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FRAUEN IM SINN

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Verlag Krug & Schadenberg

Literatur deutschsprachiger und internationaler
Autorinnen (zeitgenössische Romane, Kriminalromane,
historische Romane, Erzählungen)

Sachbücher und Ratgeber zu allen Themen
rund um das lesbische Leben

Bitte besuchen Sie uns: www.krugschadenberg.de

Von Karin Kallmaker ebenfalls

bei Krug & Schadenberg erschienen:

Unvergessen

Ins Licht der Liebe

Liebe im Sternenlicht

Dein Herz sei mein

Es begann mit einem Kuss

Tanz auf dem Eis

Und auf einmal ist es Liebe

Karin Kallmaker

Doppeltes Spiel

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch
von Andrea Krug

K+S digital

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

1

Paris Ellison war so wütend, dass sie einen siebenschichtigen Trifle zubereitete und zwei große Backformen Brownies mit doppeltem Kakaoanteil.

Sie ließ sogar Wasser auf den Brief von Reynard House, ›Stolzes Mitglied der Reynard Mediengruppe‹, spritzen. Aber die Tinte weigerte sich zu zerlaufen, und die Worte quälten sie weiterhin.

Sie hatte bereits nein gesagt, und jetzt die Frechheit zu besitzen … Unverschämt! Ihr ein Flugticket erster Klasse, eine Suite in einem Hotel an der Fifth Avenue und Eintrittskarten für das Musical Hamilton, Logenplätze, anzubieten. Dreist!

Sie schlug die Ganache, bis sie gefügig war, und gab sie auf die erste Backform mit den noch warmen Brownies. Sie würde sie später noch schneiden, ehe sie sie am nächsten Tag zu Lisa brachte. Dann kam das zweite Blech in den Ofen, und erst danach hielt sie in ihrem Backen inne, das von Zorn getrieben war und nichts anderes als eine Reaktion auf ihre Angst. Sie las den empörenden Brief noch einmal.

Anita Topaz trat nicht persönlich in Erscheinung. Das hatte Paris von Anfang an klar gesagt. Aber nach der Fusion gingen die neuen Leute bei Reynard House unbekümmert über dieses Detail hinweg.

Ein Kratzen und Maunzen an der Tür ließ sie auf die Uhr schauen. Auf die Minute pünktlich glitt der orangefarben getigerte Hobbit herein und strich als Vormittagsgruß an Paris’ Beinen entlang.

»Du machst niemandem was vor, weißt du. Für dich bin doch bloß dein zweites Frühstück.« Sie fügte sich dem zielstrebigen Kater und gab einen Löffel knuspriges Trockenfutter in seinen Fressnapf an der Tür. Hobbit verlor prompt das Interesse, Paris’ Knöchel zu umschmeicheln, und haute rein.

»Nur weil Reynard House jetzt der neue Eigentümer ist, heißt das nicht, dass mein Vertrag nicht mehr gilt. Nicht ohne Weiteres jedenfalls.« Hobbit ignorierte das Schälchen frisches Wasser, das Paris neben seinen Fressnapf stellte. »Sie können mich nicht dazu zwingen. Also! Ich schulde ihnen vier Bücher in den nächsten zwei Jahren, und zwar fristgemäß. Und weiter gar nichts.«

Der Küchenwecker klingelte, und sie überließ den schmatzenden Hobbit seiner Zwischenmahlzeit. Sie drehte das Backblech einmal um, schob es zurück in den Ofen und stellte den Wecker erneut. Die Vanillecreme war jetzt genügend abgekühlt, um das Trifle zu schichten, und sie konzentrierte sich darauf, den Boden ihrer einzigen klaren Glasschale mit frischem Biskuit auszulegen und ihn mit Sherry zu tränken. Aprikosen folgten, dann Vanillecreme, dann weiter Schicht um Schicht, bis die Glasschale nahezu gefüllt war.

Die Damen Lambeth und Richards von oben würden die Leckerei zu schätzen wissen. Sie würde sie nach dem Abendessen hinaufbringen und nachsehen, wie sich die beiden von der Erkältung erholten, die ihre sonst so geselligen, umtriebigen Vermieterinnen in den »Kleine alte Lady«-Modus, wie sie es nannten, versetzt hatte. Sie waren einem Sherry hin und wieder nicht abgeneigt, und bei einem Dessert wie diesem konnte sich niemand lange indisponiert fühlen.

Außer Paris selbst vielleicht. Ihr Tag hatte so friedlich und vorhersehbar begonnen wie jeder andere zuvor, seit sie an diesem Ort Zuflucht gefunden hatte. Doch dann war morgens dieser Brief angekommen und hatte sie unter Druck gesetzt.

Hobbit beendete sein zweites Frühstück und tappte über das ausgebleichte Linoleum ins Wohnzimmer hinüber. Dort reckte und räkelte er sich auf dem flauschigen braunen Teppich und stolzierte dann zu dem sonnigen Fenstersitz hinüber – Herrscher über alles.

Paris vernahm das laute missbilligende Schnauben über die Schicht Katzenhaar auf dem Kissen. »Was glaubst du, was das hier ist – ein Nobelhotel in New York?« Sie prüfte die Oberfläche der Brownies im Ofen mit der Fingerspitze und befand, dass sie noch eine Minute brauchten. »Apropos – sieh dir diesen Brief an!«

Sie trug das empörende Schreiben zum Fenstersitz hinüber und zeigte es Hobbit. Der gab ein neidisches Schnurren von sich und zeigte ihr seinen weißen Bauch, während Paris den Brief mit wiederaufflammendem Zorn laut vorlas.

»… freuen uns, alle Details abschließend mit Ihnen zu klären … mit freundlichen Grüßen … bla bla bla …«, endete Paris. »Siehst du? Sie versuchen mich zu nötigen zu kommen, und du weißt, warum ich das nicht tun werde.« Hobbit hatte mehr als einmal gehört, warum Paris für dreitausend Meilen Abstand zu ihrem letzten Job gesorgt hatte. »Anita Topaz wird nicht zu diesem Treffen erscheinen. Sie wird keinen TED Talk – oder wie auch immer Reynard Media diese Videovorträge nennen mag – halten für …« Sie wirbelte herum, Gesicht zur Küche. »Fieser Fluch!«

Sie schoss quer durchs Wohnzimmer in Richtung des hässlichen ›Du kommst zu spät!‹-Geruchs der verbrannten Brownies. In ihren Socken glitt sie auf dem Linoleum aus und wäre beinahe gestürzt. Sie zerrte das Blech aus dem Ofen und verbrannte sich das Handgelenk an der Tür. Das Backblech glitt ihr aus den Händen. Sie machte einen Satz, um es zu fassen zu kriegen, und stieß sich den Kopf so heftig an der Arbeitsplatte, dass ihr einen Moment schwarz vor Augen wurde.

Die tanzenden Sterne verschwanden allmählich aus ihrem Sichtfeld, als sie die Delle auf ihrer Stirn komödiantenhaft à la Jackie Chan rieb. Es fühlte sich zumindest an wie eine Delle.

