«Sie war mager und ein wenig blass, siebzehn war sie, in einem Alter, wo die jungen Mädchen leicht die gute Farbe verlieren, und auf der Nase hatte sie Sommersprossen.» Das ist Aline, die sich in den Sohn des Bürgermeisters verliebt. Die Tochter einer armen Witwe erlebt das prickelnde Glück ihrer ers0ten Liebe und begehrt gegen die engen Konventionen im Dorf auf. Doch während Aline von einer gemeinsamen glücklichen Zukunft träumt, geht es für Julien einzig um sein ­Vergnügen. Aline wird ihm lästig, und als sie schwanger ist, stiehlt er sich aus der Be­ziehung, redet im Dorf schlecht über sie. Auch die Mutter wendet sich von ihr ab, das ganze Dorf, die Tragödie nimmt ihren Lauf, während Julien sich eine standesgemäße Braut sucht. Zu­rück bleibt eine gebrochene Mutter, die der Kutsche der Neuvermählten nachblickt, ­während «ein graues Staubwölkchen sich langsam auf das niedrige Gras der Böschungen niederließ».

In seinem Debütroman aus dem Jahr 1905 erzählt Ramuz unsentimental eine einfache Liebesgeschichte voller Tragik, ge­tragen von einer wunderschönen Sprache.

I

Julien Damon war auf dem Heimweg, er hatte gemäht. Es herrschte eine große Hitze. Der Himmel war wie bemaltes Blech, die Luft stand still. Man sah die Vierecke der Haferfelder, die schon weiß schimmerten, neben den gelben Weizenfeldern; weiter weg lagen die Obstgärten, rundum das Dorf mit seinen roten und braunen Dächern.

Es war Mittag. Die Zeit, wo die Frösche in den Erd­löchern leiden, weil die Sonne den Tau aufgetrunken hat, und in ihrer glatten Kehle schlägt es mit kleinen Stößen. Über den Böschungen liegt ein Geruch von verbranntem Horn.

Als Julien an den Sträuchern vorbeikam, flogen die Spatzen alle zusammen heraus, wie wenn ein Stein zerspringt. Langsam schritt er voran, es machte ihm warm, auch war es ihm nicht ums Eilen zumute. Er rauchte einen Zigarrenstummel und ließ den Kopf zwischen seinen eckigen Schultern hängen. Ab und zu blieb er unter einem Baum stehen; der Schatten drang in sein offenes Hemd; er rückte den Hut nach hinten und trocknete mit dem Arm die Stirn ab. Dann machte er sich wieder auf den Weg, trat aus dem Schatten, und seine Sense blinkte in der Sonne wie eine Flamme. Gleichmäßigen Schrittes zog er aus. Er schaute nicht nach rechts und nicht nach links, denn er kannte ja den letzten Stein auf dem Weg, er kannte alles in dieser Landschaft, wo sich nichts verändert außer den Jahres­zeiten, die im reifenden Gras oder in den fallenden Blättern sich anzeigen. Er dachte nur, das Mittag­essen werde bereitstehen und er habe Hunger.

Doch als er zur Landstraße kam, blieb er plötzlich stehen, er hielt die flache Hand über die Augen. Eine Frau kam. Sie schien ein Kleid aus Rosastaub zu tragen. Er sagte zu sich: «Ist das nicht Aline? ...» Als sie näher kam, sah er, dass es wirklich Aline war. Er spür­te ein leises Klopfen im Herzen.

Sie ging rasch voran; bald hatten sie sich erreicht. Sie war mager und ein wenig blass, siebzehn war sie, in einem Alter, wo die jungen Mädchen leicht die gute Farbe verlieren, und auf der Nase hatte sie Sommersprossen. Trotzdem, sie war hübsch. Ihr großer Hut warf Schatten auf ihr Gesicht, bis zum Mund, den sie verschlossen hielt. Ihr blondes, vorne ganz glatt gekämmtes Haar war hinten zu schweren Zöpfen geschlungen. Am Arm trug sie einen kleinen Korb; ihre schweren Schuhe reichten weiter als ihr kurzer Rock.

