Die Story

Lisa, Levin und Laura Lauterbach wollen die Ferien bei Oma und Opa an den bayerischen Badeseen verbringen. Doch plötzlich sind sie (samt Dackel Lilly!) mittendrin in einer abenteuerlichen Jagd nach der geheimnisvollen »Saliera« und merken: So prunkvoll diese auch ist, schon der Goldschmied, der sie geschaffen hat, schreckte vor keinem Verbrechen zurück.

Ein Kinderkrimi rund um ein Werk von Weltrang und dessen unglaubliche Geschichte: Benvenuto Cellinis »Saliera«, die heute im Kunsthistorischen Museum Wien steht.

Ein Abenteuer, das die Leser von Oberbayern bis nach Wien und Florenz entführt.

Die Autorinnen

Susanna Partsch studierte Kunstgeschichte, Ethnologie und Pädagogik in Heidelberg und arbeitete danach am Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museum. Seit 1985 lebt sie als freie Autorin in München und hat zahlreiche Kunstsachbücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene publiziert, darunter bei C.H. Beck: „Tatort Kunst - Über Fälscher, Betrüger und Betrogene“. Für ihr Buch „Haus der Kunst“ wurde sie mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Mehr zu Susanna Partsch ...

Andrea Schaller studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik. Sie war in Museen und Verlagen tätig und arbeitet nun freiberuflich als Autorin und Lektorin für Kunst-, Schul- und Kinderbuchverlage. Zu ihren Veröffentlichungen zählen Kunst-Wimmelbücher, ein Kunst-Knobelbuch und ein halbes Dutzend Jugend-Sachbücher. Sie lebt mit ihrer Familie in Leipzig.

Die Illustratorin

Rosemarie Zacher studierte Kunstpädagogik und Kunstgeschichte. Sie lehrte mehrere Jahre an der Ludwig-Maximilians-Universität München Malerei, Zeichnung und Figurentheater. Heute lebt sie als freie Künstlerin, Illustratorin und Museumspädagogin in Gauting bei München. Mit Susanna Partsch verbindet sie eine langjährige Zusammenarbeit. Ihr gemeinsames Buch „Der Traum vom Fliegen“ wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Mehr zu Rosemarie Zacher ...

Inhaltsverzeichnis

LL, LL und LL

Lilly buddelt

Der Fund

Sondersendung

Geldwäscher und Kunsträuber

Möööörder

Schatzgräber

Die Verfolgung

Polizei!

Geheimauftrag für Oma

Gold und Ebenholz

In der Schatzkammer

Herr Gierschlund

Der seltsame Tom

Es wird noch seltsamer

Hinterher!

Erwischt!

Lilly greift ein

Ein echter Hauptkommissar

Ein großer Kuh

Was ist mit Tom?

Trittbrettfahrer

Überraschung!

Mamaurlaub

Und Sisis Krone?

Nachwort

LL, LL und LL

Zum ersten Mal durften wir allein mit dem Zug zu Oma und Opa fahren. Sonst hatte uns immer jemand gebracht: Papa, Onkel Franz oder Tante Linda. Aber jetzt saßen wir ohne Erwachsene im Zug nach München. Dort würden uns dann Oma und Opa mit dem Auto abholen. Bis dahin lagen über drei Stunden Zugfahrt vor uns. Ich schlenkerte vor Aufregung mit den Füßen und meine Cousine Laura drehte sich ihre Locken um die Finger. Nur mein Bruder Levin tat total cool und schaute dauernd in sein neues Smartphone, um das ich ihn glühend beneidete. Doch er kaute dabei auf seiner Unterlippe rum. Und das tut er nur, wenn er unsicher ist.

Wir saßen im Großraumwagen an einem Tisch. Ein Platz war noch frei, da hatten wir unsere Rucksäcke geparkt. Aber an der übernächsten Station stieg eine Frau ein und bat uns freundlich, Platz zu machen. Wir räumten also zusammen, damit sie sich hinsetzen konnte, und fingen an, Karten zu spielen.

Nachdem Levin dreimal hintereinander verloren hatte, schob er mit einem Achselzucken die Karten beiseite und runzelte die Stirn. Doch dann grinste er und versuchte mal wieder, einen Witz loszuwerden. Er ist ein großer Witzefreund und bringt mich oft zum Lachen. Laura findet die meisten Witze natürlich doof.

