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Für Volker und Wolfram

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Inhalt

Das Ungeheuer im Burggraben

Der Namenlose Ritter

Die geraubten Prinzen

Ritter Griesbart und sein Drache

Gawain von Grauschwanz und die schreckliche Meg

Baldur von Blechschrecks Geheimnis

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Das Ungeheuer im Burggraben

Der edle Ritter Oswald von Schimmelstein lag schlaflos in seinem Bett und zählte Schafe. Seit er beim Turnier einen Schlag auf den Helm bekommen hatte, konnte er nachts einfach nicht mehr schlafen. Unter den Augen hatte er tiefe Ringe. Sein Mund schmerzte schon vom ständigen Gähnen und die Müdigkeit machte ihn so schlapp, dass er kaum noch in seine Rüstung kam. Aber schlafen konnte er trotzdem nicht.

„Viertausendfünfhundertsieben“, zählte Oswald. „Viertausendfünfhundertacht …“

Plötzlich hörte er draußen ein furchtbares Planschen und Prusten. Er stolperte zum Schlafzimmerfenster und guckte in die Nacht hinaus. Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.

Im Burggraben schwamm eine riesige, breitmäulige, stachelbespickte Seeschlange. Silbrig schimmerten ihre Schuppen im Mondlicht. Ihr langer Leib glitt durch das schlammige Wasser und ihre Schwanzspitze peitschte gegen die Burgmauer.

„Welch grausiges Untier!“, stöhnte Oswald von Schimmelstein. „Und das, wo ich doch so müde bin.“

Gähnend kletterte er in seine Rüstung, ergriff sein Schwert und stieg scheppernd die Treppe zum Burgtor hinunter. Mit lautem Quietschen senkte sich die Zugbrücke über den Burggraben und der müde Ritter trat hinaus.

Der Leib der Seeschlange wölbte sich dunkel in den Himmel. Ihre spitzen Stacheln reckten sich ihm wie ein Wald von Lanzen entgegen.

„Hinfort, du schleimige Schlange!“, rief Oswald und hob schwankend sein Schwert. Fast wäre er kopfüber von der Zugbrücke gefallen.

Der Schlangenleib bebte und versank gurgelnd im dunklen Wasser. Nur die Stacheln ragten noch heraus.

„Was? Du fliehst, Elende?“, brüllte der Ritter und rieb sich müde die Augen. „Das wird dir, bei Gott, gar nichts nützen!“

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Da tauchte die Schlange mit furchtbarem Prusten wieder auf. Das Wasser spritzte dem Ritter um die Ohren. Höher und höher reckte sich die Schlange. Oswald musste den Kopf in den Nacken legen, um ihr spitzes Maul zu sehen. Sein Schwert war tropfnass. In seiner Rüstung stand das Matschwasser bis zum Halsring.

Die Schlange wiegte sich mit leisem Summen hin und her. Sie lächelte spöttisch auf ihn herab und Oswald wurde ganz schlecht vor Wut.

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„Teuflisches Untier!“, brüllte er und hieb mit seinem Schwert wild in der Luft herum. Klirrend traf die Klinge die schimmernden Schuppen, aber das Schwert prallte ab, als wären die Schuppen aus Stein.

Die Schlange gluckste vor Vergnügen. Dann fing sie an zu singen, sanft und süß, während ihr riesiger Leib sich über dem dunklen Wasser wiegte.

Oswald wurde ganz schläfrig davon, furchtbar schläfrig.