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Über dieses Buch:

Dieser Fall hat sein Leben zerstört … Vor Jahren musste Detective Sergeant John Maiden einer schrecklichen Wahrheit ins Gesicht sehen: Seine Geliebte, Janet Brown, entpuppte sich als Massenmörderin – und er selbst brachte sie hinter Gitter. Sein neuester Fall ist nicht minder abgründig. Ein Sektenführer wurde auf den Boden einer Kapelle genagelt. Der Mörder, der ihn gekreuzigt hat, ist noch immer auf freiem Fuß. John stößt auf ein Netz aus Intrigen und Gewalt, das auch sein eigenes Leben in Gefahr bringt. Und warum bricht Janet ausgerechnet jetzt aus dem Gefängnis aus und hinterlässt ihm ein grausiges Präsent: Den kleinen Finger ihres neuesten Opfers …

Über den Autor:

Graeme Hague lebt mit seiner Frau Lisa im Südwesten Australiens. Er ist Autor, Musiker, Komponist und Hörbuchsprecher. Seine Thriller wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Die Website des Autors: graemehague.com.au

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eBook-Neuausgabe Januar 2020

Copyright © der englischen Originalausgabe 2009 by Graeme Hague

Die englische Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel »A Clean Kill« bei Momentum.

Copyright © der deutschen Ausgabe 2010 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Published by Arrangement with Graeme Hague

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: HildenDesign, München unter Verwendung eines Fotos © Stefan Hilden und eines Covermotivs von © Shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96148-736-3

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Graeme Hague

Opfergabe

Thriller

Aus dem Englischen von Ulrich Hoffmann

dotbooks.

Kapitel 1

Sein Überlebensinstinkt ließ ihn noch einmal zu sich kommen, riss ihn aus dem tiefen Tal des Schmerzes. Die Stimmen in seinem Kopf warnten ihn, dass Schlimmeres bevorstand, und versuchten, ihn zu erwecken. Das begriff er im Grunde, aber er konnte nichts tun. Sein Blick war vernebelt und grelle Blitze begleiteten die qualvollen Wellen in seinem Schädel.

Mehrere erschreckende Erkenntnisse trafen ihn zugleich. Er lag auf dem Rücken, die Kühle des polierten Holzbodens war unangenehm an seinem Unterkörper und den Schulterblättern. Warmes, klebriges Blut, das von seinem Kopf heruntergesickert war, gerann auf seinem Hals.

Jemand packte seinen linken Arm und zog ihn weg von seinem Körper, drückte seinen Handrücken auf das Holz. Einen Augenblick war er froh darüber, denn das bedeutete, dass jemand hier war, um ihm zu helfen. Dann aber knallte ein Gewicht grausam auf seinen Körper, nahm ihm den Atem und presste ihn zu Boden, um ihn unter Kontrolle zu bringen. Ein Stechen in seiner Handfläche ließ ihn den Kopf in die entsprechende Richtung drehen, und obwohl sein Blick immer noch verschwommen und unscharf war, erkannte er, was vor sich ging.

Plötzlich war der Grund für seine Position entsetzlich klar.

Eine Stimme sagte in einem heiseren, angestrengten Flüstern: »Was für eine Enttäuschung. Du hast alle im Stich gelassen. Wir glauben alle an dich, aber es ist eine Lüge, und du lässt alle im Stich.«

Der Nagel stieß mit nur zwei Hammerschlägen durch sein Fleisch in das Holz. Es war, als träfe der Stahl direkt seine Knochen und zerschmetterte sie. Er wand sich und bäumte sich gegen seinen Angreifer auf, er wollte sich hochstemmen, war aber schon zu geschwächt. Ein zweiter Nagel wurde schnell und geschickt in dieselbe Hand eingeschlagen. Der Schmerz nahm nicht ab, doch das verzweifelte, tierische Kreischen, das er ausstoßen wollte, wurde zu einem gedämpften Krächzen, denn seinen leeren Lungen fehlte einfach die Kraft.

Er konnte sich auch nicht mehr dagegen wehren, dass sein rechter Arm wie der andere zur Seite gestreckt wurde. Das Trauma der dort eingeschlagenen Nägel schien seine verletzten Hände quer durch seine Brust wie mit einem Stromstoß zu verbinden. Er spürte, wie sein Herz aufgab, aber noch durfte er nicht entkommen.

Er musste noch aushalten, wie seine Füße angenagelt wurden, ebenfalls mit jeweils zwei Nägeln.

Schließlich stieß ein Messer ungeschickt unter seine Rippen.

Als der Tod kam, ergab das durchaus einen Sinn.

Kapitel 2

Der große Arbeitsraum in der Polizeizentrale war erfüllt vom morgendlichen Hin und Her eines Dutzends Detectives, die Schichtwechsel hatten. Leute blätterten durch die Papiere auf ihren Schreibtischen, die sie mit der Nachtschicht teilten, und versuchten zu erfassen, was vorgefallen war. Es roch nach billigem, löslichem Kaffee aus dem Automaten und Fast-Food-Frühstück. Handys klingelten mit blechernem, nervtötendem Ton. Gespräche wurden quer durch den Raum geblökt, was diejenigen störte, die am Telefon hingen.

»Ich dachte, Sie hätten etwas Besseres verdient.«

John Maiden schaute von seiner Zeitung auf. Eine attraktive Frau saß auf seiner Schreibtischkante. Er wusste ihren Namen, Peta Spencer. Sie war neu hier und bekleidete den Rang eines Detective Constables. In der letzten Woche hatte sie die Aufmerksamkeit erhalten, die eine hübsche Frau eben bekommt. Die taillierte Uniform versteckte nichts, und ihr kastanienbraunes, jungenhaft kurz geschnittenes Haar machte eher Mut. Die Alpha-Männchen der Abteilung hatten in dem Augenblick, in dem sie hereingekommen war, zu sabberte begonnen, sogar die verheirateten. Es hieß, dass es Wetten gäbe, wer zuerst mit ihr schliefe.

Maiden hatte mit Spencer noch kein Wort gewechselt, außer einem Gruß, wenn sie einander begegneten. Er tratschte nicht am Wasserspender und schloss normalerweise auch keine Wetten ab – aber jetzt, wo Spencer vor ihm saß, stand er kurz davor, doch noch einzusteigen. Maiden behandelte Frauen gut, bis sie sich von ihm scheiden ließen, was ihm schon zweimal passiert war.

Doch er ging davon aus, dass Spencer bereits genug Avancen bekam und sie ohnehin oberhalb seiner Liga spielte, also wozu?

