Weitere Bücher der Reihe

Die unendliche Barbara Cartland Liebesroman Kollektion ist die Gelegenheit alle fünfhundert dieser zeitlos schönen Liebesromane zu sammeln, die die gefeierte Liebesromanautorin geschrieben hat.

Die Reihe trägt den Namen Die unendliche Barbara Cartland Liebesroman Kollektion weil sie Geschichten solche der wahren Liebe sind. Jeden Monat sollen zwei Bücher im Internet veröffentlicht werden, bis alle fünfhundert erhältlich sind.

Die unendliche Barbara Cartland Liebesroman Kollektion, klassisch schöne Romane wahrer Liebe erhältlich überall für alle Zeit.

  1. Der Fluch der Hexe
  2. Die Brigantenbraut
  3. Zärtliche Indira
  4. Ein Fremder kam vorbei
  5. Der Clan der McNarn
  6. Der Liebesschwur
  7. Jawort unter Fremden Sternen
  8. Gefangene der Liebe
  9. Laß mich bei dir Sein
  10. Das Traumpaar
  11. Bezaubernde Hexe
  12. Die Zärtliche Versuchung
  13. Liebe unter Fremdem Himmel
  14. Hochzeit Mit dem Ungeliebten
  15. Hochzeit Mit dem Ungeliebten
  16. Liebe unterm Tropenmond
  17. Weiße Lilie
  18. Amor in Sankt Petersburg
  19. Die Zähmung der Wilden Lorinda
  20. Die Zigeuner-prinzessin
  21. Flucht ins Gluck
  22. Die Einsame Frau das Herzogs
  23. Sehnsucht nach dem ersten Kuß
  24. Schlittenfahrt ins Glück
  25. Das Mädchen und der Maler
  26. Die Weiße Sklavin
  27. Bleib bei mir, Kleine Lady
  28. Die Braut des Rebellen
  29. Nur ein Hauch von Liebe
  30. Geheimnis um Virginia
  31. Liebestrommeln auf Haiti
  32. Ich Schenke dir mein Herz
  33. Das Glück hat deine Augen
  34. Liebesglück in Schottland
  35. Der Herzensbrecher
  36. Die Flamme der Liebe
  37. Die Schmugglerbraut
  38. Der Marquis und das Arme Mädchen
  39. Die Herrin des Clans
  40. In Deinen Armen will ich Trämen
  41. Liebe mit Hindernissen
  42. Die Kapelle im Wald
  43. Zauber des Herzens
  44. Verzieh mir Liebster
  45. Der Prinz und die Tänzerin
  46. Triumph der Liebe
  47. Geliebte Lady
  48. Heimliche Liebe
  49. Ich Liebe Sie, Mylord
  50. Alle Zärtlichkeit für Dich
  51. Das Gefährliche Spiel
  52. Irrwege der Liebe
  53. Heimliche Brautschau
  54. Das Wunder der Liebe
  55. Geliebte Dominica
  56. Die Maske der Liebe
  57. Geliebte Stimme
  58. Die Liebenden von Valmont
  59. Die Vernunftehe
  60. Die Heimliche Geliebte
  61. Ich Begleite dich auf Allen Wegen
  62. Wie ein Trauma us der Nacht
  63. Reise ins Paradies
  64. Alvina, Engel meines Herzens
  65. Entführer meines Herzens
  66. Geküßt von Einem Fremden
  67. Dein Zärtlicher Blick
  68. Meine Stolze Prinzessin
  69. Verliebt in einen Engel
  70. Verwundetes Herz
  71. Im Garten der Liebe
  72. Indischer Liebeszauber
  73. Die Brautfahrt
  74. Die Intrigen der Lady Brandon
  75. Der Herzensdieb
  76. Porträt Eines Engels
  77. Diona und ihr Dalmatiner
  78. Sternenhimmel über Tunis
  79. Ein Junggeselle wird Bekehrt
  80. Liebe im Hochland
  81. Jagd nach dem Glück
  82. Deine Liebe ist ein Juwell
  83. Bis Daß der Tod uns Scheidet
  84. Lektion in Sachen Liebe
  85. Geliebt und glücklich
  86. Entscheidung des Herzens
  87. Im Zeichen der Liebe
  88. Opfer der Gefühle
  89. Garten der Sehnsucht
  90. Lady Bartons Rache
  91. Reise im Glück
  92. Nur die Liebe Zählt
  93. Prinzessin meines Herzens
  94. Liebe im Wüstensand
  95. Atemlos aus Lauter Liebe
  96. Liebende auf der Flucht
  97. Das Pfand der Liebe
  98. Melodie des Herzens
  99. Alles Glück der Erde
  100. Magie des Herzens
  101. Im Banne der Hexe

Flucht vor der Liebe

Barbara Cartland

Barbara Cartland E-Books Ltd.

