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Nr. 3015

 

Raptus Terrae

 

Katastrophe im Solsystem – wie die Erde zum Mythos wurde

 

Leo Lukas

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Der dunkle, unzerstörbare Gigant

1. Schreckliche Sonnen

2. Neue Aufgaben für alte Bekannte

3. Der Fund von Tiscareno

4. Die Prä-Raptische Phase

5. Die Prozession

6. Die unklare Rolle der Thesanit

7. Der Schrei

8. Abschied und Neubeginn

9. Der Gleiter

10. Die Nacht des Staunens und die Quadratur der Tage

11. Der Ersatz

Epilog: Clausum und Odium

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung ANANSI – Semitronik der RAS TSCHUBAI – Teil I: Plasmakoordinator

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Was sich seitdem ereignet hat, ist Perry Rhodan bisher nahezu unbekannt, da es zu beinahe allem mehrere unterschiedliche Aussagen und Quellen gibt. Nach einigen Abenteuern hat er nun das gegenwärtige Zentrum der Liga Freier Galaktiker erreicht: das Ephelegonsystem. Dort erfährt er wesentliche Hintergründe zum Verschwinden der Erde – oder, besser gesagt: zum RAPTUS TERRAE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Reginald Bull – Der Resident der Liga Freier Galaktiker erzählt vom Raptus-Ereignis.

Hulio Kørkgaard – Ein junger Mann kommt in eine heikle Position.

Anna Patoman – Die Admiralin ist der Schrecken aller Wissenschaftler.

Shinae Bull-Zindher – Bulls Tochter gewinnt einen traurigen Freund.

Perry Rhodan – Der Zellaktivatorträger hört vom Raub der Erde und des Monds.

»Ich habe mir unsere Rückkehr anders vorgestellt. Ruhmreicher, prunkvoller, mit einer Parade und Konfetti für die Helden, die den Weltenbrand gestoppt haben.

Und stattdessen? Niemand erinnert sich an uns kleine Lichter, an das Fußvolk des Unsterblichen. Selbst jemand wie Perry Rhodan ist in Vergessenheit geraten oder wird als Legende angesehen, als Lagerfeuergeschichte.

Was habe ich also verloren? Etwas, das ich zuvor gar nicht besessen, auf das ich aber gehofft hatte: die fünf Minuten Ruhm dafür, dass wir die Milchstraße, das Universum, die gesamte Existenz gerettet haben.«

Winston Duke im Gespräch mit Osmund Solemani, kurz nach dem großen Zeitsprung

 

 

Prolog

Der dunkle, unzerstörbare Gigant

 

Nahe dem galaktischen Zentrum der Milchstraße liegt das System der gelben Sonne Ephelegon. Elf Planeten umkreisen sie auf elliptischen Bahnen.

Am 18. Oktober 2045 Neuer Galaktischer Zeitrechnung fiel ein 2,2 Kilometer durchmessendes, kugelförmiges Raumschiff am Rand des Ephelegonsystems aus dem Linearraum. Es handelte sich um die THORA, seit dreißig Jahren das Flaggschiff des Residenten der Liga Freier Galaktiker, Reginald Bull.

Im TERRANOVA-Schirm, der das gesamte Sonnensystem schützend umgab, wurde eine Strukturschleuse geöffnet. Die THORA flog ein. Der Reihe nach querte sie die Planetenbahnen.

Jiwe, der elfte und äußerste Planet, war ein kalter Felsbrocken. Ein markantes Netz an Verwerfungslinien umspannte ihn. Man vermutete, dass Jiwe zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Entstehung auseinandergebrochen war und sich neu formiert hatte.

Auch Deelgai, der zehnte, und Neeshia, der neunte Planet, waren Stein- und Eiswelten. Die eine durchmaß rund 2400, die andere 4900 Kilometer. Neeshia verfügte über keine nennenswerte Atmosphäre und wurde auch als Nachtwelt bezeichnet.

Nach Spishi, einem bläulichen Gasriesen mit vier Monden, von denen der kleinste wie eine Erdnuss geformt war, kam Heru; ebenfalls ein Gasriese, aber mit auffälliger, rosa Färbung und elf Monden von kleiner bis mittlerer Größe.

Der sechste Planet, Doogini, war reich an Metallen. Ihn durchzogen weit verzweigte Tunnelsysteme aus verschiedenen Epochen. Nach wie vor fanden sich auf der Felswelt großräumige, meist vollrobotisierte Abbauanlagen.

