Grigor Nussbaumer

Trigger mich, bitte!

Mit Kritik, Beleidigungen sowie
Kränkungen gelassener umgehen und
seelisch wachsen

© 2019 Grigor Nussbaumer

info@mentalpower.ch

www.mentalpower.ch

Korrektorat: Renée Repotente, www.txtwerk.com

Cover: Casandra Krammer, www.casandrakrammer.de

Konvertierung: Erik Kinting, www.buchlektorat.net

Alle Angaben in diesem Buch wurden sorgfältig geprüft. Dennoch kann der Autor keine Gewähr für deren Richtigkeit übernehmen. Der Autor kann für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus dem im Buch gemachten praktischen Hinweisen resultieren, keine Haftung übernehmen.

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Warum ich dieses Buch nicht schreiben wollte

Es war ein wunderbarer Sommertag, und ich lag auf meinem Liegestuhl, vollkommen entspannt, in unserem neugestalteten Garten. Monate vorher hatten wir diesen in ein Insektenparadies verwandelt. Viele Blumen standen in ihrer vollen Blüte, und es kreuchte und fleuchte um mich herum – es war wunderbar, diese Lebendigkeit und Vielfalt direkt wahrnehmen zu dürfen. Ich war ganz in meiner Mitte, als aus dem Nichts ein Gedanke in mir hochschoss, der mich in den nächsten Wochen intensiv beschäftigen sollte. Aber dazu später.

Im Jahr 2016 veröffentlichte ich mein erstes Buch „Wozu bist du da?“, und ich schwor, dass ich nie wieder eines schreiben würde. Das Schreiben an sich empfand ich als leicht und inspirierend. Es war für mich alles Neuland, spannend, aufregend und gleichzeitig ein Herzensprojekt. Das Anstrengende kam danach: Das Lektorat, Buchcover mit dem Verlag aushandeln, Vertrieb und vieles mehr. Ich hatte mir das wesentlich einfacher vorgestellt, schliesslich hatte ich ja einen tollen Verlag, der alles für mich erledigen würde. Weit gefehlt. Ähnlich wie bei einer Geburt war irgendwann alles vorbei, und ich vergass die Strapazen. Mein Baby war endlich da. Und trotzdem sagte ich mir, wie wohl die meisten Mütter direkt nach der Geburt: „Nie wieder.“

In diesem ersten Buch beschreibe ich die 7 Schritte zur wahren Berufung, also nichts Geringeres als das Wichtigste im Leben eines Menschen. Im vierten Schritt geht es dabei um den Zustand des SEINS. Dieser Schritt ist im Persönlichkeits-Prozess deshalb so relevant, weil er die Grundlage für die weitere Entfaltung legt. In unserem täglichen TUN sind wir zwar fokussiert, aber innerlich auch sehr eng und tragen quasi Scheuklappen. Kreativität ist in diesem Zustand kaum möglich. Doch nur wenn wir kreativ und offen für alle Chancen und Möglichkeiten sind, können wir unser volles Potenzial entfalten.

Ich lag also in meinem SEIN einfach so da, die wunderbare Natur um mich, kein Wölkchen am Himmel, und plötzlich formte sich dieser Gedanke in mir: Wie gehen Menschen mit Kritik und Kränkungen um? – Wie bitte? Woher kommt jetzt das her? Ich schaute mich um und entdeckte ein paar fleissige Bienen. Nein, die hatten mir nichts zugesummt. Dann schwenkte mein Blick zu einem in der Sonne farbig glänzenden Käfer, der mich schelmisch anschaute. Hm, der war es auch nicht.

Vielleicht kennen Sie das auch. Sie haben eigentlich etwas ganz anderes vor, doch ein bestimmtes Thema drängt sich Ihnen förmlich auf. Egal wie stark Sie versuchen, es zu ignorieren, es kehrt wieder zurück. Wie ein Kaugummi an der Fusssohle lässt Sie es einfach nicht los. Und genauso erging es mir mit diesem Gedanken und der damit verbundenen Frage. Ich erinnerte mich, dass in den letzten Monaten mehrere Freunde und Kunden mich darauf angesprochen hatten, wie ich denn reagieren würde, wenn ich mich persönlich angegriffen fühle. Oder wenn ich zu Unrecht für etwas beschuldigt werde, was ich so nicht getan oder gesagt habe. Damit lag das nächste Buchthema bereits auf dem Tisch bzw. auf dem Liegestuhl!