Er lehnte sich zurück und fragte vorsichtig: »Entschuldigung?«

Sie lächelte und musterte ihn. »Nun, Sie sind ein erfolgreicher Ermittler und schon ganz schön lange dabei. Sie haben einen Fall mit einem bösartigen Serienmörder praktisch vollkommen alleine gelöst. Müssten Sie nicht längst ein eigenes Büro haben?«

»Ich habe mit derselben bösartigen Serienmörderin auch geschlafen. Das hat dem Commissioner die Sache ein bisschen verdorben.« Maiden deutete auf seine Umgebung. »Keine Beförderung, also kein Büro.«

»Nicht mal ein Schreibtisch mit Ausblick?«

»Ich habe Ausblick und sogar einen eigenen Schreibtisch, den ich mir mit niemandem teilen muss. Ich könnte gar nicht zufriedener sein. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

Sie schaute in Richtung des grauen Glasfensters neben ihm. »Ich meinte, auf der anderen Seite des Gebäudes, wo man den Hafen sehen kann.«

Maiden hatte sein ganzes Leben in Sydney verbracht und der Anblick der Hafenbrücke war ihm schon lange gleichgültig. »Wir sind nicht bei der Wasserschutzpolizei, das da ist unsere Kundschaft.« Er nickte in Richtung der Pendler, die draußen vorbeistapften. Die meisten von ihnen gingen vornübergebeugt und zogen ihre Jacken wegen des kalten Herbstwindes zu. Der Winter nahte.

»Warum lassen Sie es nicht reinigen?«

»Das Fenster? Es regnet doch manchmal.«

»Wissen Sie, man hat mich gewarnt, dass Sie nicht sonderlich gut drauf wären.«

Er sah sie einen Augenblick lang an, dann entschied er sich, zurückzubeißen. »Wussten Sie, dass praktisch jeder Mann hier im Raum mit Ihnen schlafen will?«

»Wer denn?«

»Das darf ich nicht sagen. Sie sollen selbst darauf kommen.«

Sie sagte: »Na ja, ich bezweifle, dass ich es zum Detective gebracht hätte, wenn ich nicht auch selbst auf so etwas Einfaches kommen könnte. Es werden diejenigen sein, die mich keine Sekunde allein lassen. Hey, wollen Sie das wirklich essen?« Spencer betrachtete mit gerunzelter Stirn ein Brötchen mit fettem Schinken und geschmolzenem Käse, der auf Maidens Plastikteller sickerte.

»Ich habe das selbst gemacht«, wehrte er ab. »Ich kann gut kochen.«

»Die Beweise, die mir vorliegen, sagen etwas anderes.«

»Meinen Sie wirklich?«

Maiden wollte herausfinden, ob sie wusste, wann sie aufhören musste. Die Wache war ein Bereich, in dem der Rang weitgehend ignoriert wurde und alle mit allen ihre Scherze trieben, trotzdem galten ungeschriebene Regeln, an die man sich besser hielt. Sie stand kurz davor, eine oder zwei davon zu brechen.

Spencer sagte: »Man hat mir erzählt, dass Sie all die durchgeknallten Fälle kriegen.«

»Fast jede Woche einen neuen.« Das stimmte nicht ganz, aber Maiden wusste, was sie meinte. »Reden wir deswegen miteinander?«

»Im Prinzip schon, denn man hat mich Ihnen zugewiesen, damit ich etwas anderes außer dem Alltagsdreck lernen kann.«

Er brauchte einen Augenblick für seine Antwort. »Okay, ich rufe Sie, wenn ich den nächsten Fall einfange.«

»Ich glaube, Sie haben mir nicht zugehört. Das ist nämlich jetzt – heute, genau genommen. Wir sind Partner, und wir haben einen Fall.«

»Ich glaube, Sie haben mir nicht zugehört, Sir«, sagte er zu ihr.

»Tut mir leid ... Sir.«

Genervt schaute er durch den Raum in Richtung des Glasbüros von Longman, seines Vorgesetzten, der die Abteilung leitete. Zwischen ihm und Longman gab es seit Jahren böses Blut, und Longman tat ihm niemals irgendeinen Gefallen. Nicht, dass Maiden das hier auch nur einen Augenblick als Gefallen gewertet hätte: Es fühlte sich mehr nach einem Problem an. Maiden war mindestens zehn Jahre älter als Spencer und nicht gut in Form. Sein großer, kräftiger Körper hatte früher die Frauen beeindruckt und den meisten Männern Angst eingejagt, doch mittlerweile machte er bloß noch seinem Hausarzt Sorgen und seine Knie taten weh, wenn er zu lange stand. Ein Rettungsring um die Hüfte weigerte sich zu verschwinden, egal wie böse er ihn im Spiegel anstarrte. Wie ein Preisboxer, der zu lange im Ring geblieben war, spürte auch Maiden seine ganzen einundvierzig Jahre, nachdem er seinen Körper über zwanzig davon im Namen des Polizeidienstes missbraucht hatte. Und er wusste auch, dass man es ihm ansah.

Mit jemandem wie Peta Spencer mithalten zu müssen, könnte ihn geradewegs umbringen. Vielleicht ist das ja Longmans Ziel, dachte er ärgerlich. Oder dieser sadistische Sack will, dass ich mich komplett zum Narren mache, weil ich versuche, sie zu vögeln. Wenigstens würde das nicht passieren. Maiden ging davon aus, dass sie mindestens eine Woche nicht mit dem Lachen aufhören würde, wenn er es auch nur versuchte.

Unglücklicherweise würde er in der Zwischenzeit der beste Kumpel aller anderen werden, während eine ganze Abteilung geiler Polizisten versuchte, seine attraktive Partnerin anzugraben. Maiden hasste diese Vorstellung. Er war nicht besonders sozial und hatte nur wenige Freunde. Vor allem wollte er keine neuen Freunde, deren einziges Interesse darin bestand, Spencer unter den Rock zu gucken.

»Ich fürchte, ich habe dabei nichts zu sagen?«, fragte er.

»Longman hat gesagt, ich soll von dem Besten lernen.«

»Natürlich. Was soll er auch sonst sagen?«

»Entschuldigung, habe ich etwas nicht mitbekommen?«

Frustriert faltete er seine Zeitung und seufzte kurz reuevoll über das halb gegessene Brötchen. »Warum berichten Sie mir nicht einfach von dem Fall, Detective Constable Spencer?«

Sie verstand den Hinweis und erhob sich. Das war nicht viel, und ihr Blick verriet ihm, dass sie genau wusste, wie es wirklich stand, aber immerhin. »Der Anführer einer religiösen ... Sekte, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks ... wurde umgebracht. Ermordet, offensichtlich.«

»Offensichtlich«, sagte Maiden. »Macht die Tatsache, dass er der Anführer einer religiösen Sekte ist, es zu einem durchgeknallten Fall? Vielleicht hat ihn seine Frau umgelegt? Dann ist es eine stinknormale häusliche Gewalttat.«

»Er wurde gekreuzigt. Auf den Boden genagelt, nicht an ein Kreuz. Aber es sollte definitiv eine Kreuzigung sein.«

Maiden zuckte mit den Achseln und stellte zufrieden fest, dass er ihr damit auf die Nerven gehen konnte. »Und? Meine erste Frau war auch ziemlich geschickt mit einem Schraubendreher und sie konnte richtig sauer werden ...«

Spencer beugte sich vor, bis ihr Gesicht dicht vor seinem war, und senkte die Stimme. Ihre braunen Augen flackerten wütend. »Sir, sagen Sie – sollen wir die ganze Zeit supercool und ruhig bleiben? Reißt niemand hier je die Augen auf und sagt: ›Große Scheiße, das ist ja irre‹? Was genau ist die richtige Reaktion, wenn man gesagt bekommt, dass jemand auf den Fußboden genagelt wurde?«

Maiden fiel auf, dass sie sogar attraktiv blieb, wenn sie wütend wurde – oder nah genug kam, dass er ihren Atem auf seiner Wange spüren konnte. Er dachte: Wie lächerlich, dass sie eine Polizistin ist. Und dann auch noch ein verdammter Detective. Wer soll die denn ernst nehmen?

