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Über dieses Buch:

Das idyllische St. Barth im karibischen Meer: Ein Edel-Callgirl verlässt kurz ihre Kabine auf einer russischen Jacht – Tage später wird ihre Leiche aus dem Wasser geborgen. Dubai: Ein iranischer Atomwissenschaftler geht an Bord eines Touristen-U-Boots – es taucht nie wieder auf. München: Auf die US-Vizepräsidentin wird ein Anschlag verübt – doch im letzten Moment verschont der Attentäter sie. Nichts davon scheint im Zusammenhang zu stehen, doch Tom Knox, ehemaliger Spitzenagent der CIA, glaubt nicht an Zufälle. Die Spuren führen ihn zu einem Mann, der sich »der Falke« nennt: ein gefürchteter Terrorist, der Amerika den Krieg erklärt hat. Als neue Hinweise den Falken außerdem mit dem Mord an Toms Frau in Verbindung bringen, beginnt eine atemlose Jagd … aber welchen Preis wird der Sieger zahlen müssen?

Furiose Action-Spannung für Leser von Robert Ludlum und Fans von Tom Clancys »Jack Ryan«: Eine Polit-Intrige, die erschüttert, ein Agent, der für die Zukunft Amerikas alles riskiert, und ein Gegner, der ihm immer einen Schritt voraus ist!

Über den Autor:

Martin J. Kreiter, geboren 1964 in Würzburg, aufgewachsen in der Pfalz, studierte BWL in Mannheim und lebt heute mit seiner Frau und Zwillingstöchtern in Hamburg. Er hat in verschiedenen Unternehmen als Marketing-Direktor gearbeitet, Corporate Start-ups gegründet – und 2002 die erste deutsche Smoothie-Marke an den Markt gebracht. In seiner Freizeit widmet er sich verstärkt dem Schreiben und der Fotografie – am liebsten auf Safari in Afrika. »Der Falke – Im Visier des Bösen« ist sein erstes Buch.

Der Autor im Internet: www.mjkreiter.com

Auf Facebook: www.facebook.com/MartinJKreiter/

Auf Instagram: www.instagram.com/mjkreiter/

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Originalausgabe Dezember 2019, 2021

Copyright © der Originalausgabe 2019, 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Ronja Beck

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/NeoStocks, Jeff Leonard, mezzotint, Singquan Deng, fotorince, Michael Zduniak

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-824-7

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Martin J. Kreiter

Der Falke – Im Visier des Bösen

Thriller

dotbooks.

Für Jutta,

Love of my Life

Prolog

St. Barth in der Karibik, 31. Dezember 2018

Tamara lächelte, als sie das Knallen von Feuerwerkskörpern hörte. Den ganzen Tag hatte sie sich darauf gefreut, jetzt wollte sie es auch sehen. Den Jahreswechsel erlebte man schließlich nicht alle Tage auf einer Jacht mitten in der Karibik. Vorsichtig streifte sie die Maske aus mit Goldfäden durchwobenem schwarzem Samt von den Augen und bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu. Sie lag auf einem riesigen Bett, über sich nur Glas und der vom Feuerwerk hell erleuchtete Himmel über Gustavia. Der Kunde hatte sie vor wenigen Minuten verlassen und seine Rückkehr erst in einer Stunde angekündigt. Viel Zeit also, um ein paar Regeln zu brechen. Schließlich hatte sie verdammt hart gearbeitet, etwas frische Luft und eine Zigarette hatte sie sich allemal verdient. Und das grandiose Feuerwerk würde sie für ihre Mitbewohnerin Larissa filmen und ihr nach Monaco schicken. Sie wusste, wie verrückt Larissa nach Feuerwerk war – die würde Augen machen!

Nackt trat Tamara durch die offene Balkontür auf das Oberdeck, das komplett von der Eignerkabine eingenommen wurde, und zündete sich eine Zigarette an. Vier Stockwerke der Jacht lagen ihr zu Füßen, ebenso wie das im Mondlicht glitzernde Wasser. Die Kabine, in der sie gerade 5.000 Dollar verdient hatte, bildete die Spitze eines Eisbergs aus Stahl und Glas. Es war ein berauschendes Gefühl. Noch vor wenigen Stunden hatte sie am Strand gelegen und einen heißen Augenflirt mit einem Hollywoodstar gehabt, und jetzt war sie hier. Sie zog den Rauch tief in ihre Lungen ein und filmte mit ihrer Handykamera das Wasser, um die Spiegelungen des Feuerwerks auf der Wasseroberfläche einzufangen.

Es war wirklich atemberaubend – auch wenn Tamara an spektakuläre Ausblicke mittlerweile gewöhnt war: im europäischen Sommer St. Tropez, Ibiza und Sardinien, im Winter die Karibik. Dürfte sie im Rahmen ihres Jobs fotografieren, sie könnte ein Kompendium der schönsten Jachten zusammenstellen.

In den letzten Tagen hatte Tamara einen Software-Tycoon aus Kalifornien, einen berühmten Rapper, der sich eigentlich um seine Promi-Frau und ihr gemeinsames Baby kümmern sollte, und zwei Industrielle aus Frankreich und Mexiko auf ihrer Kundenliste gehabt. Alle gehörten der Kategorie Pfau an, wie sie und ihr Manager Alex diese Kunden nannten. Eitel bis zum Abwinken und stolz, sich Tamara leisten zu können. Also keine Augenbinden, was ihr beim Gedanken an den fetten Franzosen eher leidtat. Aber es hatte auch drei Blind Dates in den letzten zwei Wochen gegeben und damit die Gewissheit, mit einer ganz anderen Kategorie Mann zu tun zu haben. Sie waren auf der Jagd und wollten dabei nicht gesehen werden. Das waren Männer, für die zu viel auf dem Spiel stand – auf jeden Fall mehr als eine tobende Ehefrau und im schlimmsten Fall die Scheidung. Alex hatte Tamara direkt nach dem Besteigen des Helikopters die Maske aufgesetzt. Zur Sicherheit des Kunden, und auch zu ihrer eigenen, durfte sie auf keinen Fall erfahren, zu welcher der vielen Jachten in der Bucht sie gebracht wurde. Noch wichtiger: Auf keinen Fall sollte sie erfahren, wer sie in den nächsten Stunden ficken würde.

Und gerade deshalb genoss sie den Reiz des Verbotenen ganz besonders, während sie das Handy mit weiterhin filmender Kamera auf der Brüstung ablegte, um sich eine zweite Zigarette anzuzünden.

