wohl der Tiere so wichtig ist, wird es durchaus aufgebrachte und auch zarte Momente geben, denn ich habe mein Herz schreiben lassen. In mir wohnt eine Kriegerin für Gerechtigkeit, die sich engagieren und denen eine Stimme geben möchte, die nicht für sich sprechen können. Dabei haben diese wundervollen Geschöpfe uns so vieles mitzuteilen. Früher ließ ich mich noch von Aggression, Ohnmacht und Wut zum Anklagen und Verurteilen verleiten. Meine Erfahrung der letzten Jahre ist jedoch, dass diese Vorgehensweise in meinem Gegenüber eine defensive Haltung auslösen muss. Damit kann ich aber nicht das bewirken, was mir so wichtig ist, nämlich der achtsame und wertschätzende Umgang mit Mutter Natur und all ihren Lebewesen. Seit ich mich mit den Ursachen statt mit den Symptomen für unser unbewusstes Verhalten beschäftige und fest daran glauben möchte, dass der Mensch nicht wirklich absichtlich einem anderen Wesen schaden möchte (ja, es gibt Ausnahmen), kann ich mehr und mehr Verständnis entwickeln. Daher versuche ich hier eher auf sanfte Art, diese Ursachen mit meinem menschlichen und psychologischen Hintergrund zu erforschen, zu erklären, aufzuklären und Möglichkeiten für heilsame Veränderungen aufzuzeigen. Wollen wir Menschen das Elend auf der Welt jedoch weiterhin von unserem kuscheligen Sessel aus bejammern oder ignorieren und nicht endlich aufwachen, dann sägen wir uns den Ast, auf dem wir alle gemeinsam sitzen, unter dem eigenen Hintern ab! Das darf jedem allmählich klar werden.

Hilfe für die Tiere

In diesem Kapitel schauen wir auf das, was wir neben allen Maßnahmen für artgerechtes Leben noch für unsere Mitgeschöpfe tun können, damit sie sich bei uns wohlfühlen. Dabei betrachten wir besonders die Beziehung zwischen unseren Haustieren und uns als ihren Menschen. Anhand von Fallbeispielen wirst du erkennen, was Tiere wirklich brauchen und wie sehr sie darauf angewiesen sind, welche Haltung wir zu ihnen einnehmen. Du erfährst, dass du “echt” sein darfst und nicht eine Rolle erfüllen musst, um deinem Tier wahrhaftig gegenübertreten zu können. Ich habe besonders die Themen Krankheit und Tod ausführlicher unter die Lupe genommen, weil ich in meiner täglichen Praxis erlebe, dass in diesem Bereich bei vielen Tierhaltern noch große Unsicherheit herrscht. So beleuchten wir ebenso den schmalen Grat zwischen Liebe und Qual, damit du zukünftig sicherer handeln und somit dein Tier liebevoll und vor allem intuitiv begleiten kannst.

Ursachen für fehlendes Bewusstsein

Ich möchte vorweg schicken, dass ich niemanden bekehren oder ein Verhalten bewerten möchte. Das steht mir nicht zu, und auch ich bin nicht perfekt. Jeder Mensch darf seine eigene Meinung haben, Entscheidungen für sich selbst treffen und dafür die Verantwortung tragen. Ich möchte auch nicht verurteilen, eher bin ich schmerzvoll berührt über das mangelnde Bewusstsein, mit dem die Menschheit in unserer Zeit sich selbst und anderen so sehr schadet. Wir sind mit den letzten Jahrhunderten ganz unbemerkt und schleichend immer unbewusster geworden, und viele Menschen in der heutigen Zeit wirken auf mich, als würde das Leben sie leben, aber nicht sie ihr Leben. Wir lassen uns ablenken und beeinflussen von Fernsehen, Medien, Facebook, schlimmen Nachrichten und vielem mehr, so dass unser Bewusstsein gar nicht mehr weiß, wann und wie es durch all diese Informationsfluten und Karussells in unseren Köpfen “hindurchfunken” soll, damit wir uns zwischendurch auch einmal fühlen können. Über die Jahre und mit den Generationen haben wir uns Schritt für Schritt von der Quelle entfernt, aus der wir stammen und woher wir Menschen kommen – von der Natur. Ursprünglich einmal lebten wir eng im Einklang mit ihr. Dahin zurückzufinden, wenigstens in einem umsetzbaren Rahmen, der niemandem schadet, aber allen zugute kommt, könnte die Heilung unseres Planeten bedeuten. Ich bin davon überzeugt, dass wir Symptome auflösen können, wenn wir sie an der Wurzel packen, und würde mich freuen, auch wenn ich es vielleicht nicht mehr erleben werde, wenn weltweit eine natürliche und angemessene Sensibilität für das Leben zurückkehren würde und ein bewusster, wertschätzender und integerer Umgang mit unserer Erde möglich wird.

