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Nr. 3036

 

Das telekinetische Imperium

 

Auf Spurensuche in Ancaisin – Terraner erkunden die Weemwelt

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Donn Yaradua

2. Farye Sepheroa

3. Donn Yaradua

4. Farye Sepheroa

5. Donn Yaradua

6. Farye Sepheroa

7. Donn Yaradua

8. Farye Sepheroa

9. Die Aanweem

10. Donn Yaradua

11. Farye Sepheroa

12. Donn Yaradua

13. Farye Sepheroa

14. Donn Yaradua

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine sogenannte Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher seines Schiffes RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Weil er mehr über die Hintergründe wissen will, ist Rhodan mit der RAS TSCHUBAI in das geheimnisvolle Galaxien-Geviert aufgebrochen, über 270 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Von dort stammen die Cairaner, die neuen Schutzherren in der Menschheitsgalaxis.

Das Galaxien-Geviert stand früher angeblich unter dem Schutz der VECU, einer bisher unbekannten Superintelligenz. Hier suchen die Terraner nach Hinweisen und Hilfsmitteln – ein neuer Kontakt ist DAS TELEKINETISCHE IMPERIUM ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Donn Yaradua – Der Metabolist muss mehrmals improvisieren.

Farye Sepheroa – Perry Rhodans Enkelin sorgt sich um ihre Freundschaft.

Jalland Betazou – Der Onryone erforscht fremde Welten und Sinne.

Perry Rhodan – Der Terraner bereist eine beinahe verwaiste Galaxis.

Er wirbelte durch dunkles Wasser, vorbei an Korallenstöcken und bizarren Felsformationen. Alles in seinem Körper tat weh, trotz der Schmerzmittel, die der SERUN durch ihn gepumpt hatte.

Er hatte nicht mehr viel Zeit. Sein Kreislauf drohte zu kollabieren. Niemand wusste besser als er, was danach geschehen würde.

Es war einerlei, jeder Gedanke an das eigene Schicksal schien verschwendet. Er konzentrierte sich ausschließlich auf ...

Nein.

... auf Farye.

Nein.

So viel ungesagt ...

Er ließ los, ließ es geschehen.

 

 

1.

Donn Yaradua

 

Die Sternregion der Weemwelt.

Unzählige Sonnen ließen das Zentrum der Galaxis wie eine grellweiße und undurchdringliche Mauer wirken. Erst in der Feinauflösung wurden die Entfernungen der Sterne zueinander und die Tiefe der Betrachtung deutlicher.

ANANSI, die Semitronik der RAS TSCHUBAI, blendete den Reisevektor des Schiffes ein. Die Sonnen in der zentralen Holokugel fächerten weiter auseinander, wichen zur Seite und sausten in atemberaubendem Tempo an Donn Yaradua vorüber.

Er schloss die Augen und machte sich bewusst, dass er in der Zentrale eines Raumschiffs saß und nicht leibhaftig mit irrwitziger Geschwindigkeit durchs All raste. Seine bildliche Vorstellungskraft war zu gut ausgeprägt. Er kippte in derlei Betrachtungen und tat sich schwer, sich wieder daraus zu befreien.

Das Zentrum der elliptischen Galaxis Ancaisin also. Ein für Terraner unbekanntes und rätselhaftes Gebiet.

Yaradua rief sich in Erinnerung, was Zemina Paath aus den Erinnerungen des Thesan erfahren hatte. Perry Rhodan hatte sie ausführlich besprochen und kommentiert. Die offen gestaltete Dokumentation war an Bord der RAS TSCHUBAI tausendfach abgerufen worden. Jedermann im Schiff wusste über den Zweck ihrer Suche in der Vecuia Bescheid, in dieser aus vier Galaxien bestehenden Region, die einstmals von der VECU, einer im kosmokratischen Auftrag wirkenden Superintelligenz, beschützt worden war.