Er sagte ihr offen: »Sie sagen ›Große Scheiße, das ist ja irre‹ nur nach der Arbeit, wenn wir in einer Bar zusammen was trinken. Und auch dann ist es nur erlaubt in Bezug auf den Punktestand beim Football oder die Titten der Barkeeperin. Bei allem anderen wird von uns erwartet, dass wir die ganze Zeit ruhig und gelassen bleiben.«

Spencer lehnte sich zurück und überraschte ihn mit einem Lachen. »Sehen Sie? Schon habe ich etwas gelernt. Ich wette, das hätte mir kein anderer gesagt.«

Maiden erhob sich langsam, seine Knochen knackten. Gewohnheitsmäßig klopfte er sich ab nach seiner Waffe, der Geldbörse, dem Handy. Er seufzte wieder. »Also gut, können wir? Ich gehe davon aus, Sie wissen, wo wir hinmüssen?«

»Sicher, ich hole bloß noch mein Jackett, John.« Spencer wandte sich ab, dann hielt sie inne und drehte sich noch einmal um. »Darf ich Sie John nennen?«

»So heiße ich«, sagte er muffig. »Und wie soll ich Sie nennen?«

»Wie nennen mich denn alle anderen?«, fragte sie gewollt unschuldig.

Maiden schaute sich im Wachraum um. Sie ist nicht dumm. Das ist ja schon mal was. Es war aufgefallen, dass Spencer dabei war, mit ihm zusammen zu gehen. Einige Kollegen warfen ihm neidische Blicke zu.

Er sagte: »Bleiben wir vorerst doch einfach mal bei Peta.«

Kapitel 3

Spencer war ziemlich überrascht, als Maiden sie anwies zu fahren.

»Sind Sie sicher?«, fragte sie und schaffte es gerade noch, die Schlüssel aufzufangen.

»Es ist keine Fahrprüfung. Fahren Sie bloß nirgends dagegen. Die Versicherungsformulare sind die Hölle.«

Maiden hatte meist keine Lust, sich ans Steuer zu setzen. Es gefiel ihm besser, sich herumfahren zu lassen, dann konnte er tun, was er wollte. Als sie die Wache verlassen hatten, kurbelte er sein Fenster herunter, ignorierte den kalten Luftstrahl und zündete sich eine Zigarette an.

»Äh ...«, begann Spencer, überlegte es sich dann aber anders.

»Gute Entscheidung«, murmelte Maiden, doch das machte ihr bloß Mut.

»Genau genommen ist es verboten, in einem Polizeiwagen zu rauchen, Sir«, erinnerte sie ihn.

»Es ist ein Zivilwagen.«

»So was gibt es nicht. Er sieht absolut nach ›Polizei‹ aus, auch wenn er keine Aufschrift hat. Was ist, wenn Sie jemandem auffallen?«

»Sie können mich ja verhaften.«

Sie schnalzte mit der Zunge, um ihre Missbilligung auszudrücken, und konzentrierte sich auf die Straße. Maiden konnte sich nicht entscheiden, ob Spencer frech war, was schlecht wäre, oder sich einfach weigerte, sich von ihm einschüchtern zu lassen, was vielleicht von Vorteil sein könnte. Sie fuhr jedenfalls gut, sie fädelte sich in den Verkehr ein und kam zügig voran. Maiden zuckte nur einmal zusammen, als sie sich zwischen einem Laster und einem ihnen entgegenkommenden Bus hindurchquetschte.

Obwohl es ein kalter Tag war, wirkte die Stadt dreckig und trocken wie am Ende eines langen Sommers. Wie Maidens Bürofenster brauchte sie mal einen ordentlichen Regen, um den Staub und Dreck von Monaten wegzuwaschen.

Sie plauderten vorsichtig über Ereignisse auf der Wache, und als sie ihr Ziel fast erreicht hatten, sagte sie: »Wir sind deutlich außerhalb unseres Gebietes. Ihr Fachwissen wurde gezielt angefordert, hat Longman gesagt.«

»Na ja, wie Sie schon sagten, bin ich offensichtlich Spezialist für die durchgeknallten Fälle.«

»Ich hätte gedacht, alle wollen die verrückten Verbrechen haben? Warum holt man jemanden von außen, der einem den Ruhm wegschnappt?«

»Es hilft der eigenen Karriere nur, wenn man die Sache auch knackt.«

»Das stimmt allerdings.«

»Okay, hören Sie gut zu, Peta. Ich habe ein paar Regeln, und ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich daran halten.«

»Klar.« Sie zuckte mit den Achseln.

Er zählte an den Fingern ab. »Erstens, unterbrechen Sie mich nie, es sei denn, es muss unbedingt sein, und korrigieren Sie mich niemals, während irgendjemand dabei ist. Zweitens, wenn wir zusammenarbeiten, dann stellen Sie bitte auch eigene Fragen. Bringen Sie unser Gegenüber aus dem Gleichgewicht, indem Sie ihn dazu zwingen, sich über uns alle beide den Kopf zu zerbrechen. Drittens, halten Sie die Augen offen nach allem Möglichen. Konzentrieren Sie sich nicht nur auf denjenigen, den wir gerade verhören. Und viertens, schreiben Sie mit.«

»Ich habe einen Digitalrecorder, Sir.«

»Digitalrecorder können keine Rechtschreibung, und außerdem macht es die meisten Leute ein wenig unruhig, wenn sie sehen, dass jemand etwas aufschreibt.«

»Ich sehe schon, das wird richtig klassische Dick-Tracy-Scheiße«, sagte sie.

»Allerdings.« Er schnipste seine zweite Kippe zum Fenster hinaus.

