ADRIAN DOYLE

&

TIMOTHY STAHL

 

 

BLUTVOLK, Band 13:

Die zweite Wirklichkeit

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Die Autoren 

 

Was bisher geschah... 

 

DIE ZWEITE WIRKLICHKEIT 

 

Vorschau auf BLUTVOLK, Band 14: DIE ZEIT DES BÖSEN  

von ADRIAN DOYLE und TIMOTHY STAHL 

 

Glossar 

 

Das Buch

 

Es ist ein Morgen wie jeder andere. Als Lilith Eden im Haus an der Paddington Street erwacht, kitzelt Sonnenlicht ihr Gesicht, und Kaffeeduft zieht von der Küche herauf. Im Speiseraum warten bereits ihre Eltern mit dem Frühstück auf sie. Bald wird Marsha vorbeikommen, ihre beste Freundin...

Paddington Street? Eltern? Marsha?

All das erscheint Lilith seltsam unwirklich, ohne dass sie sagen könnte, was sie stört. Alles scheint in Ordnung; ihre heile Welt ist ungetrübt.

Und doch... wurde das Haus nicht dem Erdboden gleichgemacht? Starb ihre Mutter nicht bei Liliths Geburt, und wurde ihr Vater nicht grausam von Vampiren getötet, Jahre bevor auch Marsha an Altersschwäche starb?

Woher kommen diese bösen, falschen Träume...?

 

BLUTVOLK – die Vampir-Horror-Serie von Adrian Doyle und Timothy Stahl: jetzt exklusiv als E-Books im Apex-Verlag.

Die Autoren

 

 

Manfred Weinland, Jahrgang 1960.

Adrian Doyle ist das Pseudonym des deutschen Schriftstellers, Übersetzers und Lektors Manfred Weinland.

Weinland veröffentlichte seit 1977 rund 300 Titel in den Genres Horror, Science Fiction, Fantasy, Krimi und anderen. Seine diesbezügliche Laufbahn begann er bereits im Alter von 14 Jahren mit Veröffentlichungen in diversen Fanzines. Seine erste semi-professionelle Veröffentlichung war eine SF-Story in der von Perry-Rhodan-Autor William Voltz herausgegebenen Anthologie Das zweite Ich.

Über die Roman-Agentur Grasmück fing er Ende der 1970er Jahre an, bei verschiedenen Heftroman-Reihen und -Serien der Verlage Zauberkreis, Bastei und Pabel-Moewig mitzuwirken. Neben Romanen für Perry-Rhodan-Taschenbuch und Jerry Cotton schrieb er u. a. für Gespenster-Krimi, Damona King, Vampir-Horror-Roman, Dämonen-Land, Dino-Land, Mitternachts-Roman, Irrlicht, Professor Zamorra, Maddrax, Mission Mars und 2012.

Für den Bastei-Verlag hat er außerdem zwei umfangreiche Serien entwickelt, diese als Exposé-Autor betreut und über weite Strecken auch allein verfasst: Bad Earth und Vampira.

Weinland arbeitet außerdem als Übersetzer und Lektor, u. a. für diverse deutschsprachige Romane zu Star Wars sowie für Roman-Adaptionen von Computerspielen.

Aktuell schreibt er – neben Maddrax – auch an der bei Bastei-Lübbe erscheinenden Serie Professor Zamorra mit.

 

 

 

Timothy Stahl, Jahrgang 1964.

Timothy Stahl ist ein deutschsprachiger Schriftsteller und Übersetzer. Geboren in den USA, wuchs er in Deutschland auf, wo er hauptberuflich als Redakteur für Tageszeitungen sowie als Chefredakteur eines Wochenmagazins und einer Szene-Zeitschrift für junge Leser tätig war.

In den 1980ern erfolgten seine ersten Veröffentlichungen im semi-professionellen Bereich, thematisch alle im fantastischen Genre angesiedelt, das es ihm bis heute sehr angetan hat. 1990 erschien seine erste professionelle – sprich: bezahlte - Arbeit in der Reihe Gaslicht. Es folgten in den weiteren Jahren viele Romane für Heftserien und -reihen, darunter Jerry Cotton, Trucker-King, Mitternachts-Roman, Perry Rhodan, Maddrax, Horror-Factory, Jack Slade, Cotton Reloaded, Professor Zamorra, John Sinclair u. a.