Es gab eine ausführliche und der Geheimhaltung unterliegende Analyse Rhodans, in der die Sternregion der Weemwelt eine prominente Rolle erhalten hatte.

Perry Rhodan hatte seinen Fokus stets auf diesen Bereich der Galaxis Ancaisin gelegt. Er galt als das Siedlungsgebiet der Aanweem, eines verbreiteten, den Galaktikern aber bislang unbekannten Volkes, und war bloß durch einen schmalen Raumbereich vom Sternenreich der Cairaner getrennt.

»Du wirkst nachdenklich«, sagte Farye Sepheroa und trat nahe an Yaradua heran.

»Ich wirke immer nachdenklich. So sagt man zumindest.« Er hielt den Atem an.

Farye verwirrte ihn manchmal derart, dass er nicht die richtigen Worte fand. Was hatte er eigentlich sagen wollen? Sicherlich nicht so sagt man zumindest.

»Woran denkst du?«, hakte sie nach.

»An biochemische Reaktionen.« Er ahnte, dass ein arkonidischer Extrasinn – den er zum Glück nicht hatte – ihn für diese Antwort mit Narr! tituliert hätte.

»Wie ... aufschlussreich.«

Es klang nicht so spöttisch, wie er befürchtet hatte. Aber Biochemie war nun einmal ein besonderer Teil seines Wesens: Als Metabolist konnte er auf die biochemischen Prozesse anderer Wesen zugreifen, sie beurteilen und gegebenenfalls beeinflussen. Er hatte lange gebraucht, um diese Fähigkeit in den Griff zu bekommen.

Aber weiterhin kostete es ihn gehörige Anstrengung, sie nicht unbewusst weiterlaufen zu lassen, während er sich unter Leuten bewegte. Und schon gar nicht Leuten, die ihm etwas bedeuteten. Diese besondere Wahrnehmung verfälschte das wirkliche Leben durch ihre spezifische Objektivität.

»Dann brauchst du mich ja nicht«, sagte Farye leichthin, und er merkte, dass er zu lange geschwiegen hatte. Warte!, wollte er sagen, aber da war sie bereits gegangen.

Er seufzte leise. Es war normalerweise ideal, mit Farye zusammenzuarbeiten, sie verstanden einander, vertrauten einander, spielten einander die Bälle zu.

Und doch ...

»Probleme?«, fragte Icho Tolot mit einem halutischen Flüstern.

»Es ist alles in Ordnung.«

»Ich habe seit über dreieinhalbtausend Jahren mit euch Terranern zu tun. Glaub mir: Ich kenne menschliche Verhaltensmuster. Ein berühmter akonischer Philosoph schrieb einmal, Menschen seien erstaunliche Geschöpfe, weil man in einem Monat alles Wissenswerte über sie lernen könne ... und sie brächten es dennoch fertig, einen nach hundert Jahren noch zu überraschen.«

»Es ist ... eben kompliziert.«

»Das ist es immer. Und doch sind alle im Kern gleich.«

»Ach, du verstehst mich einfach nicht, Icho.«

Das Lachen des Haluters fiel angenehm leise aus. »Ich bin schließlich nur ein Haluter, meinst du das? Wie könnte ich da Menschliches verstehen? Ich sage nur so viel: Eingeschlechtlichkeit hat auch ihre Vorteile.«

»Nein, darum geht es doch nicht«, wehrte Yaradua jede Andeutung ab.

»Ach nein? Vielleicht kenne ich euch Menschen doch zu wenig.«

Auch ein halutisches Kichern konnte eine ohrenschmerzende Lautstärke erreichen. ANANSI schuf ein lärmdämmendes Feld, das Yaradua schützte.

Icho Tolot stapfte nach einem freundlichen Gruß davon und stellte sich neben Perry Rhodan, der sinnend auf mehrere Holos starrte. Der Haluter überragte den Terraner um fast das Doppelte.

