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Fotos: Ottmar Heinze, soweit nicht anders angegeben.

Karten: Kartographiestudio | Jochen Fischer

Coverabbildungen: Holstentor (groß),

Gängeviertel in der Altstadt, Dom zu Lübeck, Haus der Schiffergesellschaft (v. l. n. r.)

Der Bildautor Ottmar Heinze bedankt sich für die Unterstützung bei der Lübeck und Travemünde Marketing GmbH.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eISBN 978-3-7822-1450-6

© 2017 by Koehler,

im Maximilian Verlag GmbH & Co. KG

Alle Rechte vorbehalten.

Layout: Inge Mellenthin

ePub Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin

INHALT

Einleitung

Geschichtlicher Überblick

Erster Stadtspaziergang

Zweiter Stadtspaziergang

Dritter Stadtspaziergang

Thomas Mann

Vierter Stadtspaziergang

Günter Grass

Willy Brandt

Fünfter Stadtspaziergang

Lübeck und die Hanse

Gängeviertel

Lübeck und das Marzipan

Weihnachtsmärkte in Lübeck

Travemünde

Priwall

Lübeck von A – Z

Travemünde von A – Z

Die Kulturkirche St. Petri und St. Marien mit ihren beiden 125 Meter hohen Westtürmen

EINLEITUNG

Lübeck lebt auch heute noch von seiner herausragenden historischen Bedeutung. Der Beiname »Königin der Hanse« macht dies deutlich. Lübeck galt lange Zeit als mächtigste und einflussreichste Stadt des internationalen Städtebundes. Beinahe alle Sehenswürdigkeiten konzentrieren sich auf die rund zwei Quadratkilometer kleine Altstadtinsel, die komplett von Wasser umgeben ist.

Der Besucher, der mit der Bahn anreist, gelangt vom schönen Hauptbahnhof in wenigen Gehminuten über die Puppenbrücke und die nachfolgende Holstenbrücke in den historischen Stadtkern und kann auf Entdeckungsreise gehen. Lübecks Silhouette wird von den sieben Kirchtürmen geprägt, die das bunte Häusermeer überragen. Beinahe alle wichtigen Architekturepochen und Baustile sind auf engem Raum vertreten: Romanik, Gotik, Renaissance finden sich neben Barock, Rokoko und Klassizismus, während der Jugendstil sich rar macht und eher in den angrenzenden Villenvierteln zu finden ist.

1987 erhob die Unesco die Altstadt in den begehrten Rang eines Welterbes. Allerdings wurde nicht das komplette Altstadtgebiet ausgezeichnet, da einige Teile durch Bombenangriffe im Krieg zerstört und danach mit neuer Bausubstanz wiederaufgebaut wurden.

Zwei Hauptstraßen durchziehen die Altstadt von Nord nach Süd, die Königstraße und die Breite Straße. Der mittlere Teil der Altstadt liegt auf einem Hügel, von dem zahlreiche kleine Querstraßen auf beiden Seiten hinab zum Wasser laufen. So ist die Stadt übersichtlich gegliedert, und auch Besucher, die zum ersten Mal hier sind, finden sich schnell zurecht.

Lübeck besaß im Mittelalter eine Stadtmauer, von der heute nur noch zwei Tore übrig geblieben sind: das Holstentor im Westen und das Burgtor im Norden der Altstadt.

Im Altstadtbereich leben heute nur etwa 13.000 Menschen.

Reizvoll ist die Erkundung der Stadt hinter der Stadt: Das einzigartige Gängeviertel mit seinen schmalen und manchmal sehr niedrigen Durchgängen führt den Flaneur zu kleinen Häusern in zweiter Reihe, zu malerischen ruhigen Innenhöfen mit einem ganz eigenen Lebensrhythmus. Spaziert man einen der Gänge entlang, ist es immer wieder spannend zu sehen, an welcher Stelle der »Vorderstadt« man wieder herauskommt.

