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Aragonisches Stilleben: Lauschige und dörfliche Idylle gibt es überall.

Markus Golletz

DIE SCHÖNSTEN MOTORRADTOUREN

PYRENÄEN

Traumtouren zwischen Atlantik und Mittelmeer

Exklusiv für Sie als Leser:

MIT GPS-DATEN ZUM DOWNLOAD

unter: gps.bruckmann.de

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Am Port de Larrau zu früher Stunde

INHALT

Von Küste zu Küste durch die Pyrenäen

Land und Leute

Die drei schönsten Anreiserouten

Praktische Hinweise

DIE TOUREN

1Um den Olymp Kataloniens

Touren rund um den Pic du Canigou

2Katharerburgen und Route des Cols

Vom Mittelmeer bis in die zentralen Pyrenäen

3Katalonische Ansichten am Cap de Creus

Küstenstraßen und mediterrane Landschaften

4Aragonische Touren um das Isábena-Tal

Durch den wilden Westen Aragóns

5Gavarnie bis Ordesa – auf dem Dach der Pyrenäen

Im Pässekarussell durch Nationalparks der Pyrenäen

6Aran, Andorra und Aude

Kammwanderung von West nach Ost durch Andorra

7Navarra und das Baskenland

Im Schmelztiegel der Sitten und Gebräuche

8Zwischen Navarra und Aragón

Unterwegs auf dem »Jakobsweg für Biker«

9Um die Sierra del Cadí

Katalonien nördlich von Montserrat-Ebene und Cadí-Bergen

Register

Impressum

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Auf der Routa viejo von Campo nach Isábena: Leere Straße mit Grasbüscheln im Asphalt

Von Küste zu Küste durch die Pyrenäen

Die Pyrenäen sind nicht nur für Neulinge eine positive Überraschung – im Besonderen begeistert der Gebirgszug durch seine Wandlungsfähigkeit. Die Landschaftsvielfalt zwischen Mittelmeer und Atlantik ist extrem, die kulturellen Unterschiede nördlich und südlich des Hauptkamms suchen in Europa ihresgleichen, und auch klimatisch bilden der französische und der spanische Pyrenäenteil zwei völlig verschiedene Welten.

Oft werden die Pyrenäen unter Motorradfahrern dem direkten Vergleich zu den Alpen ausgesetzt. Auch wenn dieser nicht so ohne Weiteres möglich ist, fällt dennoch zuerst eines auf: Die Pyrenäen liegen fernab der europäischen Ballungsräume, sind weniger überlaufen und bieten eine große Vielfalt auf engem Raum. Sie sind kein Vergleich zu den Alpenregionen wie den Dolomiten oder zum Gardasee, weil man in den Pyrenäen die Straße ganz einfach für sich allein hat. Zwar sind die Pässe nicht so hoch wie in den Alpen, trotzdem haben die Pyrenäen ein extremes Relief mit wilden Schluchten und steilen Felswänden, und nicht zuletzt ergeben sich so hervorragend kurvige Motorradstrecken!

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Päuschen auf stillgelegter Trans-Pyrenäenstraße im Aragón

Besonders Enduristen finden in den Pyrenäen ein reichhaltiges Angebot von etlichen Kilometern hochalpiner Offroadstrecken. Nachsicht ist gegenüber Natur und Anwohnern geboten, denn auch in den Pyrenäen gibt es die ersten einseitigen Sperrungen für Motorräder, die leider oft von extremen Motocrossern herrühren. Wenn wir uns auf Motorradwandern einigen, kann man mit dem Bike auch in Regionen über 2000 Meter, mit ihrer ausgesprochen schönen und empfindlichen Flora, guten Gewissens eine Rast einlegen. Die Pyrenäen-Lichtblume kann dann sogar im Herbst ein alltäglicher Begleiter sein.

Was die Unterkunft angeht, so empfehle ich, in kleinen, ländlichen Hotels, den Casa Rurales oder Chambre d’Hôtes, oder auf privaten Campingplätzen (Camping à la ferme) zu übernachten. Nur so kommt man mit Land und Leuten und mit den kulturellen Besonderheiten in Kontakt, genießt authentisches Essen – und übernachtet zudem recht preiswert.

