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»Warum schaust du dir so etwas an?«

Eine empirische Untersuchung zur Rezeption von Horrorfilmen

von Benjamin Ressel

Inhalt

Vorwort

1. Einleitung

2. Definition

2.1 Was ist Horror?

2.2 Was sind Horrorfilme?

2.2.1 Technische, narrative Besonderheiten und formaler Aufbau

2.2.2 Handlungsorte

2.2.3 Figurenensemble

2.2.4 Subgenres

2.2.5 Kritik und Zensur

2.2.6 Deutung

3. Geschichte des Horrors

3.1 Die Geschichte des Horrorgenres

3.2 Die Geschichte des Horrorfilms

4. Thesen zur Begründung der Rezeption von Horrorfilmen

4.1 Katharsis nach Aristoteles

4.1.1 Die soziale Katharsis

4.1.2 Die Aggressions-Katharsis

4.2 Die Lust am Horrorfilm

4.2.1 Die Lust am Furchterregenden

4.2.2 Die Lust an Gewaltdarstellungen

4.2.3 Die Lust am Ekelhaften

4.2.4 Das Bedürfnis an der Darstellung des Bösen

4.3 Die Angstlust

5. Die empirische Untersuchung

5.1 Die Methode

5.2 Der Fragebogen

5.2.1 Frage 1: Geschlechtererfassung

5.2.2 Frage 2: Alterserfassung

5.2.3 Frage 3: Erfassung des Bildungsstands

5.2.4 Frage 4: Filterfrage

5.2.5 Frage 5: »Warum schauen Sie Horrorfilme?«

5.2.6 Frage 6: »Welche Horrormedien schauen/lesen/spielen Sie außerdem?

5.2.7 Frage 7: »Welche Subgenres schauen/lesen/spielen Sie?«

5.2.8 Frage 8: »Glauben Sie, dass die Themen im Horrorgenre von allgemeinen Ängsten und Problemen in einer Gesellschaft handeln? (z. B. dass Zombies eine Kritik an der Konsumgesellschaft darstellen könnten, der Konflikt zwischen Mensch und Natur in »Der weiße Hai«)

5.2.9 Frage 9: »Glauben Sie, dass das Schauen von Horrorfilmen einen frust- und aggressionshemmenden Effekt haben könnte?«

5.2.10 Frage 10: »Wen sehen Sie lieber als die Hauptfiguren/ ›die Guten‹ im Horrorfilm? (oder entsprechend in Horrorbüchern, Spielen etc., wenn Sie keine Horrorfilme schauen)«

5.2.11 Frage 11: »Sehen Sie lieber Männer oder Frauen als ›böse Figur‹ (Killer, Monster etc.) im Horrorfilm? (oder entsprechend in Horrorbüchern, Spielen etc., wenn Sie keine Horrorfilme schauen)«

5.3 Auswertung und Interpretation

5.3.1 Auswertung und Interpretation der statistischen Daten

5.3.2 Auswertung und Interpretation von Frage 4 und Frage 5

5.3.3 Auswertung und Interpretation von Frage 6

5.3.4 Auswertung und Interpretation von Frage 7

5.3.5 Auswertung und Interpretation von Frage 8

5.3.6 Auswertung und Interpretation Frage 9

5.3.7 Auswertung und Interpretation von Frage 10 und Frage 11

5.3.8 Zusammenfassung der Befragung

6. Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

Dissertationen

Sammelbänder

Zeitschriften

Hilfsmittel und Lexika

Bibelausgaben

Onlinequellen

Filme

Weitere Quellen

Anhang

Anhang 1

Anhang 2

Impressum

Freigabevermerk

Vorwort

Verehrte MitbürgerInnen draußen im Lande,

mit dieser Publikation beginnt das Amt die Veröffentlichung wissenschaftlicher Schriften, deren AutorInnen sich aus dem Blickwinkel der Germanistik, Anglistik, Skandinavistik, Romanistik, Orient- und Asienwissenschaften, aber auch Kunstgeschichte und Altertumswissenschaften, mit der Darstellung des Lebens unserer Mitbürger magischer Herkunft sowie den dazugehörigen Mythen und Legenden in Literatur, Film und Kunst beschäftigen.

Wir wollen dazu beitragen, dass hervorragende wissenschaftliche Arbeiten auch dem interessierten Laien bekannt werden, ebenso wie wir junge WissenschaftlerInnen ein wenig fördern wollen.