Vorliegende Ausgabe ©2020

Copyright Cartland Promotions 1986

 

Gestaltung M-Y Books

www.m-ybooks.co.uk

Zur Autorin

Barbara Cartland wurde 1901 geboren und stammt mütterlicherseits aus einem alten englischen Adelsgeschlecht. Nach dem Tod des Vaters und Großvaters ernährte ihre Mutter die Familie allein.  Sie war zweimal verheiratet und hatte drei Kinder. Ihre Tochter Raine war die Stiefmutter von Prinzessin Diana von Wales. Sie schrieb über 700 Romane, die ein Millionenpublikum ansprechen. Barbara Cartland starb im Jahr 2000.

Vorbemerkung der Autorin

Tanger unterschied sich zu Beginn dieses Jahrhunderts stark von dem attraktiven Ort, der er heute ist. Die Straßen waren schmutzig, laut und überfüllt von Kamelen, Eseln, Bettlern und Lepra-Kranken.

Im Gefängnis, in dem normalerweise Verbrecher, Seeräuber und Mörder saßen, gab es nichts zu essen, und die Gefangenen mußten sich auf die Nächstenliebe ihrer Freunde verlassen.

Dadurch befanden sich die meisten der Insassen in einem Zustand nahe am Verhungern.

Die Moslemmädchen wurden im Alter von zehn bis zwölf Jahren verheiratet, und die Politik der Regierung bestand aus Unterdrückung, Bestechung, Ungerechtigkeit und Korruption.

Trotzdem bauten immer mehr Engländer und auch einige Amerikaner wegen des guten, gesunden Klimas ihre Villen in der Umgebung von Tanger.

3

Der Herzog von Templecombe gewann, und der Stapel von Gold Louis vor ihm wurde höher, sooft die Karten umgedreht wurden.

Frauen, welche die Spieler an den anderen Tischen beobachtet hatten, kamen und stellten sich hinter ihn und stießen jedesmal, wenn er gewann, kleine Entzückensschreie aus.

Es waren nur ungefähr fünfzig Gäste des Großherzogs Boris anwesend. Man hatte vier Spieltische in dem eleganten Salon aufgestellt, der sich zum Garten der Villa öffnete.

Hoch über der Stadt gelegen, bot diese einen herrlichen Blick über den Hafen, den Felsen, auf dem der Palast stand, und das Meer selbst.

Doch niemand kümmerte sich um etwas anderes als um das Kartenspiel, und als der Herzog gewann, lief ein erregtes Murmeln durch die Menge der Gäste.

Der Mann, der neben dem Herzog saß und den ganzen Abend ständig verloren hatte, lehnte sich verzweifelt zurück, und der Herzog hörte ihn leise sagen: »Unglück im Spiel, Glück in der Liebe.«

Da mußte der Herzog an Imogen denken, und er blickte sich im Saal um. Aber es war nichts von ihr zu sehen. Dunkel erinnerte er sich daran, vor einiger Zeit gesehen zu haben, wie sie durch eines der langen französischen Fenster in den Garten gegangen war.

Obwohl er nicht sicher war, glaubte er sich daran zu erinnern, daß sie in Begleitung des Großherzogs gewesen war. Einen Augenblick runzelte er die Stirn.

Der Großherzog war dafür bekannt, Frauen zu betören. Es lag nicht nur daran, daß er reich und großzügig war, sondern er war auch attraktiv und besaß einen Charme, den die meisten Frauen unwiderstehlich fanden.

Der Herzog erinnerte sich daran, wie Imogen bei ihrer Ankunft in der Villa bemerkt hatte, daß sie sich darauf freute, ihren Gastgeber wiederzusehen, und wie interessant sie ihn fand.

Der Herzog war etwas pikiert gewesen, denn er wünschte, daß nur er Imogen Moretons Aufmerksamkeit fand, und dies besonders heute abend.

Als sie in seiner Jacht von Marseille nach Monte Carlo gefahren waren, hatte er beschlossen, sein Junggesellenleben aufzugeben und Lady Moreton zu heiraten, wie jedermann es erwartete.

Ihr Mann war im Burenkrieg gefallen. Aber da sie sehr jung geheiratet hatte, war sie jetzt erst fünfundzwanzig Jahre alt.