Besonders gern blickt er zurück auf die Mitarbeit an der legendären Serie Vampira, die später im Hardcover-Format unter dem Titel Das Volk der Nacht fortgesetzt wurde, und seine eigene sechsbändige Mystery-Serie Wölfe, mit der er 2003 zu den Gewinnern im crossmedialen Autorenwettbewerb des Bastei-Verlags gehörte.

In die Vereinigten Staaten kehrte er 1999 zurück, seitdem ist das Schreiben von Spannungsromanen sein Hauptberuf; außerdem ist er in vielen Bereichen ein gefragter Übersetzer. Mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen lebt er in Las Vegas, Nevada.

  Was bisher geschah...

 

 

Alle Vampiroberhäupter rund um den Globus werden von einer schrecklichen Seuche befallen, die sie auf ihre Sippen übertragen. Die infizierten Vampire – bis auf die Anführer selbst – können ihren Durst nach Blut nicht mehr stillen und altern rapide. Gleichzeitig wird in einem Kloster in Maine, USA, ein Knabe geboren, der sich der Kraft und Erfahrung der todgeweihten Vampire bedient, um schnell heranzuwachsen.

Die Epidemie macht auch vor dem Häuptling eines Stammes von Vampir-Indianern nicht halt, die sich vom Bösen abgewandt haben, indem sie geistigen Kontakt zu ihren Totemtieren, den Adlern, halten. Makootemane kämpft mit dem Traumbild der Seuche – einem Purpurdrachen – und drängt ihn zurück.

Sowohl die Seuche als auch die Geburt des Kindes erschüttern das Weltgefüge auf einer spirituellen Ebene. Rund um den Erdball reagieren para-sensible Menschen, träumen von unerklärlichen Dingen und möglichen Zukünften. Die »Illuminati«, ein Geheimbund in Diensten des Vatikans, rekrutiert diese Träumer.

Als das Kind die Kraft in Lilith erkennt, bringt es sie in seine Gewalt und seine Träume. Doch Rafael Baldacci, ein Gesandter von Illuminati, rettet sie aus einer Traumwelt, in der die Vampire die Erde beherrschen, indem er sein Leben für sie opfert.

Baldacci ist der Sohn Salvats, der Illuminati vorsteht. Die Ziele des Ordens sind mysteriös, scheinen aber eng an ein Tor gebunden, das er in einem unzugänglichen Kloster nahe Rom bewacht. Gabriel, das Kind, wird auf das Tor – und die Mächte dahinter – aufmerksam. Er sucht das Kloster auf und erkundet die Lage. Gleichzeitig ruft er Landru herbei, dessen Kraft er sich einverleiben will, bevor er das Tor öffnet...

In der Zwischenzeit führt die Seuche einen zweiten Schlag gegen den Stamm der Vampir-Indianer. Hidden Moon, Makootemanes Schüler, macht sich auf, um Lilith Eden um Hilfe zu bitten. Sie steht den Arapaho gegen die Seuche bei, die jedoch alle Adler und letztlich – durch Lilith – auch Makootemane tötet. So zerstreut sich der Stamm auf der Suche nach neuen Totemtieren, und Hidden Moon schließt sich Lilith an.

Das wird beiden beinahe zum Verhängnis. Denn Lilith tötete unter dem Einfluss der Seuche Hidden Moons Totemadler, und nun »staut« sich das Böse in dem Arapaho. Fast zu spät erkennt er, dass Lilith die Rolle seines Totemtieres übernommen hat und er nur in ihrer Nähe dem Bösen widerstehen kann. Doch als seine angestauten Energien auf Lilith übergehen, verändert dies ihr Gleichgewicht: Liliths böse, vampirische Seite gewinnt die Oberhand! Und das ausgerechnet in einem Kampf gegen einen wahnsinnig gewordenen Vampir! Nur mit knapper Not können Lilith und Hidden Moon ihre wahre Natur wiederfinden und gegen den Vampir bestehen...

DIE ZWEITE WIRKLICHKEIT

 

 

 

Sydney, Australien?

Als Lilith erwachte, hatte sie das bedrückende Gefühl, ein ganzes Leben geträumt zu haben – ein anderes Leben; das Leben einer anderen...

Vertraute Gerüche und Geräusche hießen sie jedoch in ihrem eigenen willkommen: Kaffeeduft zog von der Küche herauf, von irgendwoher drangen leise die Stimmen ihrer Eltern, und warmes Sonnenlicht fiel durch das Fenster und umschmeichelte ihr Gesicht.