Mit rund 216.000 Einwohnern ist Lübeck heute die zweitgrößte Stadt in Schleswig-Holstein nach der Landeshauptstadt Kiel. Auffallend ist die große Fläche. Während Lübeck sich über 214 Quadratkilometer erstreckt, kommt die Landeshauptstadt gerade mal auf 118 Quadratkilometer bei etwa 246.000 Einwohnern.

Lübeck bietet nicht nur architektonisch viel, auch kulturell kann sich das Angebot sehen lassen: Mit dem neuen Europäischen Hansemuseum ist die Museums- und Ausstellungslandschaft bereichert worden. Weitere wichtige Museen sind das St.-Annen-Museum, das Museum für Natur und Umwelt, das Museum Behnhaus Drägerhaus, das Stadtgeschichtliche Museum im Holstentor und das kleine Theaterfigurenmuseum.

Ein weiteres kulturelles Highlight sind in jedem Jahr die Nordischen Filmtage. Sie feiern 2018 ihren 60. Geburtstag und finden immer in der ersten Novemberwoche statt. Dieses traditionsreiche Festival konzentriert sich auf die Präsentation von Filmen aus Nordeuropa und den baltischen Republiken. Im Wettbewerb sind Spielfilme, Dokumentar- und Kurzfilme.

Und auch die Weihnachtsmärkte stehen bei Besuchern hoch im Kurs. Viele reisen aus ganz Deutschland, aber auch aus Skandinavien und den Niederlanden an, um vorweihnachtliche Stimmung in historischer Kulisse zu genießen.

Besonders stolz sind die Lübecker auf ihre berühmten Söhne der Stadt: Das Günter Grass-Haus, das Willy-Brandt-Haus und das Buddenbrookhaus liefern spannende Einblicke in Leben und Werk der drei Nobelpreisträger.

Wer sportlich-aktive Unternehmungen plant, kann die Stadt mit dem Fahrrad erkunden oder das Flusssystem der Trave mit seinem Nebenlauf, der Wakenitz, entdecken. So sieht man immer wieder Paddler, die mit dem Kanu die Altstadt umrunden oder über die ursprüngliche Wakenitz bis zum Ratzeburger See vordringen. Auch die Fahrt mit dem Ausflugsschiff von Lübeck nach Travemünde kann nur empfohlen werden.

In Lübeck finden sich auch reizvolle kleine Geschäfte und Boutiquen mit teils ungewöhnlichen Angeboten. Vor allem in der Hüxstraße, der Fleischhauerstraße, der Mühlenstraße und der Breite Straße wird man fündig, wenn man sich für Mode, Design, Kunsthandwerk und Schmuck interessiert.

Kulinarisch kann Lübeck zwar nicht mit dem breiten und hohen Qualitätsanspruch der Metropolen mithalten. Jedoch ragen einige Restaurants und Cafés heraus und werden im Buch ausführlich gewürdigt.

Travemünde ist zwar ein Stadtteil von Lübeck, die Bewohner bewahren sich jedoch eine gewisse Unabhängigkeit. Daher hört man häufig einen Satz wie diesen: »Wir fahren heute zum Einkaufen nach Lübeck.« Der Stadtteil hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem der beliebtesten deutschen Seebäder entwickelt. In der sommerlichen Feriensaison, aber auch zwischen Weihnachten und Neujahr ist Travemünde meist ausgebucht. Und wenn dann noch die Tagesgäste – etwa aus Hamburg – hinzukommen, wird es schon mal eng auf Vorderreihe und Strandpromenade.

Durch das Burgtor verlässt man den historischen Stadtkern in Richtung Norden.

Lübecks Wahrzeichen: das Holstentor

GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK

819:Eine slawische Burganlage entsteht am Zusammenfluss von Trave und Schwartau.

1072:Der Name »Liubice« (die »Liebliche«) wird erstmals in einer Chronik erwähnt.

1138:Bei Machtkämpfen zwischen den slawischen Stämmen der Abodriten und Nakoniden wird die Burganlage zerstört.

1143:Zwischen Trave und Wakenitz wird Lübeck als deutsche Stadt durch Graf Adolf II. von Schauenburg und Holstein zunächst als Burganlage neu gegründet und wird zugleich erste deutsche Hafenstadt an der Ostsee.

