Planet Centronos_M_Pastore

HYBRID VERLAG

Ebookausgabe

09/2019

 

 

© by Matt Pastore

© by Hybrid Verlag, Homburg

 

Umschlaggestaltung: © 2019 by Creativ Work Design, Homburg

Lektorat: Paul Lung

Korrektorat/Buchsatz: Petra Schütze

Autorenfoto: Privat

 

 

Coverbild ›X: Yoshiko‹

© 2017 by tab visuelle kommunikation, Stuttgart,

& Creativ Work Design, Homburg

 

Coverbild ›Das Nadelöhr‹

© 2017 by Creativ Work Design, Homburg

 

ISBN 978-3-946-82094-9

 

www.hybridverlag.de

www.hybridverlagshop.de

 

 

 

Matt Pastore

 

Planet Centronos

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sciencefiction

 

 

 

Meinen drei Söhnen,

dem Besten, das mir je zuteil wurde.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Autors

Teil 1: Centronos

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

Teil 2: Karawane

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Epilog

Danksagung

DER AUTOR

Vorwort des Autors

 

 

Der Unverstand ist die unbesiegbarste Macht auf Erden.

 

Anselm Feuerbach

 

 

Teil 1: Centronos

 

 

Es irrt der Mensch, solang er strebt.

 

Goethe, Faust I

 

 

1.

 

Der Lander, ein flunderartiges Fluggerät von beeindruckender Dimension, lag ruhig in einer weiten, staubigen Senke. Kein Hinweis verriet, dass die Besatzung drinnen in Laboratorien und Observatorien fieberhaft versuchte, dem Planeten seine Geheimnisse zu entreißen. Von hier aus waren etliche Erkundungsteams aufgebrochen, um erkenntnisträchtige Gebiete in der Umgebung näher zu untersuchen, Gebiete, die ihnen das Mutterschiff hoch oben in der Umlaufbahn zuwies.

In diesem Mutterschiff – streng genommen nur eine Interstellar-Antriebseinheit mit Rumpfbesatzung – arbeiteten knapp vierzig Raumfahrer an der Fernerkundung des Himmelskörpers, während die fast neunhundert Spezialisten der unterschiedlichsten Fachgebiete an Bord der Tochtereinheit auf der Oberfläche deren Erkenntnisse zu verifizieren versuchten.

Der achtstöckige Landeapparat, der auf der Reise zwischen den Sternen als Wohn-, Arbeits- und Steuerungsmodul des Sternenschiffes Excelsior diente, verfügte trotz seiner imposanten Maße über keinen Kubikmeter ungenutzten Raumes.

Eine kleine Erhabenheit am vorderen Ende der ›Flunder‹ barg die Kommandozentrale, von der Besatzung in Anlehnung an die Traditionen der christlichen Seefahrt Brücke genannt, in der gerade der Chef Kommunikation Anne Quoos und Chefnavigator Hanna Schiven Dienst taten. Zwei ältere Damen mit erheblicher Erfahrung, die sogar das Insigne des Sternenfliegers am Bordanzug trugen und es trotzdem immer ablehnten, ein Raumschiffkommando zu übernehmen. Sie fühlten sich als Spezialisten, nicht wie Kommandanten.

»Weißt du, warum die Oberste Führung in ihrer unendlichen Weisheit diese Mission einem Rentnerkommando anvertraut hat?«, fragte gerade die sehr große, blonde Quoos, ohne den Blick von ihrem Kommunikationsterminal zu lösen. Ihre Kollegin überlegte eine Weile. Sie wirkte in gewisser Weise wie der Gegenentwurf zur dünnen Skandinavierin, deutlich kleiner, die Figur weniger kantig, das schulterlange Haar dunkel wie auch der Teint, attraktiv und trotzdem von spröder Förmlichkeit.

»Rentnerkommando, das find ich gut. Vielleicht meinen die zuständigen Führungsebenen, die Geschichte hier ließe sich so einfach und komplikationsarm erledigen, dass die Alten das gerade noch hinbekommen. Vielleicht wollten sie auch nur eine Mannschaft, die genauso vertrocknet daherkommt wie die Landschaft da draußen.« Hanna lachte spöttisch auf. »Man will die Fast-Pensionäre nicht überlasten, aber irgendwas müssen sie ja noch tun. Auf allen Leitungsebenen fallen mir nur zwei ein, die nach dieser Mission nicht der Ruhestand erwartet. Bei den Mannschaften sieht das zwar besser aus, aber da geht auch die Hälfte in Rente.«

Erstaunt zog Anne die Augenbrauen hoch und sah nun doch zur Navigatorin. »Nedelew, unser Sicherheits-Mufti, ja; aber wer soll der zweite junge Mann unter den Chefs und Experten sein?«

»Vorch ist zwar immer noch Experte ohne feste Mannschaft – oder wieder, kann man ja nicht wissen, nach zwanzig Jahren Flotte –, jedenfalls aber doch ein recht junger Mann.«

Die Kommunikationschefin musterte ihr Gegenüber intensiv.

»Suchst du etwa immer noch? Vergiss es, lass es. Auf uns alte Schachteln fährt aus dieser Generation keiner mehr ab, schon gar nicht so einer. Aber es stimmt wohl, der hat sicher noch einige Dienstjahre vor sich …«

»Und Nedelew gibt sich so eine Mühe, gesetzt und abgeklärt zu wirken, dabei sieht man doch, dass er in Vorchs Generation gehört«, meinte Hanna belustigt.

»Selbst die grauen Schläfen, da hilft er so auffällig mit Farbe nach …«, feixte die Blonde.

»Ja, ich durfte schon viel sehen, was eitle Männer angeht, aber bei unserem Juri …«

Während sie sich noch königlich auf Kosten des Sicherheitsexperten amüsierten, änderte sich auf den Paneelen der Damen plötzlich die Farbe einiger Felder.

Die Navigatorin entdeckte es zuerst. »Anne, hast du das auch?«

»Ja. Ein Ruf aus dem westlichen Wüstenareal. Ein Notruf.« Quoos Stimme klang erstaunt. »Alarmstufe?«

»Die zwei. Sofort.«

Blitzschnell flogen die Hände über die Terminals.

Hanna Schieven schaltete den Bordfunk auf. »Bergeteamleiter sofort auf die Brücke, Mannschaften auf die Rampe. Spruch aufzeichnen und auf die Tafel.«

Auf der großen Bildfläche vor den Damen erschien eine schemenhafte, unscharfe Projektion, die mehrere transparente Reflexionen überlagerten.

Hanna blätterte mit unruhigen Händen durch die Anzeigen. »Die Datenrate passt nicht. Welches Team?«

»Im 2D-Modus kriegen wir ein ordentliches Bild, aber genauso wenig eine eindeutige Kennung.«

»Entfernung?«

»Undefiniert. Anzeige zwischen einhundert und zweitausend Kilometern schwankend. Jetzt geht’s ans Eingemachte, Hanna.«

2.

 

Drei Wochen zuvor.

 

Der Experte für besondere Aufgaben Reinhardt Vorch saß beim Kommandanten, einem Mann in reiferen Jahren mit offenbar afrikanischen Wurzeln, der volle Schopf grau meliert wie sein sorgfältig gestutzter Vollbart.

