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Nr. 3011

 

Habitat der Träume

 

Die Jäger spinnen ihr Netz – der Terraner trifft einen großen Mann

 

Verena Themsen

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Auf den Weltenbrettern

1. Etwas viel Lärm

2. Zähmer des Widerspenstigen

3. Komödien und Irrungen

4. Ein nächtlicher Sommertraum

5. Der Obmann von Gongolis

6. Zwei Herren von Terra

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Gongolis

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Perry Rhodan begibt sich umgehend auf die Suche nach Informationen und Verbündeten, wobei seine größte Hoffnung auf seinem alten Freund Reginald Bull ruht, der angeblich als amtierender Regierungschef der überlebenden Menschen fungiert. Doch ein solches Treffen ist schwierig zu bewerkstelligen, wie sich herausstellt. Der Rendezvouspunkt ist das HABITAT DER TRÄUME ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Sholotow »Tenga« Affatenga – Der Siganese darf wieder aufrüsten.

Perry Rhodan – Dem Terraner bleibt keine Zeit zu träumen.

Buatier Mulholland – Der Hôte von Gongolis sieht sich als Erfüller von Träumen.

Kosipru – Der Kabekuroru betätigt sich als Traumführer.

Guulem und Pethora da Gavvhad – Ihr Ruf als Adelskrieger eilt ihnen voraus.

Prolog

Auf den Weltenbrettern

 

Ihm war übel, und der flache Schnitt an seinem linken Arm brannte wie Feuer. Auf den Lippen schmeckte er Blut. Trotzdem stemmte er sich hoch, rannte weiter über den von feinen Rissen durchzogenen Boden. Ignorierte das Geschrei und die taumelnde Welt.

Er hätte es wissen müssen. Bereits als der Lilamann gesagt hatte: »Halt einfach möglichst lange durch!« Noch nie vorher hatte jemand das zu ihm gesagt. Und er hatte es nicht geglaubt.

Ein Schatten huschte über ihn hinweg. Er warf sich zur Seite, nahm Anlauf und sprang. Ihm war klar, dass er auf der Flucht war, dass er aufgehört hatte zu planen. Dass er innerlich bereits aufgegeben hatte. Dieses Spiel überforderte ihn.

Sie hatten ihm gesagt, was ihm bevorstand. Er selbst hatte dabei mitgewirkt, das Spielfeld vorzubereiten, hatte mit Vergnügen die große Kampfplattform in viele kleine Stücke zerbersten lassen. Wie hätte er ahnen sollen, dass der andere viel besser mit dem ständig wechselnden Licht zurechtkommen würde, den unberechenbaren Bahnen der Splitter im gewichtsfreien Raum, der wechselnden Schwerkraft auf den Oberflächen?

Wie hätte er ahnen können, dass man ihn engagiert hatte, damit er verlor?

Ihm war dennoch klar, dass er sich stellen musste. Er hatte unterschrieben und musste sein Bestes geben – selbst wenn es beileibe nicht genug war.

Er fuhr herum, suchte die umgebenden Inseln ab. Auf einer dieser taumelnden Scheiben war der andere gelandet. Er musste ihn zuerst entdecken und versuchen, das Überraschungsmoment auf seine Seite zubekommen. Er musste agieren, nicht mehr nur reagieren.

Wieder nahm er Anlauf, sprang und packte die Kante der Insel, die sein Ziel gewesen war. Er schwang seinen Körper herum und landete mit den Beinen voran auf dem, was ihm vorher als die Unterseite der Scherbe erschienen war. Wieder blickte er sich um. Er betrachtete die Logen, versuchte die Gesichter zu erkennen. Wohin sahen sie? Wo verfolgten ihre Blicke seinen Gegner?

Fast zu spät wurde ihm klar, dass er sich verschätzt hatte. Er sah die Bewegung aus dem Augenwinkel, den Sprung des anderen, das Aufblitzen der Klinge. Ohne zu zögern, warf er sich vorwärts ins Leere, griff die andere Kante und schleuderte sich mit einem Überschlag ins neue Schwerkraftfeld. Sein Arm schmerzte, als er über die Unterseite abrollte, die nunmehr sein Boden war. Aber er hatte keine Zeit, darauf Rücksicht zu nehmen.

Er sprang auf und erkannte im gleichen Moment, dass das ein Fehler gewesen war: Der Aufprall seiner Füße hatte dem Gegner auf der anderen Seite seine Position verraten. Augenblicke später schwang sich der Arkonide bereits um die Kante, mit einer Schnelligkeit und Eleganz, die ihn wie einen weißgoldenen Blitz erscheinen ließ. Mit erhobener Doppelklingenlanze schritt er auf ihn zu, langsam, mit der Leichtigkeit eines Balletttänzers, und doch eine tödliche Bedrohung.

