Roman Nies

Das Kommen des Herrn und
die Manifestation des Bösen

Die Thessalonicherbriefe

Das Kommen des Herrn
und die
Manifestation des Bösen

Die Thessalonicherbriefe

Eine heilsgeschichtliche Auslegung

von
Roman Nies

Inhalt

Einführung

1. Kap

Die Wirkungen des Vertrauens
1 Thes 1,3-5.8-9; 2,4-14

2. Kap

Antisemitismus - die uralte Form des Widergöttlichen
1 Thes 2,14-16

3. Kapitel

Christentum-Kirchenchristentum
1 Thes 3, 1-8.10.13

4. Kapitel

Evangelium und Anti-Evangelium
1 Thes 2,14-16, 2 Thes 2,2-3

5. Kapitel

Heiligung in der Ordnung
1 Thes 4,1-12

6. Kapitel

Entrückung und Kommen des Herrn
1 Thes 4,13-18; 5,1-11.23; 2 Thes 1,4-10

7. Kapitel

Abfall und Gesetzlosigkeit
2 Thes 2,1-11

8. Kapitel

Weltgeschichtliche Verirrungen
2 Thes 2,3-12

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Einführung

Manche Kulturphilosophen und Historiker sehen in der Hinwendung zum Monotheismus die Geburtsstunde des geistigen Europas. *1 Was bedeutet dann aber die Abwendung? Offenbar kehren ja die europäischen Völker wieder zu den alten Göttern zurück, den Nichtsen, die nicht verantwortlich dafür sein können, was unter ihrer Herrschaft geschieht, weil der Mensch seine Verantwortung nicht auf seine Gedankengebilde abwälzen kann. Ist mit der Abwendung vom Eingottglauben die Grabesstunde Europas angebrochen?

Im 21. Jahrhundert sieht man nun immer mehr, wie sich Aberglauben, Esoterik, Zauberei, Okkultismus und die Verkultung von Mensch und Tier und materiellen Dingen ausbreiten. *2 Zu den alten Göttern kommen ganz neue, die sich der Mensch ausgesucht hat, dazu.

Paulus hat auch in seinem Brief an die Thessalonicher die Götzendienerei der damaligen Gesellschaft angeprangert. Evangeliumsverkündigung bedeutete für ihn zuerst einmal, den Menschen deutlich zu machen, was für eine Alternative denn Jesus Christus zu diesen Götzen darstellte. Er trat dabei in einen Wettbewerb mit der herrschenden religiösen Meinung. Und oft genug wurde man auch handgreiflich aus den gleichen Gründen wie heute. Man hat keine Argumente mehr gegen die Wahrheit oder noch schlichter: man wünscht und will die Wahrheit nicht, ja, man hasst sie, weil man nicht etwas lieben kann, was gegen die eigene Lebenseinstellung steht und deshalb nur als Anklage verstanden werden kann, die man persönlich nehmen muss.

Die Motive des Volks der Finsternis, was die wahre Erkenntnis Gottes anbelangt, sind leicht zu finden. Wer den Götzen anhängt, die seinen Bedürfnissen und seiner Lebensweise entsprechen, kann nicht dem Gott folgen wollen, der diejenige Alternative zu den Götzen bietet, die sie überflüssig macht und damit auch die gesamte Lebensausrichtung in Frage stellt. Man verteidigt seine Götzen, weil man seine Bedürfnisbefriedigung in Gefahr sieht, oder, einfacher ausgedrückt, die personifizierte Finsternis fürchtet das personifizierte Licht. Beide zugleich können nicht in einer Person existieren. Wer sich der Finsternis hingibt, wird ihr auch anhangen. Wer sich zum Licht hingezogen fühlt, wird die Finsternis meiden. Die Finsternis bekämpft das Licht, weil es sonst weichen muss. Das Licht hingegen kämpft nicht, es breitet sich wachstumsmäßig aus. Früher wusste man, was man unter einem „rechten Menschen“ verstehen musste. Er hatte „Recht“ und lebte „recht“. Er war „recht“ und „gut“. Das Gutsein gehörte zum Rechtsein dazu. *3

