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Die Autorin

Kylie Fitzpatrick wurde in Kopenhagen geboren und wuchs in Australien auf. Sie arbeitete für Spiel- und Dokumentarfilmproduktionen in England und Los Angeles. Heute unterrichtet sie an der Bath Spa University und lebt mit ihrer Tochter in Somerset.

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Das Buch

Der Weg ist das Ziel auf der Suche nach der Wahrheit des eigenen Herzens.

Während der Kampf um die englische Krone tobt, sucht Thomas Malory fieberhaft nach den Erzählungen der berühmten Artussage. Er will die über das Land verstreuten Manuskripte zum ersten Mal ins Englische übersetzen und als Buch herausgeben. Heimlich unterstützt ihn dabei ausgerechnet Königin Elizabeth, die Frau von Malorys erbittertem Feind König Edward IV. Und noch eine Frau hilft ihm: Die Adelige Elayne, einst die engste Freundin der Königin, gewährt ihm Unterschlupf. Malory liebt beide Frauen und hat so ihre Freundschaft zerstört.

In der bezauberndsten Geschichte über Artus und die Ritter der Tafelrunde schafft Malory ein Kunststück. Seine Übersetzung der Gralsgeschichte feiert die Suche nach der wahren Liebe und verewigt seine eigene tragische Dreiecksbeziehung in der Romanze von Ritter Lanzelot, Königin Guinevere und Lady Elaine von Astolat.

Kylie Fitzpatrick

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Roman

Aus dem Englischen
von Marion Balkenhol

List

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Neuausgabe bei Refinery

Refinery ist ein Digitalverlag

der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

Mai 2019 (1)


1485 erschien in der Buchdruckerei von William Caxton in London Thomas Malorys Le Morte d'Arthur, der erste große Artus-Roman in englischer Sprache.


In ihren Zitaten aus Le Morte d'Arthur hat Kylie Fitzpatrick sie die Freiheit genommen, die Vorlage weiter zu bearbeiten.


© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019

© der deutschsprachigen Ausgabe

Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014

© 2008 by Kylie Fitzpatrick

Titel der englischen Originalausgabe: The Book of Astolat

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Autorenfoto: © Ben Taylor

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.


ISBN 978-3-96048-238-3


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Für Saoirse, meinen Gral

September 1486

Von allen Gotteshäusern zwischen Westminster und Saint Paul’s läuten die Glocken, seit vor drei Tagen Henry Tudors Sohn getauft wurde. Er soll Arthur heißen.

Bis zuletzt hatte ich eigentlich nicht vor, der Niederschrift dieser kurzen Historie meine Zeit zu opfern, wenngleich man mich vor Jahren darum bat. Inzwischen jedoch habe ich meinen Irrtum erkannt.

Nach unserer Kenntnis und sofern es alten Bänden in der Klosterbibliothek zu entnehmen ist, galt der Gral in früheren Zeiten nicht als Kelch des letzten Abendmahls. Die Legende soll von dem klugen französischen Hofdichter Chrétien de Troyes stammen, auch wenn manch einer behauptet, er habe Ende des zwölften Jahrhunderts nur niedergeschrieben, was walisische Barden seit Urzeiten mündlich überlieferten.

Ich bin Franziskaner, demzufolge liegt es mir fern, die römisch-katholische Kirche zu kritisieren. Als Gelehrter und Restaurator alter Bücher aber habe ich das Bedürfnis zu begreifen, warum bestimmte Erzählungen so lebhaft in unseren Herzen nachklingen. Zu Lebzeiten von Chrétien stand die römisch-katholische Kirche auf Kriegsfuß mit allem, was ihre Autorität bedrohte; das waren nicht nur die Ungläubigen aus der Heiligen Stadt Jerusalem, sondern auch die Tradition, Geschichten aus alter Zeit mündlich zu überliefern – so etwa die Erzählung von einer Göttin des Landes, Souveränität, die bei den Walisern Herrin der Quelle heißt, und ihrem königlichen Gemahl.