„Den müsst ihr hören! Also: Sitzen zwei Äpfel auf dem Baum. Kommt eine Birne vorbeigeflogen. Sagt der eine Apfel: ‚Komisch. Birnen können doch gar nicht fliegen.‘ Sagt der andere Apfel: ‚Stimmt. Aber das ist doch die Birne Maja!‘“

Wie immer prustete Levin selbst am lautesten, ich musste auch lachen, und Laura verdrehte die Augen in Richtung Himmel. Die Frau neben uns kicherte mit.

Als Levin tief Luft holte, um weitere Späße zum Besten zu geben, zischte Laura ihm genervt zu: „Lass es, Levin! Bitte!!!“

Woraufhin sich Levin mit einem Stirnrunzeln wieder seinem Smartphone zuwandte, Laura ein Buch aus ihrem Rucksack zog und ich aus dem Fenster schaute.

Die Frau neben mir war auch fein raus, die hatte nämlich einen Laptop dabei. Weil ich nichts anderes zu tun hatte, schaute ich mit auf ihren Bildschirm. Leider war da nur langweiliger Text, und ich wollte mich schon abwenden. Aber dann tauchte auf dem Monitor eine Figur auf. Sie war nackt und offenbar aus Metall, zumindest glänzte sie so komisch. Sie hielt etwas in der Hand, das wie ein Kopf aussah. Gruselig! Oder hatte ich mich getäuscht?

Ich beugte mich vor in der Hoffnung, dass es sich doch um etwas Harmloses handelte. – Rumms, bekam ich einen Tritt gegen das Schienbein. Das war Laura, die mir gegenübersaß und den Kopf schüttelte. Jaja, ich benahm mich mal wieder unmöglich, sollte das heißen. Für Laura benahm ich mich eigentlich immer unmöglich. Dabei ist sie nur meine Cousine und hat mir gar nichts zu sagen. Levin, der den Platz neben ihr hatte, grinste. Wenn es nicht gerade um Witze geht, sind die beiden immer einer Meinung. Sie sind auch gleich alt, nämlich zwölf. Und sie haben beide lockige braune Haare. Wie Zwillinge. Weil wir im selben Haus wohnen und dazu noch denselben Nachnamen haben, werden sie auch oft für Zwillinge gehalten.

Levin glaubt natürlich schon, dass er mir etwas zu sagen hat. So sind wahrscheinlich alle großen Brüder. Denn ich bin ja die „Kleine“, erst neun. Blond bin ich auch noch, ungelockt und nicht gerade eine Riesin, darum finden mich immer alle „so niiiiedlich“. Worüber Levin sich dann jedes Mal wieder totlacht. Pah!

Plötzlich klappte die Frau den Laptop zu, holte eine Tüte Bonbons aus ihrer Tasche und bot uns welche an. Levin und Laura lehnten ab, ich nahm mir eins. Was ganz und gar kein Fehler war! Das waren nämlich superleckere Karamellbonbons, extraschlecht für die Zähne. Die Frau wurde mir gleich noch sympathischer.

„Dankeschön.“

„Bitte sehr. Na, wohin geht die Reise?“

„Nach München – oder besser, da in die Nähe.“

„Ach, und wen besucht ihr da?“

„Oma und Opa.“

„Seid ihr Geschwister?“

„Ja und nein. Das ist mein Bruder Levin und das ist meine Cousine Laura.“

„Aha, und wie heißt du?“

„Lisa.“

„Wie, alle mit L?“

„Ja, alle mit L, und mit Nachnamen heißen wir auch mit L.“

Da kam der nächste Tritt gegen mein Schienbein, und Levin sagte:

„Lisa, das interessiert doch niemanden, wie wir mit Nachnamen heißen!“

Dabei funkelte er mich böse an.

„Ach, man kann sich doch ein bisschen unterhalten, nicht wahr, äh – Levin?“, gab die Frau zurück. „Wir sitzen schließlich alle im selben Zug, oder?“, grinste sie mit strahlend weißen Zähnen, und zwinkerte lustig dabei. „Gibt es denn einen Grund, warum alle eure Namen mit L anfangen?“

„Zufall“, sagte Levin schnell und unfreundlich und schaute mich wütend an. Alter besserwisserischer Reindrängler! Was sollte das denn schon wieder!?

Ich wollte schon protestieren, aber da klingelte ein Handy. Die Frau ging dran.

„Ja? – Ah, okay. – Aha …“

So ging das eine Weile, ihr Ton war auf einmal gar nicht mehr so entspannt und ihr Gesicht wurde verschlossen, geradezu steinern. Dann klappte sie den Laptop wieder auf, schob ihn so hin, dass ich nicht mehr hineinblicken konnte, und klickte darauf herum. Hatte sie vorher etwa bemerkt, dass ich draufgeschielt hatte? Nach unserem Nachnamen fragte sie jedenfalls nicht mehr und Bonbons bot sie mir auch keine mehr an. Schade, ich hätte mich eigentlich gerne noch mit ihr unterhalten. Aber nun sagte ich auch nichts mehr. Vielleicht hatte Levin recht und das interessiert wirklich nicht jeden. Das mit unseren Namen ist ja auch eine bescheuerte Geschichte.