Hobbit kam um die Kücheninsel herbeigeschlichen, den Schwanz entnervt aufgestellt, weil das Geschepper und Gefluche sein Vormittagsschläfchen samt Geschmuse gestört hatte. Vollkommen zu Recht entschied er, dass die abgestürzten Brownies nichts waren, das er verspeisen wollte, und begann sich die Pfoten zu putzen.

»Nein, mir läuft nicht das Gehirn aus«, sagte sie zu dem Kater, der ihr den Rücken zukehrte. »Danke der Nachfrage.«

Zumindest waren die Brownies nicht mit der Oberseite nach unten gelandet. Die Ecken waren hart und schmeckten verbrannt, selbst wenn man die Ränder liebte. Paris war zunehmend übel gestimmt – der ganzen Welt gegenüber. Mit einem Kugelausstecher hob sie das noch saftige und essbare Innere heraus. Schokolade, Zucker und Butter waren in jeder Form genießbar, oder etwa nicht? Brownie-Bällchen … Lisa mochte trotz allem Verwendung dafür haben.

Das war überhaupt eine Idee. Warum bis zum nächsten Tag warten? Aus dem Haus zu kommen würde ihr vermutlich guttun. Es war drei Tage her … oder vier? Das war ihre letzte Brownie-Lieferung ans Mona Lisa’s gewesen. Wieder einmal war sie glücklich, einen Weg gefunden zu haben, die Erträge ihres wie besessenen Backens nicht selbst essen zu müssen, und außerdem erforderte es noch sportlichen Einsatz. Wenn Lisa der Ansicht war, niemand würde die geretteten Brownies kaufen wollen, dann würden sie beide eben selbst ein paar davon essen. Es war diese Art von Tag.

Die fünf Minuten, die es brauchte, sie in kleine Zellophantüten zu tun und mit Schleifenband zu verschließen, verliefen ohne größere Missgeschicke. Zwei dunkle feuchte Brownie-Bällchen pro Tüte. Paris fand, sie sahen appetitlich aus, aber letztlich war es Lisas Entscheidung. Sie schob den Brief hinten in die Hosentasche. Sie würde Lisa um Rat fragen.

Hobbit gab ein unzufriedenes Miau von sich, als sie ihn vorn auf der Veranda deponierte.

»Geh und such dir dein nächstes Fresschen sonstwo. Ich weiß, dass es früh ist, aber ich muss an die frische Luft.«

Mit einem letzten Maunzen entschwand Hobbit unter der Hecke.

»Jaja, man hat mir schon Schlimmeres an den Kopf geworfen.«

Sie zog ihre Jacke an, schnappte sich den Korb mit ihren Backwaren und trat in den stürmischen blauen Tag hinaus. Lisa erwartete Paris und ihre Leckereien erst am Tag darauf, aber wie sie in der Vergangenheit gesagt hatte: Es gab keine Obergrenze, wie viele Brownies eine Bar voller Sportfans konsumieren konnte.

Paris wandte ihr Gesicht der Sonne zu und zog sich die Kapuze ihres Hoddies über den Kopf. Der scharfe Wind von der Massachusetts Bay schrie Winter, aber die Sonne flüsterte verführerisch Frühling. San Francisco war nie so extrem. Sie verdrängte die schmerzliche Sehnsucht nach dem Gorilla Barbecue und dem hellen Sandstrand von Pacifica.

In den bald fünf Jahren, die sie nun schon in Revere bei Boston wohnte, hatte sie sich gut eingelebt, aber zur Heimat war ihr die Stadt nicht geworden.

Es war schwer, an einem so herrlichen Tag zornig zu bleiben. Der blaue Himmel tat ihren Augen gut, und die Sonne wärmte ihre Nasenspitze. Es schien, als wäre der lange, frostige, nasse, schmuddelig-matschige Neu-England-Winter endlich vorüber. Aber Paris wusste, dass das nicht stimmte. Wie ihre Vermieterinnen sie gewarnt hatten, konnte der März dich aus deiner Jacke hervorlocken, um dir dann eine halbmeterhohe Schicht Schnee auf den Buckel fallen zu lassen. Genau wie das Leben an sich.

Das Einzige, was ihr an ihrer Wohnung nicht gefiel, war die Lage am Fuße eines Hügels, den selbst die EinwohnerInnen von San Francisco steil genannt hätten. Sie hatte zur Folge, dass ihre Vermieterinnen einen großartigen Blick auf den Hafen hatten und dass Paris’ Wohnung hell und luftig war. Aber für jemanden ohne Auto war die Lage eine Herausforderung.

Sie holte tief Luft und machte sich mit langen, gleichförmigen Schritten auf den Weg hügelan. Von den steilen Straßen einmal abgesehen, war der Einzug in die Souterrainwohnung im Haus von Lambeth und Richards der Beginn eines idealen Arrangements. Den beiden Damen half die Miete, die Nebenkosten und Reparaturen zu bezahlen, und Paris hatte sonnige Fenster, eine grundsolide eingerichtete Küche, die ihr erlaubte, ihre Ängste fortzubacken, und ein riesiges Schlafzimmer mit einem großen Erkerfenster, das auf den Blumen- und Gemüsegarten hinausging. Paris’ Name erschien weder auf einem Mietvertrag noch auf Rechnungen von Versorgungsunternehmen. Genau so hatte sie es gewollt. Dass Anita Topaz’ kometenhafter Aufstieg bedeutete, dass Paris sich mehr leisten konnte – weit mehr –, spielte keine Rolle. Anita Topaz war nicht online, twitterte nicht, chattete nicht und sie absolvierte keine persönlichen Auftritte!

Paris lief Gefahr, ihre gerade wiedergewonnene gute Laune zu verlieren, und blieb auf halbem Weg hügelan stehen. In den Ritzen der Gehwegplatten lauerte jede Menge Matsch. Zum Glück waren ihre Doc Martens die perfekte Abenteuerausstattung für einen Winter in Neu-England. Schnee und Matsch hielten sie nicht auf. Sobald sie es auf die Kuppe des Hügels geschafft hatte, waren es nur noch zwei Minuten bis zu dem regelmäßig verkehrenden Bus, der nur zwei Haltestellen von der nächsten U-Bahn-Station entfernt war, und von da aus war ganz Boston gut zu erreichen. Es waren außerdem nur drei Minuten bis zu einem Lebensmittelgeschäft und fünf Minuten bis zu Mona Lisa’s. Ihr Domizil war so nah am Rest der Welt, wie sie sein wollte.

Mit der Kapuze des Hoodies auf dem Kopf, der im Wind knatternden Jacke und den an den Knien fadenscheinigen Jeans hätte sie ebenso gut eine der ansässigen Jugendlichen sein können, die zum Mittagessen von der Highschool nach Hause gingen. Allerdings schwang kein Jugendlicher einen Picknickkorb in der Hand, der direkt aus Rotkäppchen hätte stammen können.

Als sie oben auf der Kuppe angekommen war, hielt sie inne, um tief Luft zu holen, und musste trotz allem lächeln. In der Ferne sang ein Buchfink. Ja, der Frühling nahte tatsächlich. Der letzte Rest ihres Ärgers verschwand und ließ eine zaghafte Zufriedenheit aufkommen, wie immer begleitet von einer Spur Bangigkeit.