Um diese Geschichte rankt sich Chrétiens größter Ritterroman, die Erzählung vom Gral.

Zuweilen überliefert die Menschheit eine Tradition gerade durch ihre Unterdrückung – was freilich eine gewisse Ironie mit sich bringt. In der überlieferten Erzählung von der Herrin der Quelle und dem König verödet das Land der Göttin, wenn es nicht gepflegt und behütet wird, und mit der Fruchtbarkeit des Landes schwinden auch die Zeugungskraft des Königs und das Wohlwollen des Volkes.

In seinen Ritterromanen erzählte Chrétien de Troyes die gängigen Geschichten von König Arthur nach und ergänzte sie; alte Erzählungen waren das, die das walisische Volk über Jahrhunderte hinweg bewahrt hatte. So war Chrétien der Erste, der die Erzählung vom Gral und Lancelots Geschichte niedergeschrieben hat, und zwar in einer Form, die nach französischer Mundart romance heißt. Merlin und Guinevere, König Arthurs Gemahlin, entstammen walisischen Legenden und haben angeblich tatsächlich gelebt. Bei Chrétien aber wird Guinevere zur Geliebten Lancelots und zur Ehebrecherin. Aus Überlieferung und Mythos entsteht so eine Geschichte.

Dass die Legende vom Gral zu einer Zeit auftauchte, in der die Reiche Europas sich gegeneinander wandten, Könige einander töteten, Frauen entrechteten und Länder verwüsteten, kann nur als Zeichen ihrer Bedeutsamkeit gelten. Aber ich will mich nicht in Politik und Geschichtsschreibung verlieren …

In Chrétiens Erzählung vom Gral geht es um einen Ritter namens Perceval, der die Bedeutung einer seltsamen Prozession herausfinden muss, der er im Schloss des Fischerkönigs beiwohnt. In dieser Prozession trägt eine Jungfrau einen reich mit Edelsteinen besetzten Gral, und ein Page trägt eine Lanze, aus der Blutstropfen dringen.

Der Fischerkönig, so genannt, weil er infolge einer Wunde zwischen den Schenkeln nicht mehr jagen, sondern nur noch fischen kann, hat seine Zeugungskraft verloren, und folglich ist sein Königreich verödet. Er wartet auf seine Heilung. Wenn nur jemand das Mitgefühl aufbrächte, nach der heilenden Kraft des Grals zu fragen, danach, wem er dient, dann würden Land und König wieder gesund. Perceval jedoch will nichts von dieser mysteriösen Prozession wissen, zu groß ist seine Angst, für einen Narren gehalten zu werden.

Der törichte Perceval verlässt die Burg und wird schon bald über seinen Fehler in Kenntnis gesetzt. Er versucht, zur Burg des Fischerkönigs zurückzugelangen, muss jedoch viele Mühen überstehen.

Im Grunde ist die Geschichte des Grals die Geschichte eines jeden Mannes und handelt davon, wie wir uns auf der Suche nach Antworten in Gefahren begeben, die überall auf uns lauern. Chrétien de Troyes hat seinen Ritterroman, der heute den Titel Perceval trägt, nicht beendet, die Gelehrten gehen davon aus, dass er starb, bevor er des Gralsrätsels Lösung niederschreiben konnte.

Ich muss den letzten Teil dieses kurzen historischen Abrisses hastig erzählen, denn gleich erscheint der Novize zu seinem Unterricht. Er ist ein kluger Junge, und ich bringe ihm bei, wie man schreibt, wie man eine Feder benutzt und die Pigmente mischt, die wir verwenden, um Buchmalereien zu restaurieren.

Nach Chrétiens Tod bearbeiteten gelehrte Brüder des Zisterzienserordens seinen Perceval. In ihrer Fassung verlassen eine Reihe christlicher Ritter Arthurs Hof, um einen leuchtenden Gral zu erlangen, den man über der Tafelrunde hat schweben sehen. Dieser neue Gral besitzt magische Kräfte und vermag eines jeden Wünsche zu erfüllen.