Julien sagte:

«Guten Tag.»

Sie antwortete:

«Guten Tag.»

So fingen sie an. Julien sagte darauf:

«Wo kommst du her?»

«Von meinem Onkel.»

«Es ist heiß.»

«Oh! ja.»

«Und der Weg ist lang.»

«Drei viertel Stunden.»

«Das ist mühsam, bei dieser Sonne und bei diesem Staub.»

«Oh! ich bin es gewohnt.»

Sie standen sich wie Bekannte gegenüber, die, wenn sie sich begegnen, aus Höflichkeit ein wenig miteinander plaudern. Julien hielt eine Hand in der Tasche, die andere am Sensengriff, und beim Reden neigte er den Kopf zur Seite. Aber Alines Ohren waren rot geworden. Und auch er, obwohl es nicht danach aussah, hatte etwas zu sagen, das nicht leicht zu sagen war; deswegen suchte er einstweilen Zeit zu gewinnen.

Er fragte Aline:

«Wohin gehst du?»

Sie sagte: «Ich gehe nach Hause.»

«Ich auch. Wollen wir den Weg zusammen machen?»

Und wie sie so gingen, einer neben dem andern, dachte Julien angestrengt nach, aber manchmal sind im Kopf die Leitungen verstopft. Er schaute in die Luft. In den Zweigen sah man die Kirschen, die auf der Schattenseite noch hell, auf der Sonnenseite schon rot waren. Die Bienen tranken aus allen Blumen. Bald wurde das Dorf sichtbar. Die Zeit lief. Da drang Julien noch mehr in die Tiefe, bis dorthin, wo die Gedanken sich verborgen halten, und er begann wieder:

«Ich habe den ganzen Morgen gemäht, das ist nicht leicht bei dieser Dürre. Es gibt Tage im Leben, wo man gar keinen Lebensmut hat.»

«Das ist wahr», erwiderte Aline, «nichts macht einem Freude.»

«Und zudem», sagte er, denn jetzt war ihm etwas eingefallen, «zudem haben wir uns lange nicht mehr gesehen.»

Aline senkte den Kopf. Sie sagte:

«Jetzt ist eben die Zeit, wo man im Garten zu tun hat. Und dann, Mama ist allein ...»

Aber er ließ nicht locker:

«Weißt du», sagte er, «es wäre nett von dir, wenn wir uns wiedersehen könnten.»

Aline wurde bleich. «Nun?», fragte er.

«Ich weiß nicht, ob ich kann.»

«Teufel noch mal! Man hat sich doch vieles zu ­sagen.»

Da zögerte sie, und ihr Herz schwankte wie ein Apfel zuäußerst an einem Ast; dann war die Ver­lockung stärker.

«Wenn ich mich sehr beeile», sagte sie, «dann vielleicht später einmal.»

«Wann also?»

«Wann du willst.»

«Geht es heute Abend, bei den Ouges?»

«Oh! ja, vielleicht.»

Sie kamen zum Dorf; an der Straße standen die Häuser mit ihren Gärten, ihren Brunnen und ihren Misthaufen. Julien sagte noch:

«Also, heute Abend.»

Sie antwortete: «Ich will sehen.»

«Aber sicher?»

«Ganz sicher.»

Aline lebte allein mit ihrer Mutter in einem kleinen Haus. Sie hatten noch eine Ziege und ein Stück Land, das ihnen zweihundert Franken im Jahr einbrachte, denn es war gut verpachtet. Die alte Hen­riette liebte das Geld, das sich so angenehm wie Sammet anrührt, und es hat auch einen Geruch. Aber sie liebte das Geld nur, weil sie dafür so viel gearbeitet hatte, und geblieben war ihr ein krummer Hals, ein gebeugter Rücken und Handgelenke wie zwei Kiesel. Die Adern unter der Haut ihrer Hände sahen aus wie Tintenkleckse. Da sie keine Zähne mehr hatte, kam ihr das Kinn beim Essen bis zur Nase. Sie ging ruhig und entschlossen durchs Leben, denn sie hatte getan, was zu tun war; sie sah, was gut ist, was schlecht ist; und weiter wartete sie ihre Sterbestunde ab, denn Gott ist gerecht, und man geht nicht gegen seinen Willen. Sie trug auf ihrem Haar, das an den Schläfen zurückgestrichen war, eine schwarze Haube. Die Tage kamen, die Tage gingen, und die Pflanzen wuchsen, jede zu ihrer Zeit.