Etwas in ihr hatte sie schon immer angetrieben, das Beste aus ihren Lebensumständen machen zu wollen. Aufgewachsen in Tschelobitjewo, einem heruntergekommenen Slum in Moskau, hatte sie sich nicht mit ihrem vorherbestimmten Schicksal zufriedengegeben und schon früh ihr einziges Kapital in die Waagschale geworfen: ihren makellosen Körper. Sie war gerade dreizehn, als sie Yuri, dem Freund ihrer Mutter, das erste Mal einen geblasen hatte, um zu Geld zu kommen. Schon bald erhöhte sie den Preis und begann sich auch anderen Männern anzubieten. Erst Lehrern, dann dem Schuldirektor und seinen zahlungskräftigeren Freunden. Mit 16 war sie bereits mit vielen Moskauer Politikern und Industriellen und deren sexuellen Vorlieben bekannt. Zwei Jahre später verließ sie Moskau endgültig und bezog ein Appartement mit Blick auf den Hafen von Monaco. Etwa zur selben Zeit hatte sie Alex, einen in Miami lebenden deutschen Makler für Luxusimmobilien und Jachten, kennengelernt. Der nutzte seine Firma als Deckmantel für die Vermittlung von Edelcallgirls an die Mächtigen und Reichen dieser Welt. Schnell hatte sie sich in Alex’ Agentur den Status eines Spitzenmädchens für die ganz besonderen Kunden erarbeitet.

Und heute Nacht, während zu Hause Regenstürme die Strände des Mittelmeers zu melancholischen Orten machten, genoss sie die Caribbean Season mit diesem grandiosen Feuerwerk, das für ihren Geschmack viel zu schnell wieder abflaute. Vermutlich wurde es allmählich Zeit, wieder in die Kabine zurückzukehren. Tamara wollte sich gerade abwenden, als sie auf dem Deck unter sich jemanden reden hörte. Wahrscheinlich waren sie schon die ganze Zeit da gewesen, aber erst in der einsetzenden Stille konnte sie die Stimmen zweier Männer ausmachen. Tamara wusste, es war verboten, aber dennoch beugte sie sich nach vorn, um vorsichtig über die Brüstung zu spähen. Einer der Männer stand im Schatten, der andere im Schein der Bordbeleuchtung. Schnell zog sie den Kopf zurück, um nicht entdeckt zu werden. Unmöglich, aus ihrer Perspektive und mit dem einen Blick auszumachen, wer da unten stand. Vielleicht ihr Kunde? Tamara lächelte, zog erneut an ihrer Zigarette und hob dann die noch immer laufende Kamera ihres Handys vorsichtig über die Kante. Jetzt filmte sie direkt nach unten in Richtung der beiden Unbekannten.

Das war heute schon der zweite und noch drastischere Verstoß gegen die klaren Regeln ihres Jobs: keine Dokumentation in Bild und Ton. Niemals. Aber die Neugier trieb sie an. Die Jacht und alle Sicherheitsvorkehrungen ließen darauf schließen, dass ihr Kunde extrem prominent war. Ein leichter Schauder bescherte ihr Gänsehaut am ganzen Körper. Das war kein Kunde wie jeder andere. Zu Beginn zärtlich und scheinbar bemüht, die an sich klare Rollenverteilung aufzulösen. Besseren Sex hatte sie lange nicht mehr gehabt, schon gar nicht im Job. Urplötzlich war er dann aber von einer fordernden und rücksichtslosen Härte, die ihr Angst gemacht hatte. Einmal ein Blind Date enttarnen … nur dieses eine Mal.

Die Stimmen der beiden Männer konnte sie mittlerweile deutlich unterscheiden: Der eine sprach mit amerikanischem Akzent, der andere perfektes Oxford-Englisch. Die Fetzen, die sie aufschnappte, waren alles andere als aufregend. Es ging offenbar um den Nahen Osten, Iran, Irak, Terrorgefahr, amerikanische Politik und Gott weiß was für langweilige Sachen noch. Enttäuscht, nichts Spannenderes zu hören, beendete Tamara die Videoaufnahme schließlich, tippte Hey, Issa, I`m on fire ;-) und schickte sie an Larissa. Vorsichtshalber löschte sie die Aufnahme und die Nachricht im Anschluss. Man konnte schließlich nie wissen.

Eine überraschend kühle Brise ließ sie frösteln. Besser, sie kehrte nun in die Kabine zurück. Doch in diesem Moment rutschte ihr die fast abgebrannte Zigarette aus den klammen Fingern, fiel zu Boden und rollte wie in Zeitlupe zum Rand des Decks. Tamara sah wie gelähmt zu, unfähig einzugreifen, wie der glimmende Stummel über die Kante fiel und verschwand. Ihr Herzschlag raste und sie konnte nur eines denken: Lass die beiden da unten weiterreden, lass die Scheißzigarette hinter ihnen gelandet sein!

Aber da war eine Stille, die Tamara in Sekundenbruchteilen Hunderte kleiner Schweißperlen auf die Stirn trieb.

Nach vielleicht fünf Sekunden, die Tamara wie Stunden vorkamen, setzte das monotone Murmeln wieder ein. Sie wagte einen zittrigen Atemzug.

Dann traf sie unvermittelt ein derart grelles Licht, dass sie das Gefühl hatte, erblindet zu sein. Wahrscheinlich ein Teil des Sicherheitskonzepts, das Megajachten wie diese zu schwimmenden Festungen machte. Wie gelähmt stand Tamara im Scheinwerferlicht, so stark wie Blendgranaten.

Auf der Außentreppe, dem einzigen Zugang zum Oberdeck außerhalb der Kabine, polterten Schritte. Nur schemenhaft nahm Tamara zwei Männer in schwarzen Anzügen wahr. Einer drehte ihr grob den rechten Arm auf den Rücken und stieß sie gegen die Kabinenwand. Ihr Kopf schlug hart gegen das Panzerglas. Blut tropfte aus ihrer Nase, und ihr Schädel dröhnte. Benommen nahm sie wahr, wie der zweite Mann ihr das Handy entriss.

»Lass mich los«, ächzte sie.

Doch der Griff wurde noch schmerzhafter, und ihr Peiniger zischte ihr direkt ins Ohr: »Davon habe ich schon immer geträumt, du Schlampe. Ihr kommt hier an Bord, macht die Beine breit und fliegt mit mehr Kohle wieder ab als unsereins im Monat verdient. Seid ihr das wirklich wert?«

Tamara spürte den übel riechenden Atem des Mannes direkt an ihrem Hals und zu ihrem Entsetzen seine Finger, die sich von hinten zwischen ihre Beine schoben.