Nichts Neues. Sie hatte die ganze Zeit gewusst, dass ihr berserkerhafter Backanfall in ihrer hyperaktiven Kampf-oder-Flucht-Reaktion wurzelte.

Die blinkende »Sam Adams Lager«-Werbung über Mona Lisa’s vertrauter grüner Tür war ein willkommener Anblick. Das Flattern und Beben, das ihre Brust eingeengt hatte, ließ nach. Merk dir: Frische Luft tut dir gut! Das sagte sie sich nicht zum ersten Mal. Es würde auch nicht das letzte Mal sein.

Die dampfige goldene Luft in der Bar tat ihr ebenfalls gut, befand sie, auch wenn ihre Sonnenbrille auf der Stelle beschlug. Der vertraute unverkennbare Geruch von Bier, Möbelpolitur und würziger Tomatensuppe war sofort tröstlich. Paris streifte ihre Jacke ab und schob die Kapuze vom Kopf. Ihr ›Wörter zählen‹ konnte warten. Sie brauchte diese Pause unbedingt.

Mona Lisa arbeitete vorn am Tresen, und das war immer ein wunderbarer Anblick. Es war kurz nach Mittag und ziemlich leer. Gegen fünf Uhr würde es an dem auf Hochglanz polierten Eichentresen keinen einzigen freien Platz mehr geben, insbesondere nicht, wenn Lisa immer noch dort bediente. Paris hatte keine Ahnung, wo Lisa ihre magischen Fähigkeiten herhatte, aber sie ein Bier zapfen zu sehen war so faszinierend wie ein Striptease. Die üppige sonnengesträhnte blonde Haarmähne und eine Figur, die einen Shetlandpullover und eine Jeans auf bestmögliche Weise füllte, trugen sicherlich dazu bei.

Paris nickte Lisa zu, hob den Korb in ihr Blickfeld und erntete im Gegenzug gleichfalls ein Nicken. Ihr gepolsterter Lieblingsstuhl in der Fensternische war frei; sie mochte es, wenn sie das Gesicht in die Sonne halten und den Fernsehbildschirmen an der Bar den Rücken kehren konnte. Im Moment waren die Fernseher stumm gestellt; sie zeigten die Wiederholung eines Baseballspiels, das so lange her war, dass es noch in Schwarzweiß ausgestrahlt wurde. Dennoch brachte es einen hartnäckigen Red-Sox-Fan am fernen Ende der Bar zum Jubeln. In einem Monat, zu Saisonbeginn, würde der Laden rappelvoll sein.

»Was bringst du mir da?« Lisa stellte Paris eine Tasse Kaffee hin und ließ sich auf den Stuhl gegenüber sinken. »Den hab ich vor zwei Stunden gekocht. Entscheide selbst, ob du ihn trinken willst.«

Paris kostete ihn. Entgegen Lisas Beschreibung war der Kaffee heiß und frisch. »Was jedes heranwachsende Mädchen braucht. Hast du Verwendung für ein paar Brownies? Ich weiß, ich bin zu früh dran. Ich komme morgen mit der üblichen Lieferung.«

Lisa gab ein Hhmm von sich, das, wie Paris inzwischen wusste, bedeutete, dass die Rechenmaschine in Lisas Kopf den potentiellen Profit ermittelte. Man musste Mitleid mit jedem armen Narren haben, der glaubte, das sonnengebräunte blonde Surfer-Girl-Image hieß, dass Lisa keinen Sinn fürs Geschäftliche hatte. »Es wird ein ruhiger Abend heute.«

»Ich hatte einen kleinen Angstanfall.«

»Tut mir leid zu hören. Ist es jetzt wieder gut?«

»Einigermaßen.«

»Sie sehen köstlich aus.« Mit sexy Betty-Boop-Stimme und feucht schimmernden Augen fuhr Lisa fort: »Wären fünfzehn okay?«

Es war verführerisch, zu allem, was Lisa vorschlug, ja zu sagen, aber sie spielten das Spiel nicht zum ersten Mal. Mit einer gehobenen Spock-Augenbraue erwiderte Paris: »Ich denke, zwanzig. Und die Tasse Kaffee.«

Lisas Mundwinkel zuckten. »Spielverderberin.«

»Funktioniert der große blaue Augenaufschlag jemals?«

»Schätzchen, du würdest staunen.« Lisa spähte in eines der Tütchen. »Warum haben die so eine komische Form? Was ist schiefgelaufen?«

»Ich wurde abgelenkt. Tut mir leid, dass sie nicht so toll aussehen.«

»Wenn du mich fragst, sehen sie aus wie ein Stoli White Russian mit einem Schuss Schokolade.«

Paris wusste Lisas Kreativität zu schätzen. »Klingt köstlich. Welchen Namen wirst du den Machwerken geben?«

»Erwachsen werden ist so schwer.« Lisa schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Ich weiß, es ist schon der Erste, aber ich habe noch kein März-Special. Bring mir nächste Woche mehr davon, einfach in einer Schachtel. Nicht nötig, sie einzeln einzutüten.«

»Okay.« Paris’ Aufmerksamkeit wurde von einem neuen Gast gefangengenommen. Zart und hellhäutig sah sie aus wie kürzlich von der Grünen Insel eingetroffen. Wenn der orange-grüne Faltenrock noch nicht als Herkunftsbeweis genügte, dann die Tweedmütze, die eine wilde Mähne orangeroter Locken zu bändigen versuchte.

»Du hast Kundschaft.«

Lisa erhob sich bereits. »Sie kommt schon seit zwei Wochen regelmäßig. Sie spielt bei einem neuen Theaterstück mit, das im Ferley Playhouse geprobt wird. Und bestellt immer das Gleiche: Suppe und einen halben Pint.«

»Lunch der Champions.«

Sie beobachtete, wie Lisa liebenswürdig mit dem neuen Gast plauderte: wie wundervoll, dass die Sonne endlich herauskam … Paris hatte oft genug gehört, dass die ehemalige Floridianerin die bitterkalten Bostoner Winter nicht mochte, aber Lisa fügte immer hinzu, dass ihre aus Alaska stammende Frau sie warmzuhalten wusste – blinzel, blinzel.

Das Wichtigste, was Paris über Lisa wusste, war, dass sie als Whistleblowerin gegen eine große Hotelkette aufgetreten war, die sich geweigert hatte, dem Servicepersonal den Tariflohn zu zahlen. Lisa hatte darauf hingewiesen, dass die erforderliche Vorbereitungszeit nicht entlohnt wurde. Man hatte sie gefeuert. Sie hatte geklagt. Der rasche Vergleich hatte ihr ermöglicht, die Bar zu kaufen.

Was nur gut war, dachte Paris, denn sie war überzeugt, dass Lisa nie wieder in einem Hotel eingestellt werden würde, jedenfalls nicht in New England. Wenn eine Frau sich aus dem Fenster lehnte, gab es immer mehr als genug Leute, die Steine nach ihr warfen. Und wenn sie dem Profit in die Quere kam, vergaß man ihren Namen nie.