Die Streckenwahl in diesem Buch konzentriert sich auf landschaftlich schöne Strecken, kulturelle Highlights und Sehenswürdigkeiten, die nahe an der Route liegen, und unterscheidet sich so vom Mainstream. Ein Reisehandbuch kann dieser Tourenführer dennoch nicht komplett ersetzen, er soll jedoch ein wenig zum Entdecken und Erkunden auf eigene Faust ermuntern.

Und nun wünsche ich viel Spaß und Inspiration bei Ihren Reiseplanungen mit diesem Pyrenäen-Motorradbuch, ob zu Hause oder unterwegs!

Markus Golletz, im Frühjahr 2019

Land und Leute

Gebirge zwischen zwei Meeren – Mittelmeer und Atlantik –, zwischen Frankreich und Spanien: Das sind die Pyrenäen. Knapp 450 Kilometer Luftlinie liegen zwischen den Küsten, in Straßenkilometern ein Vielfaches mehr. So unterschiedlich wie die kulturellen und klimatischen Bedingungen sind auch die Landschaften und deren Bewohner. Kurzum, die Pyrenäen sind ungemein vielfältig und damit höchst interessant zum Motorradfahren – gepflastert mit Straßen und Pässen, Bergen bis 3400 Meter Höhe, Felsenkesseln, Schluchten und Hochebenen. Die französische Seite glänzt mit dem üppigeren Grün, den älteren verwinkelten Bergstraßen und den Katharerburgen. Ganz anders verhält es sich im trockenen Aragón oder im Ordesa-Nationalpark, wo man an amerikanische Grand-Canyon-Landschaften erinnert wird. Noch weiter im Süden weichen die porösen Karstberge den Sierra-Hochebenen. Überraschend findet man hier eines der beliebtesten Canyoning-Gebiete Europas vor – in der Sierra de Guara. Insgesamt ist die Motorradsaison am Atlantik etwas kühler, was im Sommer kein Nachteil sein muss.

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Cañon de Añisclo: Naturschönheit und Top-Motorradstrecke

Sprachengewirr

An die Pyrenäen grenzen drei Länder, in denen mehr als vier Sprachen und verschiedene Dialekte gesprochen werden. Die Andorraner sprechen schon allein drei von ihnen: Katalanisch (58 %, Amtssprache), Spanisch (35 %) und Französisch (20 %). In den westlichen Pyrenäen weicht das Spanische oft dem Baskischen, und auch in grenznahen Tälern Frankeichs hört man häufig eine Mundart (Patois), die stark vom Spanischen beeinflusst ist. Der Südosten der Pyrenäen spricht überwiegend Katalanisch.

Wirtschaft und Geschichte

Bezahlt wird überall mit dem Euro, auch in Andorra, obwohl das Land nicht an der Europäischen Währungsunion beteiligt ist. In Andorra werden wirtschaftlich gesehen die größten Umsätze erzielt, was sich an einem beträchtlichen Bruttosozialprodukt ablesen lässt, denn Andorra ist zollfrei und ein Steuerparadies. Die potenteste Region auf französischer Seite ist die um Toulouse. Hier gibt es viele Zulieferer für die Luft- und Raumfahrtindustrie (Airbus). Besonders gewinnt in den Pyrenäen aber der Dienstleistungssektor dazu. Während Bergbau und Textilindustrie einem kontinuierlichen Niedergang entgegensahen, entwickelte sich das touristische Gewerbe besonders an den Nationalparks, in Lourdes und am Jakobsweg sehr gut. Ähnlich gut gestellt sind auch Katalonien und das Baskenland, letzteres vor allem mit seinen häufig kooperativ wirtschaftenden Industriebetrieben. Aragón ist zwar nicht arm, doch sind die nördlichen Landesteile in den Pyrenäen deutlich strukturschwächer. Aragón hat als Kapital eine wunderbare Natur, von der allmählich Sommer- und Wintertourismus profitieren.