Paulus brachte mit seinem Evangelium den Menschen eine Botschaft, die sie nicht willkommen hießen, sondern fürchten mussten. Das Evangelium besagt, dass Gott Mensch geworden ist und für alles Böse, das der Mensch darstellen kann, ein Sühneopfer abgeleistet hat. Die Rechtsfolge der Versöhnung mit Gott braucht also nur akzeptiert zu werden, was aber zur Folge hat, dass man nun nicht mehr den Götzen und den alten Gewohnheiten lebt, sondern ein neuer Mensch in Christus wird.

Einerseits ist es erstrebenswert, dabei ein guter Mensch zu werden. Jeder sollte also erlöst werden wollen. Aber jeder Mensch trifft bereits bei dem gedanklichen Prozess, über die Folgen der Hinwendung zu Christus nachzudenken, auf ein sonderbares Phänomen. Man will gar nicht zu sehr gut sein. Jeder Mensch gibt zu, dass es gut ist, „gut“ zu sein. Wenn man einen Inder fragt, warum er keinen einzigen „guten“ Gott hat und warum er ausgerechnet solche Götter zu seinen Lieblingsgott gewählt hat, die nicht gut, oder jedenfalls so gut sind, dass sie auch menschliche Schwächen haben, bekommt man vielleicht zur Antwort, dass es ja weniger um das Gutsein gehe bei der menschlichen Existenz, sondern um die Annahme bei Gott und gelegentliche Vorteilsnahme mit dem Endziel nach endlosen Wiedergeburten endlich mit Gott zusammenzugehen. Und wenn Gott eine ungute menschliche Eigenschaft hat, hat das den Vorteil, dass man, wenn man diese Eigenschaft selber hat, daran schon nichts ändern muss. Und Gott könne auch bei anderen Eigenschaften aufgrund seiner eigenen Unvollkommenheit ein Auge zudrücken.

Der Gott der Mohammedaner erhebt auch nicht den nachvollziehbaren Nachweis, dass er vollkommen sei. Er trägt Züge von Vergeltungslust, Härte, Grausamkeit, Gnadenlosigkeit. Mit diesen Methoden ließ sich auch ein großer Teil der Welt erobern, weshalb sich der Islam auch gerade so ausgebreitet hat. Die Nomaden der Wüste waren ebenso wie ihr Allah, vergeltungssüchtig, Blutrache übend, grausam und gnadenlos. Und, auch wenn es sogar mehr Fälle von Versöhnung und Gnädigkeit gegeben haben sollte, was man gerne den Mohammedanern zuschrieben möchte, so sind diese tadeligen Eigenschaften innerhalb des Islam durch die Jahrhunderte sehr lebendig und wirkmächtig gewesen! Allah war wie ein bestellter Gott, für den Mohammed das Inserat geschrieben hat. Man konnte ihn als Waffe benutzen und zugleich als Rechtfertigung für Gewalt, die Unterdrückung von Stammesfeinden und die Beherrschung der Frauen.