»Das ist Umweltverschmutzung – schon wieder.«

»Ich kann nichts dafür. Wir dürfen die Aschenbecher nicht benutzen.«

»Sagen Sie, Sir, wie lange bleiben Partner normalerweise zusammen?«

»Bis wir zurück auf der Wache sind und ich ein Gespräch mit meinem guten alten Freund Inspector Longman geführt habe.«

Sie schwieg einen Augenblick. »Es war nur Spaß. Sind Sie wirklich so unglücklich darüber, mit mir zu arbeiten?«

Im Stillen musste Maiden zugeben, dass von all den Gründen, aus denen er nicht mit Peta Spencer zusammenarbeiten wollte, keiner etwas mit ihrer Professionalität oder ihren Fähigkeiten als Detective zu tun hatte. »Sagen wir einfach einmal, dass ich nicht überzeugt bin, dass wir zwei zusammen so eine gute Kombination sind. Ich habe eine Menge schlechter Angewohnheiten. Sachen, die Sie gar nicht erst lernen wollen.«

»Im Gegenteil, das sind genau die Sachen, die ich lernen will. Wer sonst bringt mir so etwas bei?«

»Sehen Sie? Sie argumentieren und ignorieren dabei gänzlich die Tatsache, dass ich es besser weiß.«

»Ich versuche, darüber zu diskutieren – und habe Sie keineswegs ignoriert. Wenn Sie nicht versuchen, mich loszuwerden, wie lange bleiben Partner dann zusammen?«

»Bis einer von ihnen erschossen wird oder in Rente geht.«

»Wirklich? Was ist mit Ihrem letzten Partner passiert?«

»Oder sie befördert werden«, setzte Maiden verspätet hinzu.

»Ich verstehe, weil er nicht mit der Serienmörderin ...«

»Sind wir bald da, Detective Constable Spencer?«

Sie lächelte vor sich hin. »Nur noch eine Kreuzung, Sir.«

»Gott sei Dank.«

Maiden fragte sich, ob er ihren Frechheiten gegenüber genauso tolerant gewesen wäre, wenn Spencer männlich und hässlich gewesen wäre.

Nein, und deswegen bin ich genauso übel wie der gottverdammte Longman und die ganzen anderen Säcke.

Kapitel 4

Ein uniformierter Constable stoppte ihren Wagen vor einem breiten schmiedeeisernen Tor. Eine hohe Steinmauer führte an der Straße entlang.

Maiden kurbelte sein Fenster herunter und fragte: »Was zum Teufel ist das denn? Ich dachte, es soll eine Kirche sein?«

Der Polizist beugte sich vor, um zu antworten. »Ich glaube, in den Fünfzigern war es mal eine Privatschule. Heutzutage nennen sie es einen Zufluchtsort – ›Eden‹. Schon drei oder vier Jahre lang.«

»Zuflucht? ›Eden‹? Es ist also gar keine Kirche?«

Der Constable schaute ungerührt. »Ich kann Ihnen versichern, dass es da drinnen einen Haufen Leute gibt, die Ihnen das alles nur zu gerne erklären, und sie geben ihnen auch noch gottverdammte Flugblätter.« Er deutete zwischen den Gitterstäben hindurch. »Soweit ich sehen kann, gibt es Wohnhäuser, einen Konferenzraum, einen Speisesaal und Unterrichtsräume – und eine Kirche. Zu der wollen Sie, Sir. Biegen Sie gleich hinter der Mauer links ab, Sie können sie gar nicht verfehlen.«

»Halten Sie alle anderen draußen? Hier ganz allein?«

»Das ist nicht schwierig, Sir. Das einzige andere Tor ist verschlossen. Der Laden ist wie Fort Knox.«

Der Constable beugte sich weiter vor, um an Maiden vorbeizuschauen, und bemerkte Spencer. Sein Ausdruck veränderte sich und er überlegte erkennbar, was er noch sagen könnte.

»Also, worauf warten wir? Machen Sie uns dieses Tor auf«, befahl Maiden kurz angebunden.

»Ja, tut mir leid, Sir.« Er trat zurück und winkte jemandem zu, den sie nicht sehen konnten. Es klickte, dann begannen die Flügel sich zu bewegen.

Als sie hindurchfuhren, warf Maiden Spencer einen genervten Blick zu. Sie sagte: »Was habe ich denn getan?«

»Gar nichts, das ist ja das Problem. Sie müssen gar nichts tun.«

Sie fuhren auf etliche Polizeiwagen zu, einen weißen Lieferwagen und einen Krankenwagen. Maiden ließ sein Fenster offen und sah sich um. Er hatte das Gefühl, ein traditionelles englisches Dörfchen mitten in Sydney zu entdecken. Die Häuschen hatten steile Ziegeldächer und Holzfenster. Kleine Wege führten zwischen Rasenflächen und Blumenbeeten hindurch, die gut gepflegt waren. Große Bäume, die Schatten auf kleine Bänke warfen, schienen ihre Blätter ordentlich auf das Gras abzuwerfen. Es war, als hätte die Mauer um das Grundstück herum nicht nur ungebetene Gäste abgehalten, sondern auch Jahrzehnte des modernen Fortschritts und all der Unordnung, die damit einherging.

»Ich frage mich, wie leicht man wieder raus kommt«, murmelte Maiden.

»Wie bitte?«, fragte Spencer, die gerade damit beschäftigt war, den Wagen vor einem lose herunterhängenden Absperrband zu parken. Sie stellte den Motor ab.

»Nur so ein Gedanke. Wo zum Teufel sind die alle?«

»Drinnen, schätze ich. Am Tatort.«

»Nein, ich meine, die anderen. Es gibt keine Schaulustigen, die üblichen Idioten, die uns anstarren und versuchen, eine Leiche oder sonst was zu sehen zu bekommen.«

Sie drehte sich auf ihrem Sitz um und schaute hinaus. »Da haben Sie recht. Es sieht ganz verlassen aus. Aber der Constable am Tor hat gesagt, dass eine Menge Leute hier wären.«

Sie stiegen aus, und Maiden sah sich um. »Das fühlt sich alles höchst merkwürdig an. Gefällt mir gar nicht.«

Spencer sagte über das Wagendach hinweg: »Vielleicht, weil jemand auf den Fußboden der Kirche genagelt wurde, Sir.«

Maiden machte sich nicht die Mühe, ihr zu antworten.

Von außen sah die Kirche aus wie die übrigen Gebäude in Eden, aber im Inneren wurden Maiden und Spencer überrascht. Sie hatten dicht hintereinander stehende Holzbänke mit einem schmalen Durchgang erwartet. Doch die Bestuhlung war modern: modulare Plastikreihen mit reichlich Beinfreiheit und ziemlich bequem. Vorn im Raum gab es eine große Bühne, eher wie in einer Stadthalle, komplett mit seitlichen Zugängen und Vorhängen, jedoch mit einer Kanzel in der Mitte. Im Augenblick war sie voller Polizisten, die sich um etwas auf dem Boden geschart hatten.

»Fällt Ihnen auf, was fehlt?«, flüsterte Spencer, während sie den Gang hinuntergingen.

»Was denn?«, fragte Maiden. Er versuchte, jemanden zu finden, den er kannte.

»Gott.«

»Was?«

»Gott. Sehen Sie sich doch um. Können Sie irgendwelche der üblichen Kirchenrequisiten sehen?«

Spencer hatte recht. Im Inneren fehlten all die üblichen christlichen Symbole. Es gab eine Menge Wandgemälde mit strahlendem Licht und wundervollen Szenen, doch als Maiden genauer hinsah, bemerkte er, dass sie nichts zu tun hatten mit Gott, Jesus oder sonst etwas Biblischem.

Maiden sagte: »Okay, Sie haben gewonnen. Das ist definitiv eine durchgedrehte Sekte.« Er hörte Spencer leise knurren.