Paris trank ihren Kaffee und kämpfte gegen die neuerliche Anspannung an, die sich mit einem Prickeln unter der Haut ankündigte. Als ein Schatten über ihren Tisch fiel, zuckte sie zusammen.

Die Rothaarige hielt ihr ein zusammengefaltetes Blatt Papier hin. »Die Barfrau hat gemeint, das gehöre Ihnen. Ich habe es auf dem Boden an der Eingangstür gefunden.« Ihr singender Tonfall bestätigte, dass sie keine gebürtige Neu-Engländerin war.

»Mist!« Paris schnappte der Frau den Brief aus der Hand. »Nicht zu fassen, dass ich den verloren habe.«

»Ich hielt es für Papiermüll und hab’s aufgefaltet, um mich zu vergewissern. Karten für Hamilton – das klingt super.«

Die Frau hatte den Brief gelesen. Paris machte keinen Hehl aus ihrem Ärger. »Das geht Sie wirklich nichts –«

»Ich weiß«, fiel ihr die Frau ins Wort. »Ich bin eine Schnellleserin. Hilft beim Vorsprechen und Schauspielern. Jedenfalls hoffe ich, dass Sie eine schöne Reise haben.«

»Tut mir leid, ich wollte nicht grob werden.«

Die vollen Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. »Doch, wollten Sie. Ich konnte nicht umhin, das Schreiben zu überfliegen, aber es war dennoch sehr unhöflich von mir. Damit sind wir nun quitt.«

Paris hoffte, dass ihr nervöses Schlucken nicht auffiel. Sie streckte die Hand aus. »Ich bin Paris.«

»Diana.«

Obwohl sie sich nur kurz die Hand gaben, hatte dieser Händedruck eine erstaunliche Wirkung: Er vertrieb Paris’ Panik ganz und gar. Eindrücke stürmten auf sie ein: Helle Sommersprossen tüpfelten Dianas Wangen. Der Lippenstift war winterreife Moosbeere, und die Finger, die Paris’ Hand berührt hatten, waren exquisit manikürt und im gleichen Rotton lackiert. Die Cabanjacke aus Tweed brachte die schlanke Figur zur Geltung und saß perfekt; die großen Knöpfe waren mit dem gleichen Stoff bezogen, mit dem der Kragen eingefasst war. Stilvolle Knöpfe wiesen auf Maßanfertigung hin, wie Paris gelernt hatte, als sie für ihren Haute-Couture-Thriller Bitte nicht berühren! recherchiert hatte.

Diana besaß dieses gewisse Etwas, das auch Lisa besaß. Dieses gewisse Etwas, das einem schlichten Wollschal lässige Eleganz verlieh.

»Sie sind also Anita Topaz?« Das Staunen stand Diana ins Gesicht geschrieben. »Die Schriftstellerin?«

Doppelter Bockmist, dachte Paris. »Es ist ein Pseudonym. Und es wäre mir lieb, wenn niemand erfährt, dass in Wirklichkeit Paris Ellison hinter dem Namen steckt.«

Dianas Hhmm klang fast genau wie Lisas – als wären sie Schwestern mit zwei verschiedenen Müttern. Erfreulicherweise schien Diana nur mäßig beeindruckt. »Ein Glück für Sie. Sie sind nicht gerade so, wie ich mir die Königin der Liebesschmonzetten vorgestellt hätte. Ist vermutlich naiv von mir zu denken, dass Autorinnen aussehen wie ihre Heldinnen.«

Je öfter sie Diana reden hörte, desto klarer wurde ihr, wie ungewöhnlich ihr Akzent war. Eindeutig nicht US-amerikanisch und auch nicht kanadisch. Er klang aber auch nicht wie britisches Englisch oder Walisisch und hatte auch nicht das Melodische, das die Sprache ihrer irischen Vermieterinnen noch immer besaß. Vielleicht eine Mischung aus allem und noch etwas anderes obendrein?

Wider Willen war Paris fasziniert und vergaß fürs Erste ihre Absicht, sich rasch zu verabschieden und sich schleunigst auf den Heimweg zu machen. »Stimmt. Für gewöhnlich zähle ich nicht zu den Frauen, die mit wogendem Busen in Wallung geraten. Auf Buchumschlägen, meine ich.« Sie fügte nicht hinzu, wie ärgerlich sie es fand, dass die Umschläge, seit Reynard darüber zu entscheiden hatte, immer pinker geworden waren, die Kleider immer tiefer ausgeschnitten und die winzige Frau von einem Mann dominiert, der aussah, als könne er sie mühelos zerbrechen. Ihre ersten drei Bücher waren mit dem Zusatz versehen gewesen: »Ein smarter Bodice Ripper«. Unter Reynards Leitung war das Wort »smart« verschwunden und damit auch der indirekte Hinweis, dass die Bezeichnung ironisch gemeint gewesen war – in ihren Büchern kamen Mieder gar nicht vor, und Kleidungsstücke wurden höchstens dann zerrissen, wenn die Person, die sie trug, das für eine grandiose Idee hielt.

Wahrheitsgemäß fügte sie hinzu: »Über die Buchumschläge entscheiden Marketingleute, und die scheinen zu wissen, was bei den Leserinnen ankommt.«

»Wenn Menschen sehen, was sie zu sehen erwarten, sind sie’s zufrieden.« Diana zog weiche Lederhandschuhe an. »Ich muss zu meiner Probe zurück. Können Sie mir sagen, wo der nächste Briefkasten ist?«

Paris war überrascht, dass Diana das Gebäude, das sich genau zwischen Mona Lisa’s und dem Schauspielhaus befand, nicht gesehen hatte. »Das Postamt ist nur ein paar Häuser –«

»Ein Briefkasten genügt mir.«

»Der ist ein bisschen von der Straße zurückgesetzt, ziemlich verdeckt von den Hecken, aber ich weiß, dass er um drei Uhr geleert wird. Er liegt aber nicht auf Ihrem Weg.«

»Ich mag Umwege.«

Vielleicht lag es daran, dass sie mit dem Kopf an die Arbeitsplatte gedonnert war, aber sie konnte sich einfach auf nichts anderes konzentrieren als auf diese unglaublich grünen Augen. Paris hörte sich sagen: »Ich zeige Ihnen, wo er ist.«

»Perfekt.« Diana schlang ihren Schal um und deklamierte dann: »Auf Herr! Bis zum letzten Atemzug ...«

»… folg ich Euch nach, ergeben ohne Trug.«

Diana blinzelte überrascht. »Habe ich eine Frau gefunden, die Shakespeare ebenso sehr mag wie ich?«

»Ich weiß nicht, wie sehr Sie Shakespeare mögen, aber meine Mutter hat Romeo und Julia geliebt.«

»Daher der Name – Paris?«

»Daher – und wegen Casablanca.«

»Uns bleibt immer noch Paris«, murmelte Diana, als sie das Lokal verließen. »Klingt interessant, Ihre Mutter.«

»Das war sie.« Um einer automatischen Beileidsbekundung zuvorzukommen, die einen auf ewig bloßliegenden Nerv treffen würde, fügte Paris hastig hinzu: »Ich bin keine Julia, und ich bin auch froh, dass ich nicht als Romeo durchs Leben gehen muss. Hier an der Ecke rechts.«

Als sie zur Tür hinausgegangen waren, hatte Paris Lisas überdeutliches beifälliges Zwinkern sehr wohl registriert. Sie hoffte bloß, dass Diana das nicht gesehen hatte. Paris hatte nie zuvor eine Frau in Lisas Bar angesprochen. Sie hatte es auch nie gewollt. Mist, bei ihrem nächsten Besuch würde Lisa alle Einzelheiten hören wollen.