»Warum schaust du dir das an?« – Die Frage, die dieser Publikation zugrunde liegt, bewegt uns im Amt natürlich auch. Nicht so sehr, was das Leben unserer gut integrierten Vampire, Werwölfe, Dämonen und anderer magischen Mitbürger betrifft, vielmehr ist es der Blick in Politik und Gesellschaft, die diese Frage, oftmals verbunden mit einem abgrundtiefen Seufzer, in der Konferenz der Abteilungsleiter des Amtes aufkommen lässt.

Und so löste der Anblick des Covers, gefertigt von Michael Plock, unisono diese Interpretation aus: »Eine Charakterstudie von Alexander Dobrindt manifestiert sich im Gesicht von Markus Söder beim Anblick der ersten Hochrechnung zur Landtagswahl Bayern und der Aussicht, als Juniorpartner mit den Grünen koalieren zu müssen.«

Sicherlich stellt dies eine Horrorvorstellung in der von der preußischen Hegemonialmacht verwalteten UN-Sonderverwaltungszone Bayern dar.

Das Amt ordnet vergnügliche Lektüre an.

Edmund F. Dräcker,

Präsident des Bundesamtes für magische Wesen

1. Einleitung

»Warum schaust du dir so etwas an?« Diesen Satz, der sowohl die Problem- als auch die Fragestellung der folgenden Arbeit aufzeigt, hören Fans von Horrorfilmen sehr oft, wenn sie dem Horrorfilm gegenüber unaffine Personen mit jener Filmgattung konfrontieren. Und unter vielerlei Gesichtspunkten – religiösen, juristischen, biologischen, um nur einige zu nennen – ist diese Fragestellung durchaus berechtigt. In den zehn Geboten steht: »Du sollst nicht töten.« (Ex 20,13) Zwar werden in Horrorfilmen keine Menschen und Tiere wirklich getötet, aber Tötungsszenen gezeigt zur Erbauung des Publikums, was letztendlich zu Nachahmungstaten führe – so zumindest die Vorwürfe von Gegnern des Horrorgenres, denen sich zum Beispiel der Horrorautor Stephen King immer wieder stellen musste. Nachdem ein tatsächlicher Mord verübt wurde, der einer Tötungsszene aus der Verfilmung Brian de Palmas von Kings Carrie sehr ähnlich gewesen sein soll.[1] In Deutschland ist nach § 131 Abs. 1 StGB die Verbreitung eines Mediums strafbar, das

grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt.[2]

Auf der anderen Seite steht hier jedoch der Grundsatz der Kunstfreiheit nach Art. 5 GG. Diese Problematik soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden, sondern aufzeigen, wie problematisch das Genre Horror von verschiedenen Standpunkten aus gesehen für viele Gesellschaften ist oder sein kann. Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, warum (dennoch) Horrorfilme rezipiert werden.

Horror- und Gruselgeschichten erfüllen nach Autoren wie King, aber auch Psychologen wie Ulrich Kobbé,[3] einen soziokulturellen Zweck. Sie sind Spiegel unserer Ängste in der Realität, aber ebenso Projektionsflächen und Aufarbeitungsmittel von Sehnsüchten nach Darstellungen negativ konnotierter Handlungen oder Dinge (zum Beispiel Sexualität, Gewalt, Ekel) und bieten die Möglichkeit, »sich stellvertretend in abweichendem, antisozialem Verhalten zu ergehen«.[4] Horrorautoren und -filmemacher sind hierbei »Vertreter der Norm«,[5] wie King sie nennt, die die »Monster« in ihren Werken erst definieren und den Rezipienten damit zum einen ein Gefühl geben von ich bin okay, denn ich bin ja nicht so wie DAS da, sondern wie der Held, der das ›Monster‹ besiegt, zum anderen positive Identifikationsfiguren bieten.[6] Aber auch in den Monstern zeigen sich Konflikte unserer Alltagswelt: Der Vampir erlebt zum Beispiel stellvertretend für die Zuschauer sexuelle Lust – auch an oder durch Gewalt.[7] Dies sind nur einige Thesen beziehungsweise Teile davon, die später noch genauer dargestellt und empirisch überprüft werden sollen.

