Über Gayle Tufts

Gayle Tufts, geboren 1960 in Brockton, Massachusetts, ist laut Stern die bekannteste in Deutschland lebende Amerikanerin. Seit 1991 wohnt sie in Berlin, wo sie über 25 erfolgreiche Bühnenshows inszenierte. Darüber hinaus ist sie regelmäßig in Funk und Fernsehen zu erleben. 2018 wurde sie mit dem Medienpreis der Steuben-Schurz-Gesellschaft e.V. für ihre Verdienste zur deutsch-amerikanischen Freundschaft ausgezeichnet.

Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Bücher »Weihnacht at Tiffany’s«, »Some like it heiß« und »American Woman« lieferbar.

Mehr Informationen zu der Autorin unter www.gayle-tufts.de

Informationen zum Buch

Mit Gayle Tufts durch den Lamettawahn.

Die wunderbare Gayle Tufts erzählt vom Fest der Liebe, das von Berlin bis Boston Schönes wie Schreckliches bereithält: kriegsähnliche Zustände beim Shopping, vorweihnachtliche Lichterketten-Aufrüstung, Truthahn, Tränen und Tranquilizer – und echte Weihnachtswunder at Tiffany’s. Eine urkomische Hommage an das schönste Fest des Jahres.

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Gayle Tufts

Weihnacht at Tiffany’s

Inhaltsübersicht

Über Gayle Tufts

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Intro: The show must go on

Amerikanisches Weihnachten ohne Kitsch

Santa Claus kommt in die Stadt

Santa Claus Is Coming To Town

Deko hilft immer

We Need A Little Christmas

Gayles ultimative Christmas Top Ten: Outfits

O du fröhliche!

Gayles ultimative Christmas Top Ten: Songs

Jingle Hell

Kling! Kling! Kling!

Kaufhaus des Wahnsinns

All I want for Christmas, ist alles!

Gayles ultimative Christmas Top Ten: Kindergeschenke

Lichterkette

Shining Light

O Tannenbaum!

Las Vegas goes Dresden

Gayles ultimative Christmas Top Ten: To do

Essen!

The Christmas Song

Gayles ultimative Christmas Rezepte

Hoffnung

White Christmas

Zweiter Weihnachtsfeiertag

Gayles ultimative Christmas Top Ten: Filme

Guten Rutsch!

Es weihnachtet wieder

White Christmas Again

Thank you!

Über die Autorin

Impressum

For my Father – he loved Christmas.

Intro: The show must go on

Als ich um achtzehn Uhr dreißig vor dem Schminkspiegel saß, bekam ich ein komisches Gefühl.

Es war der Premierenabend meiner kleinen, aber opulenten Weihnachtsrevue »White Christmas« im TIPI, einem riesigen Theaterzelt mitten im Berliner Tiergarten, direkt neben dem Kanzleramt. Premierenabende sind sowieso aufregend, aber Weihnachten im Zelt ist nervtötend. Alles sollte perfekt sein, alle mussten gorgeous aussehen und fabelhaft klingen – in einem Zelt. Ich wollte das Publikum in Weihnachtsstimmung bringen (was ein bisschen schwierig werden würde, da wir noch nicht einmal den ersten Advent hatten und es dank Altweibersommer oder Global Warming draußen angenehme einundzwanzig Grad warm war).

Ich saß in meinem elf Quadratmeter großen Umkleidecontainer zwischen vier halbnackten Tänzern, dem musikalischen Leiter, einer bügelnden Garderobiere, einem etwas besorgten Kostümbildner, einem etwas beschwipsten Komponisten, einem Labrador Retriever, einem Dackel und meinem Auf-dem-Sofa-sitzenden-Zeitung-lesenden-kein-Grund-zur-Panik-Mann Lutz, dem Produzenten. Ab und zu kam unser aufgewühlter Stage-Manager herein und informierte mich über den Zustand der Schneemaschine (»Ich glaube, sie funktioniert, aber ich bin mir nicht ganz sicher …«). Ich fühlte mich wie Groucho Marx in »Die Marx Brothers auf hoher See«, wo Groucho einhundert Leute in seine kleine Schiffskabine stopft, bevor er mit einer Flasche Champagner und einer reichen Witwe fluchtartig das Schiff verlässt.