Ich reflektierte zuerst meine eigenen Erfahrungen und stellte fest, dass ich mich in den letzten Jahren verändert hatte. Als ich mich 2002 als Coach und Seminarleiter selbstständig machte, freute ich mich riesig auf die vielen offenen und veränderungsfreudigen Menschen, die ich auf meinem zukünftigen Weg begleiten würde. Ich ging davon aus, dass jeder, der ein Coaching oder Persönlichkeitstraining buchte, dies motiviert und freudvoll absolvieren würde.

Schnell realisierte ich jedoch, dass ich mit meiner klaren und direkten Art und Weise bei meinem Gegenüber unterschiedliche, oft emotionale Reaktionen auslöste. Manchmal kamen meine Wahrnehmungen gut an, und mein Gegenüber konnte diese integrieren und umsetzen, manchmal jedoch nicht, und mein Klient fühlte sich persönlich angegriffen. So hatte ich mir das natürlich nicht vorgestellt. Ging ich doch davon aus, dass die Menschen, die zu mir kommen, genau solche direkten Feedbacks wünschen und durch diese wachsen wollen.

Mit der Zeit lernte ich, die Dinge für mein Gegenüber besser annehmbar zu formulieren. Doch auch das gelang mir leider nicht immer. Hie und da hörte ich dann den Satz „Da hast du mich aber ganz schön getriggert“. Zuerst begann ich, mich gleich zu korrigieren und das Gesagte in Watte zu packen. Doch mit der Zeit erkannte ich, dass die Dinge, die ich beim anderen auslöste, seine Themen waren und nicht die meinen.

Mein Thema war jedoch, dass ich ein perfekter Coach sein wollte, und nur das Beste war für meine Klienten gut genug. Wenn jemand dann etwas nicht annehmen oder umsetzen konnte, nahm ich das persönlich. Ich hinterfragte mich und konnte es nicht fassen. Vor allem in den Anfängen stresste mich dies ungemein. Ich musste lernen, entspannter mit Rückmeldungen umzugehen und das Gegenüber mehr in die Verantwortung zu nehmen. Nicht ich war für die Umsetzung des Gelernten verantwortlich, sondern die Person selbst. Diese Lernschritte kosteten mich einige Nerven und Haare.

Einmal kam ein Seminarteilnehmer zu mir und sagte: Vor 4 Jahren hast du mich sehr verletzt, als du XY gesagt hast. Doch jetzt habe ich dir verziehen. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht einmal mehr, um was es ging, und ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass ich das so gesagt hatte. Im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, genau diese Person sehr positiv unterstützt zu haben, und es gab aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund, mir für etwas zu verzeihen.

Einmal mehr wurde mir bewusst, dass auch die besten Absichten beim Gegenüber in einem unergründlichen Kanal landen können. Meistens handelt es sich ja dabei um das Thema Minderwert, welches wir in diesem Buch auch ansprechen werden.

Auch die besten Absichten können
beim Gegenüber in einem
unergründlichen Kanal landen

Was beruflich mit der Zeit immer besser gelang, nämlich in kommunikativ herausfordernden Situationen einigermassen ruhig zu bleiben, fiel mir privat viel schwerer. Dies kriegten vor allem meine Partnerinnen zu spüren. Als Unternehmer war ich es gewohnt, Entscheidungen allein zu fällen und auch die Konsequenzen dafür zu tragen. Ich musste lernen, dass in einer Beziehung dies ein bisschen anders läuft, zumindest wenn man auf Augenhöhe miteinander den Lebensweg beschreiten möchte. Oft endeten damals Gespräche mit gegenseitigem Unverständnis, und beide verliessen die Situation frustriert und zogen sich in das eigene Schneckenhaus zurück. Auch hier musste sich etwas ändern.