Neugierige Gesichter wandten sich ihnen zu. Ein Detective in einem richtigen Anzug löste sich von der Gruppe und lächelte, als er Maiden eine Hand hinstreckte. »John, danke, dass du gekommen bist. Wir wissen das zu schätzen.«

Maiden sagte fröhlich: »Lass stecken, Paul. Jetzt bin ich noch misstrauischer. Wenn du den Fall hast, wozu braucht ihr dann mich?«

Paul LeBlanc war ein Polizist aus Maidens Ära. Und wie dieser stand er kurz davor, befördert zu werden oder, je nachdem, wie das Spiel ausging, zurückzubleiben und irgendwann in Frührente zu gehen. Sein Haar war bereits silbergrau und Krähenfüße hatten sich in den Augenwinkeln eingefressen.

»Wir warten auf deinen Rat und deinen scharfen, einfallsreichen Geist, John.«

Maiden warf ihm einen Blick zu. »Ja, klar.«

LeBlanc setzte gewitzt hinzu: »Außerdem fliege ich morgen früh nach New York, und das sage ich auf keinen Fall ab. Ich habe dich vorgeschlagen, bevor der Chef sich für irgendeinen dieser jungen Typen entscheidet, die es sowieso nur vermasseln. Uns fehlen hier ein paar erfahrene Leute.«

»Wie wär's, wenn ich nach New York fliege und du hierbleibst?«

LeBlanc lachte. »Keine Chance.«

»Das ist Detective Constable Peta Spencer. Wir werden zusammenarbeiten – oder vielleicht auch nicht. Heute jedenfalls tun wir es.«

»Was haben Sie denn angestellt, um den abzukriegen?«, fragte LeBlanc Spencer und schüttelte ihr die Hand.

Spencer sagte vorsichtig: »Ich freue mich darauf, jede Menge zu lernen, Sir. Es wird ein Privileg sein, mit John zu arbeiten, wenn er mich lässt.«

LeBlanc schnitt eine Grimasse und Maiden verdrehte die Augen. Dann sagte er: »Ja, dumm ist sie nicht.«

»Schön zu hören. Also, kommt und schaut euch das an; mal sehen, was ihr davon haltet.«

Als sie auf die Bühne kamen, wies LeBlanc alle anderen an, Platz zu machen und den Rest der Kapelle nach Beweisen zu durchsuchen. Die Leute traten beiseite und gaben den Blick auf eine Leiche frei.

Spencer sog zischend den Atem ein. Maiden entrutschte ein »Jesus«, obwohl er sich geschworen hatte, genau das nicht zu sagen.

LeBlanc flüsterte: »Vergiss es, es sei denn, dir fällt etwas wirklich Gutes ein. Wir haben schon alle offensichtlichen Witze durch.«

Er neigte den Kopf ein wenig. »Und einige der Mitglieder warten dort hinten darauf, vernommen zu werden. Sie können dich hören.«

Maiden hatte sich neben die Leiche gekniet. Er schaute hoch in die Schatten am hinteren Ende der Bühne, wo einige Leute vor einem Vorhang standen und besorgt dreinschauten. Einer der Männer fiel ihm auf. Er wirkte ruhiger und kontrollierter, sein Blick war stechend.

Spencer ging auf der anderen Seite des Opfers in die Knie. »Okay, vielleicht sollten wir nicht blasphemisch werden, aber das ist doch der Sinn der ganzen Sache, nicht wahr?«, fragte sie leise. »Die Kreuzigung Christi zu verhöhnen? Nachzuahmen?«

»Man kann kaum von etwas anderem ausgehen«, sagte LeBlanc. »Aber wir wissen nicht, ob es ein gezielter, geplanter Akt war oder nur eine spontane Eingebung, die dem Mörder bei der Arbeit kam. Angeregt durch seine Umgebung, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Er wurde außerdem erstochen«, bemerkte Maiden und deutete mit einem Finger auf die Wunde. »Und was ist das? Ein Schlag auf den Kopf? Vielleicht erfolgte das Annageln nach Durchführung des tatsächlichen Mordes?«

Spencer sagte: »Das Erstechen gehört meiner Meinung nach auch zur Folklore.«

»Folklore?« Maiden sah sie an.

Sie zuckte mit den Achseln. »Mythen, Folklore, Tatsachen ... wie Sie wollen. Ich meine die Geschichte von Christus' Kreuzigung. Ein römischer Soldat hat ihn angeblich mit seinem Speer unter die Rippen gestochen, um ihn entweder endgültig zu töten oder um sicherzugehen, dass er tot war.«

»Waren Sie in der Sonntagsschule?« Maiden begann wieder, die Leiche zu untersuchen.

»Nein, aber an Ostern gibt es nichts anderes im Fernsehen. Jedes verfluchte Jahr.«

»Wer ist der Typ?«, fragte Maiden LeBlanc.

LeBlanc sprach leise, damit die Zuschauer nichts hören konnten. »Sein Name ist Chris Vitale. Er ist Gründer dieser Gruppe und ihr Anführer, oder zumindest war er es. Ihr spiritueller Führer, wenn man so will. Das macht ihn zugleich zum Betreiber und Besitzer des gesamten Geländes, ein ziemlich beachtliches Stück Boden, das einen Haufen Geld wert ist, selbst wenn die Gegend nicht ganz fünf Sterne hat.«

»Wie buchstabiert man seinen Namen, Sir?«, fragte Spencer. Sie hatte Notizblock und Stift rausgezogen. Maiden wollte sie gerade erinnern, dass sie mit einem anderen Detective sprachen und keinen Verdächtigen verhörten, ließ es dann aber. Immerhin hatte er ihr gesagt, dass sie Notizen machen sollte.

LeBlanc buchstabierte für sie und fuhr dann fort: »Dieser Laden ist eine Mischung aus einer religiösen Sekte, einem spirituellen Was-weiß-ich und einer Möglichkeit, einfach mal auszusteigen. Aber zweifellos würden die Brüder, selbst wenn man nur ein bisschen Ruhe und Frieden sucht, einem die entsprechende Literatur unter der Tür durchschieben.«

»Sie lieben Flugblätter, hat man uns gesagt«, bemerkte Maiden.

»Christ Alive – der lebende Christus«, unterbrach Spencer. »Ziemlich offensichtlich.« Sie betrachtete ihre Notizen.

Sie starrten sie an »Was?«, fragte Maiden als erster.

»Christ Alive – Chris Vitale. Sein Name ist ein Anagramm von ›Christ Alive‹, insofern ist es wahrscheinlich nicht sein echter Name. Wie gesagt, es ist ziemlich offensichtlich, wenn man ›Chris‹ sieht und dann das ›t‹ aus Vitale nimmt und die anderen Buchstaben ein bisschen mischt ...« Sie notierte etwas und runzelte die Stirn.

»Leuchtend rot wie ein Affenarsch!« sagte Maiden. »Warst du schon darauf gekommen, Paul?«

»Noch nicht, aber es hätte sicher nicht mehr lange gedauert«, murmelte LeBlanc.