Wenn ich von Integrität spreche, muss ich mir selbst eingestehen, dass ich mit meiner absoluten Überzeugung eine Schützerin des Lebens sein möchte und dennoch immer noch auf “Durchzug” schalten kann. Das ärgert mich! So besitze ich beispielsweise Schuhe aus Leder, weil ich zum einen gerne modische Kleidung trage und zum anderen im Winter zu eiskalten Füßen neige. Bis vor einigen Jahren war ich noch der Annahme, es würde das Leder geschlachteter Tiere verarbeitet werden und es müsste kein Tier extra für meine Schuhe sterben. Ich dachte, ich könnte mir wenigstens diesen Punkt noch irgendwie schönreden. Leider habe ich mich aber geirrt, denn es werden Tiere ausschließlich für die Lederindustrie getötet. So halte ich seither Ausschau nach Alternativen und freue mich, dass es immer mehr Anbieter für tierleidfreie Produkte gibt. Genauso geht es mir aber auch noch mit meinem heiß geliebten Milchkaffee. Auch hier hat es wieder einige Zeit gedauert, bis ich realisiert habe, dass Kühe erst ein Baby bekommen müssen, um Milch geben zu können. Eigentlich ist dies völlig logisch bei Säugetieren, aber wir konsumieren so selbstverständlich all die angebotenen Lebensmittel, dass es offensichtlich viel Bewusstheit und Informationen erfordert, die Zusammenhänge zu erkennen. Dabei müssten wir uns bei jedem Produkt, das wir kaufen und konsumieren, lediglich fragen: Wo kommt es her? Wie und unter welchen Umständen wurde es “produziert”? Dass Mütter und Kinder nach der Geburt getrennt werden, damit ich Milch im Kaffee trinken kann, ist für mich untragbar. Das gefällt mir ganz und gar nicht – UND es gibt einen Teil in mir, der immer noch schwach ist und nicht durchgängig konsequent. Wenn der Wunsch nach einem Kaffee aufkommt, sehe ich die Tiere nicht direkt vor mir. Wäre das so, würde ich sicherlich nie wieder Milch trinken. Ich habe scheinbar gelernt, sehr gut zu verdrängen – und das obwohl ich so sehr sensibilisiert bin. Ich selbst habe aus Überzeugung viele Versuche unternommen, vollwertig vegan zu leben und bin jedes Mal gescheitert, weil ich Soja nicht vertrage und starke Migräneanfälle bekommen habe (Soja kann den Östrogenspiegel beeinflussen und dadurch Migräne auslösen!). Damals dachte ich noch, ich bräuchte Soja, um meinen Eiweißbedarf decken zu können. Nach vielen Recherchen bin ich nun ernährungstechnisch so gut informiert, dass ich mich zu 98% vegan ernähre. Das reicht mir aber nicht, denn ich beteilige mich durch meinen Konsum immer noch an Handlungen, die ich selbst niemals ausführen könnte. Meine eigene Erfahrung ist, dass Veränderung in der Tat etwas Zeit braucht und nur dann möglich ist, wenn wir den Wunsch nach Veränderung nicht nur mit dem Verstand, sondern auch aus dem Gefühl einer tiefen Überzeugung anstreben. Fühle ich die Not der Kuh, der ihr Kind entrissen wird, fällt mir der Verzicht auf Milch leicht. Nehme ich mir stattdessen nur vor, auf Milch zu verzichten, ist das Risiko für einen “Rückfall” in alte Gewohnheiten sehr hoch. Mein Wunsch ist, täglich noch bewusster zu leben, und ich freue mich auf den Tag, an dem wir alle bessere und vor allem leidfreie Lösungen gefunden haben, unsere Bedürfnisse zu befriedigen.

Heilung und Transformation sind möglich

Das Ziel dieses Buches soll nicht sein, mit einer Liste in der Hand einzelne Punkte abzuarbeiten und das gesamte Leben umzukrempeln, um ein guter