In den gesamten Pyrenäen spielt die Landwirtschaft mit ihrer Viehhaltung die größte Rolle. Das bemerkt man im Aragón, wenn man an den vielen Schweinemastbetrieben (zu erkennen an den Futtersilos) vorbeifährt. Spaniens aromatische Serrano- und Iberico-Schinken werden in den Pyrenäen und in südlicheren Landesteilen erzeugt. Aragón ist auch eine autonome Gemeinschaft innerhalb Spaniens, die den höchsten Prozentsatz an verlassenen Siedlungen hat. Annähernd 400 Dörfer sollen es sein, und in vielen von ihnen findet man oft einen der unverputzt errichteten Schweinemastställe. Viele von ihnen werden wieder aufgegeben, denn im Aragón besteht auch heute noch eine extreme Landflucht. Gründe für die ländliche Armut in den Pyrenäen gehen bis auf das Franco-Regime zurück. Zur Zeit des faschistischen Machthabers wurde Aragón wirtschaftlich systematisch abgehängt, um die Menschen aus der unkontrollierbaren Bergregion, die als Hort des Widerstands galt, in die Städte des Südens zu zwingen. Francos Zwangsumsiedlungen sind auch aus anderen spanischen Regionen bekannt: Aus Granada und Valencia wurden Menschen gegen ihren Willen nach Katalonien und vor allem ins Baskenland umgesiedelt. Man hoffte, so die Separatisten zu unterwandern und sie gefügig zu machen.

Topografie der Pyrenäen

Die Pyrenäen sind geologisch betrachtet älter als die Alpen. Von Osten nach Westen gesehen, steigen die Pyrenäen vom Mittelmeer/Cap Creus mit weniger als zehn Kilometer Breite allmählich an. Der Pass, an dem die Autobahn den Kamm überquert (Col du Perthus), ist gerade mal 290 Meter hoch. Danach beginnt ein kontinuierlicher Anstieg zum Pic du Canigou. Sein Gipfel liegt in Frankreich und knackt die 2600-Meter-Marke; dann führt der Kamm in noch größere Höhen nach Andorra. Zuvor trifft man auf eine kontinentale Hochebene (1200–1800 m) bei Puigcerdà, in der das schöne Aude-Tal seinen Ursprung hat.

Andorra la Vella (das alte Andorra) setzt dem Ganzen die Krone auf, auch wenn es nicht unbedingt das schönste Gebiet der Pyrenäen ist – Bausünden haben ihren Anteil daran. Nach Andorra bleibt es hoch, im Aran macht die Grenze einen Schlenker zugunsten Kataloniens und beherbergt das Aran-Tal mit seinem Sonderstatus in verschiedener Hinsicht: Es gehört zu Spanien, liegt aber auf der Nordseite der Pyrenäen. Zwischen dem Aran und Andorra sind die Pyrenäen am breitesten, zum Atlantik nehmen sie nun etwas ab. Hier sind auch die höchsten Gipfel, wie der des Pic d’Aneto (3404 m) im Maladeta-Massiv, zu finden. Etwa in ihrer Mitte bieten sie die eindrucksvollsten Landschaften: den Cirque de Gavarnie, den Cirque Troumouse und sein spanisches Gegenstück, den Ordesa-Nationalpark. Riesige Felskessel mit Wasserfällen (graves) in Frankreich oder canyonartig anmutende Felslandschaften im Ordesa-Park bringen die ganze Pracht der zentralen Pyrenäen zum Ausdruck. Hohe Pässe wie Pourtalet, Somport und Tourmalet liegen grenznah oder queren den Kamm, bis das Höhenniveau der Pyrenäen nach Navarra und zum Atlantik hin deutlich abflacht. In Spanien reichen die Berge noch bis an Pamplona heran und gehen dort in den baskischen und kantabrischen Gebirgszug über. Wo die Berge an der Grenze am Atlantik bis ans Meer reichen, ist besonders auf der französischen Seite sehr schnell Schluss mit den Pyrenäen. Der Aussichtspunkt la Rhune (905 m) ist die letzte höhere Bastion des Gebirges. Richtung Bayonne und nach Norden weichen die Pyrenäen den Stränden und Kiefernwäldern des Landes.

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Serraduy im Isabenatal: Von hier aus ist es nicht weit zum Col du Vent.