»Jetzt bin ich mit clever sein dran. Seht euch mal die Nägel in seinen Händen an«, fuhr Maiden fort.

LeBlanc und Spencer beugten sich vor.

Maiden erklärte ihnen: »Seht ihr, wie sie eingeschlagen wurden? Der Winkel bildet ein V. Das ist kein Zufall, das hat der Mörder absichtlich gemacht. Wenn man die Nägel gerade einschlägt, wäre es nicht allzu schwierig, die Hand loszureißen und die Nägel einfach stecken zu lassen. Es wäre ganz schön schmerzhaft, aber ihr versteht schon, was ich meine. Aber wenn man sie so gegeneinander versetzt, dann ist das nicht möglich. Dasselbe bei den Füßen. Der Mörder wusste, was er tut, er hat diesen armen Hund nicht einfach bloß blindlings an den Boden genagelt.«

Sie starrten einen Augenblick schweigend vor sich hin. Maiden erhob sich und schnitt eine Grimasse, weil sein Knie schmerzte. »Also, wie viele Hauptverdächtige haben wir?«

»Es gibt eine Gemeinde von etwa zweihundert Leuten. Die meisten von ihnen leben hier in Eden«, erklärte ihnen LeBlanc.

»Ich sagte Hauptverdächtige.«

»Ich weiß.«

»Verdammt noch mal, können wir das nicht ein bisschen ausdünnen?«

»Bald, aber noch nicht. Alle, die Mitglieder der Sekte sind, können wann immer sie wollen nach Eden kommen, und es gibt keine Unterlagen und kein personalisiertes Geheimzahl-System am Tor. Also können wir nicht einmal die ausschließen, die noch nicht hier leben.«

»Toll, und wo sind die alle jetzt?«

»Die Anwohner haben wir zurück in ihre Quartiere geschickt – mit der Anweisung, dort zu bleiben. Die Übrigen haben wir in den Speisesaal gesteckt. Das sind noch einmal dreißig oder so.«

Spencer sagte überrascht: »Das ist ja sehr kooperativ. Haben die nicht angefangen, von ihren Rechten zu erzählen?«

»Es war nicht meine Idee, sondern seine.« LeBlanc neigte den Kopf in Richtung der Sektenmitglieder am hinteren Ende der Bühne und des Mannes, der Maiden zuvor bereits aufgefallen war.

Maiden fragte: »Und wer ist das?«

»Er heißt Brent Sirroch, und es scheint mir, dass er durchaus interessiert daran ist, auf den Thron zu steigen. Er war sowieso eine Art Stellvertreter. Auf jeden Fall tun sie, was er ihnen sagt. Er hat auch die Leiche gefunden.«

Spencer schaute hinunter auf den Toten und sagte: »Also, ich muss sagen, wenn der Jesus am Kreuz sein soll, dann muss man doch zugeben, dass Sirroch aussieht, wie man sich Judas vorstellt. Schauen Sie sich ihn an! Die langen schwarzen Haare, das Kinnbärtchen ... es ist wirklich alles da. Vielleicht ist das Absicht. Er hat sich so zurechtgemacht.«

»Judas?«, fragte Maiden. »Sie finden, wir sollten ihn verhaften, weil er aussieht wie ein Bösewicht?«

»Judas war einer von Jesus' engsten Vertrauten, bevor er die Seite gewechselt hat.«

»Also, ich verstehe, was sie meint«, sagte LeBlanc und starrte Sirroch an.

Maiden trat dicht zu ihm und sagte laut genug, dass Spencer es hören konnte: »Hör mal, es gehen schon alle vor ihr in die Knie und stimmen allem zu, was sie sagt. Fang du jetzt nicht auch noch damit an.«

Spencer sagte eisig: »Sie haben Glück, dass ich Sinn für Humor habe, Sir.«

»Den werden Sie brauchen«, sagte LeBlanc zu ihr.

Sie sah wieder die Kirchgänger an. »Er ist gleichzeitig gut aussehend und widerwärtig.«

Maiden sagte: »Mal sehen, was er selbst zu sagen hat. Paul, ich habe genug gesehen. Ihr könnt das Opfer abtransportieren. Kannst du das bitte veranlassen?«

LeBlanc wandte sich ab und rief jemanden zu sich.

Etwa ein Dutzend Sektenmitglieder gehörten zu der Gruppe, die Maiden und Spencer misstrauisch beäugte, als sie näher kamen. Er wusste, dass sie bereits befragt worden waren, wahrscheinlich sogar mehrfach, doch Maiden war bedrohlicher und zeigte keine Spur von Mitgefühl. Er stellte sich und Spencer vor.

Bevor irgendjemand anders etwas sagen konnte, trat Sirroch einen Schritt vor und sagte: »Mein Name ist Brent Sirroch. Ich kann Ihnen viel Arbeit ersparen, indem ich für uns alle antworte.« Er sprach leise und deutlich.

Maiden schaute all die anderen Gesichter langsam nacheinander an und entdeckte stilles Einverständnis mit Sirrochs Kontrollübernahme, war aber nicht überzeugt, dass der Deal von Dauer wäre. Manche Gesichtsausdrücke wirkten eher stoisch, als wäre es ein Arrangement, das für den Augenblick ausreichte, weil jetzt und hier nicht der Moment war, sich darüber zu beschweren.

»So funktioniert das nicht, Mr Sirroch«, entgegnete Maiden offen. »Wenn wir jemandem eine Frage stellen, dann erwarten wir, dass derjenige auch antwortet, oder wir wollen wissen, warum nicht. Sie sind doch bereit zu voller Kooperation, nicht wahr?«

»Selbstverständlich.« Sirroch wirkte ungerührt. »Warum sollten wir das nicht sein? Wir möchten genauso gern Antworten haben wie Sie.«

»Sie haben die Leiche gefunden?«, fragte ihn Spencer.

Sirroch wandte ihr seine Aufmerksamkeit zu. Sein Verhalten änderte sich, eine leichte Verschiebung, die ein wenig Charme in seinem Blick aufscheinen ließ und den Hauch eines Lächelns. Er sagte: »Das stimmt, Peta. Es war nicht gerade der schönste Morgen meines Lebens.«

Spencer beschwerte sich nicht darüber, dass er ihren Vornamen verwandte, aber ihr Ton machte deutlich, dass es ihr nicht passte. Auch ihr Verhalten veränderte sich ein wenig. Die Körpersprache beantwortete Sirrochs Charme mit der Botschaft: Vergiss es. Maiden beobachtete den stummen Austausch interessiert.

Er dachte: Ein Kampf zwischen schönen Menschen.

Spencer fragte: »Können Sie uns sagen, was vorgefallen ist? Mir ist klar, dass Sie das bereits anderen Kollegen berichtet haben ...«

»Und ich bin sicher, dass ich es noch mehrmals werde wiederholen müssen«, Sirroch nickte freundlich. »Es ist ganz einfach. Ich kam heute Morgen um acht Uhr in die Kapelle, um nach Chris zu sehen, und ... entdeckte ihn. Ich ging davon aus, dass er hier wäre. Wir beten jeden Morgen um neun und er hätte sich darauf vorbereiten sollen. Natürlich habe ich nicht erwartet, ihn so vorzufinden.« Er unterbrach sich und zwinkerte eine plötzliche Träne weg.

