Birgit Grüneberg

Kinaesthetics in der Pflege

Bewegung fördern – Wahrnehmung schulen

Birgit Grüneberg

Kinaesthetics in der Pflege

Bewegung fördern – Wahrnehmung schulen

Inhalt

Vorwort

Ideen und Grundlagen

Kinaesthetics – Geschichte

Kinaesthetics – Grundlagen

Kinaesthetics und Lernen

Kinaesthetics und Gesundheit – Ganzheitliche Pflege, Prävention, Förderung

Kinaesthetics in der Langzeitpflege (inkl. Krankheitsbilder)

Kinaesthetics: Bewegungskompetenzen und Leitsätze

Kinaesthetics – Konzeptsystem

Konzept Interaktion

Konzept Funktionale Anatomie

Konzept menschliche Bewegung

Konzept Anstrengung

Konzept Menschliche Funktion

Konzept Umgebung

Kinaesthetics am Beispiel der SIS®-Themenfelder

Themenfeld 1 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit

Themenfeld 3 – Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

Themenfeld 4 – Selbstversorgung

Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen

Themenfeld 6 – Wohnen/Häuslichkeit

Einschätzung von pflegesensitiven Risiken und Phänomenen im Kontext der Themenfelder

Schlusswort

Autorin

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Buch-Code: AH1153

Vorwort

Als langjährige Lehrerin für Pflegeberufe und Kinaesthetics-Trainerin möchte ich anderen Menschen helfen, einen Weg zu finden, sich selbst helfen zu können. Gleichzeitig ist es mir wichtig, Pflegekräfte dabei zu unterstützen, Bewegungswahrnehmungskompetenzen zu entwickeln und ihnen mithilfe des Kinaesthetics-Konzeptsystems ein anderes Verständnis von Pflege und über das, was die Bewegungskompetenz einer Pflegekraft für die Pflege bedeutet, zu vermitteln.

Ich lernte Kinaesthetics während meiner Weiterbildung zur Lehrerin für Pflegeberufe 1994–1996 kennen. Mein Weiterbildungskurs hatte das Glück, dass unsere Pflegedozentin gerade ihre Kinaesthetics-Trainer-Ausbildung beendet hatte und einen Kinaesthetics-Grundkurs in der Pflege mit uns durchführte. Sie ist übrigens heute die Geschäftsführung von Kinaesthetics Deutschland. Wie viele andere Pflegekräfte auch sah ich in der Kinaesthetics eine Möglichkeit, schwere Menschen leichter und allein bewegen zu können und dadurch rückenschonender zu arbeiten.

Das änderte sich, als ich nach meiner Lehrerweiterbildung einen Kinaesthetics-Aufbaukurs in der Pflege besuchte. Und als ich wiederum etwas später noch an einer Kinaesthetics-Fortbildung für Lehrkräfte in der Pflege teilnahm, weil ich das Gefühl hatte, noch mehr darüber wissen zu müssen, kam ich mir vor wie ein Christbaum, an dem nacheinander sämtliche Lichter angingen. Von da an stand für mich fest, ich muss Kinaesthetics-Trainerin werden, damit meine Schüler in ihrer Ausbildung über mich zumindest einen Kinaesthetics-Grundkurs in der Pflege erhalten und somit ein gewisses Grundwissen über Kinaesthetics erwerben können.

Heute bin ich ausgebildete Trainerin der Stufe 3 (Aufbaukurs-Trainerin), habe die Zusatzausbildung für pflegende Angehörige und verfüge über die Weiterbildungen zur Kinaesthetics Peer Tutoring Ausbilderin und für den Bereich Kinaesthetics Palliativ Care. Daher bin ich mittlerweile sogar der Auffassung, dass der Erwerb eines Kinaesthetics Grundkurses während der Pflegeausbildung bei Weitem noch nicht ausreicht, um die Wirkungen von Kinaesthetics und die Auswirkungen falscher Bewegungsunterstützungen in der Pflege zu verstehen.

Jeder Pflegeschüler sollte in seiner Ausbildung einen in den Pflegeunterricht integrierten und mit den Pflegethemen verknüpften Kinaesthetics-Grund- und -Aufbaukurs absolvieren. Und die für ihn zuständige Praxisanleitung müsste über eine Kinaesthetics Peer Tutoring Ausbildung verfügen, damit sie in der Lage ist, den Schüler kinaesthetisch bezogen anzuleiten.

Kinaesthetics ist mehr als rückenschonendes Arbeiten und die Mobilisation des Pflegebedürftigen. Es ist vielmehr auch ein Pflegekonzept für Lebensqualität, Prävention und Gesundheitsprozessförderung. Um dies zu verdeutlichen, werde ich die SIS®- Themenfelder mithilfe des Kinaesthetics-Konzeptsystems betrachten und zum Teil aus der Perspektive von Erkrankungen der Langzeitpflege die Auswirkungen von Bewegung erläutern.