Batalo, der fünfte Planet, war zur Gänze als Industriewelt ausgebaut worden, desgleichen die beiden kleinen Monde. Wie Reginald Bull erläuterte, befand sich unter den Fabrikationsanlagen die Dorogoj-Werft.

Dort wurden die Ultraschlachtschiffe der PATOMAN-Klasse hergestellt, zu denen auch die THORA gehörte.

 

*

 

Ultraschlachtschiffe waren gigantische Raumer, die über erhebliche Trägerkapazität verfügten.

Sie vermochten ad hoc eine große Präsenz von Kampfkraft in Form mehrerer Einsatzgruppen bereitzustellen, die dann separat jede für sich operieren konnten. Hierbei fungierten sie als strategische Leitzentrale.

Darüber hinaus dienten Ultraschlachtschiffe der PATOMAN-Klasse als mobile Versorgungs- und Wartungsstützpunkte für die verschiedensten Schiffstypen. In größeren Verbänden fiel ihnen die Rolle von Führungseinheiten für Geschwader und Flotten zu.

In Höhe des äquatorialen Ringwulsts, der teilweise den Diogo-Akzelerator enthielt, durchmaß die THORA 2720 Meter. Sie war hoch automatisiert. Daher kam sie mit einer im Vergleich zu älteren Ultraschlachtschiffen deutlich reduzierten Stammbesatzung aus.

Trotz Drei-Schicht-Betriebs hatte sie nur 263 Personen an Bord und diese Stärke entsprach damit jener eines alten 500-Meter-Schlachtkreuzers der MARS-Klasse. Ein solcher, nämlich die BJO BREISKOLL, war derzeit in einer der vier in den Ringwulst eingelassenen Landebuchten angeflanscht, die eigentlich für Fregatten der OLYMP-Klasse bestimmt waren.

Perry Rhodan hatte Admiralin Anna Patoman, nach der die aktuellste Baureihe terranischer Ultraschlachtschiffe benannt worden war, noch gut gekannt. Mit der Arkonidin Thora da Zoltral, der zu Ehren Reginald Bull sein Flaggschiff THORA getauft hatte, war Perry sogar verheiratet gewesen ...

Reginald Bulls Flaggschiff THORA war beileibe nicht der erste Raumer dieses Namens. In der Solaren Flotte hatte es bereits zwei namensgleiche Schiffe gegeben. Dennoch trug die THORA keine Nummer, da es sich nicht um einen direkten Nachfolger handelte.

 

*

 

Der Kugelraumer schwenkte in einen Orbit um den vierten Planeten ein, die Hauptwelt des Systems.

Es herrschte reger Betrieb. Um die Hauptwelt Rudyn kreisten etliche Raumdocks, Wachforts und Verkehrskontrollzentren sowie unzählige Satelliten.

Mit einem Durchmesser von 13.408 Kilometern, einer Rotationsdauer von 22,7 Stunden, einer Schwerkraft von 1,07 Gravos und einer mittleren Jahrestemperatur von 27 Grad Celsius bot Rudyn nahezu ideale Lebensbedingungen. Eis bedeckte die Pole. Teilweise recht schmale, dafür aber bis zu 24.000 Meter tiefe Ozeane trennten die acht Kontinente.

Obwohl vollständig erschlossen, war der Planet keineswegs flächendeckend bewohnt. Die Ballungsgebiete konzentrierten sich auf die Küstenregionen.

Den Kommentaren zufolge, die am Rand der Bilder der Außenbordkameras eingeblendet wurden, legte man von jeher Wert darauf, weite Landstriche aller Klimaregionen in ihrem natürlichen Zustand zu erhalten.

Perry Rhodan hatte Rudyn, das bereits im 25. Jahrhundert Alter Zeitrechnung von Auswanderern anderer terranischer Kolonien besiedelt worden war, schon oft besucht. Von Anfang an hatte der Planet auf weitgehende Unabhängigkeit vom Solaren Imperium gepocht. Im 29. Jahrhundert war Rudyn zur Hauptwelt der Zentralgalaktischen Union aufgestiegen, die alsbald zum führenden Mitglied der Antiterranischen Koalition geworden war.

Aber die Zeit verändert bekanntlich alles. Rudyn stellte geradezu ein Musterbeispiel dafür dar.

 

*

 

Nach einem kurzen Zwischenstopp im Orbit setzte die THORA zum Landeanflug auf den Patoman Space Port an.