Verzweifelt versuchte sie dem stählernen Griff zu entkommen. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. »Na, was kostet das?«, fauchte er ihr direkt ins Ohr. »Einmal ohne Gummi, 20 Dollar. Einverstanden?«

»Du hast kein Recht, mich anzufassen!«

»Schluss mit dem Theater!« Das Gelächter der Männer wurde von einem schneidenden Kommando durchbrochen. Der Griff lockerte sich sofort. »Alles unter Kontrolle, Boss, hab ihr nur ein bisschen Angst gemacht.«

»Hören Sie«, sagte Tamara und versuchte, das Zittern in ihrer Stimme mit aller Kraft zu unterdrücken. Sie hielt den Kopf gesenkt, jeden Blickkontakt vermeidend. »Es tut mir so leid, dass ich die Kabine verlassen habe. Aber ich kenne Ihr Schiff nicht und habe auch noch niemanden erkannt! Es ist nicht so, wie Sie denken. Ich wollte nur mal kurz an die frische Luft und das Feuerwerk sehen.«

Das Summen der Hochleistungsstrahler und das entfernte Plätschern der Wellen, die an den Rumpf der Jacht schlugen, waren für einen langen Moment die einzigen Geräusche.

»Ich mach’s wieder gut!«

Jäh wurde sie nach vorn gestoßen und landete schmerzhaft auf den Knien. Mit ihren Händen versuchte sie, sich notdürftig zu bedecken. Angst breitete sich in ihr aus wie Eis auf einem gefrierenden Teich. Sie hatte komplett die Kontrolle über die Situation verloren.

Dann ging ein Mann vor ihr in die Knie. Panisch blickte sie nach unten, versuchte instinktiv, dem Anblick des Mannes auszuweichen. Warum macht er das? Sie wollte niemanden sehen, keinen Vorwand bieten, noch Schlimmeres mit ihr zu machen. Sie sehnte sich so sehr nach der Anonymität der Augenbinde zurück.

»Hör zu, du hast die Regeln gebrochen. Gut möglich, dass das alles ohne böse Absicht geschehen ist.« Sein Ton war freundlich und doch von einer Gleichgültigkeit, die Tamara erneut Tränen in die Augen trieb.

»Aber das Leben ist nun mal so, dass man die Konsequenzen seines Handelns tragen muss, nicht wahr, Tamara?«

»Bitte«, versuchte sie es nun flehend, den Blick immer noch auf den Boden gerichtet. Das Zittern in ihrer Stimme gewann die Oberhand. »Das war unglaublich dumm von mir, und es tut mir leid. Aber ich habe doch nichts gehört, sie haben viel zu leise gesprochen. Und ich habe niemanden gesehen. Ich bitte Sie, lassen Sie mich einfach gehen! Alex wird mich wegbringen, Sie hören nie wieder von mir, ich bin ein Profi!«

Fast zärtlich griff der Mann nach ihrem Kinn und hob gegen Tamaras Widerstand ihren Kopf an.

»Leider hast du bewiesen, dass du nicht mal ansatzweise der Profi bist, für den wir dich gehalten haben. Wie du siehst, habe ich keine Wahl.«

Tamara blinzelte, Tränen rannen ihr über die Wangen.

Plötzlich ging alles ganz schnell. Der Mann vor ihr trat zurück, und zwei Wachleute packten sie erneut grob an den Armen und stießen sie über steile Außentreppen Deck für Deck nach unten und dann weiter bis zum Ende des knapp über der Wasserlinie schwebenden Sonnendecks am Heck der Jacht, die mittlerweile Fahrt aufgenommen hatte. Sie steuern auf das offene Meer hinaus, durchfuhr die Erkenntnis Tamara, während sie verzweifelt dem Griff der Männer zu entkommen versuchte. Entsetzen schnürte ihr die Kehle zu, sie konnte nicht einmal schreien. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihren Arm, in dem auf einmal die Nadel einer Spritze steckte. Sie keuchte, bäumte sich auf, doch schon nach wenigen Sekunden setzte die Wirkung ein. »Was …?«, murmelte sie.

Tamara kannte das Gefühl, das Heroin im Körper auslöste. Als Vierzehnjährige hatte sie alles probiert, was auf Moskaus Straßen zu bekommen war und sie zeitweise vergessen ließ, womit sie das viele Geld verdiente.

Das weiß schäumende Meer verschwamm vor ihren Augen zu einem hellen, pulsierenden Licht. Plötzlich hielt sie niemand mehr fest, sie taumelte, machte einen Schritt … und trat ins Leere.

Der Sturz war kurz, sie tauchte kopfüber in das brodelnde Wasser ein. Merkwürdig unbeteiligt nahm sie wahr, wie sie durch das von Millionen Luftblasen durchsetzte Wasser tiefer nach unten gedrückt wurde. Für einen Moment schien alles friedlich und ruhig, aber dann meldeten sich ihre brennenden Lungen, und sie versuchte verzweifelt, wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen.

Wasserspuckend und gierig die Luft einsaugend, sah sie den Lichtern der schnell kleiner werdenden Jacht hinterher. Ein panischer Blick in Richtung Insel zeigte ihr, dass sie nicht den Hauch einer Chance hatte, die Küste zu erreichen. Wie Sterne funkelten die fernen Lichter der Villen und Hotels entlang der Uferlinie. Nach einigen verzweifelten Schwimmstößen gab sie wieder auf, das Heroin entfaltete jetzt seine volle Wirkung.

Tränen schossen Tamara in die Augen, als sie begriff, dass ihr Leben hier nun enden würde. Als eine junge, anonyme Frau, die im Rausch der Drogen über Bord gegangen war. Als jemand, der kaum vermisst werden würde.

Ein paar letzte, verspätete Feuerwerkskörper tauchten den Himmel über ihr und das Wasser um sie herum in alle denkbaren Regenbogenfarben. Alles begann sich um sie zu drehen. Ein pulsierendes Licht stieg aus der Tiefe zu ihr auf, berauschend schön. Das Feuerwerk schien jetzt aus allen Richtungen zu kommen. Ihr Körper fühlte sich so leicht an, dass sie Arme und Beine nicht mehr spürte. Langsam legte sie den Kopf nach hinten, warmes Wasser rann ihr in die Nase und den offenen Mund. Luftblasen stiegen auf, als ihr Körper langsam tiefer sank und sie mit weit aufgerissenen Augen das Spiel der tanzenden Farben bewunderte.

Kapitel 1

Hamburg, 10. Februar 2019

»Knox.«

Tom presste das Handy dicht ans Ohr, um überhaupt etwas verstehen zu können. Der bei 130 km/h schon im Grenzbereich angelangte 4-Zylinder-Motor seines Land Rover Defenders machte ein Telefonat schwierig.