In der Einleitung erfährt man zunächst etwas über die Entstehungsgeschichte von Kinaesthetics durch die Begründer, dessen Grundlagen, den Zusammenhang mit dem Lernen und der Gesundheitsentwicklung. Darauf folgt eine kurze Auseinandersetzung mit den Schwerpunktthemen der Langzeitpflege. Im Hauptteil erfolgt dann die Erläuterung des Kinaesthetics-Konzeptsystems und die kinästhetisch-analytische Betrachtung zu den einzelnen Themenfeldern der SIS®.

Der Inhalt des Buches gibt keine allgemeingültigen Handlungsanweisungen, da es diese in der Kinaesthetics nicht gibt. Kinaesthtics ist keine Technik, wie sie beispielsweise beim Heben und Tragen durch die genaue Beschreibung, wo man wann und wie anfassen und unterstützen muss, vorgegeben wird. Allerdings zeigt das Kinaesthetics-Konzeptsystem im Bereich „Funktionale Anatomie“ auf, was beim Handling des menschlichen Körpers in Bezug auf die Anatomie beachtet werden muss, z. B. wo die Pflegekraft den Pflegebedürftigen anfassen darf und wo nicht. Techniken schränken den Menschen in seiner Bewegung ein und lassen eine individuelle, an die eigenen Bedürfnisse und Ressourcen angepasste und gesundheitsfördernde Bewegungsentwicklung nicht zu.

In diesem Buch geht es um die Vermittlung eines grundlegenden Verständnisses von menschlicher Bewegung und die dafür erforderliche Haltung der Pflegefachkraft. Es werden auf die Pflege bezogene Grundlagen erläutert, um Kinaesthetics im Bereich der Pflege zu verstehen. Die menschliche Bewegung ist sehr komplex, individuell, situationsbezogen und von der Tagesform abhängig. Daher lässt sich Kinaesthetics auch nur über Bewegungserfahrungen durch die eigene Wahrnehmung und Empfindung, wie sie in Grund- und Aufbaukursen oder in praxisbegleitenden Situationen durch eine Fachkraft gegeben sind, und nicht über schriftlich aufgeführte Handlungsanweisungen erlernen.

Kurz gesagt:

„Kinaesthetics in der Pflege“ wird fälschlich häufig als Technik für ein besseres „rückenschonendes Arbeiten“ gesehen und nicht als bewusste und individuelle auf die Personen bezogene Interaktionsprozesse verstanden.

BEISPIEL:

Während einer Kinaesthetics Fortbildung in einer Pflegeeinrichtung schilderten mir die Teilnehmer insbesondere den schwierigen Umgang mit demenziell erkrankten Menschen, die das Angebot zur Bewegungsunterstützung durch die Pflegekraft oft nicht verstanden oder sich dieser durch gegensätzliche Bewegungen entgegenstellten. Ich erklärte den Teilnehmern, dass es auf ihre Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeit ankommt und sie mittels Bewegung kommunizieren müssen. Mithilfe der Konzepte „Interaktion“ und „Funktionale Anatomie“ verdeutlichte ich ihnen, worauf sie achten müssen, damit sie in der Lage sind, den Bewegungen des demenziell erkrankten Menschen zu folgen und umgekehrt dem Erkrankten zu ermöglichen seiner Bewegung folgen zu können. Wahrnehmung und Kommunikation bestehen aus Bewegung und sind die Voraussetzung für alle Interaktionsprozesse.

Anschließend gingen die Teilnehmer mit mir zu einer der besagten pflegebedürftigen demenziellen Personen und ich unterstützte ihren Bewegungsprozess aus dem Bett in den Rollstuhl. Es gab keinerlei Probleme zwischen mir und der erkrankten Person, da ich mich auf ihre Wahrnehmungsfähigkeiten einstellte und ihr die Möglichkeit gab, dem Gewichts- und Bewegungsverlauf ihres eigenen Körpers folgen zu können, indem ich ihr half, eben diesen Verlauf bewusst wahrzunehmen.

Ich hoffe hiermit Ihr Interesse geweckt zu haben und möchte Sie mit diesem Buch dazu einladen, den Weg zu gehen, alltägliche Aktivitäten bewusster wahrzunehmen und neu zu entdecken. Und dabei vielleicht gesundheitsgefährdende Bewegungsabläufe und -unterstützungen zu erkennen und einen Weg zu finden, diese in gesundheitsfördernde Bewegungsabläufe und -unterstützungen zu verändern.

Birgit Grüneberg