Mit einem erwartungsvollen Blick auf seinen Gast lehnte sich der Käpt’n in seinem Sessel zurück. »Du hast also eine Möglichkeit zur Stabilisierung des Funkverkehrs in die westliche Wüstenregion gefunden?«

»Na ja, ziemlich aufwändig. Da man dort nicht zum Satelliten durchkommt, brauchen wir eine bodengebundene Relaisstation.«

»Wo?«

»Bis etwa zehn Kilometer vor dem Camp C konnten wir ein brauchbares Signalecho finden. Also mitten in der weiten, flachen und einsamen Wüste. Viel Sonne und kein Schatten.«

»Dann schnappst du dir jetzt einen Dreiachser mit so einem alten Kasten aus der Reserve, eine Besatzung dazu und stellst bis auf weiteres den Informationsaustausch mit dem westlichen Wüstenareal sicher.«

Reinhardt wich alle Farbe aus dem Gesicht. »Moment mal, das ist nicht dein Ernst …«

Auf der Stirn des Kommandanten erschien die gefürchtete steile Falte. »Ich brauche dort draußen meinen besten Mann.«

»So ein Relais kann auch jeder andere …«

»Die Station muss auch den Leitstrahl verstärken, damit wir die Camps sicher anfliegen und aus der Luft versorgen können.«

»Aber …«

»Kein aber. Ich brauche Zuverlässigkeit, also will ich, dass du das übernimmst. Punkt.«

Reinhardt fügte sich widerwillig und erreichte noch am selben Tag die geplanten Koordinaten, wo er mit seinen Männern unter der glühenden Sonne die Station entfaltete.

Truppführer Vorch, der mit durchtrainiertem Körper und jugendlichem Gesicht unter seiner Schirmmütze beeindruckte, schimpfte leise vor sich hin. Sand, Sand und wieder Sand. Bis zum von Hitze flimmernden Horizont. Zugegeben, in einer irdischen Wüste wäre das noch unangenehmer, hier immerhin heizte das unbarmherzige Zentralgestirn die sandige Einöde nur auf vierzig, höchstens fünf-undvierzig Grad auf. Celsius, versteht sich. Entsprechend bewegten sich die Männer seines Trupps hier draußen deutlich langsamer als unter den klimatisierten Bedingungen der ›Flunder‹.

Zu seinem Team gehörten noch vier Mann, Spezialisten auf ihrem Gebiet, aber es bereitete Mühe, sie hier draußen zu motivieren. Seine Stellung als Experte herauszukehren, wie in Reinhardts Jugend noch üblich, verbot sich von selbst. Solche Rangstufen dienten schon lange nicht mehr zur Aufrechterhaltung einer zweifelhaften Disziplin, vielmehr charakterisierten sie die Obliegenheiten des Bezeichneten. Weshalb man trotzdem dieses pseudomilitärische Kauderwelsch verwendete? Auch Reinhardt wusste keine Antwort darauf. Doch auf die Nörgeleien von William Meckersack Somner, dem hageren Elektroniker mit dem langen, zerfurchten Gesicht, durften ihm die Argumente nicht ausgehen. Nihilisten können die Stimmung in einer so kleinen Truppe gehörig verderben, auch wenn sie sonst ausgezeichnete Arbeit liefern. Im Moment zeigte Somner deutlich, wie weit unter seiner Würde die Beschäftigung mit den Seilrollen und Bodenankern der Mastabspannung lag, und pfefferte seinen Hammer in hohem Bogen in die Wüste. »Warum zum Teufel schickt uns der Kommandant mit so einem veralteten Dreckskoffer raus? Woanders wäre der Container längst verschrottet.«

Gelassen angelte sich der Teamchef das Werkzeug, brachte es zurück und seufzte. William offenbarte Wissenslücken, die Reinhardt selbst zu verantworten hatte. »Weil wir bei der Ausrüstung der Mission nicht damit gerechnet haben, an jeder Ecke eine Relaisstation zu brauchen. Koffer und Dreiachser gehören zur Stillen Reserve, die ohne vollständige Abschirmung den Flug absolvierte. Moderne Elektronik übersteht das nicht, und das solltest Du am besten wissen.«

Innerlich schalt sich Reinhardt selbst wegen der Oberflächlichkeit seiner Einweisung. Gerade beim Meckersack ein schwerer Fehler.

Angestrengt überlegte er, was gefehlt haben könnte und ergänzte: »Die orbitalen Nachrichtenrelais, als das Rückgrat unserer planetaren Kommunikation gedacht, nutzen örtlich nicht viel. Genau dort, wo sich interessante Formationen befinden, unterliegt der Funkverkehr unspezifischen Störungen. Sowohl der direkte als auch die Verbindung via Satelliten.«

Seine Funktechniker Ruschmann und Bose mühten sich wie Somner damit, den Abspannungen festen Halt zu geben und warteten auf die Bestätigung ihrer Position. Reinhardt prüfte und gab die Standorte frei.

Fred Hess, der Pilot und damit auch Fahrer des Dreiachsers, stand oben auf dem Fahrzeugaufbau, kurz ›Koffer‹ genannt, und kontrollierte das Ausfahren und Entfalten der Antennenanlage. Dem kleinen, etwas untersetzten Männchen setzte die sengende Strahlung des fremden Sterns gewaltig zu. Gleichwohl hielt er tapfer durch, solange die anderen drei noch an den Sicherungsseilen arbeiteten. Als der Mast endlich sicher stand, kletterte Hess herab und wollte in den Koffer, um die Solarpaneele über dem Dach auszurichten. Auf der Schwelle noch kehrte er um. »Nee, Chef, da kann ich jetzt nicht rein. Ich brauch erst mal ein bisschen Schatten, ehe ich mich in den Gluthauch der Hölle stürze.« Reinhardt nickte. »Lass mal gut sein, Fred. Ich mach das schon. Die anderen sind auch ausreichend weich gekocht, denke ich.«

Während der Truppführer sich in der trotz Lüftungsanlage schier unerträglichen Hitze des Koffers mit den Kollektoren und der Abstimmung der Station beschäftigte, saßen seine Männer, geschafft von Glut und Anstrengung, dösend im Schatten von Aufbau und Photovoltaik.

Plötzlich kam Bewegung in die alten Herren, wie sie sich selbst nannten – immerhin konnten sie alle auf mindestens fünfundfünfzig Lebensjahre verweisen und wähnten sich deshalb wesentlich älter und erfahrener als ihr Truppführer, dem sie höchstens vierzig zubilligten.

Detlef Ruschmann, ein drahtiger Typ mit kantigem Gesicht, quälte sich entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, wie ein Gummiball umherzuspringen, langsam in den Stand. »Moment mal«, nuschelte er, »Jungs, hier gibt es doch diese Plane, um das Gefährt vor Witterungseinflüssen zu schützen. Wenn wir die gewissermaßen umwidmen, ergibt das ein richtig tolles Sonnensegel …«

»Und für uns«, ergänzte Jochen Bose, »ein ordentliches schattiges Plätzchen …«

Auch er stemmte seine auf zwei Meter Höhe verteilten hundertzwanzig Kilo langsam in die Lotrechte. Zusammen mit Hess setzten sie die Idee um, nur Somner nörgelte wie gewöhnlich: »Bringt doch eh nichts.« Trotzdem holte der Meckersack das Überwachungspult nach draußen, wo es sich die Mannschaft einigermaßen bequem einrichtete. Sie einigten sich schnell darüber, die eventuell notwendige Kontrolle der Ausrüstung nicht im Fahrzeugaufbau durchzuführen. Selbst wenn das Gerät, mit dem sie hierher in die Wüste gefahren waren, eine Klimaanlage besäße, so fehlte trotzdem, wie ein kurzer Blick auf die Anzeigen belehrte, die notwendige elektrische Leistung.