Mit knapp 3500 Meter Höhe sind die Pyrenäen zwar niedriger als die Alpen, die mittlere Höhe ist den Alpen aber ebenbürtig. Das liegt daran, dass die Pyrenäenpässe nicht so tief eingeschnitten sind, wodurch das Gebirge weniger zerklüftet, aber insgesamt massiver wirkt. Obwohl zwei Drittel der Pyrenäen zu Spanien gehören, findet man die Mehrzahl der befestigten Pässe auf französischer Seite. Dies liegt nicht nur an der stärkeren Besiedlung und dem daraus resultierenden höheren infrastrukturellen Interesse Frankreichs, sondern auch an der Morphologie der Pyrenäen, die nach Norden (Frankreich) hin relativ schroff und steil abfallen. Der Übergang zur Ebene des Ebro auf spanischer Seite vollzieht sich viel allmählicher. Das schroffe und steilere Relief in Frankreich sorgt besonders um den Col du Tourmalet, den Col d’Aubisque und beim Cirque de Gavarnie für sehr spektakuläre Straßen! Die spanische Seite ist nicht minder interessant, dort trifft man auf eine völlig andere Geologie und eine wärmere Klimazone. Erosion und an Utah erinnernde trockene Canyon-Landschaften prägen hier oft das Bild, bis die Pyrenäen sanft nach Süden in die Sierra-Gebiete Aragoniens, Kataloniens und des Baskenlands auslaufen.

Infrastruktur

Seit Spaniens EU-Beitritt 1986 flossen Milliardenbeträge in den Verkehrssektor und damit in den Straßenbau. Wen wundert es da, dass Straßen in den spanischen Pyrenäen im Durchschnitt neuer und besser ausgebaut sind als in Frankreich. Das kam einigen infrastrukturschwachen Regionen zugute. Mancherorts fragt man sich zwangsläufig, auf welcher Grundlage bzw. welchem Verkehrsgutachten derartige Highways gebaut wurden. Nicht selten begegnet man über Stunden keiner Menschenseele. Auch von Korruption ist die Rede.

Nur wenige Hauptstraßen überqueren die Pyrenäen in Nord-Süd-Richtung. Für eine Ost-West-Querung muss man immer wieder weit nach Norden oder Süden ausweichen; nur Enduristen werden entlang des Hauptkamms fündig. Spanien baut kontinuierlich an einer »Transpyrenaica«, einer Verbindung zwischen den Meeren, die nicht fern der Grenze verläuft. Zwischen Ainsa und Campo ist bereits ein Stück fertig, verwaist sieht man neben der neuen Trasse noch die geschwungenen alten Straßen und Brücken.

Straßenbaulich hat Frankreich mehr »altes Europa« zu bieten, die Straßen sind zum Teil recht abenteuerlich, manchmal geflickt, aber zumindest dem Verkehrsaufkommen angemessen. Vielleicht hätte man die Gelder gerechter aufteilen sollen? Schade ist es um die altbackenen Kurvenstrecken, die in Spanien nun durch »Startbahnen« und Hochsicherheitstunnel ersetzt wurden. Vor allem Durchgangsstraßen wurden und werden (leider) vor allem für den grenzüberschreitenden Lkw-Verkehr ausgebaut. In jedem Fall sind die Pyrenäen gut erschlossen, und wer Glück hat, findet noch eine Menge abenteuerlicher Strecken.

Sitten und Gebräuche

Regionale Unterschiede sind sehr ausgeprägt im Gebirge zwischen den Meeren – genau genommen gibt es sogar in fast jedem Tal andere Dialekte oder Gebräuche. Die Sprachenvielfalt der Pyrenäen ist aber nicht so exotisch, als dass sich Mitteleuropäer wie beim Turmbau zu Babel fühlen würden. Mit rudimentären Französisch- und Spanischkenntnissen kommt man überall durch. Deutsch und Englisch sind nicht so angesagt, außer in Andorra oder im höherpreisigen Hotelbusiness, wo Fremdsprachen mit zum Geschäft gehören.

Besondere Sitten und Gebräuche haben die Regionen Baskenland, Katalonien, das Aran, Navarra und das Ariège. Das Baskenland ist außer für seine Autonomiebestrebungen für viele Eigentümlichkeiten bekannt: die eigenständige und nichtromanische Sprache, die sprichwörtliche Starrköpfigkeit seiner Bewohner, das sehr erfolgreiche Kooperativwesen, das den Wohlstand brachte, und das Pelota-Spiel, das oft auf Dorfplätzen oder in eigens angelegten Hallen gespielt wird. Auch haben sich besondere (Volks-)Sportarten (z. B. Herrikirolak) entwickelt, bei denen die Protagonisten Baumstämme durchhacken oder Steine stemmen (siehe Tour 7).