Es war keineswegs so, dass Paris’ ohnehin schwach ausgeprägter Gaydar bei Dianas Anblick ausgeschlagen hätte. Ihre früheren Kolleginnen und Kollegen hatten sich köstlich amüsiert, als Paris gemeint hatte, »Die doch nicht – unmöglich!«, als sie hörte, dass Jodie Foster angeblich lesbisch war. Dass sie mit Diana zusammen die Bar verlassen hatte, daran war definitiv die Erschütterung schuld, die ihr Kopf erlitten hatte. Er pochte jetzt heftig.

»Nächste Querstraße.« Als sie an der nächsten Straßenkreuzung ankamen, drückte Paris den Knopf an der Fußgängerampel. Dann beeilte sie sich, hinterherzukommen, als Diana noch bei Rot über die Straße ging. Sie schlüpften zwischen Autos hindurch und erreichten die andere Straßenseite unbeschadet.

»Also, welches Stück proben Sie gerade?«

»Eine Neufassung von Tartuffe. Der Bühnenregisseur ist zuversichtlich, dass mit ein bisschen Unterstützung Geld genug für eine Off-Broadway-Aufführung zusammenkommen wird. Es ist ein sehr politisches Stück, und in Anbetracht der Zeiten könnte es auf Interesse stoßen.«

»Aber Sie haben Ihre Zweifel?«

Diana schien überrascht. »War das so offensichtlich? Daran muss ich arbeiten.«

»Sie schienen zu zögern, das war alles.«

»Wenn das Stück es bis nach New York schafft, dann nicht mit dieser Besetzung. Wir sind gut genug, um die Schwachstellen sichtbar zu machen, aber mehr auch nicht.«

»Hier auf dem Parkplatz.« Paris führte sie um die hohe Hecke herum, die den kleinen Drogeriemarkt einfasste. »Sie haben ihn gut versteckt.«

»Den hätte ich nie gefunden. Danke.« Diana zog einen gefütterten Umschlag aus einer erstaunlich großen Innentasche ihrer Cabanjacke.

Paris erhaschte einen Blick auf eine Adresse in Utah, ehe der Umschlag verschwand. Er war so leicht, dass es kaum zu hören war, als er auf der Post landete, die sich schon im Kasten befand. »Ich hoffe, er kommt wohlbehalten an.«

»Das hoffe ich auch. Vielen Dank noch mal. Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen. Gehen Sie oft ins Mona Lisa’s?«

»Zweimal in der Woche.«

»Dann begegnen wir uns dort vielleicht mal wieder.«

»Vielleicht«, erwiderte Paris. Sie stand da und rieb sich die Delle am Kopf, während sie zusah, wie die zierliche Gestalt davonging und um die Straßenecke aus ihrem Blickfeld verschwand.

2

Diana Beckinsale brachte erst einmal zwei Querstraßen Abstand zwischen sich und die so hilfsbereite wie aufregende Paris, ehe sie ihre Schritte verlangsamte, um den Augenblick zu genießen. Der Wind zerrte an ihrer Tweedmütze, aber die Haarnadeln hielten. Sie stellte sich vor, wie ihr gepolsterter Brief davongetragen wurde, über die grüne Weite des unvorstellbar großen nordamerikanischen Kontinents, bis er sachte auf dem Schreibtisch der Person landete, die seinen Inhalt mit Sicherheit zu schätzen wissen würde.

Sobald sie davon ausgehen konnte, dass er angekommen war, würde sie das Prepaid-Handy entsorgen, sich von ihrer Rolle als Zofe Dorine verabschieden und zeitig genug für den Hochzeitsrummel ihres Bruders William wieder zu Hause sein. Doch es war schade – Tartuffe machte einen Riesenspaß, und die Entscheidung, ein Stück über Habsucht und Betrug, verborgen hinter der Maske von Frömmigkeit, in den Westflügel des Weißen Hauses zu verlegen, war brillant. Doch so sehr Diana das Schauspielern auch liebte – auf diese Art Berühmtheit zu erlangen lag nicht in ihrer Absicht.

Das einzig Kuriose an diesem Boston-Job war diese Frau – Paris. Diana hatte nicht vorgehabt zu schnüffeln, aber als sie den Brief aufgefaltet vor sich hatte, konnte sie nicht umhin, den Inhalt kurz zu überfliegen. Anita Topaz, die Königin der Liebesschmonzetten, war in Wirklichkeit eine abgerissen wirkende, Hoodie tragende Frau in den Zwanzigern? Okay, vielleicht war sie dreißig – ihre straffe hellbraune Haut würde sich den Falten noch Jahre widersetzen. Nicht dass Diana jemals ein Foto von der Autorin gesehen hätte, um einen Vergleich anstellen zu können, aber eine Überraschung war es nichtsdestotrotz. Als sie Mona Lisa’s betreten und die Gäste gemustert hatte, hielt sie die Gestalt für einen minderjährigen Jungen, der sein Gesicht möglichst verborgen hielt.

Als Lisa sie genau dorthin verwiesen hatte, um den Brief zurückzugeben, war Diana baff gewesen. Sie hatte sich der zusammengekauerten Gestalt genähert und als Erstes festgestellt, dass sie sich im Geschlecht geirrt hatte. Außerdem hatte sie nicht erwartet, von großen tiefbraunen Augen mit offenem Misstrauen statt mit Dankbarkeit begrüßt zu werden. Die unverhohlene Abwehr in Paris’ Blick erweckte bei Diana den Eindruck, es mit einem ursprünglich freundlichen Menschen zu tun zu haben, der einmal zu oft enttäuscht worden war und nun die Welt warnte, ja nicht näher zu kommen.

In ihrem Gefühlschaos hatte sie der Frau aus Versehen ihren richtigen Vornamen genannt. Aber das spielte keine große Rolle, versuchte sie sich zu beschwichtigen – es war unwahrscheinlich, dass sie einander je wieder begegnen würden.

Was hingegen an diesem absolut herrlichen, wundervollen Tag sehr wohl eine Rolle spielte, war, dass ihre Füße kaum den Boden berührten, so beschwingt war sie, dass sie ihre Aufgabe gut gemacht und nun abgeschlossen hatte. Der wunderschöne Tag hatte sich in pure Freude verwandelt, als die dicke Sendung im Briefkasten verschwunden war.

Diana kam zu der matschgefüllten breiten Lücke auf dem Gehweg, die sie in den vergangenen Wochen stets umgangen hatte. Beschwingt beschloss sie, dass es an der Zeit war zu demonstrieren, wer hier eigentlich das Sagen hatte. Mit einem kurzen Anlauf sprang sie sauber darüber hinweg. Und lachte über sich selbst, als sie die Arme hochriss, als erwarte sie die höchste Punktzahl für ihre Landung.