Als die letzten Kontrollen und Trimmungen zu seiner Zufriedenheit ausfielen, stieg Reinhardt endlich schweißgebadet aus dem Dreiachser, die brütende Hitze vor dem Fahrzeug als angenehm kühl empfindend, und gesellte sich zu seiner vor sich hin dösenden Mannschaft.

Der lange, schlaksige Truppführer sah seine Leute eindringlich an. »Männer«, begann er, »die Station ist scharf, Funkverkehr zum Test ist durch, Konnektivität ohne Einschränkungen, Fernbediengerät online geschaltet. Jetzt seid ihr dran, wir müssen die Dienste einteilen.«

»Dienste? Rund um die Uhr?« nölte Somner. »Was soll denn auf diesem verschissenen, knochentrockenen Sandplaneten passieren? Kein Mensch, nirgends! Nicht mal ’ne faulige Kröte oder pissige Ameise verirrt sich in diesen Winkel der Galaxis. Selbst wenn, dann ist es längst ausgestorben. Und die Figuren im Lander und im Orbit, die hier vielleicht Funkverkehr betreiben, pennen die ganze Nacht.«

Als Reinhardt in Williams ärgerlich funkelnde Augen sah, musste er an die Unzulänglichkeiten der Aufträge denken, die die Brücke erteilte. Sie unterschieden sich in keiner Weise von den Befehlen historischer Heerführer. Da hieß es: Verlegung nach da-und-da, Sicherstellung Funkverkehr bla-bla-bla. Kein Hintergrund, keine Erläuterung. Er verstand den Unmut, im Dunklen gelassen zu werden. Jedoch musste er einen Auftrag erfüllen, nämlich den Funkverkehr in die Wüste mit Hilfe dieser Station zu stabilisieren.

»William, beim besten Willen, um eben diesen Befund fehlenden Lebens zu verifizieren, durften wir diese Reise antreten. Es stimmt zwar, dass noch nichts entdeckt wurde, aber es gibt berechtigte Zweifel. Woher kommen knapp dreißig Prozent Sauerstoff in der Atmosphäre? Der Wasserdampf aber fehlt. Es muss Wasser auf dem Planeten gegeben haben, aber wo ist es geblieben?

Im Übrigen soll die Station über Wochen arbeiten, was unter den Bedingungen dieses Klimas noch keiner probiert hat. Unsere Dienste braucht die Basis, um eventuellen Ausfällen rechtzeitig begegnen zu können. Die Kommunikation muss rund um die Uhr auf sicherer Grundlage stehen. Außerdem läuft bei uns auch der Leitstrahl zum Anflug auf das Camp in der Wüste durch, das habe ich vielleicht bei der Einweisung vergessen zu erwähnen. Sonst noch Fragen?«

William hob die Arme und atmete hörbar aus. »Scheiße. Das mit dem Leitstrahl ist Mist. Also los.«

Der Pilot wandte sich grinsend zum Gehen. »Na ja, da braucht ihr mich ja nicht für.« »Fred, an deiner Stelle würde ich mich nicht ausklinken, du stirbst vor Langeweile.« Der Truppführer trat ihm in den Weg.

»Ist das so?«, brummte Hess und versuchte sich vorbei zu drängeln.

»Da kannst du einen drauf lassen.« Reinhardt ließ nicht locker. »Sieh dich um! Von Horizont zu Horizont ist alles …«

»Blond!« Ruschmann, dem offenbar ein alter Schlager eingefallen war, grinste breit.

Der Chef fand den Einfall nicht besonders lustig und verdrehte die Augen, besann sich aber. »He, Detlef, du kennst solche Antiquitäten aus der Prä-Pop-Ära? Hörst sie doch nicht etwa immer noch?«

Ruschmann stemmte die Fäuste in die Seite. »Na hör mal, ich könnte fast dein Großvater sein, da kennt man sowas, auch wenn es ein paar hundert Jahre älter ist als man selbst. Aber bei dir jungem Hüpfer erstaunt es schon, dass du den alten Schinken im Ohr hast.«

»Na, singen möchte ich ihn lieber nicht …«

»Sprechgesang tut’s auch.« Mit weit ausladender Geste, die ganze Gegend umarmend, begann er in die Wüste zu schmettern: »Von Horizont zu Horizont ist alles blond …«

»Witzbold! Detlef, das ist alles gelb. Und platt wie ein Brett! Nicht mal eine Düne, kein Hügel, nichts.« Vorch wandte sich wieder Hess zu. »Du wirst für die Beschäftigung dankbar sein!«

Der Pilot gab sich geschlagen, hob die Hände und setzte sich wieder zu den anderen.

Angesichts des planeteneigenen 27-Stunden-Zyklus verständigten sie sich auf vierstündige Wechsel, einer Dienst, zwei Bereitschaft, zwei Mann frei. Damit wanderten die Dienste durch den Tageszyklus und vermieden aufwändige Schichtwechsel und damit verbundene Störungen der zirkadianen Rhythmik. Wie selbstverständlich ließ Reinhardt sich einbeziehen. Nun blinzelte er in die unbarmherzige Sonne. »Es sollte bald Mittag sein.«

»Nach meiner Uhr ist es schon oder erst halb sieben. Weltzeit.« Boses fanatische Genauigkeit empfahl ihn für Reinhardts Trupp. Manchmal aber fand der Chef das nicht sonderlich gut.

»Jochen, ich denke, solange wir hier auf dieser unwirtlichen Kugel verweilen, müssen wir uns nicht gezwungen sehen, alle Aktivitäten nach UTC auszurichten. Ich mag’s gern hell zu Mittag.«

Er stand auf und stellte sich nach den Anweisungen des Bordrechners aus den Vorräten ein bescheidenes Mahl zusammen, mit dem er kurz darauf in der Tür des Aufbaus erschien.

»Dir fehlt der Appetit heute, he?« Fred Hess sah spöttisch grinsend auf das asketische Mahl des Chefs.

»Für dich halbe Portion ist das doch schon viel zu viel«, gab Vorch trocken zurück.