Verdammt!, dachte Yaradua.

 

*

 

Sie hatten die genauen Daten über das Gebiet der Aanweem aus einem abgestürzten cairanischen Raumer geborgen. Diese hatten sie zu einem blauen Stern der Klasse O geführt, in dessen Ortungsschutz sich die RAS TSCHUBAI derzeit verbarg. Rhodan hatte das Gestirn auf den Namen Schutzdach getauft.

Donn Yaradua lauschte dem Durcheinander in der Zentrale. Ab und zu gellten Rufe durch den Raum, die allen galten, meist aber erfolgte die Verständigung über Akustikfelder mit einer exakt begrenzten Anzahl an Zuhörern.

Die Funkabteilung tauschte sich mit der Ortungsabteilung aus, die Defensive mit der Offensive, der Pilot und der Kommandant mit ihren nachgeordneten Offizieren, die Wissenschaftsabteilung oftmals mit der schiffsinternen Technik.

Yaradua sah das bunte Treiben auf einer anderen Ebene, sobald er seine metabolistischen Fähigkeiten schweifen ließ. Unter der Oberfläche regte sich schläfrige Müdigkeit, kochten Aggressionen, brodelte Ungeduld ... Aber das fachliche Zusammenspiel funktionierte, und Cascard Holonder, der ertrusische Kommandant, war sichtlich zufrieden mit der guten Zusammenarbeit seiner Leute.

In Yaraduas Wahrnehmung gab es bei Holonder kaum Gefühlsspitzen, und wenn sich eine abzuzeichnen begann, griff der Kommandant stets zu seinem Kritzelblock, und alles beruhigte sich wieder. Ein einziges Mal hatte Yaradua – aus selbstgefälliger Langeweile, wie er sich selbst eingestand – versucht, Durst und Ungeduld in dem Ertruser wachzurufen. Er war gescheitert.

Was er auch tat: Durch das Kritzeln stand dem Kommandanten ein Ventil zur Verfügung, das offensichtlich stärker war als die Paragabe von Donn Yaradua. Darin hatte er seinen Meister gefunden, und von diesem Zeitpunkt an respektierte er Holonder umso mehr.

»Die Investigator-Sonden liefern erste Ergebnisse«, meldete Lit Olwar, der imartische Ortungschef, der die Zentrale kaum jemals verließ. Wann schlief der Mann eigentlich? »Sie haben einige Dutzend deltaförmige Raumschiffe in der vorgeblich neutralen Zone erfasst«, fuhr er fort. »Schiffe der Phersunen.«

Phersunen. Die Mörder der Materie.

Yaradua fragte sich, ob und wann er diesen geheimnisvollen Wesen begegnen würde. Er wusste nicht so recht, ob er sich dafür fürchten sollte oder nicht. Schließlich galten sie bis auf Weiteres als Verheerer des Galaxien-Gevierts und Vernichter der Vecuia.

Bislang waren die Galaktiker bloß Kampfrobotern der Phersunen begegnet: hantelförmigen, veilchenblau schimmernden Dingern, fast drei Meter lang, die enorme Feuerkraft entfachen konnten und kompromisslos vorgingen. Die beiden Köpfe hatten einen Durchmesser von etwa siebzig Zentimetern. In ihnen waren Waffenprojektoren verborgen. Sie schossen mit so ziemlich allem: Projektile, Neuroschocker, Desintegrator und Impulsstrahler hatten sie bereits eingesetzt. Und verborgen im Rumpf trugen sie bis zu zwei Meter lange Tentakelarme, die als Multifunktionswerkzeug dienten, aber auch Schläge austeilen konnten.

Es schien, als wäre ihr einziger Daseinszweck die Vernichtung fremden Lebens.