Ein Morgen wie jeder andere. Und doch empfand Lilith etwas als störend in der gewohnten Harmonie.

Die eigenartige Gewissheit beispielsweise, dass ihre Eltern seit vielen Jahren – tot waren...!

 

Für einen flüchtigen Moment verwandelte sich der Rest wohliger Morgenmüdigkeit in etwas, das wie schmelzendes Eis dicht unter Liliths Haut dahinfloss und unangenehm kribbelnde Schauer vagen Entsetzens darüberkriechen ließ. Dann war es vorbei; in dem Augenblick, da Lilith die erschreckende Ahnung, ihre Eltern wären tot, als das abtat, was sie nur sein konnte: als Überbleibsel ihres beängstigenden Traums. Ein Rest davon, der sich noch zäh und klebrig am Rand jenes Abgrundes aus Vergessen und Schwärze verfangen hatte, in den böse Träume nach dem Erwachen hinabgeschlürft wurden, als lauerte auf seinem Grund ein gefräßiger Moloch, der sich allein von düsteren Gedanken und Empfindungen nährte.

»Meine Güte«, wunderte sich Lilith über ihre merkwürdigen Gedankengänge und sprang so hastig aus dem Bett, als wollte sie vor etwas fliehen, das ihrer nur darin habhaft werden konnte. Aber das seltsame Gefühl von Beklemmung hing ihr auch dann noch an, als sie inmitten ihres Zimmers stand. Und es nahm sogar um eine Winzigkeit zu, als sie einen kurzen Blick aus dem Fenster hinaus auf die Paddington Street warf, an der ihr Elternhaus als Nummer 333 lag. Zur Straße hin war es durch einen üppig wuchernden Garten mit riesigen Bäumen, die immerwährenden Schatten spendeten, und eine hohe, moosbewachsene Mauer abgegrenzt, sodass nichts von dem zu sehen war, was sich jenseits davon befand.

Weil dort nichts mehr lag...

Weil das Haus im Erdboden versunken war, nachdem...

Wieder fröstelte Lilith und versuchte die lautlos wispernde Stimme zu ignorieren, die die furchteinflößenden Gespinste ihres kruden Traumes von neuem heraufbeschwor und zur Erinnerung an etwas tatsächlich Geschehenes machen wollte.

An etwas, das in einem anderen Leben geschehen war. In einem Leben, das in einer anderen Welt stattfand.

In einer Welt, die von anderen Wesen aus dem Verborgenen beherrscht und regiert wurde. Nicht von Menschen. Sondern von...

... Vampiren!

Ein Splitter aus arktischer Kälte senkte sich in Liliths Herz!

Der Blick in den Spiegel über der Frisierkommode weckte neues Entsetzen in ihr. Weil ihr Ebenbild darin ebenso gut das einer anderen sein konnte! Allein das wogende Schwarz des Haares ließ erahnen, dass sie es war, die sich darin spiegelte. Alles andere war verschwommen, durchscheinend, als betrachtete man sich in der Oberfläche eines Teiches, dessen Wasser nicht ganz still stand.

Sie besaß kein Spiegelbild! So wie die Vampire!

Lilith schrie auf, spitz, aber nicht sehr laut, weil sie den Schrei erstickte, indem sie hastig die Schneidezähne in ihre Unterlippe grub. So fest, dass eine schimmernde Perle aus der kleinen Wunde quoll. Lilith strich mit dem Finger darüber – und erschrak von neuem. Denn der Tropfen war nicht blutrot, sondern von der Farbe eines Rubins; viel dunkler, als menschliches Blut es war. Dunkler, als es immer gewesen war – vor diesem Traum...

Eine Täuschung! Lilith klammerte sich an den Gedanken, dass dies alles nicht mehr war als ein Streich ihrer Phantasie, die der Traum in einen kochenden Pfuhl verwandelt hatte, in dem Widersinniges neben Unmöglichem brodelte.

Dennoch vermied sie es, ein weiteres Mal zum Spiegel auch nur hinzusehen, geschweige denn hinein, als sie fast fluchtartig aus ihrem Zimmer lief und die Tür hinter sich förmlich ins Schloss riss.

»Nicht darüber nachdenken«, mahnte Lilith sich mit halb erhobenen Händen, während sie langsam ein paar Schritte den düsteren Korridor im Obergeschoss des Hauses hinablief. »Einfach nichts denken, an gar nichts.«

Doch das war einfacher gesagt denn getan. Zumal es mit einem Mal merkwürdig ruhig um sie her war – als wäre sie nicht länger Teil dieser Wirklichkeit. Die Stille war von sonderbar absoluter Art.