Unser Opa heißt Ludwig Lauterbach. Als er jung war, lernte er eine Frau kennen, die Luise heißt. Sie wurde seine Ehefrau und später unsere Oma. Für die beiden war es völlig selbstverständlich, ihre Kinder Linda und Laurenz zu nennen. Laurenz ist mein und Levins Papa. Logischerweise heißt er mit Nachnamen Lauterbach. Seine Frau, also Levins und meine Mama, hat keinen L-Vornamen und auch keinen L-Nachnamen. Sie heißt Katharina Riebenstein, weil sie ihren eigenen Nachnamen behalten hat.

Auch meine Tante Linda behielt ihren schönen L-Nachnamen, als sie Onkel Franz heiratete, der mit Nachnamen nur Kruse heißt. Laura bekam den Nachnamen ihrer Mama. Deswegen heißen wir fast alle Lauterbach. Lauter Lauterbachs also! Und uns haben sie auch gleich wieder lauter Ls verpasst.

Dazu kommt: Wir wohnen alle in dem Haus in Kassel, in dem schon Papa und Tante Linda aufgewachsen sind. Bis auf Mama. Die ist weg. Nicht, weil sie uns auf einmal alle blöd fand, hoffe ich zumindest. Sondern als Ärztin ohne Grenzen. Sie hatte sich das immer gewünscht, und als sie das Angebot bekam, nach Afrika zu gehen, um dort in einem Krankenhaus zu arbeiten, gab es zu Hause Streit und Tränen. Schrecklich war das! Mama hatte vorgeschlagen, dass wir alle, also Papa, Levin und ich, mit ihr nach Afrika gehen sollten. Aber das war Papa viel zu gefährlich, vor allem wegen uns. Nach langem Hin und Her haben unsere Eltern beschlossen, dass Papa mit uns in Deutschland bleibt und Mama zumindest für einige Zeit nach Afrika geht. Sie kommt nur ab und zu auf Heimaturlaub, wie sie das nennt. Mir fehlt sie schrecklich und ich habe auch immer Angst um sie. Papa und Levin tun immer so cool, aber bestimmt geht es ihnen ähnlich.

Oma und Opa fehlen mir auch. Die sind irgendwann umgezogen nach Bayern. Waren wohl doch zu viele Ls geworden. Sie sind aufs Land, wie Mama immer sagte, als sie noch bei uns lebte. Aber so nah an der Stadt, dass sie da immer schnell hinfahren können, wenn sie mal wieder einen Auftrag haben. Ganz anders als Papa übrigens, der als Steuerberater täglich brav ins Büro geht und natürlich immer Arbeit hat. Bei den Großeltern ist das so: Oma ist eigentlich Goldschmiedin. Inzwischen repariert sie aber vor allem alte Kunstwerke aus Gold oder Silber.

Da hat sie mal viel zu tun und mal weniger. Opa beschäftigt sich auch mit altem Kram, aber vor allem mit Sachen, die vorher ausgebuddelt werden müssen und danach im Museum landen. Denn er ist Archäologe. In München arbeiten beide hin und wieder mit der Polizei zusammen, behaupteten sie zumindest immer. Was sie da dann machen, war mir bis zu unserem Sommerurlaub überhaupt nicht klar. Aber Papa war das noch nie recht. Er macht oft spitze Kommentare und versucht immer, uns davon abzuhalten, Oma und Opa zu besuchen. So kommt es mir zumindest vor. Ich glaube, er findet seine eigenen Eltern nicht ordentlich genug. Oder zu unvorsichtig vielleicht.

Jetzt aber war Sommer, die beiden hatten uns eingeladen und vor uns lagen drei herrliche Wochen. Papa hatte diesmal auch gar nichts gegen unsere Pläne einzuwenden. Er wollte nämlich unbedingt mit seiner Schwester und ihrem Mann, also Lauras Eltern, eine lange Bergtour machen, von Hütte zu Hütte, ganz ohne Handyempfang, E-Mails und Kinder. Dafür waren sie alle sogar bereit, ihre Kinder zu den polizeibekannten Großeltern nach Bayern zu schicken. – Mir sollte es recht sein! Ganz besonders freute ich mich auf Lilly, Omas und Opas Hund. Sie ist der süßeste Rauhaardackel, den man sich vorstellen kann, mit total witzigen Augenbrauen. Ich wünsche mir seit Jahrhunderten einen Hund, aber Papa ist natürlich dagegen. Hunde sind ihm auch nicht ordentlich genug. Deswegen ist Lilly mein heimlicher Ersatzhund, und ich glaube, dass sie das auch so sieht. Dass sie Lilly heißt, wieder mit L, ist ja klar.