Ich stellte schnell fest, dass vor allem die Menschen mich richtig verletzen konnten, die mir wichtig und emotional nahe waren. Doch das war auch noch die Kehrseite der Medaille. Das gegenseitige Triggern, also das Auslösen von bestimmten, meist negativen Emotionen, bewirkte gleichzeitig eine rasche Entwicklung der Persönlichkeit. Gerade mit meiner jetzigen Partnerin erkannte ich die Chancen, die darin lagen. Anstatt sich zurückzuziehen und tagelang nicht miteinander zu sprechen, lernten wir, im Feuer miteinander stehen zu bleiben und durch diese schwierigen Momente durchzugehen. Danach waren wir verändert und begegneten einander auf einer tiefergehenden Ebene authentischer. Es war, also ob eine Maske oder Schutzschale abgefallen war und wir uns echter erblicken konnten.

Bis heute empfinde ich es als eine grosse Herausforderung, vielen unterschiedlichen Menschen zu begegnen und individuell mit diesen zu kommunizieren. Einige meiner Teilnehmer werden wohl schmunzeln, dass ich über dieses Thema schreibe. Habe ich sie doch wahrscheinlich in der einen oder anderen Situation getriggert. Doch dies ist ja auch ein Teil meines Berufes als Coach und Seminarleiter.

Wir fordern uns gegenseitig stets neu heraus, und ich gebe immer mein Bestes. Doch auch das Gegenüber ist entscheidend, und so bleibt es ein heisser Tanz, sich auch in schwierigen Momenten offen zu begegnen und sein wahres Selbst nicht zu verleugnen.

„Trigger mich, bitte!“ ist keine Aufforderung, einander zu verletzen oder mit Hasskommentaren runterzumachen. Es ist ein Aufruf, die Haltung gegenüber äusseren, als negativ empfundenen Reizen neu zu reflektieren und zu lernen, mit diesen anders umzugehen. So kann jeder Trigger auch eine Chance für persönliches Wachstum darstellen.

„Trigger mich, bitte!“ ist ein Leitfaden, um auf Kritik, persönliche Angriffe und Kränkungen selbstbewusster zu reagieren

Als ich erkannte, dass ich das Buch einfach schreiben muss, spürte ich einen inneren Widerstand, und es triggerte mich an. Dies auch, weil das Thema „Trigger“ an sich ja schon triggert. Doch ich wandelte dieses Gefühl in eine Chance, mich mit dem Thema tiefer auseinanderzusetzen und mein Wissen und meine Erfahrungen mit anderen zu teilen.

Ich hoffe, ich kann Sie mit diesem Ratgeber ermutigen, das Thema nicht nur oberflächlich, sondern auch tiefergehend zu beleuchten. Viel Freude auf dieser spannenden Erkundungsreise!

Grigor Nussbaumer

Ihr Grigor Nussbaumer

BONUS:
Gratis Downloads zum Buch

Mit dem Kauf dieses Buches erhalten Sie gratis Zugang zu einem passwortgeschützten Downloadbereich auf der Website www.triggerfrei.ch. Am Ende des Buches finden Sie alle Angaben hierzu. Es kann sein, dass ich diesen Bereich später noch weiter ergänze oder zumindest aktualisiere, weshalb es sich lohnt, auch später nochmals hineinzuschauen.

Was finden Sie im Downloadbereich?

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Einführung:
Was heisst hier „Triggern“?