»Es ist noch zu früh«, wisperte sein Gegner ihm zu. »Du musst länger durchhalten, sonst sind sie nicht zufrieden. Hörst du sie nicht?«

Er hörte sie und knurrte. Er hatte ihnen sein Leben und seine Kunst gewidmet, und nun lechzten sie nach dem Blut, das an seinem Arm herabtropfte.

»Lass uns den Tanz beginnen«, sagte der Arkonide und lächelte. »Zeig uns deine Kunst. Denk nicht zu viel, handle einfach. Ich weiß, du hast es in dir. Ich weiß, du kannst es. Reagier nur! Folg meiner Führung! Tanz mit mir, bis die Massen toben! Drei ... zwei ... eins ... jetzt.«

Und Meller Ortonk alias »Hammer Malmfaust« reagierte. Er sprang und warf sich herum und ließ die Arme in wilden Schlägen mit seiner Hammeraxt rotieren, während die Klingen um ihn ein Gewitter zeichneten. Es war, als müsste er die Bewegungen nur ansetzen, und sein Körper führte sie mit ungewohnter Präzision zu Ende. War er zu langsam, tat der andere, als hätte er nur fintiert, war er zu schnell, setzte Guulem mit unglaublicher Reaktion nach.

Das Publikum tobte.

Es war der Kampf seines Lebens, und selbst wenn er ihn verlor, würde er etwas gewonnen haben.

1.

Etwas viel Lärm

 

Ich folge der Straße

der Träume. Sie ist

nicht lang, ehe sie

im Nebel versinkt.

Und doch ist sie

unendlich weit

und über ihr

blinken

lockend

die Sterne.

 

*

 

In der Luft hing ein unwirklicher Duft nach Vanille und Zimt.

Es gab mehrere Gründe, warum Donn Yaradua ihn als deplatziert empfand. Zum einen erinnerte die Duftnote ihn an seine Tante Yaden und die Sommer, die er in ihrem Haus an den Hängen der Rocky Mountains vor allem damit verbracht hatte, ihre leckeren Gewürztees durchzuprobieren. Mit der sommerlichen Idylle dieser abgelegenen Gegend hatte das Raumhabitat Gongolis allerdings wenig gemein – insbesondere nicht der Ort, an dem sie sich im Moment aufhielten.

Es schnatterte und klickerte, knurrte und säuselte rings um sie herum. Sie wurden nach vorne und hinten geschoben, je nachdem, ob gerade mehr Leute in die Expresskapsel einstiegen oder hinausdrängten. Wenn Yaradua sich bewegte, strichen seine Hände über Haut und Pelz, und ein vorbeidrängender Avoider hatte kurz zuvor mit seinem Gefieder beinahe einen Niesanfall bei Yaradua ausgelöst. Zu allem Überfluss lag unter dem zarten Gewürzduft das unverkennbare Aroma körperlicher Ausdünstungen einer solchen Vielzahl unterschiedlicher Wesen, dass die Klimatisierung nicht mehr dagegen ankam.

Gongolis war eine Drehscheibe voll pulsierenden Lebens, und all dieses Leben schien sich gerade ausgerechnet in dieser Kapsel versammeln zu wollen.

Yaradua kämpfte schwer mit der Versuchung, in all diesen Wesen an der nächsten Station einen plötzlich einsetzenden Harndrang hervorzurufen – oder was immer das jeweilige Äquivalent ihres Stoffwechsels war. Zum einen würde das ihre Lage nur kurzzeitig erleichtern, und zum anderen hatte man ihm die »Ethik des Begabten« im Terranischen Institut für Paranormale Individuen zu gründlich eingebläut, als dass er sich so leicht darüber hätte hinwegsetzen können.

Im Gegensatz zu einem gewissen Mausbiber, der diese Regeln sehr leichtnahm. Aber auch wenn Yaradua sich Gucky in vielen Dingen zum Vorbild nahm, in dieser Sache wollte er ihm lieber nicht nacheifern. Er hatte weder die fröhliche Frechheit noch die flauschige Niedlichkeit, mit der sein Mentor solche Ausrutscher gegenüber anderen ausgleichen konnte – ganz abgesehen von den Vorteilen, die dreitausendjährige Freundschaft zu Perry Rhodan mit sich brachte.

»An der nächsten Station aussteigen!«, säuselte eine Stimme über ihm.