»Ich will genauere Daten und Informationen haben«, verlangte Holonder. »Wie viele Deltaraumer sind es wirklich, wie sind sie verteilt? Sind sie einzeln unterwegs, paarweise oder fliegen sie in Geschwadern? – ANANSI, du unterstützt die Ortung so gut wie möglich! Ich will absolute Datenreinheit. Rechnet mit der strategischen Abteilung mögliche Defensivszenarien durch, sollten wir hier entdeckt werden.«

»Selbstverständlich«, sagte die Semitronik.

Holonder gab weitere Anweisungen, allerorts entstand hektische Betriebsamkeit. Der Kommandant selbst, Rhodan, Icho Tolot und die Wissenschaftlerin Sichu Dorksteiger bildeten eine Oase der Ruhe inmitten der Zentrale. Sie sagten nur wenig – und dennoch machte es den Eindruck, als würden sie die Geschehnisse dirigieren.

»Eine der InSos hat ein ehemaliges System in 5,8 Lichtjahren aufgesucht und erforscht«, sagte Olwar.

»Etwas präziser, bitte!«, verlangte Holonder. »Was meinst du mit ehemaliges System?«

»Die gelbe Sonne steht allein da. Alle Messungen deuten darauf hin, dass sie früher von sechs bis sieben Planeten umkreist wurde.«

»Sie wurden annihiliert«, sagte Rhodan mit betroffen klingender Stimme.

»Richtig. Die InSo hat mehrere Wolken Grauer Materie entdeckt, die sich aus dem System bewegen.«

»Ich will mehr darüber wissen. Schickt weitere InSos vor Ort. Die Verwandlung in Graue Materie soll in Simulationen rückwärts abgewickelt werden. Wo befanden sich die Planeten, in welchen zeitlichen Abständen wurden sie annihiliert, wie groß ist der mögliche Energieaufwand dafür gewesen? Die Wissenschaftsabteilungen sollen sich mit dem Masseabfluss beschäftigen. Was ist mit der Entropie? Gibt es Hinweise auf die verwendeten Mittel? – Das übliche Programm halt, nur gründlicher.«

Yaradua konzentrierte sich auf das Geschehen in der Schiffszentrale, versuchte das Ausmaß der Wechselwirkungen festzustellen. Neue Informationen der InSos trudelten ein, Lit Olwar bereitete sie auf und fügte sie in das bisherige Gesamtbild ihrer Beobachtungen ein.

»Der Bereich direkt um die Weemwelt scheint frei von phersunischen Schiffen zu sein«, sagte er. »3,5 und 4,4 Lichtjahre vor der Weemwelt liegen Sonnensysteme mit zwei K-Sternen. Gemäß den cairanischen Sternenkatalogen heißen sie Ketoom und Woloo.«

Alte, orange leuchtende Sterne mit vermutlich wenigen Planeten und relativ geringen Oberflächentemperaturen, rief sich Yaradua die astronomischen Charakteristika von K-Sternen in Erinnerung.

»Das sind die nächsten Ziele der Phersunen, nehme ich mal an«, mutmaßte Rhodan.

»Das ist ja das Interessante.« Lit Olwar schüttelte den Kopf. Sein tonnenförmiger Brustkörper hob und senkte sich. Er war aufgeregt und atmete rascher als sonst, mindestens dreimal in der Minute. »Die Phersunen belagern die beiden Systeme, dringen aber nicht weiter vor.«

»Das bedeutet?«

»Wir schnappen da und dort Fetzen der Hyperfunk-Unterhaltungen der Phersunen auf. Sie sind nicht sonderlich ergiebig, und die Zusammenhänge bleiben größtenteils unklar. Aber es gibt Begriffe, die immer wieder auftauchen. Einer davon ist Sperre.«

»Sie stoßen also vermutlich auf ein Hindernis, das sie nicht knacken können. – Was habt ihr noch herausgefunden?«, hakte Rhodan nach.