Feixend musterte Ruschmann den kleinen grün-braunen Klecks, über den sich Reinhardt gerade hermachte. »So besonders lecker sieht dein Breichen aber auch nicht aus, Boss. Schmeckt’s wenigstens?«

»Na ja, so ein bisschen wie Pappe und Gras, gut gemischt.«

»Muss ich auch so’n Pamps essen oder gibt’s noch was Richtiges, und nicht bloß so eine Kinderportion?«

»Wenn du schön brav bist, gibt’s vielleicht ein klitzekleines Eisbein. Im Ernst, Männer, ich habe dem Rechner ein paar Vorgaben gemacht. Üppig fallen unsere Rationen nicht aus. Keiner weiß, wann sich hier eventuell eine Versorgungsboje her verirrt, geschweige denn, wann wir die Station zurück verlegen können. Mit unserer Ausstattung halten wir vielleicht zwei Monate nach irdischer Zeitrechnung durch, vielleicht auch sechzig 27-Stunden-Tage. Aber dann satteln wir die Station ab und lassen sie ohne Aufsicht zurück, weil wir an der Basis Treibstoff, Wasser und Verpflegung fassen müssen. Die Kollektorleistung ist zu gering für den Betrieb über 27 Stunden, etwa zwei Stunden vor der Morgendämmerung sind wir gezwungen, den Notstromer anzulassen, und das jede Nacht. Vielleicht hat irgendeiner nicht damit gerechnet, dass hier täglich fünfzehn Stunden keine Sonne scheint, höchstwahrscheinlich aber nur den erforderlichen Antennenstrom unterschätzt. Ich war selbst überrascht, auf welche Leistung ich die ehrwürdige Technik trimmen musste. Entweder das Gerät weist tatsächlich einen altersgerechten Verschleißzustand auf, aber dann wäre es nicht an Bord genommen worden, oder irgendwas treibt die Verlustleistung in die Höhe. Wahrscheinlich aber liegt es daran, dass es hier einfach zu viele Störquellen gibt. Ist aber auch egal, die Bedingungen auf diesem Planeten konnte vorher keiner richtig einschätzen. Dazu wussten sie einfach zu wenig.«

Ruschmann, der die erste Schicht übernommen hatte, begann plötzlich heftig am Paneel zu hantieren.

Verwundert fragte der Truppführer: »Alles in Ordnung bei dir, Detlef?«

»Alles okay, haben wir im Griff. Nur eine kleine Energiefluktuation, ein winziger, aber zu erwartender Nebeneffekt, wenn du die Kiste in die Grauzone quälst.«

Bei der Prüfung der kompletten Trimmung der Sendeanlagen blieb dem ersten diensthabenden Operator natürlich nicht verborgen, dass die Station oberhalb der maximalen Leistung arbeitete. Reinhardt trat ans Paneel. »Gibt es Schwierigkeiten mit dem Sender?«

»Nein, nein, Chef, alles im grünen Bereich. Aber sag mal, du Himmelhund, wie bringst du das Kunststück fertig, die Spitzenlast zu überschreiten, ohne dass die Überlastsicherungen ansprechen. Sowas nennt man ja wohl: in die Grauzone gehen. Echt beeindruckend.« Reinhardt runzelte die Stirn. »Jetzt halt mal den Ball flach. So ein Hexenwerk war das nun auch wieder nicht.«

»Na ja, bist ja auch kein einfacher Truppführer, sondern unser Experte und gehörst zur Missionsleitung. Hast also den Überlastern ’n paar Programmzeilen zu futtern gegeben, damit sie sich verschlucken oder so beschäftigt sind, dass sie nicht aufpassen.« Ruschmann grinste.

»Ach, Detlef. Wenn du die Sendeleistung auch nur um ein paar Watt runternimmst, kommt von uns nur noch Rauschen. Wir hätten uns einen Berg suchen sollen, um aufzubauen, aber die wachsen hier kilometerweit nicht. Da musste ich mir eben Antennen- und Sendercharakteristik vornehmen und ein paar harmlose Differentialgleichungssysteme lösen. Das Resultat lässt uns ordentlich brüllen, ohne an den Überlastern fingern zu müssen. Klar soweit? Konnten auch die Anderen folgen? Das heißt, wer Schichtdienst leistet, hat auch zu tun. Wenn sich die Störsignale ändern, müssen wir auch die Abstimmung anpassen. So, und jetzt lasst mich endlich essen.« Kurz darauf kam Jochen Bose zu ihm. »Chef, wie lange macht das die Senderöhre mit?« »Weil du solche Fragen stellst, wollte ich dich mitnehmen.« Reinhardt drückte seinem Genauigkeitsfanatiker einen Speicherbaustein in die Hand. »Rechne es aus. Alles, was du dazu brauchst, solltest du hierdrauf finden.«

Bose holte sein flaches, an eine Tastatur erinnerndes Subterminal aus dem Fahrzeugaufbau, zog die Monitorlamelle aus und legte los.

Noch während Reinhardt sein spartanisches, als lästige Pflicht empfundenes Mahl in sich hineinschaufelte, rollte der Pilot unter dem Fahrzeug die Liegefolie aus und schlief sofort ein. Ebenso wie der Truppführer hatte er Freiwache, doch der Chef wollte die ersten Stunden, da die Station arbeitete, ständig für eventuelle Korrekturen bereit sein. Schließlich war diese Art der Abstimmung noch nicht getestet. Somner, der wie Bose in Bereitschaft stand, fläzte in seinem Klappstuhl und fächelte sich Kühlung zu.

»Nee, Chef, so ’ne Plackerei, in der Glut die Antennen hochzufahren und die Zellen. Spaß macht das nicht.«

»Aber wir haben das geschafft, können wir schon mal stolz drauf sein, oder?«

»Trotzdem, beim Abbau bin ich garantiert krank von der Hitze.«

»Stell dir mal vor, die Luft hier wäre nicht atembar. Oder zu dünn, so bei ungefähr zehn Kilopascal. Dann müssten wir den Spaß nicht nur in der Hitze, sondern auch in schweren Anzügen abdrücken. Man könnte sich nicht mal den Schweiß aus der Stirn wischen. Du siehst, es geht noch schwerer. Und nun hör auf zu meckern. Wenn wir uns brav an die Empfehlungen des kleinen Bitjongleurs da drin halten, haben wir uns spätestens übermorgen akklimatisiert. Dann brauchen wir keine Klimaanlage mehr, die wir mit der verfügbaren elektrischen Leistung ohnehin nicht betreiben könnten.«

William Somner winkte ab. Er sagte gar nichts mehr, hockte auf seinem Möbel, den Kopf auf die Brust gesenkt und verdöste die Mittagshitze. Stunden vergingen. Die erste Ablösung fand statt, und neben Hess lag jetzt auch Ruschmann schlafend unterm Fahrzeug. Plötzlich fuhr Somner hoch.

»Sag mal, Chef, wird’s in der Wüste nachts nicht empfindlich kalt?«

 

٭

 

Die dritte Woche in der Wüste verging. Der reinen Lehre nach müsste die Hitze über Nacht nachlassen, doch aus unbekannten Gründen geschah nichts dergleichen. Irgendetwas behinderte sowohl Strahlung als auch Konvektion. Die fehlende Abkühlung gaukelte den Männern stetig ansteigende Temperaturen vor; das Thermometer sprach von gleichbleibenden vierzig bis fünfundvierzig Grad.

Reinhardt stand im Schatten der Plane, den Ellenbogen gegen die Station gelehnt, ständig sich die Schirmmütze ab- und aufsetzend, die andere Hand in der Hosentasche. Er schaute in die Wüste hinaus, das Spiel der Luft über dem glühend heißen Sand beobachtend. Es musste doch endlich etwas geschehen, hier draußen oder anderswo, weshalb sonst schickte man ihn auf diese Mission. Irgendwas musste passieren, und er fühlte, dass dieses Etwas heraufzog, nur wann?

Diese elende Warterei macht krank! Wann geschieht endlich was? Vor allem: Was wird es sein? Mütze ab, Mütze auf, durch die fast geschlossenen Lider den Schlieren der heißen Luft folgen, Mütze ab, Mütze auf … Somner trat aus dem Stationsaufbau und blinzelte in die Sonne. »Scheißstern«, brummte er und ging langsam zu den anderen, die im Schatten des Sonnensegels saßen.