Ähnliches könnte man über den Gott der Katholiken oder Protestanten sagen. Er ist ein Gott, dessen Gnädigkeit und Barmherzigkeit zwar von den Kirchen immer wieder behauptet wird, aber angesichts zweier Umstände meist nicht immer überzeugend umgesetzt worden ist. Zum ersten haben sich die Kirchen und ihre zugehörigen Glaubensvölkern oft nicht durch Gnade und Barmherzigkeit hervorgetan. Sie haben die Völker der Dritten Welt und sich untereinander und gegenseitig mit Gewalt und Unterdrückung und Kriegen überzogen. Zum anderen lehren sie einen Gott, dessen Gnade und Barmherzigkeit nur den Gläubigen wirklich zu Gute kommt, während die Mehrheit der Menschen von diesem Gott für immer an einem finsteren Ort verbracht wird, wo es nicht sehr ruhig zugehen wird, weil dort alle vor Qualen schreien und schluchzen. So behaupten es jedenfalls die Kirchen und dementsprechend haben sie gehandelt. D.h. die Vorstellung, die sie über Gott haben, stimmt mit ihrem Handeln überein. Da ist viel Gutes, was getan und initiiert worden ist. Und vieles wurde auch zum Segen für die Menschheit. Aber dass es da noch mehr Schlechtes und Böses gab, darüber lassen sich viele Belege finden. Und vieles davon ist nicht zu entschuldigen. Zu beschönigen gibt es an der Geschichte der Christenheit nicht viel. Und man muss wissen, es handelt sich vorwiegend um die Geschichte der Kirchenchristenheit, also jener Christenheit, die aus einem zu Untaten verführten Volk und den zugehörigen geistlichen Verführern, den Religionsführern bestand und immer noch besteht.

Paulus hat nichts mit all diesen Kirchen und Glaubenssystemen zu tun. Er predigte ein anderes Evangelium. Er brachte eine Botschaft, die sämtliche Götzen und Ungötter degradierte zu bloßen Schattenbildern oder Finsternisgestalten, Gefangenenwärtern und Sklavenhaltern, Verbrecherbandenanführern und Gottesfeinden, Lügnern und Mördern. Paulus brachte ein Evangelium, das herausfordert, weil es makellos ist. Es stellt Gott als pures Licht der Erlösung dar und Jesus, den Heiland und Erlöser als vollkommenen Menschen und Gott. Die Gottmenschen der Griechen waren wie Menschen, nur mächtiger. Sie waren nicht vollkommen, sondern hatten die Schwächen ihrer Gott- und Menscheltern. Auf der Augenhöhe der Menschen der Antike waren ihre Götter. Manchmal waren sogar die Menschen tugendhafter und heldenhafter als die Götter. Schon die Juden waren wegen ihres Glaubens an einen vollkommenen, vor allem vollkommen guten Gottes, nicht sehr beliebt bei den Menschen. Wie konnte man jemals so einem Gott gefallen?

Bei nüchterner Betrachtung der Lage und der Berücksichtigung sämtlicher Fakten, war die Lücke einfach zu groß zwischen Mensch und Gott. Mit dieser Erkenntnis, die bei den meisten eher einer unguten Ahnung entsprach, waren die Nichtjuden, Römer und Hellenen vielleicht sogar ein Stück weiter als so manche Juden, die sich auf ihre gedachte Botmäßigkeit etwas einbildeten. Überraschenderweise haben diese Juden ihre Nachfahren in den Kirchenchristen. Denn auch denen ist meist nicht bewusst, wie groß und unüberbrückbar nach menschlichem Maß die Lücke zwischen Mensch und Gott ist. Sie ist exakt so groß, dass alles, was ein Mensch dazu tun kann, um die Lücke zu schließen, mathematisch über eine Null nicht hinauskommt.

Wenn also Paulus über die Götzenhaftigkeit seiner Zeitgenossen nachgedacht hat, kann es sein, dass ihm auch in die Gedanken gekommen ist, dass dieses Geschenk Gottes an die Menschen, diese Lücke zwischen Ihm und dem Menschen mit dem Kreuz von Golgatha zu schließen, zu viel verlangt vom Menschen. Der Mensch kann es nicht akzeptieren, dass Gott alles gemacht hat und er, der Mensch, nicht einmal einen Beitrag leisten kann. Und zwar kann er auch deshalb nichts dazu tun, weil er über das Stadium eines Stümpers niemals hinauskommt. Der Vergleich hinkt, denn selbst die Arbeit eines Stümpers kann zum Teil gebraucht werden.