Der Heimathafen der Liga-Flotte lag im Norden der Zwillingsmetropole. Aus der Luft ließen sich die abgegrenzten Stadtkerne Neu-Terranias und der alten Hauptstadt Genzez klar erkennen. Wie bunt schillernde Schmetterlingsflügel erstreckten sie sich an der Südküste des Kontinents Snavala, rechts und links eines ausgedehnten, zentralen Parkgeländes und Wohngebiets.

Bedingt durch die gemischte Herkunft der Kolonisten, war Genzez früher von einem architektonischen Stilwirrwarr geprägt gewesen. Moderne Hochhäuser hatten mit mittelalterlichen Burgen abgewechselt, die sich auf künstlich aufgeschütteten Hügeln erhoben.

Perry Rhodan erinnerte sich an das Gerücht, die zahlreichen Burgen wären dazu da, den hohen Bedarf der Regierung an Verliesen, Folterkellern und Zwangskerkern zu decken ... Solche Schauergeschichten lagen freilich viele Jahrhunderte zurück.

Nun dominierten auf beiden Seiten Reminiszenzen an den Baustil Terranias. Der schlug sich vor allem in den großzügig angelegten Ringstraßen und Parks nieder. Im Gegenzug hatte Neu-Terrania architektonische Einflüsse aus Genzez übernommen.

Insbesondere die Neigung zu variantenreichem und farbenfrohem Bau sorgte dafür, dass sich das neue Terrania als »Regenbogenstadt« präsentierte.

 

*

 

Westlich von Genzez und nordwestlich des Deltas des Flusses Dwadunaj befand sich der zivile Raumhafen Rudyns. Warum er »Hoher Hafen« genannt wurde, erschloss sich dem Betrachter sofort: Die beeindruckende Konstruktion ruhte auf insgesamt siebzehn gigantischen, je 600 Meter durchmessenden und 1000 Meter hohen, grazil komponierten Hohlpfeilern von ultrahoher Tragkraft. Sie bildeten unter dem zwölf Kilometer durchmessenden Landefeld zwei dazu kongruente Kreise von neun und viereinhalb Kilometern Durchmesser um einen zentralen Pfeiler.

Kunstvoll verlegte Lichtleiter streuten von den Pfeilern aus Tageslicht in alle Richtungen. Das Ergebnis mutete ein wenig wie die Lichtstimmung unter den Baumkronen eines Laubwaldes an.

Rechter Hand, im Süden Neu-Terranias, ragte das Gebäude der Conchal-Akademie auf. Es bestand aus zwei weißen, kilometerhohen, mit spiralförmigen, goldfarbenen Auslegern ineinander verschlungenen Türmen.

Auf der linken, etwas niedrigeren Spitze saß ein stilisiertes terranisches Kugelraumschiff. Den höheren Turm krönte ein raketenartiger Aufbau.

Perry Rhodan entnahm den eingeblendeten Informationen, dass darin das Institut für Linearraumtopologie untergebracht war. Dessen wissenschaftliche Leitung teilten sich die Terranerin Maud Diogo und der Onryone Lepp Maccaryc.

Die THORA sank weiter hinab. Der Abschluss des Landemanövers wurde eingeleitet. Rhodans Pulsschlag beschleunigte sich, als der Kugelraumer über ein Bauwerk hinwegglitt, das ihm fast schmerzhaft vertraut war: Die Solare Residenz schwebte, wie damals im »alten« Terrania, über einem See. Dieser hieß Lake Thetys und gehörte, wie auch der umliegende, hiesige Residenzpark, zum lang gestreckten Grüngürtel zwischen Alt- und Neustadt.

Was hatte Perry in der 1010 Meter hohen »Stahlorchidee«, deren Hauptteil aus den fünf »Blütenblättern« am oberen Ende bestand, nicht schon alles erlebt!

Mit Reginald Bull, seinem besten Freund seit den Anfängen der terranischen Raumfahrt, mit Atlan da Gonozal, dem Mausbiber Gucky und anderen engen Vertrauten hatte er in diesem Gebäude Pläne geschmiedet, Strategien entworfen, aber auch harte Kämpfe ausgefochten. Wie viele Jahre lang hatte er dort seine mehrstöckige Luxussuite gemeinsam mit Mondra Diamond bewohnt ...?

Es war müßig, nachzurechnen. Das war Vergangenheit, unwiederbringlich.

