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G. M. Berrow

My Little Pony - Discord und das magische Musical

Aus dem Englischen

von Susanne Schmidt-Wussow

Saga

Für Banzai, meinen Lieblings-Chaoten.

Kapitel 1

Der freie Markt

Es war ein besonderer Tag in Ponyville. Nein, es war keiner dieser Tage, an denen einfach alles perfekt und super läuft. Die Sonne stand irgendwie ein bisschen schief, die Wolken sahen seltsam aus und es lag so ein komisches Gefühl in der Luft. Dabei hatte der Tag begonnen wie jeder andere. Erst hatte Prinzessin Celestia von ihrem königlichen Balkon in Canterlot aus die Sonne aufgehen lassen. Überall in ganz Equestria wachten die Ponys auf und starteten in den Tag. In Ponyville sangen immer als Erste die Vögel ihr liebliches Morgenlied, dann kam das Gewühl der kleinen Schulponys, die nicht zu spät zur ersten Stunde kommen wollten, und schließlich trabten die Stadtponys mit einem erwartungsvollen Lächeln auf dem Gesicht zur Arbeit oder zu ihren Verabredungen.

Doch dann, irgendwann am Vormittag, ging alles schief. Das vertraute boshafte Lachen erklang erst leise, wurde dann aber mit jeder Minute lauter. Es hallte durch die Gassen und drang durch die Fensterscheiben jeder Hütte, jedes Cafés und jeder Bäckerei der Stadt. Der Laut ließ den Stadtponys einen kalten Schauer über den Rücken laufen und brachte sie dazu, ohne Umwege nach Hause zurück zu galoppieren und darauf zu warten, dass der Chaossturm vorüberzog.

Dabei gab es doch eigentlich gar nichts zu befürchten. Discord, das Drachenpony, König des Chaos und ehemaliger Peiniger der Ponys, hatte sich doch gebessert – ausgerechnet! Leider konnte man seine Ponyfreundinnen an einer Pranke und einer Klauenhand abzählen – die Bewohner von Ponyville hielten ihn immer noch für einen unberechenbaren Schrecken. In Wirklichkeit war er immer noch unberechenbar, aber kein großer Schrecken mehr.

„Wie unerwartet von mir, heute hier aufzutauchen!“, sagte er, als er fröhlich durch die Straßen schlenderte. „Es ist schon viel zu lange her.“ Discord war lange nicht mehr in Ponyville gewesen. Als er zum letzten Mal aufgetaucht war, um seine neuen Freundinnen – Fluttershy, Prinzessin Twilight Sparkle, Pinkie Pie, Applejack, Rainbow Dash und Rarity – zu besuchen, hatte er die Fohlen zu Tode erschreckt, nur indem er vorbeiflog. Discords Freundinnen hatten versucht, die jungen Ponys und ihre wütenden Eltern zu beruhigen, und darauf beharrt, dass Discord ihnen nichts Böses wollte. Aber die Stadtponys fühlten sich immer noch unbehaglich. Was für einen verrückten Zauber würde er beim nächsten Mal auf sie loslassen, nur so zum Vergnügen? Würde er ihre Häuser umdrehen und sie in den Himmel steigen lassen? Vielleicht würde Discord die Kaninchen auch wieder in furchtbare langbeinige Kreaturen verwandeln! Oder einfach die Straßen vertauschen und zusehen, wie die Ponys orientierungslos herumstanden, sich verwirrt die Mähne kratzten und sich in ihrer eigenen Stadt nicht mehr zurechtfanden.

Aber Discord war nicht in Ponyville, um Ärger zu machen. Er war auf einer speziellen Geheimmission. Er nahm die zerknüllte Schriftrolle mit dem Wappen des Schlosses von Canterlot heraus und las sie noch einmal.

Lieber Discord,

ich freue mich zu hören, dass es dir gut geht in Chaosville. Schöne Grüße an das Smooze! Wie wir beide wissen, war dein Weg zur Magie der Freundschaft etwas steinig. Aber der Weg des Lebens ist oft voller Umwege, wie zum Beispiel die Sache mit Tirek. Heute schreibe ich dir, um dir etwas zu ermöglichen, das meiner Meinung nach deinen Erfahrungsschatz als Freund der Ponys vergrößern könnte.