Besonders in den audiovisuellen Medien zeigt sich das Potenzial zur Erzeugung von affektiven Reaktionen durch die bildliche Darstellung von Gewalt, Sex, ekelerregenden Szenen und Ähnlichem.[8] Dies und seine hohe Relevanz als Leitmedium innerhalb des Genres sind die Begründung, warum sich diese Arbeit vor allem mit dem Horrorfilm als Forschungsobjekt auseinandersetzt. Andere Horrormedien sind zweifellos ebenso für die Fragestellung im Sinne von »Warum liest du so etwas?« (Horrorbücher) oder »Warum spielst du so etwas?« (Horrorspiele) interessant, können jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht zusätzlich bearbeitet werden. Das schließt auch Horrorserien mit ein, die zwar ebenfalls audiovisuell dargestellt werden, aber im Gegensatz zum (Spiel-)Film, in dem die Handlung eher komprimiert wird, wird diese bei Serien eher gedehnt.[9] Dadurch ergeben sich andere Effekte, zum Beispiel durch den veränderten Spannungsaufbau, bei den Zuschauer*innen. Auch der Stummfilm wird bei der vorliegenden Betrachtung weitestgehend ausgeklammert, da hier die auditive Komponente fehlt, deren Funktion noch erläutert wird.

Hauptmittel zur Beantwortung der Frage, warum Horrorfilme rezipiert werden, wird eine hypothesentestende Umfrage[10] sein, durchgeführt mit einem anonymen Onlinefragebogen. Es gibt zwar einige Thesen und Anhaltspunkte, aus denen man wiederum Thesen zur Beantwortung der Grundfrage dieser Arbeit ableiten kann, aber diesen stehen im luftleeren Raum ohne Bezug zu den wirklichen Rezipienten von Horrorfilmen. Es gibt außerdem viele Studien zur Auswirkung von Gewaltdarstellungen,[11] aber nach aktuellem Kenntnisstand keine zur Begründung dessen, warum speziell Horrorfilme konsumiert werden. Daher entstand die Motivation zu dieser Arbeit, sich der anfangs genannten Fragestellung empirisch zu nähern. Zunächst werden dafür die Thesen in einem eigenen Überkapitel ausformuliert, erläutert und diskutiert und dann mithilfe des Fragebogens verifiziert oder falsifiziert. Aufgrund der Methodik der offenen Onlineumfrage ist die Validität dieser Arbeit sicherlich angreifbar, weil zum Beispiel kaum ältere Horrorfans ohne Internetzugang beziehungsweise mit einem nicht so ausgeprägten Social-Media-Verhalten erreicht werden. Andererseits wäre es auch für ein Forschungsteam mit großen Geldmitteln schwierig, an die Daten solcher und ähnlicher Konsumentengruppen von Horrorfilmen heranzukommen. Die hohe quantitative Auswahl und Möglichkeit dieser Art von Befragung bietet im Umkehrschluss auch wieder eine gewisse Validität, sodass sich auf der Basis dieser Umfrage zumindest Tendenzen ableiten lassen, warum Horrorfilme konsumiert werden. Die Gestaltung des Fragebogens und die Interpretation der Ergebnisse erfolgte unter Beratung eines Mitarbeiters des Kompetenzzentrums für empirische Forschung der Universität Kassel. Genauer wird die oben angerissene Problemstellung noch im entsprechenden Kapitel dieser Arbeit diskutiert.

Wie bereits angedeutet, ist die kulturwissenschaftliche Forschungslage zum Thema Horror im Allgemeinen und zum Horrorfilm im Speziellen eher rar gesät, besonders im deutschsprachigen Raum. Deshalb wird im Rahmen dieser Arbeit teilweise mit eher essayistischen und populärwissenschaftlichen Texten gearbeitet, die keine validen Quellen ersetzen können, was an den entsprechenden Stellen auch problematisiert wird. Besonders Danse Macabre von Stephen King war ein wichtiger Ideengeber und Aufhänger für weiterführende Forschungen im Rahmen dieser Arbeit und taucht bei vielen anderen kulturwissenschaftlichen Werken zu dem Thema als Referenz auf. Doch selbst wenn die Forschungslage besser wäre, wäre es in so einer empirischen Arbeit oberflächlich, die Produzent*innenseite nicht zu berücksichtigen.