»Wie lange soll denn das noch gehen? Wir beherrschen den Laden jetzt einigermaßen, nur noch alle drei oder vier Schichten ein Eingriff in die Trimmung, könnten doch abfahren. Hier langweilt man sich ja zu Tode.«

»Ehe wir nicht die Lebenserwartung der Ausrüstungsteile kennen, können wir nicht weg. Jeden Moment kann es soweit sein, und du kriechst in die Kiste und fängst an, die Sendeverstärker neu zusammenzulöten.«

Auch Reinhardts Nerven lagen blank, er gab sich jedoch Mühe, die Mannschaft nichts spüren zu lassen. Mit schwindendem Erfolg.

»Jochen, wie weit bist du?«

Bose sah kurz von seinem Terminal auf. Stirnfalten und hochgezogene Augenbrauen zeigten, wie unpassend er die Unterbrechung seiner Arbeit fand.

»Zehn Petaflops sind viel zu wenig. Eine Woche brauche ich wohl noch mit der lahmen Kiste. Wie bist du eigentlich auf das Loch für die Abstimmung gekommen, Chef? Ich habe Tage gebraucht, um das nachzuvollziehen!«

»Analytisch. Nicht mit einer Trial-and-Error-Kalkulation über das gesamte Feld, dauert viel zu lange, auch keine Kurvenscharberechnung oder so was, der Punkt lässt sich einfach analytisch bestimmen.«

»Wie? Das geht doch gar nicht«, zweifelte Bose.

Reinhardt blieb ruhig. »Das Gleichungssystem lässt sich auflösen. Ihr lernt so etwas nicht mehr. Die Rechner sind meistens schneller mit ihren ad-hoc-Verfahren. Aber manchmal lohnt es sich, die Methoden der Analysis zu kennen.«

Somner, selbst einer der ganz Alten, warf seinem Teamchef einen skeptischen Blick zu.

»Sowas lehrt doch seit Jahrzehnten keiner mehr!«

»Und, gehörtest du noch zu den armen Schweinen, die sich damit plagen mussten?«, spottete Reinhardt.

»Nein, fünf Jahre vor mir war Schluss damit an der Akademie. Die höheren Studienjahre erzählten noch davon. Besser gesagt: Schimpften darüber, weil sie mit dem Kram nicht zurechtkamen. Heute löst keiner mehr was analytisch. Selbst als es noch an der Akademie unterrichtet wurde, fanden praktisch nur numerische Verfahren Anwendung, für die man Computer brauchte.«

Somner sah sich kurz um und winkte Reinhardt zur Seite, sodass ihn die anderen nicht hören konnten. Der Rest der Mannschaft fiel wieder in träges vor sich hin Dösen.

Überrascht strebten Vorchs Brauen nach oben. »Was gibt’s, William?«

Somner, der Senior des Teams, sah ihn durchdringend an. »Wie alt sind Sie? Vor allem: Wer sind Sie? Ich kann nach dem Einsatz auf diesem Planeten meinen Ruhestand antreten und weiß nichts von den alten Sachen, mit denen Sie hier umgehen. Zumindest nicht von der Akademie.«

»Wie oft habe ich es dir schon gesagt, du kannst beim Du bleiben? Und ich bin Reinhardt Vorch, Experte für besondere Aufgaben, sonst nichts. Aber auch das weißt du.«

Somner betrachtete ihn forschend, doch Reinhardt ignorierte seine Fragen und erwiderte emotionslos Williams Blick.

»Aber wenn Sie diesen ganzen Scheiß gelernt haben, dann lange bevor ich in die Schule gekommen bin. Wer sind Sie?«

Hess, der eben den Schichtbetrieb absicherte, unterbrach ihre Konversation mit einem Jauchzen.

»Ja«, rief der Pilot, »endlich, das erste Mal nach fast drei Wochen! Ja, ja, ja, jauchzet, frohlocket, meine Kinder!« Feierlich ergänzte er: »Eine Modulation.«

Somner beobachtete eine Weile, was auf dem Paneel geschah »Wäre ja auch zu schön gewesen, schicken uns hier raus und brauchen uns gar nicht.«

Der Stationschef nahm im Augenwinkel ein Funkeln wahr und stutzte. Er tat ein paar Schritte in die Wüste hinaus. Niemand nahm zunächst Notiz davon, der plötzliche Funkbetrieb fesselte den Trupp.

Erst als Somner sein Gespräch fortsetzen wollte, sah sich dieser nach Reinhardt um. Suchend lief er um die Station herum, sah darunter, wo Ruschmann schlief, doch er konnte den Truppführer nicht finden.

»Wo hast du dich versteckt? Ich bin schon zu lange dabei, als vertrauensselig zu sein und will genau wissen, mit wem ich auf der Himmelfahrt umgehe!«, rief William in die Wüste, die den Klang seiner Worte schon nach wenigen Metern verschlang. Eigenartige Akustik hier. Aber warum erst heute?

3.

 

Der Kommandant betrat die Brücke.

»Keine Höflichkeiten jetzt. Navigator, Bericht!«

»Ein Notruf aus dem westlichen Wüstenareal, Grabungsteam C, Herr Kommandant.«

Auf der Tafel erschien eine männliche Gestalt vor der Silhouette des von Grabungsteam C angelegten Containercamps.

»Lander, hier Team C, Teamleiter Shoman. Wir haben etwas gefunden, aber zwei meiner Leute sind verschwunden.«

Kommandant Sievelton deponierte seine kräftige Statur und beeindruckende Körpergröße eilig in seinen Sessel.

»Shoman, auf welche Art Fund können sie verweisen und wie gelang es Ihren Leuten zu verschwinden?« Dann wandte er sich an den Navigator. »Einen Lageplan, mit allen Teams und Außenstationen, sofort.«

Während auf dem Kommandantenpaneel die topografische Karte erschien, versuchte der Teamleiter die Entdeckung zu beschreiben.

»Wir stießen auf … eine Art … Bauwerk, in der Wüste, total verweht, zehn Meter unter der Oberfläche. Zwei meiner Leute sind da drin verschwunden und …«

In diesem Moment trafen die fünf Chefs der Bergeteams auf der Brücke ein. Der Kommandant musterte sie einen nach dem anderen und entschied.

»Frau Prohaskova, schwere Bergetechnik, Seilzüge etc. Sie verlassen in zehn Minuten die Rampe, hier die Koordinaten, schnell!«

Er reichte der attraktiven Enddreißigerin mit dem fein gezeichneten Gesicht eine eilig erstellte Topografie mit allen notwendigen Informationen.

»Der Rest: wegtreten!«

Dann wandte sich Herbie Sievelton nochmals mit leisem, fast väterlichem Ton an Jitka Prohaskova.

»Alles Menschenmögliche musst du unternehmen. Aber kein Risiko. Und wenn ich sage: Kein Risiko, dann heißt das: gar keines.«

Er schloss mit kräftiger Stimme: »Haben Sie mich verstanden?«

»Ja, Kommandant«, antwortete die junge Frau etwas unsicher.

»Dann los. Wir gewinnen nichts, wenn bei der Rettung von zwei Mann vier draufgehen.«

Nachdem die Bergeteam-Chefin gegangen war, meldete sich Navigator Schiven.