Der Herzog war erst kürzlich wieder von seinen Verwandten gedrängt worden, eine Frau zu suchen, und es war in der Tat ein Wunder, daß er das Alter von siebenundzwanzig Jahren erreicht hatte, ohne von irgendeiner einfallsreichen Mutter vor den Altar gezogen worden zu sein.

Er war allen Ködern entgangen, die man für ihn ausgelegt hatte, allen Tricks, auf die er hätte hereinfallen sollen, und er hatte schon in einem frühen Alter beschlossen, sich nicht dazu drängen zu lassen, eine Frau zu heiraten, die er nicht begehrte.

Er hatte im Alter von einundzwanzig Jahren sein Erbe angetreten; und er war sich seiner Bedeutung als einer der ersten Herzoge von Großbritannien bewußt.

Frauen umschwärmten ihn, weil er einen alten und geachteten Namen trug, und seine Gesellschaft wurde nicht nur von Leuten seiner eigenen Generation, sondern auch von Staatsmännern, Politikern und einflußreichen Männern, die älter waren als er, gesucht.

Er war ein Freund des Prince of Wales gewesen, ehe dieser König wurde, und jetzt war er ein stets willkommener Gast im Buckingham Palast, wie er es vorher im Marlborough House gewesen war.

Der Herzog hatte es sich lange überlegt, ob Imogen, die seit über einem Jahr seine Geliebte war, die Art Ehefrau war, die er sich wünschte.

Er bewunderte ihre Schönheit. Sie hatten die gleichen Interessen und gehörten der gleichen Gesellschaftsschicht an.

Es war wichtig, sagte sich der Herzog, daß sie in den alltäglichen Dingen, die ihre Tage ausfüllten, miteinander übereinstimmten, und außerdem fand er Imogen sehr begehrenswert.

Er hatte für seine Freunde an Bord der Aphrodite, die mit ihm von London nach Monte Carlo gefahren waren, eine große Party gegeben. Sie hatten heute das Schiff verlassen und morgen sollten andere Gäste eintreffen.

Das bedeutete, daß er, wenn sie heute abend auf die Jacht zurückkehrten, mit Imogen allein sein würde. Er hatte beschlossen, ihr dann zu sagen, daß er sie heiraten wollte.

Er wußte, daß sie dies mehr als alles andere wünschte, und. er zweifelte keinen Augenblick daran, daß sie ihn liebte.

Trotzdem sagte ihm eine innere Stimme, daß sie nicht so sehr auf die Ehe versessen gewesen wäre, wenn er eine weniger hervorragende Stellung innegehabt hätte.Aber er sagte sich, daß schließlich niemand, ob Mann oder Frau, aus den Verhältnissen herausgelöst werden konnte, in denen er lebte.

Man konnte nicht fragen: »Würdest du mich lieben, wenn ich kein Herzog wäre?«

Oder eine Frau: »Würdest du mich lieben, wenn ich nicht schön wäre?«

Es kam darauf an, daß sie beide guter Herkunft waren, und sie beide stammten aus Familien, die in den Geschichtsbüchern erwähnt wurden.

Die Aschenbrödelgeschichte taugte nur für Dienstmädchen und Schulkinder, die Märchen lasen und sich vorstellten, daß ein verzauberter Prinz durch den Kamin fiel, um sie zu seiner Braut zu machen.

Er hatte vor, den König als ersten von seinen Heiratsabsichten zu unterrichten, sobald sie nach Hause zurückgekehrt waren.

Seine Majestät mochte Imogen, weil sie schön war, und er hatte schon zwei- oder dreimal dem Herzog gegenüber angedeutet, daß sie eine passende Frau für ihn wäre.

Ich werde heute abend mit ihr sprechen, sagte sich der Herzog, als sie zur Villa des Großherzogs fuhren.

Aber jetzt war sie nicht zu sehen, und es kam dem Herzog merkwürdig vor, daß sie aus dem Garten nicht zurückgekehrt war.

Ungeduldig stand er auf.

»Sie geben doch nicht etwa auf?« sagte der Herr neben ihm, »doch nicht mitten in einer Gewinnsträhne?«

Der Herzog antwortete nicht, sondern ließ das Geld auf dem Tisch liegen und ging durch den Salon in den Garten hinaus.

Es störte ihn nicht im mindesten, daß sein Verhalten merkwürdig erschien und die Leute über ihn redeten. Er war sowieso ständig im Gespräch, und wenn er wünschte, das Spiel aufzugeben, dann war das seine Sache und ging niemanden etwas an.

Der Garten des Großherzogs war mit Blumen übersät. Er war eitler der berühmten Gärten der Côte d'Azur.