Sie sagte zu Aline: «Du bist lange weggeblieben.»

Aline antwortete:

«Ich habe so schnell wie möglich gemacht.»

Sie dachte an Julien, deswegen war sie zerstreut. Sie erinnerte sich an die ersten Male, da sie ihn gesehen hatte, und sie kannten sich von der Schule her, nur war er damals schon lange bei den Größeren, wäh­rend sie noch bei den ganz Kleinen war. Und eines Tages waren sie sich begegnet, Julien hatte sie begleitet, dann war er wiedergekommen; zuerst hatte sie nicht weiter darauf geachtet; dann hatte sie allmählich Freude, wenn sie ihn sah, denn die Liebe tritt ins Herz, ohne dass man es hört; aber wenn sie einmal drinnen ist, schließt sie die Tür hinter sich zu.

Der Nachmittag zog langsam dahin. Die Hitze liegt schwer auf den Stunden wie der Regen auf den Flügeln der Vögel. Aline schnitt Lattich mit einem alten rostigen Messer. Wenn man den Stängel durchschneidet, fließt eine weiße Milch heraus, die auf den Fingern braune Flecken macht und klebt. Die scharfen Linien der Dächer flimmerten im ein­färbigen Himmel, man hörte die Hühner glucken, die Bienen prallten von den Blumenspitzen ab wie ­weiche Bälle. Die Sonne schien reglos zu sein. Sie strömte ihre Flammen aus, und die Luft stieg bis zu den untersten Zweigen der Bäume, wo sie eine Weile blieb, dann wieder absank; die Ameisen liefen über die Steine; eine Amsel flatterte in den Bohnenstauden. Als ihre Schürze voll war, betrachtete Aline das Licht, den Garten, die Felder; schon sank die Sonne am Horizont wankend gegen den Berg; wenig später wurde sie flach wie eine Wachskugel, die schmilzt. Karren fuhren durch die Straße. Es war Zeit. Sie hatte gesagt: «Ganz sicher.»

Sie lief über die Matten zu den Ouges. Es war ein feuchter Ort, ein Bach hatte sich dort ein Bett in die schwarze Erde gegraben; und daneben stand ein Wald.

Sie war zuerst da, aber Julien kam gleich danach. Er hatte seinen Sonntagskittel über das Hemd angezogen. Sie setzten sich an den Waldrand. Eine rosige Asche fiel aus der Luft; über ihren Köpfen schlugen die Vögel mit den Flügeln und flogen zu ihren Nestern; in der Ferne bellte ein Hund; dann und wann drang eine Stimme zu ihnen her.

Julien sagte:

«Siehst du, es ist recht, dass du gekommen bist. Wer kann uns schon sehen?»

Aline antwortete:

«Und wenn man mich sucht?»

«Du darfst doch für eine Weile weggehen. Da tun wir doch nichts Unrechtes, oder?»

«Oh! nein», sagte sie.

Und plötzlich spürte sie, wie ein Glück in ihr Herz eindrang, für das ihr Herz zu klein war. Die Schatten streichelten ihr Haar. Sie dachte, dass sie wirklich nichts Unrechtes tue. Sie war hergekommen, weil ­Julien ein guter Freund von ihr war. Und am liebs­ten hätte sie nichts gesagt und sich nicht ge­regt, um den Himmel und die Bäume und alles, was an Lieblichem in der Luft war, zu sehen; aber da sagte Julien:

«Ich habe dir etwas mitgebracht.»

Er zog ein kleines Päckchen aus der Tasche.

«Das ist für dich.»

Zuerst war sie ganz überrascht; und ihr großes Glücksgefühl verschwand, und sie bekam ein wenig Angst; sie sagte:

«Ich darf es nicht annehmen.»

«Ach, dummes Zeug.»