Aber es gab keinen Fluchtweg für mich. Sechshundert Premierengäste warteten gespannt auf »Weihnachten pur«, und alle hatten ihre ganz persönliche Vorstellung, wie das sein sollte. Bunt – aber nicht zu grell. Schrill – aber nicht zu laut. Heilig – aber um Gottes willen nicht zu religiös. Plötzlich spürte ich einen enormen, überwältigenden Druck: Ich wollte all diesen Leuten schenken, was sie sich so sehr wünschten und vielleicht noch nie bekommen hatten – das perfekte Weihnachten. Ich musste sechshundert Einzelfälle – verletzte, traumatisierte, hoffnungsvolle Einzelfälle – mit meinen Entertainerqualitäten therapieren: alte Enttäuschungen überwinden, Urängste mit Leichtigkeit auflösen und sämtliche Sehnsüchte erfüllen. Ich musste mich schleunigst verwandeln in eine heldenhafte Mischung aus Santa Claus, Nelson Mandela und Vera Int-Veen.

»Dreißig Minuten!«, schrie die Abendregie über das unheilvolle Gemurmel des Publikums hinweg, das durch die halboffene Garberobentür zu hören war. Als mein Visagist mit der Präzision eines Herzchirurgen zeigefingerlange Einzelwimpern auf meine Augenlider klebte, merkte ich, dass ich nicht mehr schlucken konnte. Ich hatte einen Kloß im Hals, so groß wie ein Basketball, und ich fing an zu schwitzen. »Das sind nur die Nerven«, sagte ein toi, toi, toi wünschender Kollege. Es fühlte sich mehr an wie Vogelgrippe als wie Lampenfieber, aber egal: The show must go on.

Nach intensivem Beten, Umarmungen, einer Wochenration Aspirin, einer halben Flasche Meersalzlösung-Nasenspray und einer Tüte Salbeibonbons stand ich hinter der Bühne und zählte die Sekunden bis zu meinem Auftritt. Ich hörte den ersten Glockenklang meiner Musiker und wusste, dass es kein Zurück mehr gab: Weihnachten kam. Es würde nervtötend sein. Aber ich würde es lieben wie in jedem Jahr, weil ich wusste, trotz aller Verzweiflung, es würde bezaubernd.

Amerikanisches Weihnachten ohne Kitsch

Es fängt immer auf Rügen an. Ich weiß wirklich nicht, welche Moleküle es in dieser unschlagbaren Kombination aus Meeresluft, Kreidefelsen und Ostseedorsch sind, aber sie wirken immer inspirierend auf mich. Und sie lassen mich manchmal auf sehr interessante Ideen kommen.

Ich hatte Silvester mit Freunden auf Rügen verbracht. Wir blieben ein paar Tage länger, weil es so berauschend schön war – kalt und klar, mit einer leichten Prise Schnee, verstreut wie Puderzucker im Wald und am Strand. Caspar David Friedrich ließ grüßen. Am dritten Abend des neuen Jahres saß ich mit meinem lieben Freund Matthias und einer exzellenten Flasche Brunello vor dem Kamin in meinem Lieblingshotel. Wir sprachen über die gerade zu Ende gegangene Weihnachtszeit und verschiedene kulturelle Enttäuschungen, die wir erlebt hatten.

»Warum sind die Weihnachtsshows hier immer so fucking kitschig?«, fragte ich.

»Du bist die Amerikanerin, du solltest das wissen«, meinte Matthias und schenkte mir noch einen Schluck Wein ein.

»Quatsch«, sagte ich, schon beschwipst und viel zu laut, »das ist Hollywood Christmas, nicht echtes Christmas! Es müssen nicht immer der aufblasbare Schneemann und das plüschige Rentier und diese bimmelnden Glöckchen sein! Bei uns in Massachusetts gab es immer einen wunderschönen echten Baum und leckeres Essen und wahnsinnig tolle Musik – es gibt amerikanisches Weihnachten ohne Kitsch!«

Der Barkeeper lachte. Der Mann an der Rezeption lachte. Matthias lachte so sehr, dass sein Brunello went up his nose. »Gayle, das musst du machen! Amerikanische Weihnachten ohne Kitsch! Das würde ich gern sehen!«

Ich hob mein Weinglas und sagte: »OK! I’ll do it! Es wird eine Jingle-bells-freie Zone!« Es konnte doch nicht so schwer sein, eine gute Weihnachtsshow zu machen – oder?