1158:Graf Adolf muss die Burganlage an Heinrich den Löwen abtreten.

1160:Lübeck erhält das sog. Soester Stadtrecht.

1161:Durch das Artlenburger Privileg (eine Urkunde von Heinrich dem Löwen) werden Lübecker Kaufleute den bis dahin den Ostseehandel dominierenden Gotländer Kaufleuten rechtlich gleichgestellt.

1226:Kaiser Friedrich II. gewährt Lübeck die Reichsfreiheit. Die Stadt wird reichs-unmittelbar, untersteht somit keinem Fürsten, sondern unmittelbar dem Kaiser.

1358:Erster Hansetag in Lübeck und allmähliche Entwicklung der Kaufmannshanse zur Städtehanse.

1370:Friede von Stralsund. Die Hansestädte gehen aus jahrelangen militärischen Auseinandersetzungen mit Dänemark als Sieger hervor. Lübeck ist auf dem Höhepunkt seiner Macht und gehört zu den bedeutendsten und größten Städten des Reiches. Das Lübecker Stadtrecht gilt in vielen Hansestädten, der Lübecker Rat ist als Oberhof die höchste Gerichtsinstanz für alle Hansestädte des Lübecker Rechtskreises.

1563–1570: Im Nordischen Siebenjährigen Krieg steht Lübeck an der Seite Dänemarks gegen Schweden.

1615:Lübeck erhält eine moderne Stadtbefestigung nach niederländischem Vorbild.Im 30-jährigen Krieg wahrt Lübeck Neutralität.

1669:Der letzte Hansetag findet in Lübeck statt.

1806:In der Schlacht bei Lübeck treffen französische und preußische Truppen aufeinander. Die preußischen Truppen unter Blücher kapitulieren. In den folgenden Tagen ziehen französische Truppen plündernd durch die Stadt. Das ist der Beginn der Lübecker Franzosenzeit (1806 – 1813).

1815:Lübeck wird völkerrechtlich souveränes Mitglied im Deutschen Bund. Gemeinsam mit Hamburg und Bremen werden Gesandtschaften und Konsulate in wichtigen Haupt- und Hafenstädten eingerichtet.

1866:Lübeck tritt dem Norddeutschen Bund unter Führung Preußens bei und wird somit Teil des ersten föderativen Staatenbundes auf deutschem Boden.

1871:Die Freie und Hansestadt wird Gliedstaat des Deutschen Reiches.

1911:Lübeck wird offiziell Großstadt.

1930:Lübecker Impfunglück. 77 Kinder sterben aufgrund von kontaminiertem Impfstoff an Tuberkulose.

1933:Die NSDAP setzt den SPD-Bürgermeister Paul Löwigt ab. Herbert Frahm alias Willy Brandt gelingt die Flucht nach Skandinavien.

1937:Lübeck verliert nach mehr als 700 Jahren durch das sog. Groß-Hamburg-Gesetz seine territoriale Eigenständigkeit und wird in die preußische Provinz Schleswig-Holstein eingegliedert.

1942:Bei einem verheerenden Luftangriff am 29. März werden große Teile der Altstadt zerstört oder beschädigt, darunter der Dom, die Marienkirche und die Petrikirche.

1945:Lübeck wird von britischen Truppen eingenommen.

1987:Die Unesco erklärt große Teile der Lübecker Altstadt zum – insgesamt achten – deutschen Welterbe.

1993:Lübeck feiert 850 Jahre Hansestadt Lübeck.

2015:Im April findet das Außenministertreffen der G7-Staaten zur Vorbereitung des G7-Gipfels auf Schloss Elmau statt.

2015:Im Mai wird das Europäische Hansemuseum durch Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet.

Der Bau des Doms zu Lübeck geht auf Heinrich den Löwen zurück.

ERSTER STADTSPAZIERGANG

Wer mit dem Zug anreist, dem fällt zunächst die vierschiffige Bahnsteighalle des Hauptbahnhofs auf, die 1908 nach Entwürfen des Architekten Fritz Klingholz gebaut wurde. Mit gut 30.000 Reisenden am Tag ist Lübecks Hauptbahnhof der geschäftigste in Schleswig-Holstein und übertrifft sogar den Hauptbahnhof in Kiel, der es auf rund 25.000 Reisende bringt.