»Guter Sprung!«

Diana wandte sich um und entdeckte Jeremy, der den Titelhelden Tartuffe spielte und ihr applaudierte. »Danke, werter Herr!«

Galant nahm er Dianas Arm, und gemeinsam überquerten sie die Straße zum Theater. Nach einigen Jahrzehnten bei kleinen Theaterbühnen und mit viel Liebe für das Schauspielern an sich, gab Jeremy sich keinen Illusionen über das Ausmaß seines Talents hin. Er verlieh den Proben Leben und hatte nichts für Dramen hinter den Kulissen übrig. Von allen kleinen regionalen Produktionen, bei denen Diana Unterschlupf gefunden hatte, war diese bisher die angenehmste gewesen.

Während sie hinter der Bühne ihre Jacke ablegte und nach dem zerfledderten Skript griff, das noch dort lag, wo sie es vor der Mittagspause hingelegt hatte, sann Diana noch einmal über Paris’ überraschende Identität nach. Die Frau hatte ausgesehen, als hätte sie ihre Klamotten aus einer Kleiderkammer für Bedürftige. Diana hatte keine Ahnung vom Verlagswesen, aber eine Autorin mit einem Namen, den sie von den Bücherregalen im Supermarkt kannte – nun, würde die nicht eher aussehen wie Meryl Streep in Die Teufelin? Mit einem Anwesen auf einer unberührten Landspitze und Diamanten, die auf einer Hutnadel funkelten? Also eher wie Dianas Verwandtschaft im Grunde, der lässiger Reichtum aus jeder Spa-gestrafften Pore troff.

Sie sann noch über die Unstimmigkeit des Rätsels um Paris Ellison alias Anita Topaz nach, bis der Geruch von altverstaubten Sitzreihen und Bühnenbohnerwachs alle Gedanken, die nichts mit der Aufführung zu tun hatten, vertrieb. Sie mochte das Stück und die Schauspielerinnen und Schauspieler wirklich. Diesmal würde es ihr schwerfallen, auf und davon zu gehen.

Stunden später galt Dianas Aufmerksamkeit einzig ihrem Rücken. Als sie die steilen, mit Linoleum ausgelegten Treppenstufen zu ihrer Mansardenwohnung hinaufstieg, war jeder Schritt von einem stechenden Schmerz begleitet. Ihre überschwänglich gute Laune hatte die Warnzeichen verschleiert. Die Nurofen-Tabletten, die sie vor dem Verlassen des Theaters hastig geschluckt hatte, hatten geholfen, aber ihre gereizte und sich mächtig beschwerende Wirbelsäule hasste Treppenstufen. Doch es war ja nur noch für ein paar Tage. Die abgeschiedene Lage und die wöchentliche Barzahlung der Miete waren genau das, was sie gebraucht hatte.

Ihre erste Anlaufstelle galt dem Fläschchen Tylenol-3, das sie im Schrank neben dem Kühlschrank aufbewahrte. Die Milch war kurz vorm Umkippen, aber Diana wollte nicht warten, bis sie sich eine Dosensuppe warmgemacht hatte, um die Tabletten zu nehmen. Sie würden den Schmerzen die Schärfe nehmen. Die Füße hochzulegen und früh ins Bett zu gehen würde den Rest erledigen. In Gedanken machte sie sich eine Notiz, am nächsten Tag flache Schuhe oder Turnschuhe anzuziehen.

Der harte Stuhl an dem kleinen Esstisch verschaffte ihr unmittelbar Erleichterung, und für einen Moment schloss sie die Augen und versuchte den Schmerz abklingen zu lassen. Sie hatte Jahre in der Welt des Kunstturnens verbracht und gelernt, trotz Schmerzen zu funktionieren. Zehn Jahre nach ihrem letzten Wettbewerb galt das immer noch.

Als der Schmerz auf ihrer persönlichen Skala von flammendrot zu einem erträglichen Gelb abgeklungen war, löste sie mit einem Wattebausch und Babyöl die Perücke und setzte sie sorgsam auf ihren Halter. Der windige Tag bedeutete, dass sie später viele Knoten würde ausbürsten müssen. Sie fühlte sich mit jeder Minute besser; sie zerrte sich die Stiefel von den Füßen und trug sie zu dem in der Nische eingebauten Schrank hinüber. Ihre Kostümierung als irisches Landmädel kam auf den Wäschehaufen, neben das perfekte Kostüm, das sie am vergangenen Abend bei einer Vorstellung fernab der Bühne getragen hatte, an die allein sie sich erinnern würde.

Der vergangene Abend, dachte sie, die reine Freude. Alles.

Eine Perücke aus kurzem schwarzem Haar, eine schlichte durchgeknöpfte weiße Bluse, schwarze Hosen, Schürze und ein Tablett – simsalabim! Sie war mit dem Inventar in einem geschäftigen Restaurant verschmolzen. Die Küche zu betreten, ohne aufgehalten zu werden, war schlicht eine Frage des selbstbewussten Auftretens. In einem Hotel führte die Küche überallhin, und die Sicherheitsvorkehrungen waren überschaubar. Niemand nahm Notiz von Zimmerkellnerinnen. Das Tablett hoch erhoben, um ihr Gesicht vor den Kameras zu verbergen, ein rasches Klopfen, ihr geschätztes Sissone ein paar Augenblicke gegen das elektronisch verriegelte Türschloss gedrückt, und dann hatte sie das Zimmer betreten. Das Objekt ihres Begehrens hatte sich nicht einmal im Hotelsafe befunden; es lag zusammen mit einigen weit kostbareren Stücken im Schmuckkasten, und der wiederum befand sich in der obersten Kommodenschublade.

Einer der leichtesten Jobs, die sie je erledigt hatte.

Sie schlüpfte in eine bequeme warme Yogahose und ihr ausgeblichenes rotes Arsenal-Sweatshirt, gab eine Pilzsuppe aus der Dose in einen Topf und stellte ihn auf die größere der beiden Platten des uralten Herdes. Es würde eine Weile dauern, bis sie auch nur lauwarm war, von heiß ganz zu schweigen. Obwohl ihre Allgegenwart ein Yankee-Rätsel war, war Diana froh, eine Packung Austern-Cracker in dem Durcheinander auf dem Tisch zu entdecken. Sie würden sie retten, während sie ihr Make-up entfernte.

Das Esstischchen war gerade groß genug für ihren Schminkspiegel und ihre Utensilien. Zaubernuss und Coldcream wirkten Wunder. Das irische Mädel vom Lande, das nicht einmal von ihrer eigenen Familie erkannt worden wäre, war in wenigen Minuten verschwunden.

Ohne farbige Kontaktlinsen und das schwere Make-up war sie wieder die braunäugige Frau mit den flachsblonden Haaren, die Evelyn, Gräfin von Weald, als Produkt ihrer ersten Ehe anerkennen würde. Sie liebten einander, das auf jeden Fall, aber Dianas wiederkehrende und andauernde Abwesenheit bestärkte ihre Zuneigung noch.