Yaradua hob den Blick, und da war er, der andere Grund, warum der Duft so unwirklich war. Zimt und Vanille sollten für etwas stehen, das appetitlich war und auf die eine oder andere Weise zum Naschen einlud. Stattdessen kam der Duft von der anderthalb Meter langen goldenen Riesenschabe, die sich mit ihrer Saugleiste über Yaradua an der Decke der Expresskapsel festgesetzt hatte. Der Metabolist begegnete dem Blick von vier der acht Augen, die längs der Rückenmittellinie des Kabekurorus verteilt saßen.

»Danke für den Hinweis, Kosipru«, hörte Yaradua Perry Rhodan sagen. »Wir sollten besser sehen, dass wir in Position kommen.«

Dreitausend Jahre Erfahrung im öffentlichen Personennahverkehr machen sich bemerkbar, schoss es Yaradua durch den Kopf. Er unterdrückte ein Grinsen, während er sich Richtung Durchgangsschleuse vordrängte und dabei eine Gasse für Rhodan schuf. Kosipru schob sich einfach an der Decke entlang mit seinen vier kräftigen hinteren Beinen dem gleichen Ziel entgegen. Yaradua wunderte sich, wie die Saugleiste dabei weiterhin das Gewicht des Wandkrabblers hielt.

Der vierte Mann ihres Teams – wobei sich Yaradua bei Kosipru wegen des Geschlechts nicht ganz sicher war – zischte in diesem Moment über Yaraduas Kopf weg. Mit seinen 22,03 Zentimetern Körpergröße war Sholotow Affatenga, der Kürze halber oft nur »Tenga« genannt, trotz seines für Siganesen korpulenten Körperbaus in diesem Gedränge klar im Vorteil. Bis eben hatte er auf Rhodans Schulter sitzend abgewartet, da es keine freien Halteschlaufen oder Absätze in der Nähe gegeben hatte. Nun aber hatte er den Gravopak seines Spezial-SERUNS aktiviert und jagte auf den Ausgang zu.

Unwillkürlich zuckte Yaradua bei dem Anblick zusammen. Im nächsten Augenblick verfluchte er sich innerlich. Hätte jemand ein solches Flugmanöver in einer U-Bahn auf New Kerry versucht, wäre er beim Bremsmanöver vor der Einfahrt in die Station unwillkürlich gegen die Frontscheibe geschleudert worden, wenn er nicht äußerst geschickt im Umgang mit der Flugsteuerung war. Aber Yaradua war nicht auf New Kerry, sondern in einem Raumhabitat, in dem man die Vorteile von Andruckabsorbern zu schätzen wusste.

New Kerry. Der Planet, den selbst die Hinterwäldler noch als hinterwäldlerisch bezeichnen. Die Welt, auf der man keine Andruckabsorber nutzt, weil es Energieverschwendung ist, die zu unnötiger Bequemlichkeit verleitet. Meine hassgeliebte Heimat, die mich niemals wiedersehen wird.

Yaraduas Herkunft war wie ein chronisches Ziehen im Backenzahn. Fast vier Jahrzehnte hatte es gedauert, bis jemand sein Talent erkannt und ihn von dort weggeholt hatte. Vier Jahrzehnte, in denen sich Reflexe und Denkmuster herausgebildet hatten, die kaum in eine moderne Welt passten. Er hörte noch den manchmal gutmütigen, manchmal auch beißenden Spott der so viel jüngeren, gelasseneren und welterfahreneren Mitschüler am TIPI.

Aber ich bin es, der mit Rhodan aus der Expresskapsel steigt. Ich bin es, der ihn bei seinen Unternehmungen unterstützt, nicht ihr. Ich habe es nicht mehr nötig, eurem Spott mit aufgesetztem Selbstbewusstsein und Arroganz zu begegnen. Wenn ihr wüsstet ...

Er atmete durch. Sie würden nie wissen. Sie waren fünfhundert Jahre entfernt in der Vergangenheit. Er würde es ihnen nie zeigen können.

Und wenn schon. Er wusste, was er wert war. Und Gucky und Rhodan wussten es. Und Farye ...

 

*

 

»Träumst du, Donn?«

Yaradua stolperte und wäre beinahe gefallen, als Tenga ihm mit seiner hohen Stimme so laut ins Ohr schrie, wie es einem Siganesen ohne Stimmverstärker eben möglich war. Wäre er nicht so dicht in die Menge eingekeilt gewesen, die aus der Kapsel in die Station drängte, wäre es wahrscheinlich sogar passiert. So aber landete er lediglich am Arm einer älteren Matrone mit turmhohem lilafarbenem Haar. Nach einem überraschten Aufschrei zeigte sie ihm ihr windschiefes Gebiss, als wollte sie ihn bei lebendigem Leibe verspeisen.