Santa Claus kommt in die Stadt

Ich liebe Weihnachten! Besser gesagt: I love Christmas shows. Wie jedes amerikanische Kind der sechziger Jahre bin ich mit einer jährlichen Überdosis extravaganter, glamouröser TV-Specials aufgewachsen. Entertainer wie Judy Garland, Bing Crosby, Andy Williams oder Sonny & Cher luden uns zu sich nach Hause in ihre festlich dekorierten Fernsehstudio-Wohnzimmer ein, wo sie mit Orchester, Fernsehballett, Kinderchor und ihren eigenen Familien the most wonderful time of the year zelebrierten. (O. K. – die meisten Stars waren drogenabhängig oder Alkoholiker, frisch geschieden oder gerade aus dem Gefängnis entlassen, aber es war trotzdem schön.) Es wurde gesungen und getanzt, und es gab schicke Kostüme und viel Bühnenschnee – es war zauberhaft.

Das alles allerdings nach Deutschland zu importieren wird sehr kompliziert, denn es gibt wahnsinnig viele Unterschiede zwischen unseren Christmas-Kulturen. Ihr habt Schuhe vor der Tür, we have Strümpfe am Kamin. Bei uns gibt es rotnasige Rentiere, bei euch rotnasige Rentner.

Der Weihnachtsmann allein ist schon verwirrend genug. In Deutschland kommt der Nikolaus am 6. Dezember, in Amerika kommt Santa Claus am 25. Dezember. In Deutschland ist er dünn, mit Stab, in Amiland, dank einer Coca-Cola-Werbekampagne von 1931, dick, mit Schlitten.

Schon als Kind war ich ein bisschen verwirrt, wenn ich an Santa Claus dachte. Es gibt das Lied »Santa Claus Is Coming To Town« mit den berühmten Zeilen »He sees you when you’re sleeping, he knows when you’re awake …« Er sieht dich, wenn du schläfst, er weiß, wann du wach bist! Als Kleinkind machte mich das total paranoid, und ich verbrachte lange Wochen in vorweihnachtlicher Panik! Er sieht Dich, wenn Du schläfst, er weiSS, wAnn Du wach bist!!! Santa war nicht mehr ein netter, kuscheliger Opa, er war plötzlich Dick Cheney! Böse und übermächtig und IMMER DA! Nacht für Nacht wälzte ich mich stundenlang in meinem Kinderbett hin und her: Terror, Horror, Panik – was hatte ich heute schon wieder falsch gemacht? Hatte Santa es gesehen? Was war schlimmer: dass ich mein Spielzeug nicht aufgeräumt hatte oder dass ich meinen Hund Igor während des Essens unter dem Tisch mit meinen grünen Bohnen gefüttert hatte? Ich fühlte mich ähnlich wie bei meiner ersten Beichte in Saint Colman’s, unserer katholischen Kirche, als ich mir im absolut unschuldigen Alter von zehn Jahren unzweifelhaft skandalöse Sünden ausdachte (»Äh … ich habe einmal auf die Straße gespuckt?«).

Ich fing an, ein kompliziertes Verhandlungssystem zu erfinden. Als amerikanisches Kind bin ich im Schatten von Nixon, Vietnam und Watergate aufgewachsen. Vielleicht war Santa auch käuflich, vielleicht könnte ich einen Deal mit ihm machen, eine Art festliche Bestechung. Ich würde versuchen, ihn mit Süßigkeiten zu korrumpieren, und alle Sünden würden mir vergeben!

Wie jedes amerikanische Kind, war ich bereits von Halloween an, also seit Ende Oktober, jede Nacht wach und santabereit, weil ich wusste, dass ganz, ganz bald Santa in seinem Schlitten auf unserem Dach landen würde und einen riesigen Sack voller toller Geschenke für mich hätte. Geschenke, die ich mir Monate vorher sorgfältig ausgedacht und auf einer langen ausführlichen Wunschliste notiert hatte mit sehr genauen Anmerkungen zu Größe, Farbe und Anzahl. Diese Liste hatte ich selbst an Santa geschickt – mit der megaspezifischen Adresse »Santa Claus, North Pole«. Bescherung war serious business, und ich wollte nichts dem Zufall überlassen.