In Katalonien sind es die eigene Sprache, die unterschiedlichen Essensgewohnheiten und der Wille, eine eigene kulturelle Nation zu sein. Oft geraten Katalanen in den Ruf, arrogant zu sein, oder setzen sich in ihren Autonomiebestrebungen von den baskischen Separatisten ab. Mit denen möchte man nicht verglichen werden, weil man auf jegliche Gewalt zur Durchsetzung verzichte. Vom ehemalige Königreich Navarra wird oft als kleinster, aber feinster spanischer Region gesprochen: Man hat eine ausgefeilte Küche zu bieten, viel baskische Kultur (von der man sich aber politisch distanziert) und von Nord nach Süd ein sehr abwechslungsreiches Klima.

Architektur und Hausformen

Beim Motorradfahren quer durch die Pyrenäen fallen überall (außer am Mittelmeer) die schiefergedeckten Walmdächer auf: Mit kleinen Schindeln aus natürlichem Schiefer oder Steinplatten sind die großen Dächer gedeckt, besonders in den mittleren Gebirgslagen und sehr ausgeprägt im Ariège. Die Mauern bestehen oft aus Bruchsteinen, und die Dachstühle sind geräumig, denn die landwirtschaftliche Nutzung fand ursprünglich vom Keller bis zum Dachboden statt. Eigenwillig sind die navarresischen Bauernhäuser zum Beispiel im Baztán-Tal. Sie haben massive Natur-, Grund- und Ecksteine aus rotem Fels, hölzerne Balkone und gekalkte Wände und sind sehr massiv gebaut. Berühmt sind auch die romanischen Kirchen Kataloniens, die man fast überall findet: im Valle de Boí oder im Languedoc die Abtei Saint Marie de Fontfroide, die 1093 in einem stillen Tal »an einer kalten Quelle« südwestlich von Narbonne gegründet wurde.

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Mallos de Riglos in Aragón

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Morgendlicher Käse- und Brotverkauf auf dem Camping à la ferme

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In einem aragonischen Dorf: freundliche Wegauskunft in der Sackgasse

Klima und lokales Wetter

Glücklicherweise gibt es immer eine Region in den Pyrenäen, in der die Sonne scheint. Generell gilt, dass die Pyrenäen in verschiedener Hinsicht eine Wetterscheide darstellen. Allgemein wird behauptet, dass es an der französischen Seite bis zu viermal mehr regnet als auf der spanischen. Das stimmt, wenn man Aragón mit den Pyrénées-Atlantiques vergleicht. Vergleicht man hingegen das heiß-trockene Mittelmeerklima von Narbonne mit dem feucht-kühlen atlantischen Klima Navarras, schneidet der Atlantik aus Bikersicht etwas schlechter ab. Daraus ergeben sich aber keinerlei Rückschlüsse darauf, ob sich die Tour lohnt oder nicht! Im Schnitt liegen die Temperaturen auf der spanischen Seite ca. 5 °C höher (Ausnahmen bestätigen die Regel), und zudem ist die Temperatur von etlichen Faktoren wie Höhe und Mikroklima abhängig. Am Atlantik regnet es mehr als am Mittelmeer. Vergleicht man wieder die Midi-Pyrénées mit Aragón, schneidet das südliche Aragón erwartungsgemäß auch trockener und wärmer ab. Eine Sonderrolle spielt das Val d’Aran im »mittleren Westen«. Das Tal gehört zwar zu Spanien, liegt aber auf der Nordseite des Pyrenäen-Hauptkamms. Das Aran ist wegen seiner Höhe auch als Gebiet mit schneesicherer Lage bekannt; im Sommer allerdings ist es ein Top-Motorradrevier.

Andorra liegt in den östlich-zentralen Pyrenäen und kann mit den höchsten Passstraßen aufwarten. Hier herrscht ein kühles Gebirgsklima, was im Winter –7 °C und im Sommer nur 26 °C im Durchschnitt bedeuten kann. Aufgrund der geografischen Besonderheiten (wie z. B. Hochtälern und Felsgebirgen) spricht man dort von »kühlen Sommern und milden Wintern«.

Die Temperaturunterschiede können bei einem Pyrenäen-Cross durchaus extrem sein – gerade, wenn man sich aus den hohen Bergen mal in eine der südlichen Sierras begibt. So ist die Fahrt durch die Pyrenäen oft eine durch zwei, drei Jahreszeiten, was Auswirkungen auf das Reisegepäck haben sollte. Wie gesagt, man findet immer ein sonniges Plätzchen.