Ein Klacken riss mich aus meinen Gedanken. Die Frau hatte sich inzwischen eine große Sonnenbrille aufgesetzt, sodass man ihr hübsches Gesicht kaum noch sehen konnte, und haute auf der Tastatur herum, dachte nach, schrieb wieder. Dann schüttelte sie den Kopf und klickte ein paar Mal. Ich schielte noch mal auf den Monitor und sah zwei goldene Figuren. Dazwischen war etwas, das ich nicht erkennen konnte. Was das wohl war?

Wir bekamen alle drei Hunger und packten aus, was Papa, Onkel Franz und Tante Linda uns mitgegeben hatten. Belegte Brote mit Schinken (für Levin) und Käse (für ihn und mich), dazu klein geschnittene Karotten, Paprika, Gurke, Radieschen, die man wahlweise in Frischkäse oder einen veganen Brotaufstrich (für Laura) dippen konnte. Wir sind nämlich „kompliziert“, finden die Erwachsenen. Levin isst vor allem Fleisch, ich dafür keins. Und Laura ist Veganerin: Sie isst weder Fleisch noch Eier noch Käse noch Milch und trägt auch keine Schuhe aus Leder. An sich ist das ja in Ordnung, allerdings kann sie uns mit ihrer Besserwisserei über Tierhaltung und Ernährung manchmal ganz schön auf den Geist gehen.

Natürlich gab es auch noch leckeren Nachtisch: Schokolade und Gummibärchen (ohne Gelatine für Laura, die, wenn wir ihre eigenen Regeln genau nehmen wollten, eigentlich nur die bittere Schokolade ohne Milch essen dürfte, aber die schmeckt ihr nicht und außerdem ist sie ganz schön teuer).

Nach dem Essen spielten wir Stadt-Land-Fluss und wurden dabei so albern und mussten so laut lachen, dass die Bonbonfrau neben mir plötzlich aufmerksam wurde. Sie packte ihren Laptop weg und fragte überraschend:

„Wie ist es, ihr L-Kinder, lasst ihr mich mitspielen?“

„Nur, wenn Sie auch mit L heißen!“, erwiderte Laura schlagfertig.

Darauf antwortete die Frau lächelnd: „Da hab ich aber Glück gehabt! Nennt mich einfach Litte. Leider bin ich etwas aus der Übung. Aber früher hat mir bei Stadt-Land-Fluss keiner was vorgemacht!“

Nun wurde es noch lustiger und lauter, sodass ein Mann von der anderen Seite des Ganges herüberraunzte: „Könnt ihr nicht leiser sein?!“

„Jetzt lassen Sie doch die Kinder in Ruhe“, gab Litte gleich zurück. „Seien Sie doch froh, dass sie so fröhlich sind! Sie sind doch nur neidisch, weil Sie nicht mitspielen dürfen!“

Eine wirklich nette Vertreterin der Erwachsenenwelt! Schade bloß, dass sie die Karamellbonbons weggepackt hatte.

Lilly buddelt

Endlich fuhr der Zug in München ein. Nach über drei Stunden reicht es ja auch mal mit dem Herumgehocke!

Wir packten unseren Kram zusammen, verabschiedeten uns von Litte und kletterten aus dem Zug. Oma Luise und Opa Ludwig konnten wir in dem Trubel nicht entdecken.

Mir wurde gleich etwas mulmig, aber Laura rief: „Kein Problem! München hat ja einen Kopfbahnhof!“

Ich guckte sie fragend an. Was denn für einen Kopf, bitteschön?

Aber schon kam die Erklärung, so etwas lässt sich meine superschlaue Cousine Laura ja nie nehmen: „Die Züge können hier nicht durchfahren. Sie müssen wieder da raus, wo sie reingefahren sind. Deshalb gibt’s hier auf dem Bahnsteig auch keine Treppen. Wir laufen einfach in Richtung Bahnhofshalle. Wo das Gleis anfängt, stehen dann bestimmt auch Oma und Opa. – Schau, die Oma seh’ ich schon!“

Es gab eine lebhafte Begrüßung, Oma umarmte uns alle ganz fest, auch Möchtegerne-Coolman Levin, dem das ein bisschen peinlich war.