Grigor Nussbaumer

Trigger, triggered oder getriggert in der eingedeutschten Variante – diese Begriffe tauchen zwar immer häufiger in der Alltagssprache auf, doch die Deutung bleibt schwammig. Die deutsche Übersetzung des englischen Wortes bedeutet schlichtweg Auslöser. Damit kann das Bedienelement gemeint sein, das den Schuss an einer Waffe auslöst, ein System, um physikalische Messdaten zu gewinnen oder eine Reaktion in der Softwareentwicklung, bei denen der Grund für das Ereignis unklar ist. In der Psychologie fällt häufig im Zusammenhang mit Trigger der Begriff Schlüsselreiz. Dabei handelt es sich um bestimmte angeborene Reize bei Tieren wie Flucht- oder Jagdinstinkt. Andere Schlüsselreize oder Trigger werden im Laufe des Lebens erworben. Ein typisches Beispiel ist das Erkennen und Einschätzen von Gefahrensituationen. Es ist nicht immer leicht, einen angeborenen von einem erworbenen Schlüsselreiz oder einem erlernten Verhaltensmuster zu unterscheiden.

In der Psychologie werden mit einem Trigger verschiedene Sinneseindrücke bezeichnet, die unangenehme Erinnerungen oder Gefühle an eine vergangene oder immer noch andauernde negative Erfahrung wecken. Ein solcher Trigger kann ebenfalls eine bestimmte Verhaltensweise auslösen. Betroffene werden von einem Trigger völlig unvorbereitet überrascht. Es scheint, als ob sie das Ereignis noch einmal in voller Wucht als gegenwärtig und real erleben. Dieses Phänomen wird als Flashback bezeichnet. Die Grenze zwischen der aktuellen Situation und der Vergangenheit verschwimmt. Eine tatsächliche Einordnung der Ereignisse ist daher nicht möglich. Die Reaktion erfolgt, einem Film gleich, exakt so, als ob sich der Betroffene wieder in der alten unangenehmen Situation befindet.

Grigor Nussbaumer

Welche Gefühle sind im Spiel?

Sie kennen es: Ein Wort oder eine Geste reicht, und Sie befinden sich sofort auf der Gefühlsachterbahn. Ich habe deshalb meine Klienten gefragt, was sie eigentlich empfinden, wenn sie sich kritisiert oder persönlich angegriffen fühlen. Hier sind die Rückmeldungen:

Die Liste könnte man beliebig fortsetzen und ich kann mir vorstellen, dass auch Sie diese Gefühle kennen. Was direkt auffällt: Es hat viele Bezeichnungen, welche auf körperliche Reaktionen hinweisen. Wir nehmen uns negative Rückmeldungen sprichwörtlich sehr zu Herzen, auch wenn wir im Kopf wissen, dass wir dies nicht tun sollten. Im geschäftlichen Umfeld wird eine Kritik gerne im geflügelten Wort „Feedback“ verpackt, was grundsätzlich einfach „Rückmeldung“ bedeutet. Auch wenn sich das Gegenüber noch so viel Mühe bei der Formulierung gibt, wenn wir selbst ein eher zartes und damit emotionales Pflänzchen sind, empfinden wir auch wohlgemeinte Kritik als Angriff auf unsere ganze Persönlichkeit. Wir fühlen uns als Mensch hinterfragt und glauben, dass die andere Person uns Übles möchte und nur das Ziel hat, uns runterzumachen. Zumindest glauben wir, dass sie uns nicht gerne hat und uns zutiefst ablehnt.

Warum dies so ist und was Sie dagegen tun können, erfahren Sie in den folgenden Kapiteln. Weil Kritik nicht nur Auswirkungen auf unsere Gedanken und Gefühle, sondern auch auf unseren Körper hat, ist es so essenziell, dass wir lernen, gelassener mit Trigger-Situationen umzugehen. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie sich vertieft mit dem Thema auseinandersetzen und auch anderen helfen, mit Triggern besser umzugehen.

Was kann ein Trigger sein?

Ein Trigger ist häufig ein sehr schwaches Signal, das für sich betrachtet in keinem bedrohlichen Kontext steht. Ein junger Mann, der als Kind regelmässig Schläge bekam, kann sich bereits von einer winkenden Hand derart getriggert fühlen, dass er entweder in eine passive Starre oder eine aggressiven Haltung verfällt.