Nach mannigfachen Kämpfen und langer Suche überleben drei Ritter: Perceval, Bors und Galahad. Sie gehen an Bord eines Schiffes, das der biblische König Salomo durch die Zeiten geschickt hat, um die heilige Insel Sarras zu erreichen. Hier sieht Galahad Gott im Gral, und hier steigt der Gral zum Himmel auf. Galahad, der Andächtigste unter den Rittern, geht mit.

Die römisch-katholische Kirche heißt die Erzählung der Zisterzienser gut – nicht die von Chrétien de Troyes –, denn in der Tat sind die Ritter in der Suche nach dem Heiligen Gral fromm wie Priester und streben nach Heiligkeit.

Welche Fassung der Erzählung tatsächlich angemessener ist, vermag ich nicht zu sagen.

Ich gestehe, dass die Person, die mich aufgefordert hat, dies zu schreiben, Arthurs Taufe als Zeichen dafür deutet, dass der König aufs Neue nach dem Gral suchen wird; jedoch kann ich mich dazu jetzt nicht weiter äußern, denn der Novize ist schon auf der Treppe und kommt zu seinem Unterricht.

Nachdem ich bereits mannigfache geschichtliche Werke sowohl zur Philosophie als auch zu den historischen und weltlichen Taten großer Eroberer und Prinzen erstellt und vollendet hatte, ebenso wie bestimmte Exempelbücher und Doktrinen, bat mich ein edler Herr aus diesem Königreich England, die Geschichte des Heiligen Grals und des berühmtesten christlichen Königs, König Arthur, zusammenzustellen und zu drucken, an den wir Engländer uns vor allen anderen christlichen Königen erinnern sollten.

Um besagtes Buch zu vollenden, das ich an alle Prinzen, Lords und Ladys richte, an alle Herren und Damen, die von der edlen und erquicklichen Geschichte König Arthurs lesen oder hören wollen, präsentiere ich, William Caxton, von schlichter Herkunft, nachfolgenden Text, dessen Druck ich gewagt habe: eine Abhandlung edler Taten, ritterlicher Waffentaten, von Tapferkeit, Unerschrockenheit, Menschlichkeit, Liebe, Höflichkeit und großer Zärtlichkeit, voller wunderschöner Geschichten und Abenteuer.

Und dieses Buch zu lesen soll ein erfreulicher Zeitvertreib sein, doch zu glauben und darauf zu vertrauen, dass alles hierin Enthaltene der Wahrheit entspricht, obliegt dem geneigten Leser.

William Caxton

Le Morte d’Arthur, Vorwort

Und als die Mette und die erste Messe vorbei waren, sah man auf dem Kirchhof, dem Hochaltar gegenüber, einen großen viereckigen Stein, ähnlich einem Marmorblock, und in der Mitte war etwas wie ein stählerner Amboss, etwa einen Fuß hoch, und darin stak ein blankes Schwert, als wäre es ganz hineingestoßen, und um das Schwert herum standen goldene Buchstaben, die besagten:

Wer immer dieses Schwert aus diesem Stein und Amboss zieht, der ist rechtmäßig geborener König von England.

So kamen zu Lichtmess viele große Herren dorthin, um das Schwert zu gewinnen, aber keiner konnte siegen.

Und zu Pfingsten versuchten allerhand Männer, das Schwert herauszuziehen, aber keiner vollbrachte es außer Arthur, der es vor den Herren und Gemeinen herauszog, die dort versammelt waren. Daraufhin riefen alle mit einer Stimme: »Wir wollen Arthur zu unserem König haben, denn wir alle sehen, es ist Gottes Wille, dass er unser König sei, und wer gegen ihn steht, den erschlagen wir.«

Le Morte d’Arthur