Er zuckte zurück und beeilte sich, dem bereits wieder voranschwebenden Siganesen in eine andere Richtung zu folgen.

»Musstest du mich so erschrecken?«, beschwerte er sich. »Nächstes Mal sorge ich dafür, dass all deine Pralinen nach Kreuzkümmel schmecken!«

»Leg dich lieber nicht mit dem Maximaldestruktor an, Biomanipulator!«, hörte er es aus dem Kragen seines SERUN-Slender schrillen. Ohne den Anzugfunk hätte er über der Geräuschkomposition aus biologischen und maschinellen Quellen, die sie umwogte, kein Wort verstanden. Einige Meter weiter wurde es allerdings erträglicher, als die Menge sich zu den Ausgängen hin verteilte und hinter ihnen die Expresskapsel ihre Weiterreise antrat.

Rhodan hatte längst aufgeholt und ging mit langen Schritten neben ihm her. Die Hände hatte er hinter dem Rücken verschränkt, während der Blick seiner grauen Augen über die Menge streifte, als suchte der Zellaktivatorträger etwas ganz Bestimmtes. Ob er hoffte, den Vorkoster Kenttä Tuomistuin zu sehen und zu erkennen? Sie waren mit dem Mann erst in vier Stunden verabredet, aber es konnte durchaus sein, dass er versuchen würde, die fremden Gäste schon vorher in Augenschein zu nehmen.

Ich würde es jedenfalls tun. Allerdings dürfte es in dieser Menge schwer sein, ihn zu erkennen, selbst wenn er sich nicht maskiert hat.

Andererseits waren sie seit ihrem Eintreffen auf dem Habitat Gongolis schon zweimal angegriffen worden, und ebenso oft aus eigenem Antrieb in Auseinandersetzungen geraten. Vielleicht nahm Rhodan sich also nur vor weiteren Attacken in Acht, obwohl es so aussah, als wären die Übergriffe nur geschehen, um den von den Cairanern gesuchten Lanko Wor zu entführen. Wor war inzwischen heimlich an Bord der TREU & GLAUBEN zurückgekehrt, und das keinen Augenblick zu früh – seither war öffentlich ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt worden.

Die Hoffnung bestand allerdings, dass der Rest der Gruppe damit aus dem Fokus war. Jedem musste klar sein, dass er nicht mehr bei ihnen zu finden war. Ganz konnten sie sich allerdings nicht darauf verlassen. Zwar hatte der barnitische Händler Kondayk-A1 sich als ihr offizieller Arbeitgeber öffentlich entrüstet, von dem geübten Posizider hinters Licht geführt worden zu sein. Trotzdem mochte der eine oder die andere auf die Idee kommen, dass Wor durchaus Freunde unter seinen Begleitern gehabt haben könnte, die über das Ziel seiner Flucht informiert waren.

Eigentlich war die Auslobung des Kopfgeldes nicht gerade ein kluger Schachzug der Jäger. Sie mussten sich doch denken, dass sie Wor damit in die Deckung treiben würden. Hier im Habitat wäre es viel leichter gewesen, noch einmal an ihn heranzukommen.

Jedenfalls fühlte Yaradua sich trotz Wors Abwesenheit nicht recht wohl in seiner Haut. Er warf einen Blick zu Rhodan, der immer noch eingehend die bunt bemalte Bahnhallenumgebung musterte. Yaradua glaubte, an ihm nicht nur Vorsicht, sondern auch eine gewisse Ungeduld zu spüren.

Kein Wunder – seit Rhodan beschlossen hatte, dass die Zeit des Abwartens und Informierens vorbei war und er Kontakt zur Liga Freier Galaktiker und speziell seinem alten Freund Reginald Bull suchte, war ihm jede Stunde teuer, die tatenlos verstrich. Aber zumindest rückte das Ziel mit dem anstehenden Treffen in Reichweite. Wenn Kenttä Tuomistuin von Rhodans Identität überzeugt werden konnte, würde er umgehend ein Treffen mit Resident Bull in die Wege leiten.

Zwischen Yaradua und Rhodan schwebte der Siganese. Yaradua schnippte in dessen Richtung. »Weißt du eigentlich, wohin es geht?«

Einige Meter vor ihnen klatschte Kosipru zu Boden, hob den vorderen Teil seines Körpers an und schob sich auf dem Rest weiter vorwärts. Er gestikulierte mit den beiden knochendürren Armen, die aus seiner Unterbrust hervorragten und lang genug waren, dass er jede Stelle seines Körpers mit den vierfingrigen Trichterhänden berühren konnte. Im Moment wedelte er allerdings lediglich in der Luft herum.

