Joachim Wehrenbrecht (Hg.)

7 Todsünden

7 Reden

7 Erfahrungen

Die Sünde macht den Menschen menschlich, die Liebe macht ihn göttlich.

Joachim Wehrenbrecht

Vorwort

Angefangen hat die Aufstellung eines Lasterkatalogs in der Geschichte des Christentums mit der Eremiten- und frühchristlichen Mönchsbewegung im späten dritten Jahrhundert nach Christus. Von Evagrius Ponticus (345-399) ist der älteste Lasterkatalog mit 8 Lastern überliefert.

In ihrer Einsamkeit oder in klosterähnlichen Gemeinschaften waren es die Wüstenväter, die sich von der geschäftigen und lauten Welt abkehrten. Sie waren in damaliger Zeit die Selbsterfahrungsprofis in Seelenkunde. Die Selbstinspektion förderte jede Menge seelischen Schrott, Laster und Zwänge zu Tage. Diese Selbsterkenntnis führte zur Verzweiflung, zu einem Absterben des eigenen Egos und zu einer radikalen Hinwendung zu Gott. Allein im Erfahrungsraum der Liebe Gottes konnte Heil trotz sündhafter Laster erfahren werden.

In den 7 Reden fragen die Autorinnen und Autoren danach, wie sich die im Kulturgedächtnis der Menschheit aufbewahrten 7 Todsünden heute zeigen. Unabhängig von Kultur und Religion sind Zorn, Wollust, Geiz, Trägheit, Neid, Völlerei und Hochmut globale Verhaltensweisen, positiv wie negativ.

Dem Zorn geht immer eine Kränkung voraus, so die These, die Joachim Wehrenbrecht entfaltet. Im Unterschied zur Wut richtet sich der Zorn immer gegen eine Person oder eine Gruppe. Der Mensch kann auf sich selbst wütend sein, er kann sich selbst hassen, aber zornig sein auf sich selbst ist ihm fremd. Die Energie, die der Zorn freisetzt, kann schnell in Gewalt umkippen, muss aber nicht. Es gibt auch einen gerechten Zorn, der auf Veränderung drängt und Gerechtigkeit fordert.

Mit der Wollust beschäftigt sich Jochen Remy. Er weist darauf hin, dass im lateinischen Wort Luxuria die Herkunft von Luxus steckt. Es geht bei der Wollust in der Tiefe um den Verlust des rechten Maßes, um Überschreitung von Grenzen, immer auch um die Freiheit und Würde des oder der anderen. In der Sexualität sieht Remy das rechte Maß überschritten, wenn der Mensch zum Sexobjekt degradiert wird und zu Handlungen gezwungen wird, die gegen seinen Willen sind.

Mit dem Geiz setzt sich Renate Fischer-Bausch auseinander. Sie stellt dem Geiz und der Gier die Idee und die Praxis der Teilhabe entgegen. Neben den strukturellen Problemen, die unsere Art des Wirtschaftens – die u.a. auf Geiz und Gier aufbaut – mit sich bringen, wendet sich Fischer-Bausch der zerstörerischen Wirkung von Geiz in zwischenmenschlichen Beziehungen zu. Empirische Studien zeigen auf, dass Geiz als Charaktereigenschaft in der Partnersuche ein Ausschlussgrund ist. In der Partnerwahl kommt der Geiz schlecht weg, weil Liebe Hingabe und ein Sich-Verschenken an ein Du bedeuten.

Die Trägheit wird von Katharina Opalka erschlossen. Sie verweist auf den ursprünglichen Sinn des Begriffs bei Evagrius Pontikus. Trägheit ist nicht einfach Faulsein, sondern die Unfähigkeit ganz im Hier und Jetzt zu leben. Der Aktionist kann genauso träge sein wie der Müßiggänger. Opalka zeigt auf, was das für unser Aktiv- oder Passivsein bedeuten kann.

Der Neid hat viele Gesichter. In einige davon lässt uns Erhard Lay schauen. Rivalität und Geschwisterneid gehören dazu. Lay erinnert daran, dass der erste Mord in der Bibel ein Brudermord ist. Er gibt zu bedenken, dass alles zwei Seiten hat. Das, was ein Mensch beneidet, hat einen Preis. Lay fragt: Sind wir bereit, den Preis dafür zu zahlen?

Bei der Völlerei gibt es viel zu sehen. Sie geschieht im Gegensatz zu vielen anderen Todsünden nicht im Verborgenen, sondern offensichtlich. Früher galten Fresser und Weinsäufer als Menschen, die allein auf ihren Bauch fixiert waren. Der Bauch – so der Vorwurf der Kirche – war ihr Gott. Die zweite fleischliche Todsünde ist wieder in Mode gekommen, wenn auch unter einem anderen Vorzeichen. Ein deutliches Sigma des Körperkults ist der gegenwärtige Streit um die richtige Ernährung. Das Essen ist zum Bekenntnis geworden, die Speisen werden religiös aufgeladen. Die Konfirmandin Hannah Kreuer nimmt in ihren Zeilen den Dönerkult vieler Schülerinnen und Schüler auf’s Korn.

Die Mutter aller Sünden, der Hochmut, wird von Britta Schwering vorgestellt. Hochmut ist für Schwering eine Gestimmtheit, eine innere Haltung, die andere richtend herabsetzt. Hochmut kommt immer asymmetrisch daher. Es gibt ein Oben und ein Unten, das Begegnung auf Augenhöhe verhindert. Hochmut stellt die Frage nach Macht und Ohnmacht, nach Nähe und Distanz.

Zu den 7 Reden über die 7 Todsünden gesellen sich 7 Erfahrungen. Es sind Alltagserzählungen, die es in sich haben. Ich bedanke mich für die Abdruckerlaubnis bei den Autorinnen und Autoren, allesamt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Redaktion oder aus dem Umfeld von Andere Zeiten e.V., die ihre Texte in wandeln – Mein Fasten-Wegweiser 2019 veröffentlich haben.

Es ist immer wieder verblüffend, Synchronizität zu erleben. Da beschäftigen wir uns mit einem Thema, und auf einmal begegnet es uns mehrfach. So ist es mir dieses Jahr mit dem Fasten-Wegweiser von Andere Zeiten gegangen. Nicht nur in den Herzogenrather Passionspredigten, auch im Fasten-Wegweiser 2019 waren die 7 Todsünden Thema.

„Traditionell wurde, um Menschen von den Todsünden abzuhalten, gepredigt und gedroht – und das massiv. Neidlingen wurden in der Hölle die Augen zugenäht, Lüstlingen die Schleimhäute versengt. Androhungen sind nicht das probate Mittel, um Menschen von den schädigenden Varianten der Todsünden abzuschrecken. Im Gegenteil: Die Angst begünstigt sie gerade. Viel wirksamer ist eine Kultur der gegenseitigen Wertschätzung, der Anerkennung und des authentischen Lobes“, schreibt Anton Bucher in seiner psychologischen Studie zu Geiz, Trägheit, Neid &Co (S.181).

Der Herausgeber hofft, dass der Geist des Evangeliums in den 7 Reden und 7 Erfahrungen deutlich vernehmbar wird.

Herzlichen Dank sage ich allen, die zur Veröffentlichung dieses Buches beigetragen haben, besonders aber meiner Lektorin Juliane Siekmann, die auch das Layout entworfen hat.

Joachim Wehrenbrecht

IRA

Zorn, Rachsucht, Launenhaftigkeit, Wut