Nachdem alles Künstliche und die Reste der Coldcream fortgewischt waren, schaltete sie den Schminkspiegel aus. Sie hatte in den vergangenen Jahren über lange Zeit hinweg so viele Masken getragen, dass ihr wahres Ich, wenn sie es betrachtete, ihr manchmal richtig fremd vorkam, und das bereitete ihr Unbehagen.

Sie fühlte sich jetzt unbeschwerter; sie merkte, dass das Codein den Schmerz von gelb zu grün linderte. Diana zog ein sepiagetöntes Foto aus dem Rahmen des Spiegels. Sie studierte die hohe Stirn und die langen schwarzen Haarzöpfe, die das bernsteinfarbene traurige Gesicht der Frau einrahmten. Am Hals eines Gewandes, das vermutlich ein Festkleid aus Rehleder war, befand sich eine kleine Brosche aus gewöhnlichen Steinen und Türkisperlen, die so aufgezogen und gewunden waren, dass sie eine kleine dunkle Feder einfassten. Die verblichene Kolorierung der alten Fotografie hatte die Farbe der Perlen in ein einheitliches Staubbraun verwandelt.

Diana erlaubte sich ein Grinsen, als sie das Fotoalbum hervorholte, das sie in dem kleinsten ihrer halb ausgepackten Koffer aufbewahrte. Sie schlug es an der Stelle auf, die von einem Bändchen als Lesezeichen markiert wurde, steckte das Foto an seinen vorgesehenen Platz zurück und nutzte dann noch einmal das Licht des Spiegels, um die Brosche ein letztes Mal zu betrachten. Es mochte ein Rangabzeichen gewesen sein, oder vielleicht auch bloß ein Schmuckstück. Es konnte das Geschenk eines Menschen gewesen sein, der die Frau verehrte und seine Ergebenheit beweisen wollte, indem er ihr eine frische Feder schenkte, oder vielleicht war es ein Fetisch, den die Frau für sich selbst angefertigt hatte.

Diana wusste inzwischen, dass die Perlen aus rotem Ton bestanden und wunderschön von den Türkisen abgesetzt wurden. Die Kombination hatte großartig ausgesehen, als Diana sie in der behandschuhten Hand gehalten hatte.

Sie schlürfte die Suppe aus der am wenigsten angeschlagenen Tasse, die ihr Vermieter ihr zur Verfügung gestellt hatte, nachdem sie es sich in dem einzigen weiteren Sitzmöbel der Wohnung bequem gemacht hatte. Der Ruhesessel funktionierte, wenn auch mit einem schrillen Wehklagen beim Kippen, und die Stehlampe neben ihr warf ein helles Licht auf ihre kostbaren Fotografien. Die Seiten umzublättern war wie eine glückliche Reise durch ihre vergangenen Erfolge und ihre künftigen Unterfangen. Ohrgehänge aus Obsidian, ein mit Schnitzwerk verziertes Lederhalsband, eine fragile schwarz-weiß lasierte Schale. Ein aufwendig geschnitzter hölzerner Angelhaken, ungeschliffene Diamanten, die in einen ungebrannten Zeremonienkelch eingelassen waren – so viele schöne Dinge. Manche von ihnen hatte sie bereits in den Händen gehalten, doch in den meisten Fällen wartete sie noch auf diesen Moment.

Nach Williams Hochzeit würde sie etwas auswählen und von neuem beginnen.

All das Adrenalin des vergangenen Monats begann langsam zu verebben, bis sie zu schlapp war, sich auch nur zu rühren. Es spielte keine Rolle. Der Ruhesessel war für ihren Rücken nicht schlimmer als das Schrankbett. Die dumpfen Schritte ihres Vermieters, der am Abend heimkam, waren das Letzte, was sie hörte.

Sie erwachte steif und verfroren und wünschte von ganzem Herzen, sie hätte sich vor dem Einschlafen eine Decke geschnappt. Zumindest tat ihr der Rücken nicht mehr weh. Das Fotoalbum polterte zu Boden, als sie sich mühsam aufrichtete. Groggy und gähnend gelang es ihr, das Schrankbett herabzulassen, ohne dass sie sich wie üblich den Kopf stieß. Kaum stand es an Ort und Stelle, begriff sie, dass das Fotoalbum darunter lag und außer Reichweite war. Sie konnte es dort liegenlassen bis zum nächsten Morgen, wenn sie das Bett wieder in der Wand verschwinden lassen würde. Aber das Wissen, dass sich etwas ihr so Kostbares auf dem Boden befand, würde sie vermutlich wachhalten, und so schlängelte sie sich unter das Bett und tauchte mit dem Album wieder auf. Es hatte Vorteile, klein und wendig zu sein.

Sie wollte gerade das Deckenlicht ausmachen, als sie erstarrte, die eine Hand auf dem Lichtschalter, in der anderen Hand das Album. Es war auf der dritten Seite aufgeschlagen und zeigte eines der ersten Fotos, die sie gesammelt hatte. Darauf war ein korpulenter Mann auf einem Podium zu sehen, der im Begriff stand, mit einem eleganten gewölbten Hammer auf den Holztisch vor ihm zu schlagen.

Ihr schläfriger Geist rief die Daten des Artefakts auf. Der zierliche Griff war aus feinpoliertem, zum Teil versteinertem Widderknochen. Der Kopf bestand aus einem einzigartigen facettierten Obsidian, der so kunstvoll durchbohrt war, dass der Griff hindurchpasste. Eine dünne Scheibe Rotgold war über dem Auge eingelassen, wo die beiden Stücke zusammengefügt waren. Trotz der umstrittenen Herkunft hatte das Artefakt bei der letzten Auktion über zweihunderttausend Pfund erzielt. Der Höchstbietende und augenblickliche sogenannte Eigentümer war der amerikanische Tycoon auf dem Foto. Ein Mann, der überall im Unterhaltungssektor mitmischte: Fernsehen, Boulevardpresse, Film. Und im Verlagswesen.

Ihre Schläfrigkeit war wie weggefegt. Sie schloss die Augen, um sich den aufgelesenen Brief in Erinnerung zu rufen. Anita Topaz’ Brief. Unterschrieben von Ronald Keynes Reynard höchstpersönlich.

3

»Verdammt!«, knurrte Paris. Sie strich den Brief auf ihrem Schreibtisch glatt und ärgerte sich, dass sie vergessen hatte, ihn Lisa zu zeigen und sich von ihr für das unbarmherzige Traktieren bemitleiden zu lassen. Diese Frau – Diana – war hereingeschneit, und dann war alles aus dem Lot geraten.

Lisa wusste, dass Paris ihre Privatheit fast zwanghaft verteidigte, und sie wusste auch warum. Nachdem Lisa ausgepackt hatte, wie unterbezahlt das Servicepersonal in gewissen Hotels war, hatte sie alle möglichen fiesen Drohungen erhalten. Aber Lisa war letztlich durch das Gesetz geschützt, und die Menschen, die sie angezeigt hatte, besaßen echte Namen und hatten echte Straftaten begangen.

Paris hingegen hatte ein Spiel kritisiert. Ihr ganzes Leben war quasi in Flammen aufgegangen. Kein Entwickeln von Computerspielen mehr, keine Präsentationen mehr mit anschließender Party, kein Wetteifern mehr mit Nerds von finanziell besser ausgestatteten Firmen um Nutzungszahlen.