Dieses Jahr im Frühling werden die Bewohner von Ponyville zusammen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten – das Frühlingsmusical. Ich möchte, dass du bei diesem Gemeinschaftsprojekt mitmachst. Wenn du beweisen kannst, dass du im Team mitgearbeitet hast, um diesem Ereignis zum Erfolg zu verhelfen, will ich dir gern einen Gegenstand aus der Vergangenheit zurückgeben. Denn nur dann kann ich darauf vertrauen, dass du wirklich ein dauerhafter Verbündeter Equestrias werden willst.

Deine Freundin
Prinzessin Celestia

PS: Erzähle niemandem von dieser Aufgabe.

Als er den Brief in seiner Hütte in Chaosville in der Hand hielt, wusste Discord zuerst nicht, was er tun sollte. Er führte ein ruhiges Leben in seinem ordentlichen Haus. Warum sollte er alles auf den Kopf stellen, nur um ein paar kleinen Ponys zu helfen? Aber dann fiel Discord ein, dass er liebend gern alles auf den Kopf stellte und dass ihm außerdem ziemlich langweilig war. Und dann war da noch dieser Gegenstand. Was konnte das wohl sein?

Discord hatte während seiner kurzen, chaosreichen Herrschaft über Equestria mehrere persönliche Schätze und Relikte in ganz Canterlot versteckt. Seit er aus seiner Statue im Skulpturengarten befreit worden war, hatte er fast alle wiedergefunden. Offenbar war er einfach zu gut im Verstecken, denn einige hatte das Drachenpony immer noch nicht gefunden. Wenn Celestia irgendwo in den Tiefen der Schlossverliese zufällig auf eine einfache Steinkugel mit dem Wappen des Chaos darauf gestoßen sein sollte, würde er alles tun, um sie zurückzubekommen. Discords Herz schlug schneller, wenn er sich vorstellte, wie er sie wieder in der Pranke hielt.

Aber so sehr er sein lange verschollenes Relikt auch zurückhaben wollte, so langsam begann Discord seinen Entschluss zu bereuen, direkt in die Stadt zu eilen. Ziellos schwebte und schlenderte er umher und fand sich bald vor dem Marktplatz wieder. Zwei Erdponys trabten vorbei, die Karren am Rücken festgeschnallt. Beide hatten blumenförmige Schönheitsflecken und stapelweise frische Sträuße aus Rosen und Lilien auf ihren Karren.

„Guten Tag euch beiden“, sagte Discord, verbeugte sich mit einer theatralischen Geste und tippte sich an einen grünen Zylinder, der gerade aus dem Nichts auf seinem Kopf aufgetaucht war. Statt seinen Gruß zu erwidern, kreischten die Blumenponys jedoch entsetzt auf und galoppierten in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren, eine Spur aus Blütenblättern hinter sich lassend. „Wie unhöflich!“, bemerkte Discord und zog die buschigen Augenbrauen zusammen. Er hob eine heruntergefallene rote Rose auf und schnupperte daran. „So oft, wie ich schon hier war, wohne ich doch praktisch in Ponyville! Und trotzdem tun diese kleinen Ponys gerade so, als hätten sie mich noch nie gesehen.“

„Möchten Sie gern hier wohnen?“, rief eine krächzende Stimme. „Dann kann ich Ihnen sicher helfen.“

„Wobei helfen?“ Discord wirbelte herum. Ein stämmiges gelbes Einhorn mit dünner orangefarbener Mähne und Seitenscheitel war hinter ihm aufgetaucht. Sein Schönheitsfleck hatte die Form einer strohgedeckten Hütte und auf seinem Gesicht lag ein durchtriebenes Lächeln. Das Pony streckte den Huf aus, aber Discord rührte es nicht an.

„Mein Name ist Martingale“, sagte das Pony. „Und Häuser verkaufen ist mein Geschäft. Ich kann Ihnen noch heute einen Ort zum Wohnen verschaffen.“ Martingale grinste und zwinkerte ihm auch noch zu. „Natürlich nur, wenn Sie Interesse haben.“

„Sie scheinen mir wirklich genau im richtigen Moment aufgetaucht zu sein“, antwortete Discord. „In Ponyville wird bald etwas geschehen und ich muss dabei sein.“