»Kommandant, gestatten Sie mir eine Frage?«

»Bitte.«

»Warum beauftragen Sie eine unerfahrene Frau mit der Mission?«

Sievelton wiegte seinen Kopf. »Okay, zumindest auf der Brücke sollte man eine Entscheidung verstehen, die ich spontan treffe. Jitka Prohaskova verfügt über die Spezialausbildung zur Arbeit im Wüstensand, ist durchaus erfahren, die einzige Frau unter den in Frage kommenden Teamchefs und ihre Mannschaft steht samt und sonders vor dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst. So ein Alter kennt mehr Tricks und Kniffe als eine ganze Schar junger Heißsporne und verzichtet sehr bewusst auf unnötige Risiken. Und Frauen neigen noch weniger zu riskanten Manövern. Aus irgendeinem Grund weht hier kein Wind mehr und die Wüste ist deshalb platt wie ein Brett, aber das da sieht nicht aus, als rollt ein schwerer Bergepanzer einfach so drüber. Da sollte man keine Fisimatenten machen.«

Er wandte sich abrupt der Chefin Kommunikation zu.

»Kommunikatia, machen sie mir doch mal eine Verbindung zu Truppführer Vorch.«

Anne Quoos verzichtete auf das übliche Ich heiße Anne, nicht Katja!, verzog nur kurz den Mund und ging sofort an die Arbeit. Ihr fragender Blick nötigte dem Kommandanten eine Erklärung ab.

»Die Relaisstation ist nur zehn Kilometer weg. Mal sehen, was der alte Fuchs auf der Pfanne hat.«

4.

 

Reinhardt stand mitten in der Wüste. Allein. Kein Dreiachser, kein Container mit Funkausrüstung, genauso fehlte jeder Hinweis auf Mast und Solarpaneele. Am meisten beunruhigte ihn aber, dass er auch von seinen Männern nicht die geringste Spur entdecken konnte.

»Was ist denn das jetzt für eine Scheiße«, zischte er durch die Zähne. Außer der eigenen vermochte er im Wüstensand keine Fährte zu finden. Dabei musste die Funkstelle keine zwanzig Meter entfernt stehen, er wollte doch nur die Ursache dieses Funkelns finden und, zugegeben, mit ein paar Schritten Somners Fragen entgehen. Warum entzog sich jetzt die komplette Technik seinen Blicken? Einen dreißig-Meter-Funkmast kann man auch aus einiger Entfernung nicht übersehen.

Ihm mangelte es an Alternativen, deshalb vertagte Reinhardt die Untersuchung der ominösen Lichterscheinung und folgte den eigenen Spuren, die er auf dem Weg in die Ödnis hinterlassen hatte.

 

٭

 

Nach der ersten Modulation vergingen nur wenige Minuten, da regte sich schon wieder Betrieb im Stationsempfänger. Hess schien vollkommen auszuticken. Der abgebrochene Riese sprang wie Rumpelstilzchen um sein Fernbediengerät, einen pultartigen Kasten, herum.

»Schon wieder! Funkverkehr! Und funktioniert«, verkündete er in heller Aufregung.

Mit einem vor sich hin gebrabbelten »Hä?« stutzte er unvermittelt, sprang ans Paneel und rief nach Reinhardt, der plötzlich wie aus dem Nichts in der Nähe des verwirrt dreinschauenden Somner auftauchte.

»Chef, das ist für dich«, meldete Hess erstaunt.

Fragend sahen alle zu ihrem Teamleiter, der genauso überrascht zum Fernbediengerät trat. Auf dem kleinen Display erschien das Gesicht des Kommandanten vor Reinhardt.

Im Angesicht seiner Mannschaft bemühte er sich um einen dienstlichen Ton. Mit nachlassendem Erfolg.

»Hallo, Kommandant, was verschafft mir die Ehre?«

»Reinhardt Vorch, sei mir gegrüßt. Wir haben einen Unfall, nur zehn Kilometer von eurem Standort. Wie schnell können Sie absatteln und hinfahren?«

Reinhardt warf einen skeptischen Blick auf die Räder seines Dreiachsers, die in den letzten Wochen bis zur Felge im Wüstensand verschwunden waren. Er musste einige der Laufplatten, mit denen sie den lockeren Sand überquerten, hier lassen, sonst bekämen sie den Aufbau nie wieder auf das Fahrzeug. Das streckte die zehn Kilometer auf etliche Stunden.

»Wer versorgt die drei Männer, die hierbleiben? Wie sicher kann eine eventuelle Evakuierung gewährleistet werden? Ich rechne mit einer Stunde fürs Absatteln, zwei, drei Stunden Fahrt. Ich hab bloß den Dreiachser, keine Kette.«

Sievelton überlegte kurz und fuhr in vertraulicherem Ton fort. »Okay, Reinhardt, um deine Leute mach dir keine Sorgen. Ist die Seilwinde am Dreiachser fit? Du wirst sie brauchen. Zwei Erkunder sind in einer Grabung verschollen. Wenn du entscheidest, nur mit einem deiner Männer hinzufahren, ich vertraue dir, dass deine Entscheidung das Richtige trifft. Mach los, ich lass dir hochauflösende Topografie schicken. Noch eine Bitte: keine Heldentaten, klar? Sievelton Ende.«

Einen Moment musste Reinhardt seine Gedanken ordnen. Die fragenden Blicke seines Teams ignorierend, begann er mit der für ihn wichtigsten Anweisung:

»Ab sofort entfernt sich keiner von euch weiter als zehn Meter von der Station. Diese Wüste hält ein paar Überraschungen bereit, die uns leicht das Leben kosten können. Für lange Erklärungen bleibt jetzt keine Zeit. Wenn ihr den Lander gesund wiedersehen wollt, dann keine Extratouren. Ich brauche einen Freiwilligen, der mit mir versucht, die zehn Kilometer bis zum Grabungscamp zurückzulegen. Auch da erwartet uns gewiss kein Spaziergang.«

Fred Hess drängte sich nach vorn. »Chef, die anderen können doch sowieso nicht richtig mit dem Dreiachser umgehen und der Autopilot dürfte hier ziemlich überfordert sein. Ich fahre mit.«

»Bist du dir sicher, Fred? Vielleicht müssen wir eine ordentliche Strecke zu Fuß durch die Wüste.«

»Wenn Du mir dabei mit deinen langen Ruten nicht davon läufst, ist alles gut.«

»In Ordnung, aber so lang finde ich meine Beine gar nicht. Also dann, Männer, Absatteln.«

Somner stöhnte auf. »Absatteln? Weiß denn im Lander keiner, wie heiß das hier ist?« »William, los jetzt!«, forderte Reinhardt ungeduldig. »Wenn wir erst über das Wetter diskutieren, wird’s auch nicht kühler.«

Der Pilot sah auf das bis zu den Achsen im Sand versunkene Fahrzeug und legte die Stirn in Falten. »Das kann ’ne Weile dauern, bis ich da raus bin«, brummte er unwirsch und spie aus, ehe er seine Kanzel erklomm.

Zu viert stellten sie die Füße des Aufbaus auf Laufplatten, ließen ihn maximal hochfahren. Hess hatte Glück, die Räder erreichten im ersten Anlauf die vorgelegten Tafeln und ohne Ungeschick kam das Fahrzeug frei.

Reinhardt verabschiedete sich mit »Good luck« vom Rest der Mannschaft. Einerseits sorgte er sich um die Zurückbleibenden, zum anderen aber konnte William ihm keine weiteren unangenehmen Fragen zu seiner Vergangenheit stellen.