Totenstille?

Lilith schluckte hart, lauschte angespannt und mit angehaltenem Atem.

Kein Klappern von Geschirr oder sonst irgendein Geräusch drang von unten herauf. Die Stimmen ihrer Eltern, die sie im Bett liegend noch leise vernommen und jetzt doch eigentlich viel lauter hätte hören müssen, waren verstummt. Oder waren sie nie wirklich dagewesen? Weil ihre Eltern am Ende doch tot...?

Lilith straffte sich – nicht halb so energisch, wie sie es sich zur Festigung ihrer Selbstsicherheit gewünscht hätte – und lief weiter den Flur hinab. Licht gelangte nur durch ein nicht sonderlich großes Buntglasfenster am Ende des Korridors in diesen Teil des großen Hauses. Die verschieden farbigen Teile ergaben ein sinnverwirrendes Muster, dessen Bedeutung sich Lilith nie erschlossen hatte.

Heute morgen jedoch fiel ihr etwas daran auf, dem sie nie besondere Beachtung geschenkt hatte – Rot war darin die vorherrschende Farbe, in verschiedenen Schattierungen, doch nur eines davon war so dunkel wie ihr eigenes Blut...

Sie schaffte es, das Frösteln zu unterdrücken, kaum dass es in ihrem Nacken begonnen hatte.

»Verdammt«, zischte sie, »was ist nur mit mir los?«

Nicht mir dir, meldete sich jene tonlose und doch so boshafte Stimme zwischen ihren Gedanken wieder. Die Frage muss heißen: Was ist mit deiner Umgebung los – mit deiner Welt, deiner Wirklichkeit? 

»Halt die Klappe!«, fauchte Lilith, beseelt von einer Art Wut, die allein Jugendliche zu empfinden in der Lage waren – wenn sie meinten, die Welt selbst hätte sich gegen sie verschworen...

Sie erreichte die letzte Tür auf der rechten Flurseite, fasste nach der Klinke und zögerte noch einen winzigen Moment, ehe sie sie dann doch reichlich ungestüm aufriss.

Das geräumige Zimmer dahinter war leer. Das breite Doppelbett mit dem (blut)roten Baldachin darüber schien unbenutzt...

Ein Anblick, wie Lilith ihn seit eh und je kannte.

Wenn ihre Mutter die Betten machte und das Schlafzimmer am Morgen in Ordnung brachte, sah es hinterher stets aus wie auf einem Bild in einem Möbelhauskatalog.

Sie schloss die Tür und ging zurück. Einen Augenblick lang wollte Lilith direkt zur Treppe und hinuntergehen, nur um wirkliche Gewissheit zu haben, dass tatsächlich alles in Ordnung war. Doch sie blieb eisern und tat es nicht, weil sie dem bösen Stimmchen damit nur in die Hände gespielt hätte – denn es hätte nur gezeigt, dass sie eben doch nicht hundertprozentig überzeugt war.

Und das war sie!

Weil sie es sein wollte!

Alles war in bester Ordnung. Dies war ein Morgen wie jeder andere, dem ein Tag wie jeder andere folgen würde. Und mit jeder einzelnen Minute dieses Tages würde der böse Traum ein bisschen mehr verblassen – und an Macht verlieren?

»Er hat keine Macht über mich!«

Trotzig öffnete Lilith die Tür zum Badezimmer – wie sie es jeden Morgen tat. Und wie jeden Morgen würde sie sich jetzt die Zähne putzen (Vor allem die Eckzähne, kicherte das Stimmchen), und...

Lilith verharrte erschrocken. Nebel füllte den Raum, warm und stickig. Und hinter dem Grau bewegte sich etwas.

Wasser tropfte. Dann klang ein anderes Geräusch auf. Ein dumpfes Rumpeln, ganz kurz nur, gefolgt von feuchten Schritten.

Jemand trat aus dem Nebel auf Lilith zu. Entsetzt aus einem Grund, den sie nicht kannte, und wie gelähmt starrte sie der Gestalt entgegen.