Es gibt da also das Problem, wie nehme ich das Geschenk eines neuen und erfüllteren Lebens aus den Händen von jemand, der mir zugleich zeigt, dass ich es nicht verdient habe und niemals verdienen werde. Wenn ein König deine Hütte betritt, für die du dich in unzähligen Arbeitsstunden abgemüht hast, und dir sagt, dass du ab sofort im Königspalast wohnen kannst, dafür aber deine Kritik am König bleiben lassen sollst, wo sie nachweislich nicht berechtigt ist, wird das letzte Bedenken, das man gegen dieses Angebot hat, wohl dies sein, dass man sich fragt, „wo soll ich dann aber mit meinem Stolz hin?“ Er bestand ja darin, dass ich aufbegehrte und dass ich selber meine Hütte aufgebaut habe. Es könnte meine Weigerung aber noch eine andere Ursache haben. Es sind meine Gedanken, dass es im Palast des Königs immer feind und sauber zugeht und ich da gar nicht hinpasse mit meinen schlechten Manieren. Man braucht also etwas, was Paulus immer wieder einforderte und anmahnte: Vertrauen in den König! Wer sich auf den König von Zion einlässt, wird von Ihm auch passend gemacht, denn tatsächlich gibt es im Palast des himmlischen Königs nur Passende. Sie wurden passend gemacht. Ist es also doch die Angst vor dem Passendgemachtwerden, die das Evangelium in den Ohren so vieler für Misstöne sorgt?

Warum hat Gott überhaupt den Wirkraum des Palastes verlassen? Warum hat Er den Menschen in eine böse, gefallene Welt hineingestellt? Warum hat Er sie nicht gleich nach dem Sündenfall beseitigt, wo der Schaden noch gering und die Abräumkosten überschaubar gewesen wären? In jeder Stunde werden immer mehr Menschen auf diesem Planeten geboren. Und es wäre unverantwortlich von Gott, wenn Er zwar die Zahl der getauften Kirchenchristen immer weiter anwachsen ließe, aber zugleich die Zahl der Ungläubigen noch viel schneller anwachsen würde. Als Abraham hoffte, in Sodom wären zehn Gerechte, wurde er von Gott eines Besseren belehrt. Es gab keinen einzigen. Aber angenommen dies wäre das Verhältnis, ein Gerechter, neun Verlorene. Dann wären in der nächsten Generation bei gleichem Verhältnis zwischen Geretteten und Verlorenen zwei Gerechte und 18 Verlorene. Die Zahl der Verlorenen wäre also doppelt so groß wie vorher. Und im Jahr 2019 würde sich die Weltbevölkerung aller Menschen, die jemals gelebt haben auf etwa 100 Milliarden Menschen aufsummiert haben und 90 Milliarden davon, wären Verlorene. Warum also lässt Gott die Weltzeit weiter laufen, ohne einzugreifen und dem zunehmenden Unheil Einhalt zu gebieten? Paulus hatte die Antwort. Gott sucht das Verlorene so lange, bis Er es gefunden hat, vielmehr, bis sich das Verlorene gefunden findet. Dabei löst Er zugleich noch ganz andere Aufgaben, die der Mensch nicht sehen kann, solange es ihm nicht von Gott gegeben ist.

„Das Böse gibt Gott sogar Gelegenheit, Sich in einer Weise zu offenbaren, wie Er es sonst nicht vermocht hätte: als Rettergott, als Gott aller Gnade, als der Vergebende, den Sünder Liebende, als ein Gott, der mit unendlicher Liebe dem verlorenen nachgeht, bis Er es findet (Lk 15,4)“. *4