»Hätte sich vorbereiten sollen?«, fragte Maiden. »Gibt es irgendeinen Grund, anzunehmen, dass er es nicht getan hat?«

»Chris hat ein kleines Büro hinter den Vorhängen hier. Manchmal verliert er sich zu sehr in seiner Arbeit und muss an die Zeit erinnert werden. Das ist alles.«

Überrascht ging Spencer zu den Vorhängen hinter der Bühne und suchte nach einem Durchgang. Sie fand ihn, zog den Vorhang beiseite und stand vor einer geschlossenen Tür. Spencer rief »Detective LeBlanc, wussten Sie davon?«

LeBlanc beaufsichtigte die Entfernung von Vitales Leiche vom Boden. Mehrere Polizisten debattierten darüber, wie sie die Nägel herausziehen konnten, ohne die Hände des Opfers noch weiter zu beschädigen. Jemand war eine Zange holen gegangen. LeBlanc betrachtete die Tür, starrte Sirroch dann einen Augenblick an und sagte schließlich: »Nein, niemand hat sich die Mühe gemacht, uns davon in Kenntnis zu setzen. Ein verstecktes Zimmer?«

»Es ist bloß ein Büroraum, und wir verstecken ihn nicht«, entgegnete Sirroch gelassen. »Der Vorhang hängt vor dem Eingang, das ist alles. Es tut mir leid, ich dachte, Sie wüssten davon. Wir haben es nicht absichtlich verschwiegen«, setzte er als Entschuldigung hinzu.

Spencer öffnete die Tür, ging aber nicht hinein. Stattdessen bedeutete sie einem Mitarbeiter der Spurensicherung, sich dort drinnen umzusehen. Sie konnte erkennen, dass es sich um einen kleinen Raum voller Bücherregale handelte, mit einem alten Schreibtisch, auf dem ein Computer stand. Sie kehrte zu der Gruppe zurück und schloss sich Maiden an, der Sirroch missbilligend anstarrte.

Spencer fragte Sirroch: »Dort ist nichts drin, das Sie gehofft hatten, für sich zu behalten?«

»Nein, wir haben von niemandem etwas zu befürchten. Wie ich bereits sagte, ich habe einfach nicht daran gedacht, dass Sie nichts von dem Büro wissen.« Sirroch zuckte mit den Achseln. »Da so viele gut ausgebildete Polizisten den Raum durchsucht haben, bin ich einfach davon ausgegangen, dass man ihn bereits gefunden hat.«

Spencer verabreichte Sirroch ein schmales Lächeln. »Wir werden es bald wissen.«

Maiden sagte: »Mr Sirroch, es würde mir helfen, zu wissen, was genau Ihre Aufgabe hier ist. Ich bin nicht ganz sicher, wo wir uns eigentlich befinden.«

Sirroch entgegnete gelassen: »Es ist eine Kapelle, ein Ort der Anbetung.«

Maiden hatte die gesamte Anlage gemeint, hielt aber auch dies für einen guten Anfang. »Okay, und was genau beten Sie an?«

»Ist das wichtig? Hat es mit den Ereignissen dieses Morgens zu tun?«

»Uns ist wichtig, ob wir es mit dem Dalai Lama oder dem Ku-Klux-Klan zu tun haben, ja. Ein paar Hintergrundinformationen über Ihre Überzeugungen wären hilfreich.«

Sirroch zögerte eine Sekunde, dann gestand er Maiden mit einem Fingerschnippen den Punkt zu. Er erklärte die Sache in einfachen Worten. Er zeigte keine Spur von Zurückhaltung oder Ehrfurcht, sondern sprach offen und schien sich seiner selbst und seiner Worte absolut sicher zu sein.

»Wir haben Chris Vitale angebetet.«

»Er war Ihr Gott?« Maiden schaffte es gerade noch, nicht die Augenbrauen hochzuziehen.

»Nein, wir glauben, dass Chris dem einen wahren Gott sehr nahe stand. Er hat mit ihm gesprochen und konnte seine Worte hören. Ich denke, ›anbeten‹ ist vielleicht das falsche Wort. Es wäre präziser, zu sagen, dass wir Chris' spirituelle Verbindung zu Gott anerkannt haben und ihm den Respekt entgegenbrachten, den er verdient hatte.«

»Chris Vitale war also Ihr Priester?«

»Nicht bloß ein Priester. Jemand, der mit Gott direkt kommunizieren kann, ist mehr als ein Priester.« Sirroch lächelte nachsichtig über Maidens Ignoranz.

»Okay, und mit welchem Gott hat Chris gesprochen? Dem christlichen, dem muslimischen – dem buddhistischen? Mit einem ganz anderen?«

»Gott ist nichts davon, John.« Maiden ärgerte sich darüber, dass Sirroch seinen Vornamen verwendete. Der fuhr ungerührt fort: »Viele Millionen Menschen auf der Welt entscheiden sich dafür, sich als das eine oder andere anzusehen, aber Gott behauptet nichts anderes zu sein als Gott. Spiritualität kann erdrückt werden durch das Bedürfnis, sich mit einer speziellen Religion zu identifizieren. Eine unserer Bemühungen hier besteht darin, eine Akzeptanz Gottes zu fördern, ohne sich dabei mit den Missverständnissen zu belasten, die über die Jahrhunderte weitergegeben wurden. Das ist ein fundamentaler Bestandteil von Chris' Lehren.«

Maiden sagte: »Bitte sagen Sie nicht ›fundamental‹. Dann werden wir Polizisten nervös und rufen die Bombensuchhunde.«

Spencer fragte Sirroch: »Halten Sie sich an die Bibel?«

»Teilweise, ebenso wie an den Koran und den Talmud. Sie haben alle etwas zu bieten.«

»Sie streuen also das Risiko?«, fragte Maiden.

»Auch Skeptiker sind uns willkommen, John.«

»Ich glaube, ich verstehe es jetzt«, sagte Spencer. »Im Grunde haben Sie Chris Vitale verehrt und waren ganz zufrieden damit, es ihm zu überlassen, sich um alles andere zu kümmern? Er klärte die möglichen Missverständnisse mit Gott?«

»Zumindest beginnen Sie, es zu verstehen, Peta, obwohl es komplexer als das ist. Die Beziehung jedes Einzelnen zu Chris ist ein Maß seiner oder ihrer Nähe zu Gott ...«

»In Ordnung – alles bloß Liebe, Licht und John-Lennon-Lieder«, unterbrach ihn Maiden. »Und was passiert jetzt? Packen Sie ein und gehen Sie nach Hause? Wer profitiert davon?«