Vom Empfangsgebäude des sogenannten Reiterbahnhofs, der quer über den Gleisanlagen liegt, betritt der Besucher den Vorplatz und geht durch eine kleine Grünanlage zur Puppenbrücke, über die man direkt in die Altstadt gelangt. Diese Brücke war die erste Steinbrücke der Stadt und wurde 1772 fertiggestellt. Die heutige Brücke ist jedoch ein Neubau aus dem Jahr 1907, der nötig wurde, weil der Straßenverkehr deutlich zugenommen hatte und die alte Brücke zu schmal geworden war.

Das Bauwerk ist mit acht Figuren und vier Vasen geschmückt, die der Bildhauer Dietrich Jürgen Boy 1774 bis 1776 schuf. Die lebensgroßen Figuren symbolisieren Gottheiten sowie Themen: Auffallendste Figur ist der römische Gott des Handels, Merkur, dessen Hut und prall gefüllter Geldbeutel ja noch die Erwartungen an eine solche Statue erfüllen, dessen blankes Hinterteil jedoch deutlich aus dem Rahmen fällt. Darum ranken sich mehrere Anekdoten, zum Beispiel die, dass der Po den Dänen entgegengestreckt wurde, die vom Meer oder aus Holstein kamen.

Des Weiteren sind zu sehen: der Flussgott mit dem Ruder in der Hand, der Friede mit dem Ölzweig, die Eintracht mit den Fasces, den Rutenbündeln, der bewaffnete römische Krieger, die Vorsicht mit dem Spiegel, der römische Gott Neptun, der Wassergott, mit dem Pferd sowie die Freiheit mit einer Katze zu ihren Füßen.

Die vier Vasen stellen Fleiß, Ackerbau und Viehzucht, die Wissenschaften und Künste und den Patriotismus dar.

Heute sind nicht mehr die Originale aus Sandstein zu sehen, sondern Kopien aus Kunststein. Die Originale stehen im St.-Annen-Museum, wo sie vor schädlichen Umwelteinflüssen geschützt sind.

In wenigen Minuten erreicht man nun das Holstentor, das in aller Welt bekannte Wahrzeichen und vermutlich meistfotografierte Gebäude der Stadt. Viele erinnern sich noch daran, dass das Tor einst den 50-Mark-Schein zierte. Das spätgotische massive Gebäude mit seinen bis zu 3,5 Metern dicken Mauern wurde zwischen 1464 und 1478 erbaut, war Teil der damals modernen Befestigungsanlage und erfüllte einen doppelten Zweck: Es diente der Verteidigung und war zugleich architektonischer Ausdruck der Macht Lübecks.

Im vierstöckigen Doppelturm mit seinen schiefergedeckten Kegeldächern und dem Verbindungstrakt standen 30 Geschütze bereit, die jedoch niemals eingesetzt wurden.

Man geht heute davon aus, dass bereits während der Bauzeit der Südturm des Tores aufgrund des weichen Untergrundes und des enormen Gewichtes des Gebäudes absackte. Aus diesem Grund liegen die untersten Schießscharten unter der Erdoberfläche.

Stadt- und Feldseite des Holstentors unterscheiden sich deutlich: Während die Stadtseite mit vielen Fenstern ausgestattet ist, finden sich auf der Feldseite nur wenige schmale Fenster. Aus dieser Richtung würde denn auch bei einem Angriff oder einer Belagerung der Feind gegen das Bollwerk anstürmen.

Im Lauf der Jahrhunderte wurden vier Holstentore gebaut, von denen drei wieder abgerissen wurden. Übrig geblieben ist das Mittlere Holstentor, das beinahe das gleiche Schicksal ereilt hätte. 1855 gab es einen Antrag Lübecker Bürger, das Tor dem Erdboden gleichzumachen, da es einem Ausbau der Eisenbahnanlagen im wahrsten Sinne des Wortes im Weg stehen würde.