Der erste Brief an die Thessalonicher wird als ältester Brief von Paulus betrachtet. Empfänger seines Briefes ist eine von Paulus gegründete Gemeinde. Dabei handelt es sich nach Ap 17,4-5 hauptsächlich um „Griechen und nicht wenige der vornehmsten Frauen.“ Und Juden? Lukas hat über sie nur zu sagen, dass sie eifersüchtig geworden waren. Die Juden waren in der römisch-griechischen Gesellschaft nicht sonderlich beliebt und waren mit ihrer Sicht der Welt bei den „Bildungsbürgern“ meist abgelehnt worden, auch wenn es unter ihnen auch immer wieder Sympathisanten für das Judentum gab. Trotzdem war die Situation für Juden in der Diaspora immer eine angespannte. Und nun kam dieser Paulus daher, dieser Zeltmacher aus Kleinasien, und zog gottesfürchtige Nichtjuden, die vorher noch unschlüssig über ihre Haltung gegenüber dem Judentum gewesen waren und mit den Synagogen in Kontakt gestanden hatten, sektiererisch an sich. 1 Thes 1,9 und 2,14 bestätigen, was der Reisebegleiter von Paulus in der Apostelgeschichte berichtet hat. Die Gemeindemitglieder waren zumindest überwiegend Nichtjuden.

Paulus war zusammen mit Silas von Philippi her nach Thessalonich gekommen (Ap 16,40f.). In Philippi hatte Paulus zum ersten Mal europäischen Boden betreten. Dort hatte er eine kleine Gemeinde geründet, die wegen ihrer Mitglieder Verbindungen zur Synagoge hatte. *5 Er wurde aber von der einheimischen Bevölkerung abgelehnt. In Philippi, einer römischen Legionärsstadt, war die Mehrheit der Bevölkerung Römer, die ihre Stadt als Klein-Rom betrachteten. Paulus kam in Haft. Die Obrigkeit entließ ihn zwar wieder daraus, bat ihn aber die Stadt zu verlassen. Er zog weiter in die Provinzhauptstadt nach Thessalonich und predigte dort wiederum, nach seiner Gewohnheit, bei den Juden in der Synagoge (Ap 17,3). Und auch da sprachen einige der griechischen Proselyten auf seine Predigt an, sehr zum Missfallen der Juden. Die klagten ihn und alle anderen, die eine Verbindung zu Paulus hatten, an (Ap 17,6). Das erklärt, warum die Gemeinde schon von Anfang an unter Druck geriet. Gerade eben gläubig geworden und gleich darauf schon deshalb verflucht und verfolgt (1 Thess 3,4)!

Thessalonich war damals wie heute ein Zentrum Mazedoniens. Die Stadt war Hauptstadt der römischen Provinz Makedonien und damit auch Sitz des Prokonsuls. Sie hatte nicht nur eine große politische Bedeutung, sondern aufgrund ihrer Lage war sie auch für den Handel sehr wichtig. *6 Von den Götzen, die Paulus in 1 Thes 1 anspricht, gab es wie in allen Provinzhauptstädten des Römischen Reiches eine große Auswahl. Die römisch-griechischen Götter wurden überall verehrt. Die Archäologen haben Kultstätten von Dionysos, Isis und Serapis ausgegraben. Es gab auch eine jüdische Gemeinde mit mindestens einer Synagoge (Ap 17,1). Paulus hat auch diese Stadt unfreiwillig verlassen müssen. *7 Aus dem 1. Thessalonicherbrief ergibt sich, dass das Verhältnis der Gemeinde zu Paulus gut ist und Paulus lobt die Gemeinde auch. Anlass der Abfassung dürfte aber ein anderer gewesen sein. Auf die Gemeinde war anscheinend Druck von den Juden ausgeübt worden (1 Thes 2,14). Urheber waren die Paulusgegner, die ihn in Misskredit zu bringen versucht hatten. Und schließlich fragte sich bei all dem Druck jeder, wann denn endlich der Herr zurückkommen würde. Es waren nun schon so viele gestorben und Jesus war immer noch nicht gekommen. Oder hatten sie irgend etwas verpasst?