»Sie reden über Unzugänglichkeit. Ablenkung. Etwas, das noch nicht genau definiert ist und das die Xenolinguisten vorerst mit Raumspannung übersetzen.«

»Ich verstehe. Wie viele InSos überwachen die Deltaraumer der Phersunen?«

»Sechs derzeit.«

»Schick weitere hin! Sieh zu, dass sie unsere Freunde einkreisen und jede Bewegung, jeden Hyperfunkspruch, jeden Mucks anmessen.«

Die Investigator-Sonden waren ein Prunkstück rudynischer Militärfertigung, wie Yaradua wusste. So groß wie Space-Jets und vollgestopft mit Raumschiffs- sowie Ortungstechnologie, waren sie in der Lage, in einem Umkreis von eintausend Lichtjahren intensive Forschungsarbeit zu erledigen. Man sagte, dass sie aus einer Entfernung von einer Lichtsekunde ein Insekt erkennen und identifizieren konnten. Das war gewiss eine Übertreibung; dennoch galten die InSos als eine der wichtigsten technischen Weiterentwicklungen der letzten hundert Jahre auf Rudyn.

Aber waren sie auch gut genug, um unentdeckt zu bleiben – oder würden sie die Phersunen auf die Ankunft der RAS TSCHUBAI aufmerksam machen?

 

*

 

Neue Daten trudelten im Laufe der nächsten Stunden ein. Das vage und verschwommene Bild, das sie von den Phersunen hatten, wurde ein wenig klarer.

Die Geweihträger selbst blieben nach wie vor eine Unbekannte, ein ungreifbares Phänomen. Doch die Terraner bekamen Informationen über die Schiffe selbst.

»Die offensiven Waffensysteme sind bekanntermaßen im Außenwulst der Deltaraumer untergebracht«, fasste Valentin Taru zusammen, der Leiter der Schiffsverteidigung. »Wir wissen von Desintegratoren, Impulswaffen und Hyperenergiekatapulten. Über die tatsächliche Leistungsstärke ist noch nichts bekannt.«

Yaradua verfolgte die Unterhaltung aufmerksam. Nicht nur wegen all der neuen Informationen. Für ihn standen stets die Leute im Vordergrund. Jene, die redeten, und jene, die zuhörten. Aus ihrem Verhalten erfuhr er unglaublich viel.

Taru. Terraner. Sein äußeres Kennzeichen ist der graue, gekräuselte Bart. Für mich gibt es aber weitaus mehr zu sehen. Schmerzpole etwa. Übersteigerten Hunger. Das ging ihn nichts an.

»... wahrscheinlich die kugelförmige Steuer- und Antriebseinheit. In der zweiten, deutlich kleineren Kugel vermuten wir hingegen die Zentrale. Sie liegt in Flugrichtung vorne.«

»Was ist mit all diesen Aufbauten auf der Außenhülle des Schiffs?«, fragte Rhodan. Er deutete auf eine detaillierte Darstellung im Hologlobus.

»Dazu gibt es nur wenig zu sagen«, antwortete Taru. »Wir haben Messstationen identifiziert, Lagergruben für Sonden, Observatorien. Das Übliche halt. Alles, das man auch auf den Außenhüllen terranischer Schiffen erwarten würde. Die Strukturierung ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Unterseite des Trapezes unterscheidet sich deutlich von der Oberseite ...«

»Was habt ihr über die Außenhülle? Ich weiß nicht, woran ich es festmachen soll, aber dieser violette Schimmer ist unerträglich.« Rhodan blinzelte. »Diese Farbe tut in den Augen weh.«

»Es wird Shillad-Metall genannt. Mehr als dieses eine Wort gibt es noch nicht.«

»Wie sieht es mit den Defensiveinrichtungen aus?«

»Ein bläulich schimmernder Paratronschirm. Das ist alles vorerst.«

»Weiter, Valentin!«

»Die InSos haben drei Schiffstypen entdeckt und identifiziert. Die TUNUSH-Klasse mit einer Seitenlänge des Trapezes von 800 Metern und einer Dicke von 80 Metern. Die NURPHO-Klasse mit 1600 Metern Seitenlänge und 160 Meter Stärke. Die SEMSHAD-Klasse. Seitenlänge 3200 Meter, Dicke 320 Meter.«