Grundsätzlich kann alles
zu einem Trigger werden

Grundsätzlich kann alles zu einem Trigger werden, was die traumatisch belastete Person wieder in das Ereignis hineinkatapultiert, zum Beispiel Gerüche, Orte, Personen, bestimmte Redewendungen, Melodien oder sogar Jahreszeiten und Festlichkeiten wie der Hochzeitstag.

Orte: Sofort wieder in Panik

Eine junge Frau geht durch den Park. An einer Stelle, die mit dichtem Gebüsch bewachsen ist, erleidet sie eine Panikattacke. Vor einigen Jahren wurde sie auf dem Nachhauseweg in einem Park vergewaltigt. Dabei ist es nicht relevant, ob sie sich tatsächlich in dem Park befindet, in dem damals das Verbrechen geschah. Es reicht aus, sich an einem Platz zu befinden, der dem damaligen Tatort ähnelt. Eine Frau, die in einem Bus sexuell belästigt wurde, kann ebenfalls traumatische Erinnerungen erfahren, wenn sie die S-Bahn oder ein Sammeltaxi benutzt.

Gerüche: Zeitreise in die Kindheit

Tatsächlich sind Gerüche einer der stärksten Trigger überhaupt. Jeder erinnert sich an den herrlichen Duft nach Lebkuchen oder gebackenen Plätzchen, die automatisch mit der Vorweihnachtszeit assoziiert werden. Als positiv empfunden wird häufig auch das Parfüm eines geliebten Menschen. Wenn der schon lange verstorben ist, reicht der Duft aus, die Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen. Genauso kann aber das Aftershave, das der gewalttätige Vater benutzt hat, einen Trigger darstellen. Menschen, die traumatische Erfahrungen im Zusammenleben mit einem Alkoholiker haben, können sich bereits getriggert fühlen, wenn sie an einem stark alkoholisierten Obdachlosen mit Alkoholfahne vorbeigehen.

Geräusche: Unerklärlich schreckhaft

Silvesterknaller erschrecken nicht nur Hunde, auch Menschen, die einen Krieg erlebt haben, fühlen sich durch die an Schüsse und Explosionen erinnernden Böller getriggert. Dieselbe Wirkung haben Stimmen. Dabei muss es nicht die eines Peinigers sein. Bereits eine ähnliche Stimme oder eine Verwandtschaft im Tonfall wie ein Dialekt reichen aus.

Zeit: Genau wie damals

Der Todestag einer nahestehenden Person löst bei vielen Menschen traumatische Erinnerungen aus. Bei anderen ist es ein ganz bestimmtes Datum, das mit einer Katastrophe verbunden ist. Ein klassisches Beispiel wäre der 11. September. Opfer von Einbrüchen oder Raubüberfällen können durch den Einbruch der Dunkelheit getriggert werden, falls das Verbrechen zu dieser Tageszeit stattfand.

Personen: Wenn ein Blick genügt

„Der Teufel trägt Prada“ heisst ein bekannter Film. Treffen Sie auf Menschen, deren Kleidung oder Erscheinungsmerkmale Sie an eine traumatische Erfahrung erinnern, können Lederjacken, Brillen, Vollbärte oder weisse Tennissocken zum Trigger werden, selbst dann, wenn die Person keinerlei Ähnlichkeiten mit dem Täter hat. So fühlt sich die Zeugin eines Amoklaufes getriggert, wenn ihr Lebenspartner schwarze Kleidung wie der Schütze trägt.

Körper: Sekundenschnell auf 180

Herzrasen, Kopfschmerzen, Schweissausbrüche, Übelkeit oder Durchfall – wenn Sie erkrankt sind, können diese Symptome Sie triggern, wenn Sie in der belastenden Situation einst ähnliche körperliche Empfindungen wahrgenommen haben. Selbst wenn Sie eine abwehrende Haltung einnehmen, weil ein Buch aus dem Regal fällt, kann diese Position Sie daran erinnern, wie Sie in der Vergangenheit versucht haben, sich gegen Schläge zu wehren.