Doch dann öffnete sie die Hand; das Päckchen war leicht und verschnürt. Zuerst kam ein graues Pa­pier; darunter ein Seidenpapier, das mit einem blauen Band umwickelt war; dann, im Seidenpapier, ein Kartonschächtelchen. Ganz klein waren ein Mann und eine Frau, die in einer Gartenlaube saßen, auf den Deckel gemalt.

«Was ist das?»

«Schau selber, ich will es dir nicht sagen.»

Als sie das Schächtelchen öffnete, sah sie in Rosawatte zwei vergoldete Ohrringe mit einer Korallenkugel. Sie sagte nichts. In ihrer Brust zog sich etwas zusammen.

Julien fragte:

«Gefällt es dir?»

«Oh, sehr.»

«Ich habe sie in Lausanne gekauft.»

Sie sagte dann:

«Oh, vielen Dank.»

Und befriedigt sah er sie an und freute sich, dass er reich genug war, seiner Freundin Geschenke zu kaufen, ohne dabei auf sein Glas Wein und seine Zi­garre verzichten zu müssen.

«Nimm sie in die Hände», sagte er, «sie sind schwer.»

Aline nickte.

«Es gibt auch solche, die innen hohl sind, weißt du; die hier sind massiv.»

Er fügte bei:

«Aber dafür musst du mir auch etwas geben.»

«Oh», sagte sie, «ich möchte schon, aber ich habe nichts.»

«Natürlich hast du etwas.»

«Was?», fragte sie.

«Oh», sagte er, «nur einen kleinen Kuss.»

Aline wurde rot. Julien wiederholte:

«Nur einen kleinen Kuss, einen ganz kleinen, auf die Nasenspitze, so zum Spaß.»

«Oh! nein!»

«Das spürst du nicht einmal. Du kannst nicht einmal auf eins zählen, und schon ist es vorbei.»

«Nein», sagte sie, «ich kann nicht.»

Sie wusste genau, dass Küsse etwas Verbotenes wa­ren. Auf die, die sich küssen lassen, zeigen die andern Mädchen mit Fingern und schubsen sich mit dem Ellbogen. Und zudem geht man auch noch zwei Jahre lang ins Schulhaus in die Unterweisung. Der Pfarrer liest aus einem Buch. Man lernt, was erlaubt ist und was nicht erlaubt ist. Man lernt auch, dass die Bösen bestraft und die Guten belohnt werden. Und Aline war voll guten Willens, das Rechte zu tun.

Aber Julien wurde kühner und legte ihr den Arm um die Hüfte. Sie versuchte wohl, sich zu wehren, aber die Dämmerung war verführerisch, auch das Gras mit seinem Tau, die Zweige, der Schatten, der sagte: «Geh näher zu ihm.» Ihr Herz war übervoll, und es wog schwer mit all diesen Dingen und drängte sie zu Julien. Sie spürte Juliens Mund auf ihrem Mund, und ihr Leib schmolz wie Schnee in der Sonne.

Sie ordnete ihr zerzaustes Haar. Die letzte Helle des Tages verdämmerte am Horizont. Sie sah, dass es spät geworden war, und lief eilends weg.

Wie verlassen die Felder waren! Das Rascheln ihrer Füße im Gras tönte überlaut. Der erste Stern war da. In ihrem Herzen war eine kleine Glocke, die immerzu läutete und sagte: «Ich liebe Julien ... ich liebe Ju­lien ...» Sie umklammerte das Schächtelchen mit der Hand; manchmal dachte sie: «Auch Julien liebt mich.»

Die Sommernächte sind kurz. Früh am Morgen gehen die Männer mähen, solange das Gras noch weich ist. In den Häusern beginnt es sich zu regen, die Hähne krähen von einem Hühnerhof zum andern. Die alte Henriette stand zuerst auf; sie war stets schon vor dem Morgengrauen auf den Beinen, ihr Tagwerk war geregelt wie das Räderwerk der Wanduhren. Und sobald sie angekleidet war, rief sie Aline.