»Das Verhältnis liegt also stets bei zehn zu eins.«

»Ja. Die beiden Kugeln stehen in einem Größenverhältnis von vier zu eins zueinander. Die TUNUSH-Schiffe haben zum Beispiel Antriebseinheiten mit zweihundert Meter Durchmesser und eine Zentraleinheit mit fünfzig Meter Durchmesser.«

»Noch etwas?«

»Es gibt einige technische Details, die uns nicht ganz klar sind ...«

»Danke, Valentin. – Könnten wir es mit einem Raumer oder auch zehn oder hundert feindlichen Raumern aufnehmen?«

»Um das sagen zu können, ist die Informationslage zu dünn.«

»Ich möchte Näherungswerte haben.«

»Bekommst du. Ach ja: Da gibt es ein Detail zu einigen Einheiten der SEMSHAD-Klasse.«

»Und zwar?«

»Sie verfügen über An- oder Unterbauten, die als Depotgerüste bezeichnet werden. Was für eine Funktion diese haben, wissen wir leider nicht.«

Ein zusätzliches Bild erschien im Hologlobus. Es zeigte eines der Trapezschiffe, dessen Unterseite einen improvisiert wirkenden Aufsatz hatte.

Yaradua versuchte, ihn einem Zweck zuzuordnen, scheiterte aber. Für Fremdtechnologie hatte er weder ein Gespür noch eine Ausbildung. Aber man konnte eben nicht überall gleich talentiert sein. Was immer dieses Depotgerüst für eine Funktion haben mochte, er konnte sich keinen Reim darauf machen.

»Donn? Träumst du mal wieder mit offenen Augen?«

Er zuckte zusammen. »Ich träume nie ... oh. Verzeih, Perry. Ich habe nachgedacht. – Was hast du gesagt?«

»Ich möchte dich und Farye auf einen kleinen Ausflug schicken. An Bord der STARTAC SCHROEDER. Als Einsatzkräfte zur besonderen Verwendung unter der Leitung von Tenga und Tolot.«

Ein Außeneinsatz. Auf einem schlagkräftigen Beiboot der RAS TSCHUBAI, das diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdiente. Das Schiff der OXTORNE-Klasse maß fünfhundert Meter im Durchmesser und war mit dem Besten und Neuesten an Technik ausgestattet, das Rudyn zu bieten gehabt hatte.

Sollte er sich freuen, dass er mitgenommen wurde – oder eher Angst haben vor dem, was auf ihn zukam?

»Ja«, sagte er spröde.

»Das hört sich nicht sonderlich begeistert an.«

»Ich war gedanklich woanders, Perry.« Er räusperte sich und sah weg.

»Farye?«, fragte sein Gegenüber und lächelte.

»Ja. Nein. Ich meine ... Was haben nur immer alle? Wir sind ein verdammt gutes Team, Ende, aus. Also ...« Er verstummte.

Verdammt!

»Schon gut, Donn. Das seid ihr in der Tat. – Ich brauche dich auf der SCHROEDER und im Einsatz auf der PAQUA, falls ihr einen Fremdkontakt habt. Deine Fähigkeiten könnten euch die Zeit verschaffen, die ihr braucht. Wenn du Zugriff auf die ... anderen erhältst.«

»Phersunen«, sagte Donn leise. »Sprich es aus: die Mörder der Materie. Annihilatoren. Der Untergang für diese Mächtigkeitsballung.«

Rhodan senkte den Blick, als müsste er dringend auf sein Armbandkom sehen. »Macht euch bereit.«

Donn Yaradua unterdrückte den Impuls, dem Unsterblichen aufmunternd eine Hand auf die Schulter zu legen. »Ja. Klar. Das schaffen wir. Kleinigkeit. Schließlich haben wir Tolot dabei.«