Die Zeit verändert alles, dachte Perry Rhodan bitter. Schon gar, wenn man fast ein halbes Jahrtausend im Suspensions-Koma verbracht hatte und sich einer heimatlichen Milchstraße stellen musste, in der offenbar kaum ein Stein auf dem anderen geblieben war.

Nun befand sich die Solare Residenz, als das politische und militärische Zentrum der Liga Freier Galaktiker just auf Rudyn, dem ehemaligen Rebellenplaneten und damit innerhalb der Zentralgalaktischen Festung. Welche Ironie der Geschichte!

Was sonst hatte sich noch ins Gegenteil verkehrt?

 

*

 

Tags darauf, am 19. Oktober 2045 NGZ, kam es zum Wiedersehen mit einem von Perry Rhodans treuesten Gefährten.

Nachdem die THORA auf dem Patoman Space Port gelandet war, hatte ein Shuttle Perry, seine Enkelin Farye Sepheroa und Reginald Bull zur Solaren Residenz gebracht. Auf einem Balkon hoch oben hatte Bully ihnen einige auf den dank des TERRANOVA-Schirms dunklen Nachthimmel projizierte Sternbilder erläutert: die Augen der Kassandra, den Orpheuspfad, den Tiefenzöllner ...

Rhodan war aufgefallen, dass sich zwischen den Fixsternen etwas bewegte. Kein einzelner Punkt, wie bei einem an- oder abfliegenden Raumschiff. Auch wurde das Phänomen nicht größer oder kleiner.

Schnell, jedoch normaloptisch verfolgbar, zog es über das tiefdunkelblaue Firmament dahin. Wie ein Dreieck aus tiefrot leuchtenden Augen, die den Planeten bewachten ...

Reginald Bull hatte Rhodans Vermutung bestätigt. »Das da oben ist die Festung in der Festung. Die Leute hier nennen sie die Augen des Giganten

»Das ist sie also? Icho Tolots neue Heimat?«

Bull nickte. »Das ist sie. Da oben wohnt unser guter alter Freund.«

»Wie geht es ihm?«

»Das kannst du ihn selbst fragen. Er freut sich darauf, dich zu treffen. Morgen.«

Da selbst Zellaktivatorträger bisweilen ein paar Stunden Schlaf benötigten, hatte auch Rhodan die Gelegenheit genutzt und sich zur Ruhe begeben. Das Gästequartier, das Bull ihnen zugewiesen hatte, stand Rhodans ehemaliger Suite an Opulenz kaum nach.

Beim Frühstück neckte ihn Farye: »Weißt du eigentlich, dass du ziemlich grauenhaft schnarchst?«

»Niemand kann sich selbst schnarchen hören. Allerdings haben sich bisher noch nie Frauen, mit denen ich Bett oder Wohnraum teilte, darüber beschwert. Schon gar nicht solche, die wie du in eigenen, gut isolierten Zimmern logierten.«

»Wahrscheinlich, weil sie rechtzeitig akustische Schirmfelder aktivierten. Ich fand das jedoch, äh ... unsportlich. Und da ich immerfort mehr über dich lernen möchte, habe ich nicht auf dieses Hilfsmittel zurückgegriffen. Wisse also, o hochverehrter Großvater – du röchelst manchmal plötzlich auf, erschreckend unrhythmisch wie ein sterbendes Mufflon.«

»Keine Ahnung, wie das klingt«, sagte Perry Rhodan. »Aber ich bin auch nur ein Mensch. – Reichst du mir bitte die Butter herüber?«

Wenig später war es so weit. Im nahe gelegenen Kommunikationsraum entstand vor Rhodan das holografische Abbild eines riesenhaften Geschöpfs mit zwei Säulenbeinen, vier Armen, einem halslosen, halbkugeligen Schädel und drei blutrot glühenden Augen.

Das Monstrum verzog den breiten Mund zu einem fletschenden Grinsen, das dazu geeignet war, bei den allermeisten bekannten Intelligenzwesen einen Fluchtreflex auszulösen. »Ich grüße dich, Rhodanos. Sehr erfreut!«

»Tolotos, die Freude ist ganz meinerseits.«

 

*

 

Die an den Namen angehängte Silbe -os galt als Ausdruck spezieller Wertschätzung. Nur engste Freunde oder ein halutisches Kind und sein Elter durften sich so anreden.