»Guten Morgen, mein Schatz«, sagte ihr Vater. Und dann: »Hast du schlecht geträumt?«

 

 

dass sich der Tonfall ihres Vaters verändert hatte, wurde Lilith erst bewusst, als sie seinen sorgenvollen Blick wie eine zärtliche Berührung spürte. Im allerersten Moment hatte sie den Eindruck gehabt, er hätte im selben gutgelaunten Ton, in dem er ihr einen guten Morgen gewünscht hatte, auch gefragt, ob sie schlecht geträumt hatte – als würde er sich darüber freuen, wenn es so gewesen wäre...

»Wie kommst du darauf?«, fragte sie verwirrt.

Sean Lancaster war ein Mann, nach dem Frauen sich schon einmal umdrehten: groß, kräftig, aber nicht übertrieben muskulös, eher sehnig. Sein sorgsam gestutzter Vollbart unterstrich noch die markanten Züge seines Gesichtes.

Selbst seine Tochter hatte ihn stets für einen gutaussehenden Mann gehalten – bis heute, bis zu diesem Moment, da er aus der Duschkabine hervorgetreten war und auf sie zukam. Dabei hatte er sich nicht wirklich verändert, sah man von seinem nassen Haar und den Wasserperlen ab, die glitzernde Spuren über seine nackte Haut zogen. Aber irgendetwas war anders, meinte Lilith – etwas, das ihn unsichtbar umflorte, wie eine Aura aus Kälte und etwas anderem, für das sie nicht das rechte Wort fand.

Einen Schritt vor ihr blieb er stehen, sie um Haupteslänge überragend. Er streckte die Hand vor, und Lilith erschauerte unter der bloßen Erwartung seiner Berührung. Kalt würde sie sein, eisig kalt, wie das, was ihren Vater umgab, und die Kälte würde auf sie übergreifen, sie durchfließen und...

... und dann war es vorbei.

Warm und sanft war die Berührung seiner Hand; wie eine laue Sommerbrise strich sie über ihre Wange und drängte die unangenehme Kälte, die allein in ihr war (und sonst nirgends!) ein Stück zurück, dorthin, wo sie Lilith nichts mehr anhaben konnte.

Sie fasste nach seinen Fingern, hielt sie fest, küsste behutsam seinen Handballen.

»Danke«, flüsterte sie.

»Wofür denn?«, stutzte Sean Lancaster.

Lilith schloss die Augen. »Dafür, dass du da bist.«

Sie schlang ihre Arme um seinen Oberkörper und drückte sich gegen ihn, so fest, als wollte sie sich in ihm verkriechen, weil er ihr Schutz bieten würde vor allem Übel. Und ein kleines bisschen war es auch so. Das Gefühl seiner Nähe half ihr zu vergessen – und zurückzufinden in die Wirklichkeit, in die tatsächliche Welt, fort von der, die ihr der böse Traum vorgegaukelt hatte. Weg von diesem anderen, diesem furchtbaren Leben, das sie im Schlaf hatte durchmachen müssen.

»Das werde ich immer sein«, sagte ihr Vater.

»Ich weiß«, erwiderte sie.

»Ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte er.

»Alles in Ordnung«, antwortete Lilith. Wie immer, ergänzte sie, jedoch nur im stillen.

»Nun gut«, meinte er und drängte seine Tochter sanft von sich. »Dann beeil dich. Deine Mutter wartet mit dem Frühstück auf uns.«

»Ja, das tu ich.«

Sie hauchte ihrem Vater einen Kuss aufs bärtige Kinn und schlüpfte unter die Dusche. Obwohl sie eben noch versprochen hatte, sich zu beeilen, ließ sie sich an diesem Morgen besonders viel Zeit. Weil sie den eigentümlichen Zwang verspürte, ihren Körper ganz besonders gründlich säubern zu müssen. Weil sie glaubte, etwas läge auf ihrer Haut – hauteng im wahrsten Sinne des Wortes und hauchdünn, aber ungemein hartnäckig, wie etwas Klebriges.

Unter dem heißen Wasser stehend, rubbelte Lilith so heftig über ihre Haut, als litte sie unter juckendem Ausschlag, doch das seltsame Etwas ließ sich nicht abwaschen. Es war...

... als würden sich unzählige winzige, mit Widerhaken besetzte Zähne hineinbeißen...

... und es tat – weh!

Trotzdem war es ein seltsam vertrauter Schmerz, der seine einstige Stärke über die Jahre verloren hatte...

Dann verebbte er wieder, so blitzartig, wie er gekommen war. In dem Moment, da Lilith ihn als weiteren Teil des bösen Traumes entlarvte.

Das Gefühl, dass