Trigger katapultieren einen in
Sekundenbruchteilen in vergangene Situationen

So reagiert der Körper auf einen Trigger: Sobald der Trigger seine Wirkung entfaltet, werden Betroffene geradewegs wieder in die Situation hineinkatapultiert. Ein Entkommen aus dem vergangenen Trauma gibt es nicht. Es erfolgt komplett oder teilweise die Reaktion, die damals das traumatische Geschehen charakterisiert hat, jedoch für die aktuellen Umstände völlig unangemessen ist. Neben dem Gefühl von Ohnmacht, Panik, Wut oder Todesangst reagiert auch der Körper auf den Trigger. Schweissausbrüche, erhöhte Pulsfrequenz und Herzrasen sowie Kurzatmigkeit und Herzbeschwerden können auftreten. Einige Traumatisierte fangen an zu zittern oder leiden an Schwindel, der in einen Schwächefall münden kann. Bei anderen stellen sich durch den Trigger körperliche Schmerzen ein. Ferner kann es zu einer Starre, Störungen in der Motorik oder zu Zuständen der Depersonalisation oder Derealisation kommen.

Es muss nicht immer ein Trauma sein

Trigger treten nicht nur im Kontext posttraumatischer Belastungsstörungen auf. So zahlreich wie die einzelnen Varianten sind, stellen sich auch ihre Erscheinungsformen im Alltag dar. In den sozialen Medien ist immer häufiger zu lesen, dass Videos „antriggern“. Sogar Memes, also sich im Internet viral verbreitende Bilder oder Videos, mit dem Untertitel „triggered“ sind im Umlauf. Die Redewendung „Das triggert mich an“ hat längst die Umgangssprache erreicht und wird synonym mit „Das bringt mich auf die Palme“ verwendet. Tatsächlich ist der Trigger als Hinweisreiz aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Emotionale Trigger werden ebenso wie die Trigger im Rahmen einer Traumatisierung aus negativen Erfahrungen der Vergangenheit erzeugt. Sie tauchen im Berufsleben und im Privatleben auf und lösen Stress, Angst, Wut, Unsicherheit und jede Menge ungute Gefühle aus. Jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht, aus einer momentanen Emotion heraus ungewöhnlich stark zu reagieren. Nicht selten zerschlägt ein derartiger Ausbruch jede Menge Porzellan, das nur schwer und manchmal gar nicht mehr zu kitten ist.

Alarmstufe Rot im Kopf

Der Ablauf ist immer gleich: Der Hinweisreiz kommt, und das Gehirn schaltet auf Alarmstufe Rot. Eine hochgezogene Augenbraue oder eine abweisende Geste können selbst dem stärksten Charakter kurzfristig den Boden unter den Füssen wegziehen. Die emotionale Kettenreaktion ist dann nicht mehr zu stoppen. Der Kollege, der ein falsches Wort gesagt hat, katapultiert Sie direkt in eine Wut, eine schier unermessliche Frustration oder auch in die Angst hinein, dass Sie aufgrund des Vorfalls Ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Das Stresshormon Cortisol pulsiert durch Ihre Adern, der Herzschlag wird schneller, und vielleicht lockern Sie den Hemdkragen, weil in Ihnen Hitze aufsteigt. Im Gesicht und am Hals bilden sich hektische rote Flecken. Das Ergebnis ist weder ein Spass für Sie noch für Ihre Mitmenschen.

Alles passiert in Sekundenbruchteilen und nichts und niemand ist mehr in der Lage, Ihren völlig übersteigerten emotionalen Ausbruch zu stoppen. Die Hirnforschung hat ermittelt, dass es genau 0,0000001 Sekunden dauert, bis der Trigger eine Reaktion bei Ihnen auslöst.