Untereinander, aber auch gegenüber fast allen anderen Gesprächspartnern, zogen Haluter sowieso die distanzierte der vertraulichen Anrede vor. Man musste schon dermaßen viel gemeinsam durchgemacht haben wie Perry Rhodan und Icho Tolot, dass die intime Formulierung zur Anwendung kam.

Die eingeschlechtlichen Haluter zählten zu den imposantesten Geschöpfen des bekannten Universums. Dreieinhalb Meter hoch, mit einer Schulterbreite von zweieinhalb Metern und rund zwei Tonnen schwer, erreichten sie mit Laufarmen und Beinen Geschwindigkeiten von über einhundertzwanzig Kilometern pro Stunde.

Bei Gefahr vermochten sie ihre Molekularstruktur willentlich umzuwandeln, sodass der Körper hart wie Terkonitstahl wurde. Um einem Haluter in diesem Zustand etwas anhaben zu können, bedurfte es schon eines schweren Schiffsgeschützes. Der einzigartige Metabolismus überstand sogar bis zu fünf Stunden ohne Schutzanzug im absoluten Vakuum.

Haluter hatten einen Konvertermagen, der fast jede Materie verdauen konnte, zwei Herzen und sogar zwei Gehirne, die allerdings durch eine Knochenplatte getrennt waren. Das Planhirn war ein organischer Computer mit der Leistungsfähigkeit einer Positronik. Damit konnten die Riesen von Halut unter anderem ihre Körperbewegungen auf Millisekunden genau steuern.

»Ich werde so bald wie möglich nach Rudyn in die Solare Residenz kommen«, sagte Icho Tolot mit für seine Verhältnisse leiser, dennoch grollender Stimme. »Um dich in die Arme zu schließen, Rhodanos! Ich bin gewiss nicht der Einzige, der dich schon viel zu lange vermisst hat.«

Seit sie einander zuletzt gesehen hatten, waren für Perry Rhodan subjektiv nur wenige Wochen vergangen, in der Milchstraße jedoch ein halbes Jahrhundert. »Was hält dich auf?«

»Bullos hat mir berichtet, dass sich die Kopfgeldjäger Dancer und Schlafner an Bord der THORA geschmuggelt haben. Ich muss meine Festung einer gründlichen Diagnose unterziehen – um auszuschließen, dass an Bord der Festungssegmente ähnliche Manipulationen stattgefunden haben. Die Agenten des cairanischen Geheimdiensts sind leider außerordentlich kompetente Gegner.«

»Verstehe.«

 

*

 

Das terranische Geschwisterpaar, das sich Dancer und Schlafner nannte, hatte die Seiten gewechselt und arbeitete nicht länger im Auftrag der Cairaner. Womit sie ein hohes persönliches Risiko auf sich nahmen, denn ohne die Zufuhr von Vitalenergie würden ihre parapsychischen Talente absterben und womöglich auch sie selbst zugrunde gehen.

Die Zwillinge verfügten über starke parapsychische Talente, die durch ein cairanisches Paragewebe hervorgerufen worden waren. Dancer war eine Telemotorikerin. Sie vermochte die physische Kontrolle über die Muskulatur eines Gegenübers zu übernehmen.

Ihr Bruder Schlafner konnte eine unüberwindliche Müdigkeit induzieren. Und zwar, indem er mittels seiner Psi-Gabe die Zielperson binnen Sekundenbruchteilen mit Melatonin oder einem analog wirkenden Hormon flutete.

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Illustration: Swen Papenbrock

Das Paragewebe, das mit ihrem Gehirn verwachsen war, verbrannte permanent Vitalenergie. Wurde diese nicht nachgeliefert, starb das Paragewebe ab – und das Gehirn mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls.

Vor diesem Hintergrund konnte Rhodan es gar nicht hoch genug schätzen, dass Dancer und Schlafner sich von den Cairanern losgesagt hatten.

»Mittlerweile sind die beiden Kopfgeldjäger in der Zheobitt-Klinik aufgenommen worden«, warf Reginald Bull ein. »Chefmedikerin Janas Tephart kümmert sich um sie.«

»Sehr gut«, sagte Icho Tolot. »So besteht eine reelle Chance auf Heilung. Du musst wissen, Rhodanos, dass Tephart eine absolute Koryphäe auf ihrem Gebiet ist.«

»Das hat mir Bully bereits versichert, und dass er diesbezüglich ebenfalls optimistisch ist. – Ich fiebere unserem baldigen Zusammentreffen entgegen, Tolotos! Wir haben einander viel zu erzählen.«