Bei der Bescherung gibt es grundsätzliche Unterschiede zwischen unseren Weihnachtskulturen. In Deutschland passiert alles am Heiligen Abend, festlich und prächtig und übergeschmückt – ein Familienfest für Feinschmecker. Der Baum wird präsentiert, die Blockflöte wird gespielt, es ist besinnlich. Bei uns geht es ein bisschen robuster zu: Es beginnt am ersten Weihnachtsfeiertag, dem 25. Dezember – morgens. Denn jedes Kind in den USA ist schon um halb vier Uhr hellwach und schreit verzweifelt die Eltern an: »Wake up! Wake up! Santa was here!«, und jedes übermüdete Elternpaar stöhnt, noch halb im Tiefschlaf, mit einer Stimmlage irgendwo zwischen Tom Waits und dem Krümelmonster: »Santa’s late. Santa called. Santa said go back to bed.«

Ich lag sowieso die ganze Nacht wach und lauschte nach dem Hufgetrappel von Santas fliegenden Rentieren auf dem Dach, in der Hoffnung, Santa endlich einmal persönlich kennenzulernen und ihn begrüßen zu können (»Merry Christmas, Santa! I love your work! By the way, ich habe da ein paar Sachen auf meiner Liste vergessen! Ich weiß, es ist spät, aber …«). Ich war doppelt müde, weil ich am Abend vorher versucht hatte, einen Begrüßungssnack für Santa vorzubereiten, eine Erfrischung für ihn und seine Rentiere auf ihrer anstrengenden Weltreise. Ich habe ihm jedes Jahr chocolate chip cookies und ein kaltes Glas Milch hingestellt, bis ich irgendwann auf dem leeren Teller in der Küche einen kleinen Zettel von Santa fand – interessanterweise in einer Schrift, die der meines Vaters täuschend ähnlich sah: »Danke für die cookies, doch nächstes Jahr hätte ich lieber ein Thunfisch-Sandwich und ein kaltes Bier.«

Ich habe bis heute, soviel ich weiß, Santa nie persönlich kennengelernt, aber ich habe realisiert, was für ein Meisterwerk »Santa Claus Is Coming To Town« wirklich ist. 1934 von J. Fred Coots und Haven Gillespie in nur einer Viertelstunde in der New Yorker U-Bahn geschrieben, ist es ein Plädoyer für gutes Benehmen und eine Warnung für alle kurz vor den Winterferien durchdrehenden Knirpse. Ich höre gern Bruce Springsteens Liveaufnahme des Liedes von 1984, wenn ich ein starkes Mittel gegen Shoppingstress, Kapitalismusrausch und Feiertagswahnsinn brauche.

Santa Claus Is Coming To Town

Oh! You better watch out,

You better not cry,

You better not pout,

I’m telling you why:

Santa Claus is coming to town!

He’s making a list,

Checking it twice,

Gonna find out who’s naughty or nice.

Santa Claus is coming to town!

He sees you when you’re sleeping,

He knows when you’re awake.

He knows if you’ve been bad or good,

So be good for goodness sake!

Oh! You better watch out,

You better not cry,

You better not pout,

I’m telling you why:

Santa Claus is coming to town!

He! Pass lieber auf,

Heul nicht herum,

Gib das Schmollen auf,

Ich sag dir, warum:

Santa Claus kommt in unsere Stadt.

Er führt seine Liste

Und gibt genau acht,

Wer war’n die Braven, wer hat Unfug gemacht.

Santa Claus kommt in unsere Stadt.

Er sieht dich, wenn du schläfst,

Er weiß, wann du wach bist,

Er weiß, ob du böse oder nett warst.

Also bau um Himmels willen kein’ Mist!

He! Pass lieber auf,

Heul nicht herum,

Gib das Schmollen auf,

Ich sag dir, warum:

Santa Claus kommt in unsere Stadt.

Deko hilft immer

not