Er liebte dieses Relikt britischer Bauart, obwohl es nicht einen vernünftigen Grund dafür gab. Komfort, Sicherheit, Verbrauch und Lenkung – alles, was bei Autokäufen üblicherweise ein Entscheidungskriterium war, hatte für ihn keine Rolle gespielt. Vielleicht war es die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten, als er wochenlang in Gegenden unterwegs gewesen war, in denen es ohne Wagen wie diesen kein Vorwärtskommen gab – oder es war mit seinen 44 Jahren einfach eine spezielle Ausprägung von Midlife-Crisis –, aber als der Baustopp des legendären Geländewagens angekündigt worden war, hatte er zum Leidwesen der Familie beschlossen, sich diesen lang gehegten Traum zu erfüllen.

Tom bremste den Wagen ab, und die Akustik wurde deutlich besser.

»Hallo Tom, hier ist Charlotte. Ich wollte nur kurz hören, wann du ankommst.«

»Hi Charlotte«, erwiderte Tom mit einem Lächeln, wobei er den Namen seiner Schwiegermutter nach französischer Art Charlott aussprach. »Ich fahre gleich von der Autobahn runter. Wenn deine wunderschöne Stadt einen Autobahnring wie alle ordentlichen Metropolen hätte, wäre ich in zehn Minuten da. So wird es wohl noch ein bisschen dauern.«

»Alles klar, mein Lieber. Beeil dich. Auch wenn sie es nicht zugeben würde, ich glaube, sie kann es kaum noch abwarten.«

»Ich weiß, ich eile, ich fliege!«

Tom drückte das Gespräch weg und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. Schnell erreichte er die Innenstadt und fuhr einen Schlenker entlang von Außen- und Binnenalster. Nach der sibirischen Kälte der letzten Wochen waren beide so dick zugefroren, dass das Alstereisvergnügen am Vortag eröffnet worden war: Dutzende Glühweinbuden verteilten sich über die Eisfläche, die von Tausenden fröhlicher Hamburger bevölkert war.

Tom liebte diese Stadt. Die Menschen, die so viel herzlicher waren als ihr kühler Ruf, das Wetter, das so viel besser war, als man es ihm nachsagte, die grünen Alleen und natürlich das Wasser, die vielen Kanäle und Brücken, die selbst Amsterdam und Venedig alt aussehen ließen.

Vor allem aber liebte er diese Stadt wegen seiner Tochter Marlene.

Inzwischen hatte er die Elbe erreicht und fuhr am Hafen entlang Richtung Westen. Ein Containerschiff glitt den Strom hinauf, der Anblick dieser Riesen des Welthandels beeindruckte Tom immer wieder aufs Neue.

Noch ein kleiner Anstieg, der dem Allradantrieb seines Rovers auf geschlossener Schneedecke vielleicht fünf Prozent seines Leistungspotenzials abverlangte, dann hatte Tom sein Ziel erreicht und freien Blick auf das blütenweiße Haus am Elbhang. Er hatte den Wagen noch nicht zum Stillstand gebracht, als die Eingangstür schon aufgerissen wurde und Charlotte mit ihrer inzwischen fast gleich großen Enkelin auf die Kiesauffahrt hinaustrat.

Er sprang aus dem Wagen und begrüßte seine Schwiegermutter mit einer herzlichen Umarmung. In ihrer weißen Leinenhose und Strickjacke sah sie großartig aus, mindestens zehn Jahre jünger als ihre 68 Jahre. Nichts an ihrem Auftreten und ihren funkelnden, grünen Augen verrieten etwas von dem Leid, das sie erlebt hatte. Als er sich Marlene zuwandte, versetzte es ihm wie so oft einen Stich, wie viel ähnlicher sie jedes Jahr ihrer Mutter sah. Tom nahm sie in den Arm und spürte, wie seine Teenagertochter ihre übliche Coolness für einen Moment verlor und wieder sein kleines Mädchen war. Es waren diese Augenblicke des Glücks, für die er lebte. Diese durch keinerlei Hintergedanken getrübte Liebe einer Vierzehnjährigen, die ihn hatte überleben lassen.

»Wie war die Woche in Berlin?«, fragte Charlotte, während sie gemeinsam ins Wohnzimmer gingen, um es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen.

»Fantastisch! Ich hätte nie gedacht, dass jemand meine Vorlesung so spannend finden würde. Die haben an meinen Lippen gehangen, als würde ich die Lottozahlen vom kommenden Samstag vorlesen.«

Marlene rollte die Augen und Charlotte meinte mit einem Schmunzeln: »Na, das gehört sich doch auch so, Dr. Knox! Wenn der Professor spricht, hat das Auditorium andächtig zu lauschen!«

»Zu viel der Ehre, ich bin lediglich Gastdozent«, entgegnete Tom.

Acht Wochen lang hatte er auf Einladung von Professor Morgenroth, dem weltweit angesehenen Politologen und Islamforscher, an der TU Berlin ein Seminar über Terror in the Neighborhood – Die neue Gefahrenlage nach Bin Laden, al-Qaida und IS gehalten. Die anfängliche Skepsis ihm gegenüber, als einem in Studierendenkreisen unbekannten Amerikaner, war schnell wachsender Begeisterung für sein inhaltlich wie didaktisch fesselndes Seminar gewichen. Zuletzt hatte er ins Audimax umziehen müssen, um der ständig steigenden Zahl an interessierten Studierenden gerecht zu werden.

Tom hatte fast ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er so viel von seinem Wissen, seinen Erfahrungen und Erlebnissen in der Welt des internationalen Terrors nicht mit ihnen teilen konnte. Zu brisant, zu geheim waren die vielen Dinge, die er nicht – wie gewöhnlich bei Dozenten – durch Literaturrecherchen und Gespräche, sondern in den staubigen Straßen Bagdads und Islamabads, aber auch in den Hinterzimmern der Mächtigen in Washington und Langley erfahren hatte. Dennoch war es ihm gelungen, seine Studierenden zu fesseln. Er war weit zurückgegangen in der Geschichte, um die Wurzeln des Islams ebenso wie die radikale Entwicklung einiger seiner Verzweigungen zu erklären: Angefangen beim Propheten Mohammed bis zum Zusammenbruch des Osmanischen Reichs Anfang des 20. Jahrhunderts. Von den nachfolgenden Bestrebungen zur Wiederherstellung des Kalifats in Indien und in Ägypten, wo die Muslimbrüder gegründet wurden. Er hatte die Verbindungslinien aufgezeigt, die letztlich Gruppierungen wie die Hisbollah im Libanon, Boko Haram in Nigeria oder die Al-Shabaab-Milizen in Somalia hervorgebracht hatten. Dass er selbst Vertretern dieser Gruppierungen begegnet war, teils Tee trinkend und Wasserpfeife rauchend, zum Teil aber auch im Kampf Mann gegen Mann, schuf eine offenbar faszinierende Authentizität seiner Vorlesungen. Von seiner Jagd als CIA-Agent auf Osama bin Laden bis zu den aktuellen Entwicklungen des IS hatte er den Bogen gespannt und seine Ausblicke in die nähere Zukunft immer wieder mit den Ergebnissen eigener empirischer Studien untermauert. So zuletzt die wiederholte Befragung von 1.000 jungen Muslimen in sozialen Brennpunktregionen in Frankreich, England und Deutschland, die auf eine beängstigend schnell wachsende Durchdringung mit radikalislamistischem Gedankengut hindeutete.