Im ersten Abschnitt dieser Arbeit wird es wichtig sein, die Begriffe Horror und Horrorfilm und damit auch das Forschungsobjekt dieser Arbeit genau zu definieren. Deswegen wird dieser Teil auch vor den historischen Abriss, der im zweiten Teil folgt, gesetzt, damit das Forschungsfeld umrissen ist, das historisch erläutert werden soll. Beide Begriffe sind schwer in ihren Definitionen von anderen Genres abzugrenzen, denn auch wenn es ein sehr konkretes, auf common sense beruhendes Bild in den Köpfen der Rezipienten geben mag, was denn Horror beziehungsweise ein Horrorfilm sei, zeigt sich bei der Aufstellung von Kriterien des Horrors und Horrorfilms die Nähe zu anderen Genres und das damit verbundene Problem der Abgrenzung zu selbigen. Nach der allgemeinen Definition von Horror folgt die Darstellung und Erklärung des Horrorfilms aus technischer, narratologischer und interpretativer Sicht.

Im zweiten Teil wird eine historische Vorstellung des Horrorgenres und des Horrorfilms erfolgen, um einen Einblick zu vermitteln, wie weit Horror mit seinen Vorformen in der Kulturgeschichte verwurzelt ist, was überhaupt besagte Vorformen sind und wie sich besonders der Horrorfilm als Genre im Laufe der Zeit verändert hat.

Kapitel 4 stellt Thesen vor, die dann zum Teil mit der bereits erwähnten Umfrage empirisch belegt oder widerlegt werden sollen, soweit dies möglich ist. Die Fragestellung, warum Horror und Horrorfilme rezipiert werden, wird in diesem Zusammenhang kulturästhetisch, kulturpsychologisch, psychoanalytisch und biologisch betrachtet.

Darauf folgt die Bearbeitung der Umfrage ab dem fünften Kapitel. Zunächst wird hier die Vorgehensweise der empirischen Frage diskutiert, warum sich beispielsweise für eine Onlineumfrage entschieden wurde. Im nächsten Schritt wird der Fragebogen vorgestellt und dabei besonders darauf eingegangen, inwiefern er die aufgestellten Theorien aus dem dritten Teil abbildet. Dann folgt die Präsentation der Ergebnisse aus der Umfrage und die Interpretation von diesen.

Den letzten Teil bilden die Zusammenfassung, die Reflexion der Arbeit und ein Forschungsausblick.

[1] Vgl. King, Stephen: Danse Macabre – Die Welt des Horrors, Übersetzung von Joachim Körber und Corinna Wieja, München, 2011, S. 710.

[2] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: § 131 StGB, in: <https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__131.html> (19.2.2018).

[3] Vgl. Kobbé, Ulrich: »Genießen im medialen Schaudern«, in: tv diskurs, 68: Das Böse – Medien als Spiegel unserer Schattenseiten (2014), S. 53–56.

[4] King: Danse Macabre, S. 111.

[5] King: Danse Macabre, S. 177.

[6] Vgl. King: Danse Macabre, S. 123 ff. und 177.

[7] Vgl. King: Danse Macabre, S. 170 ff., Kobbé: »Genießen im medialen Schauern, S. 54–56 und Seeßlen, Georg/Jung, Fernand: Horror – Geschichte und Mythologie des Horrorfilms, Marburg, 2006, S. 37 ff., 83 ff. und 224 ff.

[8] Vgl. Bartsch, Anne: Audiovisuelle Emotionen, Köln, 2007, S. 9.

[9] Vgl. Sarandos, Ted, zitiert nach Dresdener Institut für Medien, Bildung und Beratung (DIMBB): Dokumentiert: Der Unterschied zwischen Film und Serie, in <https://www.dimbb.de/dokumentiert-der-unterschied-zwischen-film-und-serie/> (18.3.2018).

[10] Vgl. Jacob, Rüdiger et al.: Umfrage – Einführung in die Methoden der Umfrageforschung, München, 2011, S. 63.

[11] Beispielsweise: Mares et al: »Age Differences in Adults’ Emotional Motivations for exposure to Films«, in: Media Psychology 11 (2008), S. 818–833; oder Bartsch et al: »Making Sense of Violence: Perceived Meaningfulness as a Predictor of Audience Interest in Violent Media Content«, in: Journal of Communication, Volume 64, Issue 5, (2014) S. 956–976.