 

*

 

»Ja. Klar. Das schaffen wir. Kleinigkeit. Schließlich haben wir Tolot dabei. – Das hast du nicht ernsthaft zu Großvater gesagt?«

Donn versuchte, irgendwohin zu blicken, nur nicht in ihr glühendes Gesicht. »Doch, jedenfalls so ungefähr, ja.«

Farye gab ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen Wutschnauben und belustigtem Glucksen lag. »Bei meinem Großvater hast du echt ein Talent, die richtigen Worte zu wählen, was? Na ja, er ist auch ein beeindruckender Mann und wahrscheinlich noch viel dämlichere Stammelei gewöhnt.«

»Ich ...«

»Aber ...«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Dass du mich da mit reinziehst und so tust, als ob wir auf Tolot angewiesen wären ... schau mal in deine Unterlagen und recherchier dein Geburtsdatum. Weist da irgendwas darauf hin, dass du ein Kindermädchen brauchst?«

Er schwieg abwartend und lag richtig damit.

»Du bist ein verdammt guter Mutant, und das weißt du genau. Du kannst nicht alles, aber auf deinem Gebiet bist du einzigartig. Okay, ich kenne auch keinen anderen Metabolisten, aber das spielt keine Rolle. Und ich – ich habe längst allen bewiesen, dass ich nicht die kleine Rhodan bin. Ich bin viele Jahre im Schatten einer tefrodischen Großmutter aufgewachsen, die Vortex-Pilotin war und im Linearraum sehen konnte. Warum sollten wir beide uns unter Wert verkaufen? Der Herr mit der vorlauten Riesenklappe und dem Hang zur Selbstüberschätzung ist mir wesentlich lieber als der zaudernde Haluterzögling, weißt du?«

Yaradua war sich durchaus darüber im Klaren, dass er nach außen ein mitunter unerträgliches Selbstbewusstsein ausstrahlte. Aber das korrespondierte nur selten mit seiner Innensicht. »Ich ...«

»Na klar weißt du das!« Sie packte ihn an den Schultern und schob ihn fest gegen die Wand. Plötzlich war ihr Gesicht so dicht vor ihm, dass er nicht mehr anders konnte, als ihr in die Augen zu sehen.

Aber was sah er da?

»Also schön: Wir schaffen, was immer uns bevorsteht. Und wir helfen Tolot dabei, dass ihm nichts geschieht. Nicht umgekehrt, verstanden?«

Sie ließ ihn los, und er lachte plötzlich laut los. Er konnte nicht anders. Sie fiel in das Lachen mit ein.

Dann war es vorüber, gleichzeitig, wie auf ein geheimes Kommando.

»Los geht's!«, sagte er. »Spielen wir Kindermädchen für unseren Haluter.«

 

*

 

Eine holografische Lichtkugel lotste Donn und Farye zu einem Transmitter, der sie an Bord der STARTAC SCHROEDER brachte. Von dort konnten sie jederzeit an Bord der angekoppelten PAQUA wechseln, die die Galaktiker von den Quantam erworben hatten. Das kleine Schiff sollte als unerkannter Erkunder dienen.

Ein neues Abenteuer begann.

 

*

 

Icho Tolot stand leicht gebückt neben der Schiffskommandantin Moana Schnebar. Unmittelbar daneben schwebte die SCHOTE, Tengas Kleinstraumschiff. Tenga war die übliche Anrede für den Siganesen Sholotow Affatenga, der sich durch seine kumpelhafte Art und den übermäßigen Genuss von Naschwerk deutlich vom Bild des typischen Siganesen unterschied. Ebenjener Tenga stand mit gespreizten Beinen auf der Außenhülle seines Schiffs und konnte dadurch tatsächlich auf Augenhöhe mit der Kommandantin diskutieren.