Alles vorbei. Und das konnte niemand rückgängig machen. Niemand konnte ihr Leben an den Punkt zurückführen, an dem es damals gewesen war.

Was jedoch den Disput mit ihrem Verleger anging, konnte sie sich an das Gesetz wenden, denn sie hatte einen Vertrag. In ihrem vergangenen Leben hatte sie mitbekommen, wie auf höchster Ebene über Rechte an Farbkonzepten, künstlerischer Gestaltung, Namen, Handlung, Musik und sogar sprachlichen Formulierungen verhandelt wurde, von daher wusste sie Anwältinnen und Anwälte zu schätzen, die sich mit den Feinheiten des Verlagsgesetzes auskannten. Es war nicht zu spät, ihren Anwalt anzurufen.

Finns schroffe Art gefiel ihr. Er nahm ihre Anrufe stets entgegen und sparte sich die Bauchpinselei. »Was kann ich für dich tun, Paris?«

»Reynard House möchte mich persönlich treffen, um mit mir darüber zu sprechen, dass ich als Gastrednerin auf ihrer alljährlichen Ronald Reynard Conference, auch RonCon genannt, auftrete. Ich habe bereits zweimal nein gesagt, aber sie lassen nicht locker. Ich muss das nicht machen, oder?«

Finns Ton war beruhigend. »Ohne in deinen Vertrag gesehen zu haben, meine ich mich doch zu erinnern, dass du das nicht musst. Du bist nicht verpflichtet, irgendwelche PR zu machen. Das ist der Status quo bis zur Vertragsverlängerung, die im übernächsten Jahr ansteht.«

Die mächtige Erleichterung, die sie verspürte, wurde von seinen nächsten Worten verdrängt.

»Wenn sie sich dagegen sperren, würde ich dir empfehlen, dir einen anderen Verlag zu suchen. Du hast Anita Topaz zu einer wertvollen Marke gemacht.«

»Ich möchte den Verlag eigentlich nicht wechseln. Mit der neuen Belegschaft kommt es mir allerdings so vor, als hätte ich das bereits.« Paris biss sich auf die Lippe. Die Neugier auf Anita Topaz anzufachen, indem sie ihren Verlag verließ, war etwas, auf das sie gut verzichten konnte. Und es gab keine Garantie dafür, dass ein neuer Verlag nicht ebenso begierig sein würde, die schemenhafte Person hinter den Büchern für seine Zwecke einzuspannen. »Die Menschen, die sich um meine Tantiemen gekümmert, die meine Texte lektoriert, die mir die Satzfahnen geschickt haben, sind alle weg. Meine neue Lektorin gab sich begeistert, also habe ich entweder plötzlich all meine schlechten Angewohnheiten abgelegt oder aber sie war nicht besonders engagiert. Die Leute, von denen ich jetzt andauernd höre, sitzen alle in der Marketingabteilung. Sie schicken mir ständig Artikel darüber, was für eine mysteriöse Frau ich sei und dass die Welt ums Verrecken gern wüsste, wer ich wirklich bin. Ich glaube, dass sie diese Artikel lancieren.«

Finn schnalzte mit der Zunge. »Hast du Beweise dafür? Wenn ja, dann könnte ich sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unter Druck setzen.«

»Nein. Doch ich weiß, wie die Welt funktioniert. Es ist ziemlich einfach, solche Artikel als Native Advertising zu platzieren. Aber es hat sich nichts geändert. Weder Anita noch ich sind auf Facebook oder Twitter oder in Hangouts oder Chats. Keine Fragen-und-Antworten online, keine lobhudelnden Interviews, nicht einmal per E-Mail. Nichts dergleichen. Ehrlich, wenn es eine Art virales Fieber gibt, alles über Anita Topaz in Erfahrung zu bringen, dann wüsste ich das lieber nicht.« Allein schon der Gedanke daran ließ die Panik aufkommen, die sie verspürt hatte, als sie merkte, dass ihr Blog an so vielen bösen, bösen Orten viral ging.

»In der Buchbranche herrscht eine enorme Fluktuation«, sagte Finn. »Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass ihr geringes Investment im Bereich Lektorat und das massive Aufgebot an Praktikanten im Marketingbereich auf Reynard House beschränkt ist. Mediengruppen wollen Stars, und das heißt Live-Auftritte. Autorinnen und Autoren, die die Rolle des Superstars im Reality-TV, in Web-Serien und Talk-Shows übernehmen. Als du den ersten Vertrag unterschrieben hast, warst du ein Niemand. Du hattest das Glück, einen Wettbewerb zu gewinnen. Sie sind ein Risiko eingegangen und haben dir eine Chance gegeben. Jetzt, wo Anita Topaz ein Erfolg ist, wollen sie ihr Investment noch einträglicher machen.«

»Kann ich das Berühmtsein nicht Leuten überlassen, die berühmt sein wollen? Den Kardashians meinetwegen. Reynard Media Group kauft meinen Verlag auf, und plötzlich gibt es eine Flut von Artikeln darüber, dass alle mehr über mich in Erfahrung bringen wollen? Für mich klingt das verdächtig nach einer Marketingkampagne.«

»Nun, erinnere dich, als wir den Vertrag und ihr Angebot besprochen haben, war sogar dein alter Verlag von der ›Anita Topaz – Unbekannte Debütautorin wird zum Star‹-Story eingenommen. Gewinnt einen Literaturwettbewerb, wird veröffentlicht, und diese Story wird mit jedem neuen Bestseller, der von dir erscheint, noch besser. Sie verlockt weitere Autorinnen, bei ihnen veröffentlichen zu wollen.«

»Ich weiß, sie wollen Tanzbären in der Manege. Aber das bin ich nun mal nicht. Warum kann ich nicht die Ausnahme sein? Warum kann ich nicht einfach Bücher schreiben und meine Ruhe haben?«

Finn gab ein Geräusch von sich, das vermutlich bedeutete, dass er nachdachte. Ihr vorheriger Anwalt hatte eine Zusammenfassung früherer Streitfälle geschickt, aber sie wusste nicht, ob Finn sich daran erinnerte. Es war auch nicht weiter wichtig, abgesehen davon, dass es in allen Einzelheiten deutlich machte, warum sie nicht im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stehen wollte. Hielt Finn sie für überkandidelt?

»Natürlich ist es an dir zu sagen, was du machst und was du nicht machst, um deine Marke zu promoten. Anita Topaz gehört dir – nicht ihnen.« Obwohl seine Worte ermutigend waren, schwang ein zögernder Unterton in seiner Stimme mit. »Falls du doch beschließen solltest, mit deinem nächsten Buch woanders hinzugehen, wäre es möglich, dass die potentiellen Vertragspartner noch größere Neugier zeigen angesichts der Tatsache, dass du auf gar keinen Fall persönlichen Kontakt haben möchtest. Vor fünf Jahren war das kein großes Ding, aber die letzten großen Verträge, die ich ausgehandelt habe – nun, wie es scheint, liegt der Fokus heutzutage komplett auf Live-Auftritten.«

»Sie wollen, dass ihre Autorinnen und Autoren TV-Stars sind?«