»Dort drüben geht es zu den Goldenen Grotten der Mandibari. Und dieser Ausgang führt zu den Heimstätten der Battalans und der Kapalitors, zwei unangenehme Sippen, muss ich sagen. Gestrandete Mehandor, die sich trotz des Großhandelsverbots für alle außer den Barnitern nach Kräften um ihre traditionellen Stärken im Betrügen und Über-den-Tisch-Ziehen bemühen und keinen, der ihr Gebiet betritt, mit auch nur einem Striton im Beutel wieder rauslassen, egal ob man etwas kaufen wollte oder nicht. Da drüben ...«

»Die Kurzversion, bitte. Wo gehen wir hin?«

»Der Nachtbasar! Habe ich das noch nicht erwähnt?«

»Nicht mir gegenüber.«

Yaradua fing einen belustigten Blick Rhodans auf. Offensichtlich hatte er während der kurzen Besprechung in der Loge der Concierge Mudroro etwas verpasst. Bei der Geschwindigkeit, mit der Kosipru zuweilen redete, war es nicht einfach für ihn, ihm stets zu folgen.

Er wusste nur, dass sie vier Stunden zu überbrücken hatten, bis das Treffen mit Tuomistuin in der Loge für Gastbürger stattfinden sollte. Mudroro hatte zwar angeboten, dass sie so lange in ihrer Loge für Wohlergehen warten konnten, aber nachdem Rhodan Kosipru gerufen hatte, hatte dieser zum Aufbruch gedrängt und überbrückte die Zeit nun, indem er ihnen die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Gongolis zeigte. Er hatte bereits alle möglichen Ziele heruntergerasselt, aber Yaradua hatte schon nach den »Schwebenden Wassergärten von Hamalis« abgeschaltet.

Zumindest musste Yaradua zugeben, dass es bislang nicht langweilig geworden war.

Zunächst hatten sie eine Expresskapsel genommen, in der sie die »Komturei« verließen und in den benachbarten Kugelraumer überwechselten, der offiziell als Gongolis-2 oder »Faktorei« bekannt war.

Ebenso wie bei der Komturei und dem auf der anderen Seite anschließenden »Magazin«, das den Großteil des Maschinenparks und der Lagerräume beherbergte, handelte es sich bei der Faktorei um einen zweieinhalb Kilometer durchmessenden ehemaligen Raumer der JUPITER-Klasse. Er war allerdings eines Großteils seiner ursprünglichen Anlagen und Innenausbauten beraubt und dem neuen Zweck zugeführt worden, dem Habitat als Heimat für dessen Herstellungs- und Versorgungsanlagen zu dienen, was Vergnügungen einschloss.

Den vierten Partner im Bunde des Habitats bildete ein GWALON-Raumer, der die »Stadt« beherbergte, in der die meisten Einwohner und Gäste lebten. Verbunden waren die vier Partner zum einen durch direkte Übergänge an den Berührungsstellen miteinander oder mit der Außenhülle des GWALON-Raumers, zum anderen über ein Röhrenkreuz im Zentrum.

Als die Expresskapsel sie ausgespuckt hatte, fanden sie sich direkt im pulsierenden Leben der Faktorei. Obwohl Yaradua einige Jahre in Terrania gelebt hatte, kam er aus dem Staunen nicht heraus. Er fand es schwer, zu glauben, was die Bewohner von Gongolis aus den beschränkten räumlichen Möglichkeiten ihrer kleinen, im Sternenmeer treibenden Welteninsel herausgeholt hatten.

Die Wassergärten zum Beispiel hatten sich als eine sinnverwirrende dreidimensionale Parkanlage im Inneren einer riesigen Hohlkugel erwiesen. Dabei bildete die nach außen weisende Wand der Kugel einen gleichmäßig blassblau schimmernden Himmel ab, über den gelegentlich holografische Schäfchen- oder Federwolken zogen.

Riesige Hydroponiken mit exotischen Pflanzen aus allen Regionen der Galaxis schwebten im Inneren der Kugel innerhalb von in sich verwobenen Gravitationsröhren, die von unsichtbaren Projektoren geschaffen wurden. Bäume und Büsche, Rasenflächen und Blumenbeete wuchsen in alle Himmelsrichtungen, fügten sich dabei harmonisch ineinander. Es war unmöglich, egal von welchem Ort aus, den ganzen Park zu überblicken.