Deshalb fragte er auch besonders schnell und sachlich: „Hi Oma, wo ist denn der Opa?“

„Der ist im Auto sitzen geblieben. Hier findet man ja keinen gescheiten Parkplatz. Kommt schnell, dann müssen er und Lilly nicht so lange warten und wir haben eine Chance, einem Strafzettel zu entgehen. Im Auto könnt ihr uns dann ja erzählen, was ihr unterwegs alles erlebt habt.“

Am Auto gab es natürlich die nächste Begrüßung. Opa sprang freudestrahlend heraus und packte uns nacheinander mit den Händen an beiden Schultern. Das ist seine Art der Umarmung, für Levin gut geeignet, weil man da nicht so peinlich in den Arm genommen wird.

Wir kletterten alle hinein, und Lilly sprang mir sofort auf den Schoß. Wie schön es war, sie wiederzuhaben, und wie schön, dass sie mich anscheinend nicht vergessen hatte und sich auch so freute, mich wiederzusehen! Dann fuhren wir durch das Verkehrsgewühl, bis wir endlich raus aus der Stadt waren. Puh, so viele Autos sind echt anstrengend!
Als es auf den Straßen ruhiger wurde, erzählten wir von der Reise, auch von der sympathischen Bonbonfrau, die uns so energisch gegen den nörgelnden Mitreisenden verteidigt hatte. Oma und Opa hatten viele Pläne mit uns, die vor allem aus Wandern und Baden in schönen Seen bestanden. Das klang ziemlich super – mit „Wandern“ war doch hoffentlich so etwas wie ein Gang zur nächsten Eisdiele oder eben zum nächsten Badesee gemeint?
Ich wollte gerade nachfragen, als Laura plötzlich mit ungewohnt piepsiger Stimme sagte: „Könnten wir mal anhalten? Ich glaube, mir wird schlecht.“ Opa drehte sich besorgt um und fuhr auf den nächsten Parkplatz, der zum Glück auch bald kam. Laura schoss hinaus und lief zum Waldrand, Lilly, die nicht angeleint war, sofort hinterher. Doch blieb sie nicht wie Laura an einem der Bäume stehen, sondern rannte weiter und war verschwunden.

„Ja, Kruzitürken!“, schimpfte Oma auf Bayerisch, das hatte sie inzwischen ganz gut drauf. „Jetzt können wir erst mal den Hund suchen!“ Dann schaute sie zu Laura, die mit grün-weiß geflecktem Gesicht an dem Baum lehnte und würgte.

„Ach, meine arme Laura, komm, hol schön tief Luft. Ludwig und die anderen können Lilly suchen und ich bleibe hier bei dir, während du dich erholst. Schau mal, da hinten ist eine Bank. Da setzen wir uns jetzt hin.“

Opa grummelte etwas von Förster, bayerischem Jagdrecht, Abschießen, Gaginger Wald und blöder Hund, schnappte sich Lillys Leine und lief los, wobei er immer wieder stehen blieb und pfiff. Levin und ich liefen hinterher, froh, nicht bei der grünen Laura bleiben zu müssen. Mir tat meine Cousine ja leid. Immer wurde ihr schlecht bei längeren Autofahrten. Aber sie weigerte sich standhaft, Medikamente zu nehmen, schon wegen der Tierversuche.

Plötzlich blieb Opa stehen und legte den Finger auf den Mund. Dann flüsterte er: „Hört ihr sie? Da hinten!“

Tatsächlich, wenn man die Luft anhielt, konnte man merkwürdige, scharrende Geräusche und ein gar nicht hundemäßiges Grunzen hören. Ganz leise gingen wir jetzt in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Erst den Weg entlang, aber dann mussten wir ein Stück in den Wald hineingehen, und wenn nicht Opa dabei gewesen wäre, hätte ich Angst gehabt, dass wir nicht wieder herausfinden.

Nach einer Weile sahen wir Lilly, oder besser, wir sahen propellerartig kratzende Beine und eine Fontäne fliegender Erde.

„Oh je, ein Fuchsbau“, stöhnte Opa und ging, so gut es auf dem bewachsenen Waldboden möglich war, schneller. „Wenn das der Förster mitbekommt, gibt es Ärger!“

Lilly hatte einen kleinen Tunnel gegraben, war im Gesicht über und über mit Erde bedeckt und bellte jetzt ganz laut.

„Ja, toll, Lilly, hast du fein gemacht, aber jetzt komm!“ – Lilly blieb im Tunnel. Wieder regnete es Erde. Opa wurde langsam sauer.