Die Sonne hob sich mit einem Ruck über den Wald. Ein neuer Lebenstag war da. Das Wasser auf dem Herd begann zu sieden. Als der Kaffee bereit war, setzten sich die beiden Frauen an den Tisch. ­Aline schämte sich ein wenig, dass sie heute nicht mehr dieselbe war wie am Tag zuvor; aber sie aß dennoch und trank; und endlich sagte sie:

«Mama, wie macht man sich Löcher in die Ohren?»

Henriette war sehr erstaunt.

«Wozu das?»

«Einfach so.»

«Wie soll ich das wissen? Das ist etwas für feine Damen.»

Aline schwieg. Aber als sie allein war, trat sie vor den Spiegel, nahm eine Nadel und stach sich damit ins Ohr. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien, so sehr schmerzte es, und auf der Haut ­bildete sich ein kleiner Blutstropfen; ein Loch war es dennoch nicht, sie sah, dass es zu schwierig war. Das Schächtelchen versteckte sie zuhinterst in einer Schublade; in der Nacht stand sie manchmal auf und schaute es an.

Foto Theo Frey

Charles Ferdinand Ramuz (1878–1947), geboren und ­aufgewachsen in Lausanne. Nach dem Studium der ­Klassischen Philologie ging er 1900 erstmals nach Paris, wo er von 1904–1914 lebte. Seine Romane wurden mehrfach ­verfilmt, und er wurde wiederholt als Nobel­preiskandidat gehandelt. 1936 erhielt er den Grossen Preis der Schweizer Schillerstiftung. Im Limmat Verlag sind lieferbar: «Farinet», «Samuel Belet», ­«Der Bursche aus Savoyen», «Menschen­mass – Frage – Bedürfnis nach Grösse» und der Materialienband von Gérald Froidevaux: «Ich bin Ramuz – nichts weiter».

C. F. Ramuz

Aline

Roman

Aus dem Französischen von Yvonne und Herbert Meier

Nachwort von Daniel Maggetti

Limmat Verlag

Zürich

II

Wenn sie zu Morgen gegessen hatten – und ältere Frauen lieben nichts so sehr wie ihren Kaffee –, machten Henriette und Aline die Hausarbeit; dann brachten sie der Ziege zu fressen. Da sie weiß war, nannte man sie Blanchette; beim Fressen bewegte sie emsig das Maul; man musste sie auch melken, denn wie bald war Mittag. Und wenn der Tag sich einmal gewendet hat, läuft die Zeit schnell; es ist wie ein Kessel, der langsam gefüllt wird und sich dann plötzlich leert. So hatte Henriette erst nach dem Abendessen ein wenig Zeit für sich, um einen Besuch zu machen oder einzukaufen.

Aber vor allem der Garten beanspruchte viel Zeit, denn immerzu muss man häckeln und gießen, wenn man gutes Gemüse haben will; und den Sommer über braucht er viel Wasser, früh am Morgen und spät am Abend, denn Wasser und Sonne zusammen stecken die Pflanzen in Brand, wie man sagt. Und zu­dem wächst das Unkraut von selbst, nicht aber, was man sät und pflanzt.

Henriette war stolz auf ihren Garten. Es war der schönste im Dorf; die Erde war schön schwarz, die Beete schnurgerade wie auf dem Papier, die Kohl­köp­fe groß wie ein Kopf. Und wenn sie tüchtig ge­jä­tet hatte, richtete sie sich auf und sagte zuerst: «Au!», denn der Rücken schmerzte sie, aber sie war dennoch zufrieden, wenn sie sah, wie alles in Ordnung war. Es gab da auch Bäume, die Früchte brachten, und vor dem Fenster stand ein alter Pflaumenbaum. Die Sonne stieg über der Kirche auf und schaute mit ihrem runden Auge, das den Tag bringt, in den Garten; man roch die Erde. Aline war tüchtig und half ihrer Mutter, so viel sie konnte. Sie spannte die Schnur; sie zählte die Samenkörner in ihrer hohlen Hand, denn sie hatte ein gutes Auge, oder sie schöpfte Wasser, und die Pumpe ächzte wie ein Esel, der schreit, während sie ihre bloßen Arme hob und senkte.