Mit einem Seufzen ließ Tom den Blick durch das sonnendurchflutete Wohnzimmer schweifen. Hier war glücklicherweise alles unverändert, von den hellen Pitchpine-Dielen bis zum Eames-Chair – Toms Lieblingsplatz, in dem er stundenlang den direkt vor dem Haus entlangziehenden Containerschiffen nachschauen konnte. Das Dekor zeugte auch von der großen Liebe seiner Familie für Afrika. Neben zwei Zebrafellen gab es zahlreiche Masken und Skulpturen, vor allem von der Elfenbeinküste und aus Gabun, sowie das spektakuläre Geweih einer Oryxantilope. Das Haus versprühte mitten im kalten Hamburger Winter den außergewöhnlichen Charme einer Safari-Lodge.

Nachdem sie noch eine Weile gemütlich beisammengesessen hatten, verabschiedete Marlene sich schließlich, um ins Hockeytraining zu gehen. Aktuell schien es kaum etwas Wichtigeres für sie zu geben.

»Und wie geht es meinem Lenchen wirklich?«, fragte Tom an Charlotte gewandt, sobald er sicher war, dass die Haustür ins Schloss gefallen war.

»Sie hat den ersten Liebeskummer, gestern eine Vier in Mathe heimgebracht und sich mit ihrer Freundin Emma wegen eines dummen Kommentars vor der Klasse zerstritten. Andererseits wurde sie gerade in die Hamburg-Auswahl U16 berufen und freut sich riesig auf den Skiurlaub – für ein fünfzehnjähriges Pubertier ist also alles im grünen Bereich«, antwortete seine Schwiegermutter mit einem Lächeln.

»Nur eine Mutter hat sie nicht und einen Vater, der nur ab und zu mal vorbeischaut, wenn der Job es zulässt.« Tom starrte aus dem Fenster. Wie oft hatte er sich gewünscht, einfach nur ein ganz normaler Vater zu sein, der von neun bis fünf arbeitete und am Abend seinem Kind bei den Hausaufgaben half. Und doch wusste er, dass er es nicht lange aushalten, dass sich ohne Marie diese scheinbar heile Welt wie eine gewaltige Lüge anfühlen würde. Daran zu zerbrechen und im schlimmsten Fall Marlene mit in den Abgrund zu ziehen … dieses Risiko würde er niemals eingehen.

»Lass es, Thomas!« Charlotte sprach ihn immer mit seinem ganzen Namen an, wenn sie verärgert war. »Ich habe meine Tochter verloren und du deine Frau. Nichts bringt sie uns zurück, aber wir sind es Marlene und auch Marie schuldig, nach vorne zu schauen. Sie hatten nur fünf Jahre zusammen, aber sie waren wertvoll, und wenn ich Marlene von Marie erzähle, weiß ich, dass ihr das viel Kraft gibt. Sie lebt ihr Leben, und es geht ihr gut.«

»Entschuldige, du hast recht«, lenkte Tom zerknirscht ein. Das Wiedersehen mit seiner Familie hat ihn wie immer aufgewühlt. Zu viele widerstreitende Gefühle tobten in seiner Brust.

Er bewunderte die innere Stärke und Güte, mit der seine Schwiegermutter stets allem begegnete. Mit einem Seufzen fügte er hinzu: »Wenn ich hierherkomme, wird mir nur immer wieder so klar, von wem Marie ihre Schönheit hatte und an wen sie sie vererbt hat.«

»Danke, du Charmeur«, erwiderte Charlotte mit einem Zwinkern, »aber du solltest dir deinen Vorrat an Komplimenten lieber für jüngere Frauen aufsparen. Oder willst du, dass Leni auf Dauer nur mit ihrer alten Großmutter aufwächst?« Sie schwieg für einen Moment, dann fügte sie ernster hinzu: »Irgendwann musst du loslassen, Tom, und dir noch mal eine zweite Chance geben.«

Er schwieg und schaute nachdenklich auf die Elbe mit ihren dahintreibenden Eisschollen. Tom wusste, dass Charlotte recht hatte, aber auch nach so vielen Jahren war er noch nicht bereit. Nicht, dass es an Gelegenheiten gemangelt hätte. Seine Gene hatten ihm ein Äußeres verpasst, auf das er nie besonders stolz gewesen war, das Frauen aber offenbar anzog: fast einen Meter neunzig groß, athletische Figur, kurz geschnittene Salt-and-Pepper-Haare und tintenblaue Augen. Vielleicht war es auch seine oft melancholische Ausstrahlung, die ihm immer wieder Chancen einbrachte, die er gar nicht suchte. Zuletzt war es eine wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Professor Morgenroth gewesen, die alle Register zog. Aber letztlich war auch dieser Flirt im Sande verlaufen. Tom war klar, dass er sich so viele Jahre nach dem Tod von Marie wieder verlieben durfte. Dass seine Familie sich sogar darüber freuen würde. Aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte sich auf nichts einlassen. Zumindest nicht auf Dauer. Fast so weit, zu bleiben, triumphierte doch immer wieder der Drang, zu gehen.

* * *

Khaled saß in der Lobby des Amman International Hotels, umgeben von einer Pracht aus Marmor, Teppichen, edlen Hölzern und frischen Blumen, und genoss einen starken arabischen Kaffee. Er telefonierte, Nummern in Dubai, London und Kairo standen auf seiner Liste. Schließlich beendete er zufrieden lächelnd das letzte Gespräch, mit dem er seine Ankunft im Burj Khalifa am morgigen Freitag bestätigte, und beobachtete das geschäftige Treiben in der Eingangshalle des Hotels. Was jeder Beobachter als gelangweiltes Umherschauen eines Geschäftsmannes aus dem Nahen oder Mittleren Osten interpretiert hätte, diente tatsächlich als eine der vielen Trainingseinheiten, die Khaled jeden Tag diszipliniert absolvierte. Es ging um nichts anderes als das sekundenschnelle Erfassen von Situationen. Eine Schulung der Intuition, die ihm half, Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, die den Unterschied zwischen Weiterleben und Sterben bedeuten konnten.

Zu wem gehörte beispielsweise die außerordentlich attraktive Frau, die gerade auf knallroten Louboutins in die Lobby stöckelte und ihre Kelly Bag vor sich hertrug, als sollte alle Welt sehen, was sie sich leisten konnte? Vier Männer checkten gerade parallel ein – Khaled traf seine Wahl: Den etwas untersetzt wirkenden Mann hielt Khaled wegen seines Aussehens und Habitus’ für einen Unternehmer aus Ägypten. Er würde später den Concierge Rahman, mit dem er mittlerweile gut bekannt war, diskret fragen, ob er richtig lag.