Sirroch schaute überrascht. »Ganz im Gegenteil, John. Chris' Tod ist eine entsetzliche Tragödie, aber es beruhigt uns und bereitet uns sogar ein wenig Freude, dass er sich jetzt an Gottes Seite befindet. Wenn überhaupt, dann verfügen wir somit über eine stärkere Verbindung zu ihm. Wir können nicht mehr direkt mit Chris sprechen, aber wir wissen, dass er unsere Gebete hören und sie vielleicht sogar in Gottes Ohr flüstern wird. Wir werden seine Arbeit hier unten mit neuer Energie fortsetzen.«

»Aber hat er sich nicht um alles gekümmert? Wer macht das jetzt, wo er nicht mehr da ist? Sie?«

Sirroch deutete mit einer kleinen Handbewegung auf den Rest der Gruppe hinter sich. »Diese Leute sind der Große Rat von Eden, der eine Reihe Entscheidungsträger einschließt. Wir haben uns bereits um alles gekümmert, wie Sie so schön sagen, damit Chris seinen wahren Aufgaben – ungestört durch die Alltäglichkeiten – nachgehen konnte. Und was Ihre Frage angeht, wer nun die Leitung übernimmt, wer also derjenige sein wird, der letztlich für alles verantwortlich ist, so bin ich willens, diese Rolle für den Augenblick zu übernehmen. Aber später ... nun, wir werden lange Diskussionen führen und schwierige Entscheidungen treffen müssen. Es ist zu früh, sich darum Sorgen zu machen.«

Maiden betrachtete die übrigen Mitglieder der Gruppe in einem neuen Licht. Er war davon ausgegangen, dass es bloß ganz normale Mitglieder waren, die zufällig am Tatort aufgekreuzt waren; Leute, von denen LeBlanc nicht wollte, dass sie die Kapelle verließen, bis er mit ihren Aussagen zufrieden war. Jetzt erkannte Maiden, dass sie sich absichtlich hier aufhielten, weil sie nichts Wichtiges verpassen wollten. Es erklärte auch, warum er zuvor das Gefühl gehabt hatte, dass nicht alle damit einverstanden waren, dass Sirroch ihr Sprecher war. Chris Vitales Blut auf dem Boden war noch nicht getrocknet und schon entspann sich ein stummer Machtkampf zwischen seinen engsten Vertrauten.

Maiden sagte: »Da bin ich sicher. Übrigens, was kostet es eigentlich, bei Ihnen Mitglied zu werden?«

»Sie können sich uns kostenlos anschließen, John. Wir sind kein Verein. Wie ich schon sagte, Sie wären herzlich willkommen.«

»Besten Dank, aber ich glaube, ich passe. Also,, wer bezahlt all das hier?«

»Die Mitglieder sind gehalten, so viel zu spenden, wie sie für angemessen halten. Wir hatten das große Glück, einige sehr großzügige Gönner zu haben.«

»Ich verstehe. Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick?«

Maiden zog Spencer außer Hörweite. Er sagte zu ihr: »Ich glaube nicht, dass irgendeiner der anderen ein Wort sagen wird, solange dieser Clown hier rumsteht. Wir müssen sie irgendwie auseinanderbringen.«

Seine Kollegin erwiderte: »Ich habe eben genau das Gegenteil gedacht. Vielleicht kriegen wir die normalen Mitglieder nie dazu, den Mund aufzumachen, wenn nicht eines dieser Ratsmitglieder es ihnen erlaubt. Sie haben sich schließlich alle aus freien Stücken von der Welt da draußen verabschiedet. Solange nicht einer dieser Groß-Rats-Typen dabei ist, wenn wir die anderen verhören ...«

»Sind sie eine Herde hirnloser Schafe?«

»Sagen wir mal, sie sind spirituelle Schafe, die tun, was man ihnen sagt. Was sollen wir machen?«

Er zählte schnell durch. »Es sind zwölf, Sirroch mitgerechnet.«

Spencer gab einen Laut von sich.

»Was?«, fragte er.

»Jesus hatte zwölf Jünger. Die Parallelen werden immer deutlicher.«

»Und gleichzeitig bestreiten sie es. Hören Sie, lassen Sie uns herausfinden, wer zu diesen ›Entscheidungsträgern‹ gehört, und dann kann Paul ...« Maiden unterbrach sich, denn ihm war aufgefallen, wie eines der Mitglieder der Spurensicherung auf LeBlanc zueilte. Es war etwas vorgefallen. »Augenblick.«

Der Mitarbeiter reichte LeBlanc ein Blatt Papier. Er hielt es vorsichtig mit den Fingerspitzen, als wäre es ein Beweisstück. LeBlanc überflog es und sah auf, er suchte nach Maiden und Spencer. Sie gingen zu ihm hinüber.

»Eine Nachricht des Mörders«, erklärte LeBlanc grimmig. »Steckte im Drucker fest.«

Der Mann von der Spurensicherung sagte: »Der Drucker hatte einen Papierstau und ich habe das blinkende Licht bemerkt. Als ich den Stau beseitigt hatte, kam das hier heraus. Es muss sich im Zwischenspeicher des Druckers befunden haben.«

Maiden verstand nicht allzu viel von Computern. »Wollen Sie damit sagen, dass es nicht mehr auf dem Bildschirm ist? Die Datei ist zu?«

»Genau, Sir. Ich habe noch nicht versucht, auf irgendwelche Programme zuzugreifen. Ich bin direkt zu Ihnen gekommen.«

»Gehen Sie zurück und überprüfen Sie die Software.«

Der Mann von der Spurensicherung ließ sie allein. Spencer las den Ausdruck über Maidens Schulter mit.

Das Wunder wird nie geschehen.
Es ist alles eine Lüge und ich werde sterben.
Morgen.

»Und ich werde morgen sterben?«, fragte sie. »Wer auch immer Vitale umgebracht hat, wird sich morgen selbst töten?«

»Sieht so aus«, sagte Maiden. »Was sonst noch?«

Spencer starrte das Blatt an. »Okay, es ist eine Standardschrift und normale Größe. Niemand hat sich die Mühe gemacht, das schön zu formatieren. Keine Großbuchstaben oder bunte Farben, damit wir aufmerksam werden. Der Täter hat das einfach getippt und auf ›Drucken‹ geklickt, als wäre es ihm völlig egal, ob wir die Nachricht bekommen.«

»Und es war ihm auch egal, dass der Drucker klemmte? Er hat sich nicht die Mühe gemacht, das Problem zu beseitigen, damit er funktionierte?«

»Vielleicht hat er es auch nicht mitbekommen? Eine Menge Leute drucken etwas aus – und gehen dann, ohne auf das Ergebnis zu warten. Außerdem, wenn seit einiger Zeit nichts gedruckt wurde, kann es eine Weile dauern, bis ein Drucker warmgelaufen ist. Vielleicht war der Täter zu ungeduldig?«

»Oder er wollte schnell weg, was deutlich wahrscheinlicher ist, weil das Opfer schon an den Boden genagelt war?«, bemerkte Maiden trocken.

»Vielleicht hat er die Nachricht vorher geschrieben? Vitale kam und hat ihn erwischt, also hat er es schnell ausgedruckt, bevor er die Gelegenheit hatte, kreativ zu werden. Und die nachfolgenden Ereignisse gipfelten in dem Mord.«