Cuisine & Cocina

Der Toulouser Eintopf Cassoulet, Pinchos (Pintxo) und Tapas sind nur einige Spezialitäten aus den Pyrenäen. Der berühmte Bohneneintopf gilt in der Gegend um Toulouse als ausgesprochenes Leibgericht. Offiziell gibt es von der Cassoulet vier verschiedene Grundrezepte. Allen gemein sind die Zutaten: weiße Bohnen, Gänsefleisch, Knoblauchwurst, Zwiebeln, Knoblauch und Gänseschmalz. Alles andere ist dann Fingerspitzengefühl und Genuss! Eine gute Cassoulet muss lange eingekocht sein und wird aus speziellen Schalen gegessen. Lassen Sie besser die Finger von billigen Konservendosen-Plagiaten!

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Am Col de Soulor begegnet man den ersten Baskenmützenträgern.

Auch geht es deftig in der katalonischen, aragonischen, der baskischen und der navarresischen Küche zu. Wer in Katalonien einen Salat bestellt, bekommt eher so etwas wie eine Schlachtplatte vorgesetzt. Die als Tapas in Spanien bekannten kleinen Gerichte sind allgegenwärtig, und ständig ändern sie ihren Namen: von Tapas (Mittelmeer) über Pinchos (zentrale Pyrenäen und Navarra) zu Pintxos im Baskenland, wo sich unter ihnen in fast allen Bars die Tresen biegen. Und Wein? Dazu finden Sie bei den Touren gesonderte Themenkästen (siehe z. B. Tour 7).

Zelt oder Hotel?

Frankreich ist ein Campingland. Und auch wenn das Angebot an Pensionen, Hotels und Wanderunterkünften (Gîtes d’Étape oder Chambre d’Hôtes) üppig ist, wird es durch Campingplätze aller Kategorien noch übertroffen. Abenteuerlich sind zum Teil die Campings »à la ferme«, die Plätze, auf denen man privat auf der Wiese eines Bauernhofs übernachtet. Dort kann man sich oft auch in einen Caravan oder ein einfaches Zimmer einmieten. Die städtischen Campingplätze in Frankreich (municipal) sind meist einfach, aber sehr preisgünstig.

In Spanien ist Camping relativ teuer geworden und übertrifft die Preise in Frankreich deutlich. Campingplätze folgen vom Aufbau oft einem ewig gleichen Muster, sind von Dauercampern besiedelt und symmetrisch angeordnete Parzellen und Baumreihen. Ausnahmen gibt es aber auch hier: zum Beispiel der wunderbar gelegene Platz im Ordesa-Ppark bei Bujarolero. Während man in Frankreich für eine Person mit Zelt zwischen 8 und 15 Euro pro Tag rechnen muss, sind es in Spanien eher 9 bis 18 EUR. Auch hier gibt es oft die Möglichkeit, sich eine Cabaña (Holzhütte), ein Mobile Home oder einen Caravan zu mieten. Die Hotel-Kategorien sind in beiden Ländern vergleichbar und einheitlich durch Sterne klassifiziert. Auf der spanischen Seite bieten sich die Unterkünfte des Tourismo rural an (Casa rural), die eine revitalisierende Wirkung auf die Landflucht haben sollen. Oft sind die Hotels in historischen Gebäuden untergebracht, bieten also ein besonderes Ambiente. Es wird nach Casa rural (Landhaus), Alojamiento rural (Landunterkunft oder Ferienwohnung), Hotel rural/Posada rural (Landhotel), Centro de turismo rural (Zentrum für ländlichen Tourismus) und Albergues (Herbergen) unterschieden. Infos dazu finden sich unter www.tuscasasrurales.com.