Hier, im Amman International, war es ein beiläufiges Training seiner Wahrnehmung. Dabei wusste Khaled, dass er zu 99 Prozent durch sein Unterbewusstsein gesteuert wurde, den fast unbegrenzten Speicher an Eindrücken. Er hatte gelernt, die rational meist nicht erklärbaren Entscheidungsmuster zuzulassen. Häufig war es eben seine extrem geschärfte Wahrnehmung, die ihn in kritischen Situationen die richtige Entscheidung treffen ließ.

Wie vor nicht einmal einer Woche, als er sich in einem Café in Tel Aviv mit seinem Informanten Levi, einem talentierten Hacker, getroffen hatte. Es ging, wie so oft, um Informationen, die Khaled dringend benötigte, die sich aber nur durch das elegante Umgehen von gemeinhin als unüberwindlich geltenden digitalen Mauern erlangen ließen. Levi war als junger Israeli mit radikalen Sympathien für die Sache der Palästinenser ein Wanderer zwischen den Welten. Vielleicht waren sie deshalb über die Jahre zu Freunden geworden. Sie waren beide Menschen, die in keine Schublade passten.

Jeder Ausstehende hätte angenommen, dass sie völlig in ihr Gespräch versunken waren, doch mit einem Mal hatte Khaled den Israeli am Arm gepackt und war mit ihm durch die Schwingtür in die Küche und von dort durch den Hinterausgang ins Freie gestürzt. Die Proteste des Küchenpersonals gingen in der fürchterlichen Detonation unter, die eine als Rucksacktouristin getarnte Selbstmordattentäterin mitten im Lokal ausgelöst hatte. Nur wenige Gäste im Innenraum des Restaurants hatten überlebt.

Khaled schüttelte die Erinnerungen ab, nie hatte er sich mit der scheinbar automatisch erfolgenden Selbstopferung für das Erreichen höherer Ziele anfreunden können – und sei die Sache noch so wertvoll.

Er sicherte sich mit einem großzügigen Trinkgeld die Dankbarkeit des jungen Obers, fuhr mit dem Aufzug in den sechsten Stock und betrat sein Zimmer. Er ging zum Fenster und ließ seinen Blick über die Al Habab Bin Al Monzer Straße schweifen. Die Sonne stand noch hoch, und viele Menschen nutzten den milden Tag für einen Spaziergang oder Schaufensterbummel. Khaled interessierte sich nicht für solche Zerstreuungen, er schloss das Fenster und zog die Vorhänge zu, um den Lärm, das helle Licht und die Gerüche der Straße auszusperren. Er legte sich auf das Bett – wie immer angezogen, um bei Gefahr keine Zeit zu verlieren.

Das Amman International war schon häufiger die Basis für seine Aufträge im Nahen Osten gewesen. Sein Pass wies ihn als Abu Beukhan aus, ein Bauingenieur aus Pakistan. Seine freundliche Art und die Trinkgelder machten ihn zu einem gern gesehenen, aber gänzlich unauffälligen Gast. Es war nicht Angst, sondern widerwillig gezollter Respekt vor dem Muchabarat, dem berüchtigten jordanischen Geheimdienst, der ihn mit besessener Akribie an jedem Detail seiner verschiedenen falschen Identitäten feilen ließ. Am Flughafen hatte er in einem Schließfach einen kompletten Baukasten seiner Zielidentität abgeholt, mit der er stets im Amman International auftrat, und auf einer abgelegenen Toilette die Verwandlung vollzogen: Anzug, Hemd, Schuhe, Perücke und Schnauzbart, Aktentasche mit Unterlagen zu Immobilienprojekten, Pass, Handy, Brieftasche mit Kreditkarten, Führerschein und Familienfotos – kein Detail blieb dem Zufall überlassen. Um in denkbaren Befragungssituationen standhalten zu können, hatte er viele Stunden damit verbracht, sich Ingenieurslaufbahnen auf verschiedenen Plattformen genau anzusehen. Zu allen Unterlagen in seiner Tasche gab es eine glaubhafte Erklärung – es würde viel Zeit und Aufwand bedürfen, ihn als Lügner zu entlarven.

Diese antiislamischen Schergen des Westens waren extrem aufmerksam und erbarmungslos gegenüber jedem Gegner, den sie zu fassen bekamen. Khaled kräuselte verächtlich die Lippen. Er verachtete Jordanien genauso wie Saudi-Arabien und die Mehrzahl der arabischen Länder. Nicht viel besser als die verdorbenen westlichen Nationen waren auch sie in einem Zustand der Dschahiliyya gefangen. Ungläubig, vorislamisch, Götzen dienend, die Schwachen ausbeutend – nur durch einen reinigenden allumfassenden Dschihad zu retten!

Khaled dachte an den vor ihm liegenden Auftrag, der nur der Beginn einer Zeitenwende war. Die Welt würde sich verändern. Seine eigene, vor allem aber die aller gläubigen Muslime auf diesem Planeten – und die der Ungläubigen, die sich in trügerischer Sicherheit wiegten. Niemand würde ihn stoppen. Er war Khaled – der Unsterbliche, Saif ad-Din, Schwert der Religion – Mohammed.

Im Grunde war er bereits sein ganzes Leben lang ein Kämpfer gewesen, aber erst sein viel zu früh verstorbener Großvater hatte ihn gelehrt, auf sein Herz und die Lehren Allahs zu hören, denen er als Heranwachsender kaum Beachtung geschenkt hatte. Seit diesen Tagen, den gemeinsamen Gebeten in der Moschee seines fernen Heimatortes, hatte er den rechten Pfad nie wieder verlassen. Schnell hatte er begriffen, dass er auserkoren war, nicht nur für sich selbst den Weg zu Gott zu ebnen. Er war Saif ad-Din, und er würde seinem Namen Ehre erweisen. Er würde das Schwert unbarmherzig gegen die Gottlosen führen. Khaled fühlte es in jeder Zelle seines asketisch muskulösen Körpers. Er spürte die Kraft, die mit ihm war, die ihn trug. Er fühlte sich geehrt, in den letzten Jahren so viele großartige Kämpfer und Strategen kennengelernt zu haben. Von den Anfängen bei al-Shabaab, seinen Lehrjahren bei al-Qaida, die ihn bis in den engsten Stab Bin Ladens gebracht hatten, bis zu den letzten Jahren an der Seite des Kalifen. In dessen Kampf um die Errichtung eines länderübergreifenden Islamischen Staates hatte er viel über den Glauben und ein Leben im Dienste Allahs gelernt, über Waffensysteme und Sprengstoff, über intelligente Anschlagsplanung mit Hightech aller Art. Das machte ihn zu dem, was er heute war: Khaled, der Falke. Für die Geheimdienste zahlloser Länder ein gesuchter Terrorist, für gläubige Muslime ein Vorbild und Held.