Auf dem lockeren Sand bugsierte er in der glühenden Landschaft Laufplatte für Laufplatte hinter dem Dreiachser weg und vorne wieder hin. Plötzlich gab Hess Gas, fuhr von der künstlichen Piste und sprang aus seiner Kanzel.

»Einladen. Aufsitzen. Hier geht’s ohne.«

Als Reinhardt aufstieg, fragte der Pilot nach der Genehmigung, eine Drohne vorausschicken zu dürfen. Vorch schüttelte den Kopf.

»Der Kommandant hat ein absolutes Einsatzverbot für unbemannte Fluggeräte erlassen. Irgendetwas stört diese Dinger hier gewaltig. Sie liefern keine Daten und kommen nicht zurück. Aber die Sensorik des Dreiachsers sollte zusammen mit der Topografie, die uns das Mutterschiff geliefert hat, und unseren vier Augen reichen, den richtigen Weg zu finden.«

Hess nutzte die in den Bordrechner eingespielte Topografie und steuerte mit seinen zwei Sidesticks das Fahrzeug entlang der vorgeschlagenen Route, immer scharf nach Sandtrichtern Ausschau haltend, in denen sie sekundenschnell bis zu den Achsen versinken könnten. Plötzlich hielt er an.

»Das war’s, Chef. Den Rest müssen Sie wieder zu Fuß gehen und Piste machen.«

»Was sagt die Navigation? Zwei Kilometer noch?«

Hess lachte. »Zum Henker, es bleibt nicht mal einer, und da zeigt die Scheißwüste nochmal ihre hässliche weiche Fratze.« Das Spiel begann von neuem. Laufplatte hinten wegziehen, vorne hinlegen, hinten wegziehen, vorne hinlegen, wieder hinten wegziehen und vorne hinlegen, oben glüht der Stern, unten der Sand, hinten wegziehen, vorne hinlegen … Hess hielt an.

»Chef, können Sie die Mühle fahren?«

»Ja, kann ich.«

»Dann tauschen wir jetzt unsere Aufgaben.«

»Interessante Idee. Bestechend in ihrer Einfachheit. Ich bin geneigt, den Vorschlag zu akzeptieren«, schnaufte Vorch und kippte den Sand aus seinen Halbschäftern.

Als er im Cockpit saß, konnte Reinhardt anhand der Anzeigen ausmachen, dass noch zweihundert Meter bis zur Grabungsstelle blieben. Doch er sah nichts davon. Vor ihm erstreckte sich noch immer sandige Ebene, soweit das Auge reichte.

Kann nicht sein, die Wüste flach wie ’n Brett, die Oberflächenkrümmung kleiner, da der Radius um ein paar Kilometer größer als auf der Erde, und trotzdem ist nichts zu sehen. Eine Fata Morgana? So intensive Luftspiegelungen stellen ein absolutes Novum dar.

Langsam setzte Reinhardt das Fahrzeug in Bewegung. Hundert Meter weiter konnte er noch immer nichts vom Camp entdecken. Hess klopfte ans Cockpit, in körperlich desolatem Zustand, hochrot, keuchend. Der Kurze konnte sich kaum auf den Beinen halten.

»Chef, fünf Minuten, bitte. Woher nehmen Sie die Kondition, das geht ja gar nicht, diesen Höllenritt über ’n ganzen Kilometer, Sie sind doch nicht mehr zwanzig!«

»Altes Fleisch wird zäh. Rutsch rein, wir erreichen gleich das Lager.«

»Wo? Ich sehe nichts.«

»Ich auch nicht. Aber irgendwo auf den nächsten fünfzig Metern taucht es plötzlich auf, wetten?«

Verwundert sah Hess ihn an. »Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, aber mit Ihnen wette ich lieber nicht, Sie sind da eine Nummer zu groß für mich.«

Der Chef zog nun wieder die Platten. Als die Containerburg des Camps plötzlich vor ihnen auftauchte, betrug die Entfernung weniger als zehn Meter.

Innerhalb eines Augenblicks pflanzten sich die modularen Bauten vor den Dreiachser und verstellten den Blick in die Einöde.

Reinhardt stutzte, doch über das optische Phänomen nachzudenken, blieb im Moment keine Zeit.

Reinhardt machte sich ein Bild. Vor ihm dehnte sich ein großer Trichter im Wüstensand. Aufgespritztes Bindemittel sicherte die Wände der Grabung. Trotzdem rieselte beständig feiner Sand zum Trichterboden.

Das Team war dort auf ein Stollen- oder Bunkersystem, vielleicht auch nur auf ein im Wüstensand versunkenes Gebäude gestoßen und hatte etwa zwanzig Meter davon freigelegt. Wahrscheinlich lagen diese Strukturen schon einige Jahrtausende verlassen in der Wüste.

Das Gebilde entstammte definitiv keinem natürlichen Ursprung, soviel stand für Reinhardt fest.

Von den in einiger Entfernung zum Trichterrand abgestellten Baumaschinen näherten sich drei Leute. Einen Großen, Bulligen mit feister Visage flankierten zwei athletisch gebaute Kerls, deren Gesichter unkenntlich im Schatten der breiten Hutkrempen lagen.

Vorch ging ihnen entgegen. »Hält sich außer den verschollenen zwei Erkundern gerade jemand dort unten auf?«

»Nein, natürlich nicht«, antwortete der Bullige. »Und dort geht ohne meine ausdrückliche Genehmigung auch keiner hin. Ich bin Shoman, Leiter des Camps. Und was sind Sie?«

Der Camp-Chef fühlte sich wohl irgendwie auf den Schlips getreten. Dessen unverhohlen feindselige Art beeindruckte Reinhardt nicht.

»Vorch. Der Kommandant bat mich, mir die Sache mal anzusehen.«

Shomans Miene hellte schlagartig auf. »Ja, selbstverständlich. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

Reinhardt sah verwundert auf. Was ist denn das für ein komischer Vogel? Er braucht einen Moment, um die Situation zu verdauen, dann deutete er auf den Trichtergrund. »Wie lange trödeln die zwei schon dort rum?«

»Vier Stunden jetzt. Reichlich.«

»Gut. Oder eher nicht gut. – Fred«, rief er seinem Piloten zu, »ich steige ab. Mach die Winde klar!«

Während Hess am Seilzug hantierte, holte sich Reinhardt seinen schweren Schutzanzug. Die Leute vom Grabungsteam halfen ihm in das sperrige Kleidungsstück, was den Vorgang erheblich beschleunigte. Vorch prüfte die Sicherheit der Sprechfunkverbindung, Hess stimmte auf die Helmkamera ab.

»Roger?«, fragte Reinhardt den Kurzen, der bestätigte. Dann erteilte er seine Anweisungen. »Sprechfunkkontakt alle zwei Minuten. Fehlt die Antwort oder bricht der Funkverkehr zusammen, spätestens aber nach Ablauf einer Stunde, ziehst du die Winde an.

