cover.jpg
cover.jpg

Impressum

Corporate Design Umschlag: KW 43 BRANDDESIGN, Düsseldorf

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München
unter Verwendung folgender Illustrationen:
Boot, Fallschirm, Frau, Muschel, Stier, Suppe: shutterstock.com; Flugzeug, Landkarte: OpiaDesigns / Creativemarket; Guggenheim, La Sagrada Familia, Paella, Wein: Winged Graphics / Creativemarket

Typographie Innenteil: Die Buchprofis, München

Projektleitung: Gabriela Lindner
Autor: Christian Rupprecht
Lektorat: Elisabeth Graf-Riemann

© PONS GmbH, Stöckachstraße 11, 70190 Stuttgart 2019
ISBN: 978-3-12-563371-1
www.langenscheidt.com

Inhalt

Titelei
Impressum
Esto será maravilloso!
Alle an Bord?
Die Sache mit Jesus
Warum Mañana nicht morgen ist
Küsschen, Küsschen
Afrika in Europa
Nach Lust und Laune
Mit Selbstvertrauen und einem Wahnsinnslächeln
Das kommt mir jetzt Spanisch vor
Die Alhambra mit einem Hauch von Rosa

¡Esto será maravilloso!

»Bitte was?« Julia verstand nur Bahnhof. Sie saß ihrer Freundin Anna gegenüber und sah sie ratlos an. Im Lokal mit dem lyrischen Namen CORDO-Bar war es rappelvoll. Und erst jetzt, als Julia ihren Blick über die Getränkekarte schweifen ließ, wurde ihr das Wortspiel bewusst, und sie dachte an Süden, Sonne und Meer. Anna strahlte sie unterdessen an wie ein Honigkuchenpferd und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. »Ja, mein Schatz, esto será maravilloso!«

»Was ist denn mit dir los?« Julia sah Anna entgeistert an.

»Ach, Schätzchen, das ist español und heißt: das wird wunderbar! Ich hab‘ eine Idee! Wir zwei fahren mal wieder zusammen weg!« Anna hob das Glas mit dem sündhaft teuren und sündhaft leckeren Rotwein. Ihre Augen funkelten. »¡Brindemos!«

Im Lokal war es laut, aber dennoch gemütlich. Julia mochte das spanische Ambiente. Auf den kleinen Tischen funkelten Teelichter in Rot oder Gelb. Aus den Boxen flutete spanische Gitarrenmusik und Annas Augen leuchteten im Dämmerlicht.

Julia kannte ihre Freundin lange genug um zu wissen, dass sie mal wieder eine verrückte Idee hatte, dachte »nicht schon wieder«, aber bewunderte sie auch insgeheim dafür.

Anna und Julia waren Freundinnen, beste Freundinnen, wie Anna stets betonte. Sie kannten sich seit Schulzeiten, also mehr als eine halbe Ewigkeit.

»Das ist jetzt bald zwanzig Jahre her«, sinnierte Anna über das ungleiche Paar, das sie bis heute geblieben waren. »Wehe du beginnst zu rechnen! Älter werde ich erst, wenn ich mich danach fühle. Und damit basta!«

Wann immer Anna etwas Besonderes zu sagen hatte, unterstrich sie das neuerdings auf Spanisch. Spanisch war Annas Leidenschaft geworden. Schon ewig, wie sie behauptete. Aber da war sich Julia nicht sicher. Es hatte sich irgendwie ganz plötzlich ergeben. Hier mal eine eingeworfene Zahl, dort mal ein Ausruf. Anna war mit einem Mal irgendwie internationaler geworden, zumindest, was ihren Wortschatz betraf. Und mit dem spanischen Engagement hatte es auch begonnen, dass sie beide, muy buenas amigas, die sie nun mal waren, eine gemeinsame Auszeit vom Alltag nahmen.

Jetzt also sollte es wieder losgehen. Zum dritten Mal binnen eines Jahres. »Wohin soll unsere Reise gehen, Liebes?«

Statt einer Antwort kam der Kellner, beugte sich zu Anna und flüsterte ihr etwas zu. Anna nickte, nahm ihren Rotwein und bedeutete Julia, es ihr gleichzutun. »Wir ziehen um, dahinten…« Mehr konnte Julia im Lärm nicht hören.

Sie hatten die ersten Momente in der CORDO-Bar an winzig kleinen Stehtischen mitten im Gedränge verbracht. Hier ein Ellenbogen unterhalb der Rippen, dort ein Stupser von einem vorüberziehenden Gast, ab und an auch ein richtiger Treffer, wenn jemand mitten auf ihrem Fuß gelandet war.

Julia hatte Mühe, Anna zu folgen, die schnurstracks durch die Massen schritt. Es musste, das wurde Julia schnell klar, ganz hinten in der Ecke sein, eher links. Direkt am Fenster. Gleich neben der Bar, hinter der - das hatte Julia, ganz blöd war sie ja nicht, auf den ersten Blick erhascht - alles zu finden war, was das einsame Frauen-Herz begehrte. Also allerhand Getränke, ja klar, aber eben auch, und das war in diesem Moment viel wichtiger: klasse Typen, rassige Typen, heiße Typen. Olé!

»Vergiss die, warte auf Carlos.« Anna. Fachmännisch.

»Carlos?« Unbeholfen. Julia.

»Carlos.« Anna atmete tief ein, dann legte sie los. »Ich sage nur muy caliente!« Doch Carlos blieb erstmal aus.