Aber schon länger wusste er, dass er seinem Leben eine neue Richtung geben musste. In den letzten Wochen hatte er sich in ein Bergdorf im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet zurückgezogen – nach erbitterten Kämpfen zwischen der Bevölkerung und den Taliban war es schon seit Jahren verlassen. Ein Freund und Vertrauter des verstorbenen Taliban-Anführers Mullah Omar hatte ihm dort eine Unterkunft angeboten und zu seinem Schutz einige seiner besten Kämpfer abgestellt. Umgeben von schneebedeckten Gipfeln und tiefen Schluchten, hatte Khaled die Ruhe und innere Einkehr gefunden, die er brauchte, um sich neu zu orientieren. Stundenlang hatte er gebetet, meditiert und über seine Zukunft nachgedacht. Immer öfter hatte er zuletzt damit gehadert, dass die zahllosen erfolgreichen Anschläge auf die Feinde des Islams ihn zwar berühmt gemacht hatten, die westlichen Mächte aber nicht wirklich zu beeindrucken schienen. Sie rüsteten mit immer präziserer Technik auf und führten ihr lasterhaftes Leben unerreichbar und fernab der Frontlinien des Heiligen Krieges. Selbst Soldaten, die dafür bezahlt wurden, zu kämpfen, schien man immer seltener die direkte Konfrontation zumuten zu wollen: Zuletzt waren es vor allem Drohnen gewesen, gesteuert von Feiglingen in unterirdischen Bunkern, die man gegen sie einsetzte – während seine Brüder im Heiligen Kampf keinen Schritt vorankamen.

Doch Khaled hatte über die Jahre eine Vision entwickelt.

Sein Weg hatte ihn in den letzten Jahren auf fast alle Kontinente geführt. Anders als viele seiner Glaubensbrüder, denen einige Kilometer Raumgewinn im Kampf gegen den Feind schon reichten, interessierte ihn das große Ganze. Er kannte sie alle. Die Mudschahedin des Kaukasus, die al-Qassam-Brigaden und Hamas in Palästina, die Taliban, das Haqqani-Netzwerk und die Gruppierung von Hekmatyar in Afghanistan und Pakistan, die Hisbollah im Libanon, Boko Haram im Norden Nigerias, AQAP im Jemen, Abu Sajaf auf den Philippinen, und natürlich war er in Kontakt mit Aiman az-Zawahiri, dem Anführer al-Qaidas, und Abu Bakr al-Baghdadi, der den Islamischen Staat vorantrieb. Aber warum konnten all diese furchtlosen Kämpfer nicht mehr bewegen? Warum kämpfte jede der Gruppen für sich? Jeder Erfolg wurde mit einem Gegenschlag quittiert, der das Blut seiner Brüder und Schwestern fließen ließ, während die Menschen in den fernen Städten des Westens ruhig schliefen. Doch die Gefahr kam nicht nur von außen. Immer häufiger hatte Khaled es zuletzt erlebt, dass treue Kämpfer für die Sache Allahs sich mehr mit der Vormachtstellung in den eigenen Reihen als mit dem Kampf gegen die Feinde des Islams beschäftigten. Wie hatte es so weit kommen können, dass der IS zeitweise mehr Augenmerk auf das Töten von Wankelmütigen in den eigenen Reihen legte als auf den nächsten Schlag gegen die wahren Feinde?

In der Abgeschiedenheit der Berge hatte Khaled seinen Plan entwickelt, um diese Missstände zu beheben. Der Auftrag, den man ihm über Mittelsmänner al-Zawahiris vor acht Wochen übermittelt hatte, war für sich genommen nichts Besonderes. Und doch die Chance, auf die er nun schon so lange wartete, um einen Dschihad zu beginnen, dem die Feinde Allahs nichts mehr entgegensetzen konnten. Bald würden sie anbrechen: die Tage der Vergeltung, die Tage des Falken.

* * *

»Ladys first, danke schön, ganz reizend von Ihnen!« Jasmina Khalili hatte das Starbucks am Bryant Park gerade im Sprint verlassen und enterte das gelbe Taxi mit einem Hechtsprung, vorbei an dem geschniegelten Typen im Burberry-Anzug, der leichtsinnigerweise die Tür aufgehalten hatte, während er vergeblich versuchte, seinen Schirm zu schließen.

Das Taxi fuhr los, und Jasmina blickte grinsend zu dem laut fluchenden Mann im Schneegestöber der Sixth Avenue zurück. Als sie sich wieder nach vorne drehte, registrierte sie den missbilligenden Blick des Fahrers im Rückspiegel.

»New York Times Tower, Eighth Avenue, und schau mich nicht so böse an«, meinte Jasmina lachend, schüttelte den Schnee aus ihren kurzen, pechschwarzen Haaren und warf einen Blick auf das Lizenzschild des Fahrers. »Das hier ist New York, hier ist der Zweite der erste Verlierer. Und überhaupt, was glaubst du wohl, was der heute noch vorhat? Na? Drei Videokonferenzen mit seinen Klonbrüdern in Übersee und ein paar Insider-Geschäfte – der kann doch wohl warten, oder, Sid?«

»Ich heiße Wassid, Wassid Khan, und Sie sollten so nicht reden. Eigentlich hätte ich Sie nicht mitnehmen dürfen.«

Jasmina seufzte und beugte sich nach vorne: »Wassid, schon mal was vom Big Apple gehört? City of Dreams that never sleeps, place to be, live fast, die young? Da, wo Menschen schneller gehen als sie in LA rennen! Erzähl mir jetzt nicht, du bist neu hier, frisch von den Hängen des Hindukusch, und dir geht das alles ein bisschen zu schnell?«

»Ich bin vor 15 Jahren aus Karachi gekommen.«

»Oh my goodness, ein Landsmann, ich glaub das nicht! Obwohl, eigentlich nur ein halber.« Sie schüttelte lachend den Kopf. »Nein, stopp, die halbe bin ja ich. Aber egal. Wäre übrigens echt super, wenn du mal zeigen könntest, für was deine Zunft bekannt ist, nämlich viel zu schnell und hupend durch die Straßen zu rasen, ginge das? Ich hab’s echt total eilig!«

Wassid blickte in den Rückspiegel. Er hatte schon einiges erlebt während der fünfzehn Jahre, in denen er sein Taxi nun schon Hunderttausende Kilometer durch die Stadt gefahren hatte. Vieles hatte er gesehen, was ihn irritierte oder ihm gar die Sprache verschlug. Männer, die Männer küssten, Frauen, die ausgerechnet auf der Rückbank seines Taxis Sachen machten, die Frauen überhaupt nicht machen sollten. Latinos, die ohne jede Scheu ihre Waffen reinigten, Banker, die ihn offenbar für zu blöd hielten, um zu verstehen, dass sie gerade illegale Insiderabsprachen tätigten, Wesen, die offenbar weder Mann noch Frau waren, und Menschen, deren Einkäufe mehr wert waren, als seine Familie in den letzten drei Generationen zusammengenommen verdient hatte. Aber dieser kaum ein Meter sechzig große Wirbelwind in neongrünen Hosen, offenen roten Basketballschuhen und einer schwarzen Lederjacke passte in keine Kategorie. Redete so eine Frau? Und dann schien sie auch noch pakistanisches Blut in ihren Adern zu haben, wie war das möglich?