Wie viel Leine kannst du mir überhaupt geben?«

»Zweihundert Meter, fünfhundert Kilonewton. Sollte reichen. Aber zieh mir den Dreiachser nicht am Seil in den Schlund.«

»Da darf ich eben unten nicht so viel essen. – Shoman, wie heißen die Vermissten eigentlich, und wo wollten sie hin?«

»Michail und Alena Duchski. Wenn Sie in den Trichter kommen, auf der linken Seite ist ein Gang freigelegt, den wollten sie erkunden.«

»Na, dann mal los. Ach, eins noch, wenn ein Bergeteam eintreffen sollte, keine Aktivitäten, ehe ich nicht wieder ’raus bin, ist das klar?«

»Wenn Sie das nächste Mal Anweisungen geben zu müssen glauben, die das Camp betreffen: fragen Sie vorher gefälligst mich!«, zischte Shoman erbost.

»Negativ«, beschied Reinhardt. »Hier geht es um meine Sicherheit und die der Vermissten.« Er klinkte das Seil ein, ging zum Trichterrand, schloss den Helm, zeigte den Daumen und begann abzusteigen.

 

٭

 

Das Bergeteam näherte sich inzwischen bis auf eine halbe Stunde dem Unglücksort. Sie flogen mit Höchstgeschwindigkeit, bis Jitka Prohaskova erkannte, dass sie die letzten Kilometer mit den Gleiskettenfahrzeugen zurücklegen mussten. Der Wüstensand, der von hier ab das Bodengefüge bestimmte, ermöglichte kaum eine Landung, starten konnte man gar nicht. Sie verließen den Gleiter, setzten die Ketten ab und saßen eilig auf, damit man schnellstens zum Unglücksort gelangte.

Nur der Pilot blieb auf Anordnung des Kommandanten als Wache zurück.

 

٭

 

Reinhardt erreichte unterdessen den Trichtergrund und musterte die Breschen im dort zutage tretenden Gemäuer. Diese Bruchstellen entstanden mit Sicherheit nicht zufällig und garantiert nicht wesentlich später als das Bauwerk selbst. Da gab es schwärzliche und auch gelbliche Niederschläge an den Kanten. Vorsichtig schlug er einige Splitter von der Wandung und verstaute sie in den kleinen Probetütchen, die zur Standardausrüstung des Anzugs gehörten, wie auch der Flussdetektor für ionisierende Strahlungen, den er hin und wieder kritisch beäugte. Aber er stellte nichts Beunruhigendes fest. In kurzen Abständen meldete Reinhardt, die Bilder der Helmkamera ergänzend, seine Eindrücke und Vorhaben nach oben.

»Ich gehe jetzt in den freigelegten Tunnel. Fred, du kannst auch singen, um mir die Sicherheit zu geben, dass die Funkverbindung noch steht, aber ich will genau wissen, wann sie zusammenbricht. Spiel doch ein bisschen Musik ein. Ich bin Fan vom Ende des zwanzigsten, gibt es da was in deinem Archiv?«

Fred Hess fand eine halbe Stunde Latino-Jazz, der ihm, wie er erzählte, irgendwo zugelaufen war und gefiel, weil so wunderschön entspannend.

Reinhardt schaltete seinen Helmscheinwerfer ein und schritt beherzt in die vor ihm liegende Kammer, deren erste Meter von außen freigelegt waren. Zunächst nur ein schmaler Gang, erweiterte sich der Bau nach vielleicht zwanzig Metern zu einer Halle beängstigenden Ausmaßes. Vorch erstarrte vor der mächtigen Konstruktion, die auf gigantische Dimensionen des gesamten Komplexes schließen ließ. Er sicherte nach oben und ging dann links an der Wand entlang. Die Halle war oval und vielleicht fünfzig Meter lang, zwanzig breit, in vier Metern Höhe eine Gewölbedecke. Den ersten Ausgang entdeckte Reinhardt exakt gegenüber dem Eingang. Auf der rechten Hallenseite aber zweigten weitere fünf Gänge ab, und überall fand er frische Fußspuren im Staub der Jahrtausende, aus denen sich kein System herleiten ließ. Scheiße, hättet ihr nicht gleich dahin gehen können, wo ihr verschwunden seid? Reinhardts Laune ging auf Talfahrt. Das konnte er in einer Stunde nicht schaffen.

Da kam ihm eine Idee. Lieber Gott, lass ihn Ja sagen, dachte er und rief seinen Piloten.

»Ist Shoman in der Nähe? Frag ihn, ob die verschollenen Duchskis für gewöhnlich streng systematisch vorgehen oder zu spontanen Eingebungen neigen.«

»Hier ist Shoman. Wenn Sie gestatten, den beiden sagt man extrem systematische Arbeitsweise nach, nicht besonders genial, dafür äußerst pedantisch. Aber was bringt Ihnen das?«

»Dann weiß ich, wo ich weitersuchen muss. Vorch Ende.«

Sie sind mit Sicherheit an der Wand entlang. Jetzt lassen sich die Spuren, im trüben Licht der Helmfunzel schwer zu erkennen, besser deuten. Aber ja nicht zerlatschen, dachte Reinhardt sich. Er hatte Glück, die Duchskis waren, vom Zugang kommend, einen Seitengang nach dem anderen abgegangen, immer längs der rechten Hallenseite, kontrollierten die linke und zum Schluss betraten sie exakt gegenüber des Eingangs diesen Ausgang, wo sie verschwanden. Zwei Paar Füße hinein, keins heraus. Reinhardt setzte Meldung nach oben ab und kündigte an, gemäß seiner Beobachtungen jetzt den weiterführenden Weg zu betreten. Dieser Gang zeigte erhebliche Länge und sehr beengten Querschnitt. Alle zehn Meter stieß Reinhardt auf eine Schikane, die den Durchlass soweit einschränkte, dass er in seinem Anzug Mühe hatte, hindurch zu kommen. Der endlos wirkende enge Tunnel mündete unvermittelt in eine, wie es schien, kubische Halle. Reinhardt berichtete kurz an Hess und machte drei Schritte in die Halle hinein. Oh, oh, keine Musik mehr, und die Warnleuchten in seinem Anzug spielten Lichtorgel. »Schließen Sie bitte Ihr Helmvisier und verriegeln Sie es. Die Außenluft ist für Sie nicht geeignet. Es besteht Gefahr«, sagte sein Anzug mit säuselnd-weiblicher Stimme.

Ach, Mist, der Riegel! Schon das letzte Mal klemmte das Drecksding, sodass es den Kontakt nicht betätigte. Jetzt nervt mich diese Stimme, bis ich wieder draußen bin. Reinhardt schüttelte den Kopf und sah sich hastig in dem Kubus um. Etwa fünf Meter vom Eingang lag ein menschlicher, deutlich weiblich geformter Körper im Flightsuit der Excelsior-Außenteams. Genauer hinsehend erkannte er, dass sie versuchte, weiter in den Raum hinein zu kriechen, dorthin, wo ihr Gefährte sich torkelnd an der Wand entlang tastete.

Reinhardt, der wusste, dass er sich zunächst wieder in Funkreichweite begeben musste, schnappte sich die Frau und lief los. Als die lästige Stimme in seinem Anzug endlich schwieg und das Lichterspiel aufhörte, lief er immer noch weiter, so schnell es mit dem fast leblosen Geschöpf ging. Schließlich erreichte er die Halle und setzte seine Meldung ab.

»Fred, ich habe sie endlich gefunden. Die Frau liegt jetzt in der ersten Halle. Der Mann torkelt noch durch diesen Würfel, in dem irgendwas Gefährliches herumspukt.«

»Verstanden, Chef, hab auch noch was. Das Bergeteam ist eingetroffen.«