Prof. Dr. Christiana Nicolai ist Professorin für Personalmanagement und Organisation an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

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ISBN 978-3-86764-836-3 (Print)

ISBN 978-3-7398-0387-6 (EPUB)

ISBN 978-3-7398-0388-3 (EPDF)

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© UVK Verlag 2018

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Vorwort

Die Organisation eines Unternehmens hat entscheidenden Einfluss auf seine Wettbewerbsfähigkeit. Sie hat Auswirkungen auf Kosten, Produktivität und Qualität sowie auf das Verhalten und die Motivation der Mitarbeiter. Organisatorische Aufgaben stellen sich nicht nur bei der Unternehmensgründung, auch die Prozesse und Strukturen bestehender Unternehmen müssen immer wieder neu gestalten werden, sollen sie erfolgreich bleiben. Die zahlreichen Reorganisationen in den letzten Jahren belegen, dass die Bedeutung der Organisation erkannt wurde. Sie wird heute überwiegend als strategische Managementfunktion und wesentlicher Baustein bei der zielorientierten Steuerung und langfristigen Erfolgssicherung verstanden.

Dieses Buch behandelt neuere und praxisrelevante Konzepte. Die Themen „organisatorischer Wandel“ und „Zukunftstrends“ sind ebenfalls berücksichtigt.

Christiana Nicolai

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Neuere
organisatorische Konzepte

1.1 Aktuelle Situation

In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Konzepte zur Organisationsgestaltung entstanden. Und ständig kommen weitere hinzu, während über andere, zunächst hochgelobte, gar nicht mehr gesprochen wird.

Die Sichtweise, was eine gute Organisation ausmacht, verändert sich mit der Zeit, es gibt Modewellen, die aufkommen und wieder abebben. Unternehmen, die sich dem Zeitgeist anpassen, werden von der internen und externen Öffentlichkeit oft weniger kritisch betrachtet. Sie können zudem Probleme mit den (noch vorhandenen) organisatorischen Schwächen und der noch nicht komplett gelungenen praktischen Umsetzung der neuen Vorgehensweisen begründen.1

Neue organisatorische Konzepte verbreiten sich in der Praxis wesentlich langsamer als in der Theorie. Oft versprechen sich Unternehmen keine nennenswerten Verbesserungen oder sie stellen fest, dass das Konzept bei näherem Hinsehen gar nicht wirklich neu ist. Außerdem ist es schwierig, die zentralen Grundgedanken und deren sinnvolle Anwendbarkeit zu überprüfen, da es zwischen den Organisationskonzepten erhebliche inhaltliche Überschneidungen gibt. Sie übernehmen Teile und Ideen von anderen Konzepten und sind deshalb nicht eindeutig gegeneinander abgrenzbar.

Deshalb warten Unternehmen häufig zunächst Erfolgsmeldungen anderer Unternehmen ab, bevor sie solche Neuerungen selbst einführen. Somit gibt es eine zeitliche Verzögerung, eine sog. Umsetzungslücke, zwischen der Zunahme der Publikationen zu einem neuen Organisationskonzept einerseits und dessen großflächiger Umsetzung in der Unternehmenspraxis andererseits.

Allen neuen Konzepten zur Organisationsgestaltung gemeinsam ist der konsequente Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik.

Folgende Entwicklungen bilden die Schwerpunkte:2

Im Zusammenhang mit neuen Organisationskonzepten fällt häufig auch der Begriff hybride Organisation. Ein Hybrid ist ein Mischwesen, welches nicht eindeutig zuzuordnen ist.

Bei hybriden Organisationen entstehen durch die Verschmelzung von Elementen aus Markt und Hierarchie neue organisatorische Strukturen.3 Man will einerseits bestimmte Prozesse im Unternehmen –„in der Hierarchie“ – halten. Gleichzeitig erscheint eine vollständige Integration aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll, etwa weil bestimmte Kompetenzen, Technologien, Kontakte zu Kunden oder personelle und finanzielle Ressourcen fehlen. Deshalb baut das Unternehmen seine Kontakte zum Markt – vor allem zu Zulieferern und Konkurrenten – aus und bildet mit anderen Unternehmen regionale und überregionale Kooperationen. Die Grenzen zwischen dem eigenen und den anderen Unternehmen verschwimmen, es entsteht ein Mischwesen, ein Hybrid.

Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die bekanntesten Konzepte, ausgewählt nach ihrer praktischen Bedeutung und ihrem Bekanntheitsgrad:

Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Konzepte nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt werden können und inhaltliche Überschneidungen nicht vermeidbar sind.

1.2 Modulare Organisation

Das Konzept der Modularisierung wird seit langem bei komplexen technischen Systemen angewandt. Man zerlegt eine Gesamtheit in mehrere kleine, überschaubare und weitgehend geschlossene Einheiten, die man als Module oder Segmente bezeichnet. Sie sind kombinierbar und über definierte Schnittstellen miteinander verbunden.

Diese Vorgehensweise lässt sich auch auf die organisatorische Gestaltung von Unternehmen übertragen. Dazu bildet man Module, die konsequent an den Prozessen und den Anforderungen der Kunden ausgerichtet sind. Auf diese Weise sollen Schnittstellenprobleme, die durch Hierarchien und Abteilungsgrenzen entstehen, verringert werden. Das Ergebnis sind vergleichsweise unkomplizierte Strukturen, die dazu beitragen sollen, Fehlerraten, Kosten und zeitlichen Aufwand zu reduzieren. Zu diesem Zweck wird jedes Modul mit Entscheidungskompetenz und Ergebnisverantwortung ausgestattet. Die für ein Modul verantwortlichen Organisationseinheiten werden als Moduleigner bezeichnet.

Modularisierung kann auf allen Organisationsebenen betrieben werden. Sie bezieht sich auf Stellen, Teams, Abteilungen, Geschäftsbereiche, Prozesse etc. Auch ganze Unternehmen können als Module eines Verbundes mit anderen Unternehmen angesehen werden.

Das Ergebnis der Modularisierung ist ein System weitgehend autonomer Einheiten, die sich überwiegend selbst steuern, mit ihren internen und externen Zulieferern und Kunden verbunden sind und Leistungen austauschen.4

Eine modulare Organisation ist vor allem für Unternehmen mit komplexem Produktionsprogramm geeignet, die viele Produktvarianten anbieten und global agieren.5

Typische Merkmale von modularisierten Unternehmen sind:6

Um die Module zu integrieren, müssen die beteiligten Mitarbeiter sämtliche benötigten Informationen schnell zur Hand haben, stärker als bislang kommunizieren und sich häufiger selbst untereinander abstimmen.7 Deshalb ist Modularisierung immer mit dem Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik verbunden.

Einen Überblick über häufige Formen der modularen Organisation gibt die Abb. 1.

Formen der modularen Organisation
Ebene Organisationsform
Unternehmensübergreifende Wertschöpfungskette
  • externe Netzwerke
Gesamtunternehmen
  • weitgehend selbständige Profit-Center und Investment-Center
  • Fraktale
Prozesse
  • teilautonome Arbeitsgruppen
  • Fertigungsinseln
  • Fertigungssegmente
Teilprozesse
  • autarke Arbeitsweisen
  • kooperative Arbeitsweisen
  • virtuelle Teams

Abb. 1: Formen der modularen Organisation

Bei einer unternehmensübergreifenden Modularisierung werden Unternehmen, Zulieferer, Kreditgeber, Großhändler etc. als Module eines Gesamtsystems gesehen, die gemeinsam kundenorientiert arbeiten.

Auf Unternehmensebene lassen sich beispielsweise die Sparten einer divisionalen Organisation als Module interpretieren. Voraussetzung ist dabei ihre weitgehende Selbständigkeit, d.h. sie müssen als Profit- oder Investment-Center strukturiert sein. Wenn diese Module ganz bestimmte Eigenschaften aufweisen, werden sie auch als Fraktale bezeichnet. Sie werden im folgenden Abschnitt 1.3 näher betrachtet.

Auf Prozessebene werden Module relativ häufig gebildet. Ein Beispiel sind die teilautonomen Arbeitsgruppen, die mit genau festgelegten Autonomiebereichen und -graden ihre vorgegebenen Ziele selbständig und eigenverantwortlich erreichen sollen.

Weitere Beispiele sind Fertigungsinseln, bei denen die organisatorischen Einheiten auch räumlich zusammengefasst sind, und Fertigungssegmente