Nach Ap 18,5 traf Paulus in Korinth seine Mitarbeiter Silvanus und Timotheus. Am Anfang des Briefes erwähnt er sie als Mitgrüßende. Sie sind also bei ihm, was bedeuten kann, dass sich Paulus in Korinth befindet, wohin er von Athen aus weiter reiste. *8

Nach dem Tumult in Thessalonich zogen Paulus und Silas aber zunächst weiter nach Beröa (Ap 17,10). Später dann von Athen aus schickte Paulus Timotheus wieder nach Thessalonich (1 Thess 3,1f.5). Paulus hatte ja dort sein Werk nicht vollenden können. Anscheinend sollte Timotheus nun der kleinen, unter Druck stehenden Gemeinde, beistehen. Irgendwann, vermutlich Anfang der 50er Jahre, brach Paulus von Athen aus nach Korinth auf, *9 der damals größten Stadt Griechenlands. Da der Briefgruß nicht auf eine in Korinth existierende Gemeinde verweist, die sonst mitgegrüßt haben könnte, war Paulus wohl auch noch nicht lange in Korinth. Aber es würde noch lange werden, über ein Jahr lang. *10 Er plante aber wieder nach Thessalonich zurückzukehren, um das, was dort gesät worden war, weiter wachsen zu lassen und zu befestigen (1 Thess 3,10).

Neben der Danksagung an der Mitwirkung der Verbreitung des Evangeliums und der Zeugenschaft Jesu Christi, befasst sich ein Teil des Briefes, typisch für Paulus, auch mit der Heiligung. *11 Das Besondere stellen aber die Verweise auf die Parusie Jesu Christi dar. *12 Die Gemeinde zu Thessalonich hatte ein Bedürfnis der Erkenntnis, auf das Paulus versuchte einzugehen. Anfang der fünfziger Jahre rechnete man offensichtlich damit, dass Jesus, der ja gesagt hatte, dass Er Seine Rückkehr nicht verzögern würde, immer noch „bald“ Seine Voraussage wahr machen würde. Je länger es aber dauerte, desto weniger überzeugend wurde die Predigt vom nahen Kommen Christi. Und irgendwann wird der Verkünder auch seinen Zuhörern gesagt haben, für die meisten dauere das Warten auf den Herrn sowieso ihr ganzes Leben.

Und das währte auch damals gewiss nicht länger als einhundertzwanzig Jahre. Aber ob es zwanzig oder hundert Jahre sind, danach ist man bei Christus angekommen.

Paulus legte also, wie die anderen Apostel und Verkünder, den Schwerpunkt nicht auf das Wann der Rückkehr Jesu, sondern auf das „Dass“ der Vereinigung mit Ihm. Dass die Heimat eines Christusgläubigen nur Christus sein kann und es auch wird, ganz unabhängig davon, welches Leben man führen musste, als Sklave oder Freier, als Jude oder Hellene, das war klar und wahr. Das galt es zu verkündigen. Es gab ja schon immer bei den Gottesfürchtigen ein Verständnis für die heiligen Schriften Gottes. Aus ihnen lässt sich entnehmen, dass Gott ein Gott der Weltgeschichte ist, aber zugleich die Heimholung jedes einzelnen zu Sich betreibt. Das ist ein Prinzip, das man auch beim Studium der Geschichte Israels beachten muss. Wenn Gott sagt, dass Er ganz Israel zur Erlösung bringt, dann meint Er nicht allein ein wirkmächtiges Handeln am ganzen Volk, das Er in sein angestammtes Land zurückbringt, oder unter Seine unmittelbare Herrschaft und in die Gemeinschaft mit Ihm bringt. Er meint damit auch, dass Er sich um jede einzelne Seele kümmert und sie heil macht. Besonders deutlich wird das mit dem Kommen und Wirken Jesu. *13 Israel ist aber nur der Vorgänger aller Völker und aller Menschen.

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