Zwischen äusserem Trigger und der Reaktion liegen gerade mal 0,0000001 Sekunden

Es ist deshalb sehr verwunderlich, was im Innen in dieser kurzen Zeit alles abläuft. Zuerst gelangt der äussere Reiz, also die Trigger-Information, über unsere fünf Sinne ins Gehirn. Sie sehen z.B., wie der Chef den Stapel Papier auf den Schreibtisch wirft, und Sie hören die unangenehme Stimme dazu. In Ihnen formen sich unterschiedliche Gedanken, welche auch zu Bildern umgesetzt werden. Sie stellen sich z.B. vor, was Sie wohl falsch gemacht haben könnten, gehen innerlich Ihre Arbeit nochmals durch oder vergleichen mit vergangenen Situationen, in der es ähnliche Vorfälle gab. Dieses innere Verarbeiten und Beurteilen führt zu bestimmten Gefühlen. Sind Ihre Gedanken negativer Natur und Sie befürchten das Schlimmste, kommen natürlich unweigerlich auch negative Gefühle in Ihnen hoch. Diese könnten Angst, Scham oder Wut sein.

Und diese Gefühle wiederum beeinflussen Ihr autonomes Nervensystem. Über das autonome Nervensystem werden zur Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts (Homöostase) die lebenswichtigen Funktionen (Vitalfunktionen) wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel kontrolliert und gesteuert. Auch andere Organe oder Organsysteme werden vom autonomen Nervensystem angekurbelt, so beispielsweise die Sexualorgane, Endokrine Drüsen (Hormone), Exokrine Drüsen (wie z.B. Schweissdrüsen), das Blutgefässsystem (Blutdruck) oder die inneren Augenmuskeln (Pupillenreaktion).

Wenn ein Trigger Angstgefühle auslöst, dann führt dies zu einer kurzfristigen grösseren Energiebereitstellung, welche zu beschleunigter Herztätigkeit, Erhöhung des Blutdrucks, Freisetzung von Glukose (Zucker) und verstärkter Durchblutung der Muskulatur führt. Gleichzeitig werden die Denkvorgänge reduziert oder mitunter komplett blockiert. Das ist der Grund, warum es in Prüfungssituationen bei einigen Menschen zu einem Wissensloch (Blackout) kommen kann, bei dem auch sicheres Wissen plötzlich wie weggeblasen ist.

Grigor Nussbaumer

Praktisches Beispiel zum Angstkreislauf

Sie stehen vor einem Publikum und sollen einen Vortrag halten. Sie sind schon leicht nervös, während sich der Raum langsam füllt. Sie starten Ihre Rede gut, doch nach etwa einem Drittel sehen Sie, wie hinten zwei Personen kopfschüttelnd den Raum verlassen. Folgendes könnte nun passieren:

Der Angstkreislauf kann so weit gehen, dass Sie am Ende kollabieren. Das Ergebnis ist weder ein Spass für Sie noch für Ihre Mitmenschen. Das Entscheidende dabei ist jedoch, dass alles mit einer Vorstellung von etwas begonnen hat, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht eingetroffen war!

Die zwei Personen, die den Raum verlassen haben, hatten vielleicht zu spät bemerkt, dass ihr Zug gleich fährt und sie danach keinen Anschluss mehr haben. Oder die Person neben ihnen hat sich so laut mit dem Nachbarn unterhalten, dass sie dem Vortrag nicht folgen konnten und da es keine weiteren Plätze mehr hatte, den Raum verlassen mussten. Oder sie haben aus Versehen den falschen Vortragsraum aufgesucht und sind, verärgert über sich selbst, kopfschüttelnd aus dem Raum geeilt.

Das Problem begann somit nicht damit, dass die Personen den Raum verlassen hatten, sondern wie Sie damit umgegangen sind! Im inneren Kino haben Sie statt „Rosemunde Pilcher“ doch eher den Horrorklassiker „Nightmare – Mörderische Träume“ aufgelegt und damit den weiteren Verlauf besiegelt.

Wenn Sie sich bewusstwerden, dass es somit an Ihnen liegt, diese innere Vorstellung zu verändern, sind Sie einen grossen Schritt weiter in der Bewältigung von angstbehafteten Trigger-Situationen.

Angst haben wir vor Ereignissen,
die noch gar nicht geschehen sind!

Erkennen Sie sich in einer der folgenden Situationen wieder?