»Vielleicht hat er gerade Pause.« Anna kam auf ihr Thema des Abends zurück. »Also, das war kein Scherz vorhin. Lass uns zusammen wegfahren. Ein Ausflug. Nur ein paar Tage, um mal auf andere Gedanken zu kommen.«

»Ich weiß nicht, im Moment …«

»Keine Widerrede. Ich habe mir da schon etwas überlegt«, begann Anna. Hier in der CORDO-Bar, an diesem stinknormalen Donnerstag, gab sie endlich den Grund für ihr spanisches Interesse Preis. »Wenn man Spanien verstehen will, dann muss man seine Filme sehen.«

»Welche?«

»Na die vom Gott des modernen spanischen Films.« Der hieß Pedro Almodóvar. Julia hatte noch nie von diesem Pedro gehört, aber sie kannte sich auch nicht so aus mit Kino und Kultur und vor allem nicht mit Spanien. Und so malte Anna es Julia in den schönsten Farben aus. »Pedro Almodóvar ist ein Genie. Er verwandelt das ganz normale Leben in Kunst. Du musst dir Alles über meine Mutter ansehen! Oder Volver, da spielt Penélope Cruz mit. Während ihr Mann arbeitslos zu Hause auf der Couch sitzt, sorgt Penelope für das Auskommen ihrer Familie.« Anna seufzte und steigerte sich in ihren Erzählungen so rein, dass sie sogar eine Träne verdrückte, als sie von Ángel, Hauptdarsteller in La mala educación, erzählte, wie er litt und seine Liebe verlor. »Das sind Kunstwerke! Die musst du …« Anna geriet ins Schwärmen, aber just in diesem Moment kam er.

»Das ist Carlos.« Anna sagte das, als präsentierte sie eine touristische Attraktion. Das Kolosseum in Rom, den Eiffelturm in Paris. La Sagrada Familia en Barcelona. Das Stein gewordene Monument Gaudís traf es am besten, dachte Julia.

»Señoras, was darf ich zum Essen bringen?« Julia war plötzlich hellwach. Anna ebenso.

»Muchas gracias, Carlos. Quisiera atún con patatas y pimientos. Und Du, Julia?«

Julia starrte Anna an, als hätte sie jetzt gerade eine Fata Morgana erblickt, die Sagrada Familia im Glanz der aufgehenden Morgensonne, wenn sie ihr seidig-rötliches Licht über den grauen Stein warf und das Bauwerk über dem um ihn herum aufbrausenden Straßenverkehr erstrahlte. Sie war ein Wunder, diese Kathedrale. Und ja, auch er. Carlos.

Ihm gegenüber, im flirrenden Licht dieser Fata Morgana, erstrahlte ihre Freundin. Wie Anna ihn anlächelte, diesen Carlos, mit ihm scherzte, als würde sie das jeden Abend machen.

Julia bestellte. Irgendetwas. Egal. Was war es gewesen? Ach ja, Jamón serrano con verduras mixtas. Carlos ging, wissend, dass zwei Augenpaare auf ihm verweilten, auf seinem Rücken und auch ein paar Zentimeter tiefer.

»Sag mal, seit wann...?« Julia.

»Wann ich Carlos entdeckt habe? Nun, schon ein Weilchen her, aber das bleibt unser Geheimnis.« Anna wusste alles über Carlos. Er kam aus Andalucía, einem Ort bei Granada, hatte dort Geschwister und einen Bauernhof. Jetzt war er hier, um mit seinem Gehalt etwas dazuzuverdienen.

»Jetzt wird mir einiges klar, meine Liebe. Warum du neuerdings so auf dieses ganze spanische Zeug ...«

»Ja, hohes Gericht.« Anna stolz.

»Ihr lernt zusammen Spanisch?«

»Das wäre wunderbar!« Nein, Anna lernte in der Volkshochschule. Aber zusammen mit ihm, das musste sie natürlich sagen, gar auf seinem Schoß, da würden die Vokabeln nur so purzeln. Anna strahlte.

»Jetzt hör aber auf. Denk mal bitte auch an Klaus!»

Ach ja, Klaus. Hallo Realität. »Danke, dass du mich gerade jetzt an ihn erinnerst.«

»Vale, cariño, wo waren wir gerade?« Anna stocherte inzwischen im Thunfisch, als wollte sie ihn erneut erlegen.

»Wegfahren«, sagte Julia, auch wenn sie das in diesem Moment nun gerade ganz und gar nicht wollte.

»Ach ja, Klaus ist eh beschäftigt, hat so ein Projekt. Er wandelt alte Gummireifen in Erdöl um, baut Raffinerien in Saudi-Arabien und was weiß ich wo. Keine Ahnung, wann der mal wieder aus seinem Büro auftaucht. Da wäre es doch nur gerecht, wenn wir beiden uns auch mal etwas gönnen.«

»Na, was schlägst du vor?«

Julia nippte an ihrem vino tinto, sah sich im Lokal um, entdeckte Carlos, wie er genau in diesem Moment zu ihnen herüberblickte. Ertappt sah sie weg, ihr Blick landete weiter hinten an der Wand auf dem Bild einer maurischen Burganlage. Sie überlegte, zögerte, dann strahlte sie Anna an. »Ich würde gern mal die Alhambra sehen. Und wenn da alle so sind wie dieser Carlos, dann wird das doch ein wunderbarer Trip!«

»Jetzt lass die Kirche mal im Dorf, liebe Julia.«

Ließ sie nicht, sondern jetzt war es an der Zeit, dass Julia mit ihrem Erdkunde-Wissen sprudelte. »Dann besuchen wir Sevilla gleich mit, das liegt doch nebenan. Und auch Málaga!« Sie begann zu summen. »Wenn bei Málaga die rote Sonne im Meer versinkt…«

»Capri!«

»Wurscht, für mich ist‘s Málaga. Und der Barbier von Sevilla ist doch auch da irgendwo.« Julia war im Reisefieber.