»Hör zu, Wassid, und nichts für ungut, war nicht so gemeint«, meinte die Frau jetzt beschwichtigend. »Das ist heute einfach nicht so mein Tag. Aber wie wärst du drauf, wenn innerhalb von acht Stunden ein talentfreier Künstler Bloody Mary über dein Kleid schüttet, dann noch ein Absatz deiner Lieblings-Ferragamos abbricht und du ganz bescheiden schläfst, weil Alkohol eben doch keine Lösung ist? Das Frühstück war dann auch nicht besser – hat mich gelehrt, dass man insbesondere bei grünen Smoothies den Mixer niemals starten sollte, bevor der Deckel drauf ist. Na? Willkommen in meiner Welt. Okay, vielleicht nicht ganz deine Welt, aber du versteht doch sicher, was ich meine, oder?«

»Ohne Frage, das ist nicht gerade gut für Sie gelaufen.«

»Sehr schön! Endlich sind wir auf einer Linie, Bruder. Wir Abgesandte des modernen Islams aus dem fernen Morgenland müssen schließlich zusammenhalten! Da vorne, da kannst du mich rausschmeißen.«

Die Frau bezahlte großzügig und verschwand wie ein Gummiball mit wenigen Sprüngen über den schneebedeckten Gehweg im nächsten Gebäude.

Wassid Khan blieb noch einige Minuten mit laufendem Motor am Straßenrand stehen, hielt sein Lenkrad fest umklammert und schaute ziellos die Straße entlang. Wie war das noch mit dem Angebot seines Schwagers gewesen, in dessen Autowerkstatt am Rande Karachis einzusteigen?

* * *

Es war kein Tag wie jeder andere in Virginia. Das Thermometer zeigte minus fünfzehn Grad, als Janet Lieberman, langjährige Assistentin und engste Vertraute von Jack Fisher, dem Direktor der Central Intelligence Agency, die Sicherheitszone des Hauptquartiers erreichte. Sie wies sich wie jeden Morgen bei dem wachhabenden Offizier aus und fuhr in die Tiefgarage.

Dass dieser Tag ganz unabhängig vom Wetter kein gewöhnlicher war, wurde Janet bewusst, als sie ihr Büro erreichte. Gewohnt, fast immer die Erste zu sein, bevor der Verwaltungsapparat der Agency zum Leben erwachte, erblickte sie durch die geöffnete Tür seines Büros ihren Chef. Er schaute aus dem Fenster, offenbar in Gedanken versunken, und ließ den Blick über die verschneiten Baumwipfel schweifen, die im Dauerfrost eingefroren waren und den Blick auf den benachbarten Potomac River verstellten.

Mit einem breiten Lächeln wendete er sich ihr zu. »Janet, guten Morgen! Wie hast du es von Bethesda hierhergeschafft?« Mit einem Augenzwinkern legte er nach: »Du hast doch nicht wieder meinen Anspruch auf den flugbereiten Heli ausgenutzt?«

Janet Lieberman war eine Meisterin in der Interpretation von Gesichtsausdrücken. Es waren einzelne Fältchen auf der Stirn und um den Mund, die ihr verrieten, dass er nicht annähernd so entspannt war, wie seine herzliche Begrüßung vermuten ließ.

»Nein, Mr. Fisher, ich habe mit dem Gedanken gespielt, aber der Umwelt zuliebe war es heute Morgen dann doch wieder der Prius, der Heli bleibt in der Garage. Darf ich fragen, was Sie so früh hertreibt?«

Die feinen Fältchen um seine Augen hatten sich vertieft und Janet war sicher, dass er wenig bis gar nicht geschlafen hatte. Er trug zwar eines der im Büro immer für ihn bereithängenden Ersatzhemden, aber Anzug und Schuhe waren entgegen seiner Gewohnheiten dieselben wie gestern.

»Heute Morgen gibt es eine kleine Planänderung, Janet. Hemsworth sollte in etwa zwanzig Minuten hier sein. Wenn sie es durch den Schnee schaffen, dann auch General Clamp und Cameron. Wir gehen noch mal alle Details durch. Nicht, dass wir das Pferd womöglich vor das falsche Tor rollen«, sagte er mit seinem gewinnenden Lächeln, das Janet so mochte.

»In zwanzig Minuten?« General Clamp, der Director of National Intelligence und somit Koordinator aller Dienste, und Cameron Kelley, der Stabschef des Weißen Hauses, zusammen mit National Security Advisor Hemsworth – so viele bedeutende Männer in einem komplett unvorbereiteten Treffen? Janet verdrängte den Anflug leichter Panik resolut und fand schnell zurück in ihren Rhythmus.

»Okay, wo wollen Sie sich besprechen? Ich schlage Konferenzraum 4 vor, da sollte Platz genug sein. Sie wollen sicher Brundle dabeihaben und vielleicht auch Larsson, für das Protokoll natürlich, und brauchen Sie System-Back-up? Wie lange wird die Sitzung dauern? Soll ich Lunch –«

»Janet.« Fishers entschiedener Ton ließ sie augenblicklich verstummen. »Nichts von alledem, bitte. Wir treffen uns hier in meinem Büro. Eine Kanne Kaffee wäre prima, sonst brauchen wir nichts und niemanden. Es könnte nur sein, dass ich gegen zehn Uhr eine sichere Verbindung nach London zu Baxter benötige. Das ist alles.«

Während Janet seine Anweisungen umsetzte, kam sie ins Grübeln. Sie machte sich Sorgen um ihren Chef. In den letzten Wochen hatte er immer mehr von der gewissen Leichtigkeit eingebüßt, mit der er stets die immense Herausforderung seines Amtes angegangen war. Das Gespräch mit Präsident Rick Morales vor zwei Tagen hatte das Ganze noch verschärft, da war sich Janet sicher.