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Auberge am Cirque de Troumouse

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Am Ende des Benasque-Tals: Staumauer und Nationalpark

Kartentipps und Buchgebrauch

Die meisten Touren sind von ihrer Länge her wahlweise für ein oder zwei Tage konzipiert. Wer die gesamten Pyrenäen durchmessen will, sollte sich in Frankreich an die Route des Cols halten. Wer kleine Straßen bevorzugt, wird sich wundern, wie viele Kilometer bei einem Coast-to-coast-Trip zusammenkommen. Die Übernachtungsplätze wurden sorgfältig ausgewählt, wenn auch aus Kostengründen nicht immer ausprobiert. Was die Wahl der Landkarten angeht, so spielt hier Michelin mal wieder alle Trümpfe aus. Für Frankreich sowieso erste Wahl (Maßstäbe 1:150 000–1:250 000, Serien Regional und Local). Besonders empfehlenswert sind die drei 1:150 000 Michelin-Zoom-Blätter »Östliche Pyrenäen«, »Hochpyrenäen« und »Atlantische Pyrenäen«. Die Karte aus dem Reise Know-How Verlag weist zwar kleinere Fehler auf, vereint aber im Maßstab 1:250 000 wenigstens die gesamten Pyrenäen. Mit kleinen, aber folgenschweren Fehlern behaftet ist auch die MairDumont (Marco Polo)-Karte im Maßstab 1:300 000, in der leider auch wichtige Passnamen fehlen und einige Straßen falsch eingezeichnet sind. Auf der Suche nach spanischen Detailkarten landet man zwangsläufig bei den Wanderkarten. Wer es noch genauer braucht, besorgt sich vor Ort die Wanderkarten von IGN (Frankreich, Serie Grün und Blau) oder die spanischen touristischen Karten von Geo/Estel in Maßstäben zwischen 1:35 000 und 1:150 000.

Unter den digitalen Karten für GPS-Geräte setzte die »Garmin Topo Spanien v4« Maßstäbe. Zu gebrauchen sind vor allem aber die OSM-Garmin-Freizeitkarten (kostenlos). Für Magellan-Geräte werden digitale Karten auf Basis der IGN-Blätter (Frankreich) angeboten. Für gänzlich freie digitale Karten lohnt ein Blick ins Internet unter www.openstreetmap.de/.

Die drei schönsten Anreiserouten

Viele Wege führen in die Pyrenäen. Wie man am besten mit dem Motorrad dort hinkommt, hängt davon ab, wie man »das Pferd aufzäumt«.

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Ockerbrüche Luberon

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An der Dune du Pilat

In jedem Fall führt der Weg durch Frankreich, und das gibt ausreichend Stoff für eine erlebnisreiche Anreise. Der materialschonendste Weg ist der mit den neuen Autoreisezügen. Leider gibt es keine durchgehende Verbindung mehr. Der Zug fährt derzeit bis Narbonne im Languedoc, von wo es nur noch 100 Kilometer bis zum Fuß der Berge sind. Ansonsten hängt die Routenführung durch Frankreich davon ab, von wo man die Pyrenäenrunde starten möchte: vom Atlantik oder vom Mittelmeer.

Zum Atlantik – die Westroute

Wer die Pyrenäenreise am Atlantik beginnt, hat ein langes Stück Frankreich vor sich. Nur aus dem äußersten Norden Deutschlands führen die Routen über Paris und Bordeaux, ab der Mitte Deutschlands geht es auf dem kürzesten Weg über Luxembourg und Clermont-Ferrand. Wer nicht über Paris fährt, wird sich zwischen Metz und Bourges auf die Landstraße begeben, denn in diesem Bereich hat Frankreich keine passende Autobahn zu bieten – dafür französisches Landleben pur. Südlich von Limoges lohnt die Fahrt an der Dordogne entlang. Ein Fluss, an dem die Straße Kapriolen schlägt und der sich vor Schlössern und Burgen kaum retten kann. So gelangt man entweder direkt nach Aquitanien ins Departement Gironde mit seiner Präfektur in Bordeaux oder nach Bergerac, wo einst ein Cyrano als Schriftsteller von sich reden machte. Zwischen den beiden Städten dominiert der Weinbau. Zu den Bordeaux-Anbaugebieten gehören außer Médoc auch Graves, Entre-Deux-Mers, Libournais sowie Blayais und Bourgeais. Von Bergerac aus kann man direkt ohne Umweg über die Atlantikküste die Pyrenäen anpeilen; vom Raum Bordeaux aus lohnt ein Umweg über Arcachon, wo Europas größte Düne (Dune du Pilat, 117 m) in der für ihre Strände und Kiefernwälder bekannten Küstenlandschaft von Les Landes steht.

ZUM MITTELMEER – DIE OSTROUTE