Dies war nicht so sehr auf das Geld zurückzuführen, das der Großherzog dafür ausgab, sondern auf die Sorgfalt und Liebe, die ihm eine alte Dame hatte zuteil werden lassen. Sie hatte ihn während ihrer letzten Lebensjahre angelegt.

Da war der Duft der Blüten, das sanfte Plätschern eines Wasserfalls im Wintergarten und die Blütenblätter, die lautlos in das weiche Gras fielen. Aber der Herzog bemerkte nichts davon.

Er hielt nach dem scharlachroten Gewand Ausschau, das Imogen trug und zu dem so perfekt die Halskette aus Rubinen und Diamanten paßte, die er ihr geschenkt hatte, ehe sie England verließen.

Der Garten war eine Idylle, von Lauben, gewundenen Wegen, blühenden Büschen und bequemen Bänken, von denen aus man die atemberaubende Aussicht genießen konnte.

Der Herzog ging suchend durch den Garten, und dann sah er Imogen. Die Farbe ihres Kleides war vor den weißen Säulen eines kleinen griechischen Tempels, der am Ende eines grasüberwachsenen und blumengesäumten Weges stand, nicht zu übersehen.

Sie stand da in der Art, die der Herzog so gut kannte und welche die Aufmerksamkeit auf die sinnlichen Linien ihrer Figur und die Schönheit ihres langen, schwanenartigen Halses lenkte.

Bei ihrem Anblick blieb der Herzog stehen, und da sah er, wie der Großherzog seinen Arm um ihre Taille legte und sie an sich zog.

Sie widerstand ihm nicht, ja, sie hob sogar ihren Mund begierig zu dem seinen, und während er ihre Lippen küßte, legte sie ihren nackten Arm um seinen Hals, und er zog sie noch näher an sich.

Es war die klassische Haltung eines Mannes und einer Frau, die sich liebten. Das Stirnrunzeln auf dem Gesicht des Herzogs vertiefte sich. Nachdem er gesehen hatte, wie das Paar sich wieder voneinander löste, ging er weg.

Er kehrte nicht in die Villa zurück, sondern ging durch den Garten bis zu einem Tor, das zur Straße führte.

In einer langen Reihe standen dort die Kutschen der Gäste, und er benötigte nur ein paar Sekunden, um seine eigene Kutsche ausfindig zu machen.

Seine Diener waren überrascht, ihn zu sehen. Es war noch sehr früh am Abend, und sie waren es gewöhnt, lange auf ihn warten zu müssen, wie es in Monte Carlo üblich war, oft bis in die Morgendämmerung hinein.

Ein Diener öffnete die Wagentür, und der Herzog stieg in die Kutsche.

»Zur Jacht«, befahl er.

Die Pferde gingen die gewundene Straße hinab, die steil hinunter zum Hafen führte.

In der Kutsche lehnte sich der Herzog stirnrunzelnd zurück.

Wer ihn im Oberhaus hatte sprechen hören, wußte, daß er nicht nur intelligent war, sondern auch impulsiv und entschlossen sein konnte, wenn ihn ein Fall fesselte.

Es war ihm in der Tat allein zu verdanken, daß verschiedene Gesetze, welche die Lords hatten ablehnen wollen, das Oberhaus passierten und der Premierminister war ihm für seine Unterstützung dankbar.

Diejenigen, die ihm dienten, hatten in dem Herzog einen gereichten, großzügigen Herrn. Aber wenn er entdeckte, daß er betrogen wurde oder einer seiner Angestellten seine Pflichten vernachlässigte und unloyal war, konnte er äußerst hart sein.

Als die Kutsche bei der Jacht anhielt, die am Kai vor Anker lag, stieg der Herzog aus.

»Ich brauche dich heute nacht nicht mehr«, sagte er zu dem Kutscher.

Auf Deck empfing ihn ein Offizier, und wie der Kutscher war auch er überrascht, den Herzog so früh zurückkehren zu sehen.

»Guten Abend, Euer Gn...« begann er.

Aber der Herzog unterbrach ihn barsch: »Sagen Sie Captain Barnett, er soll sofort in See stechen.«

»Sofort, Euer Gnaden?«

»Das habe ich gesagt.«

»Ich werde es ausrichten.«

Der Herzog ging zum Bug und sah beinahe uninteressiert zu, wie die Matrosen an Deck geeilt kamen.

Er stellte sich vor, daß einige von ihnen schon geschlafen hatten.

Aber seine Mannschaft war daran gewöhnt, daß er kurzfristig Entscheidungen traf, die ihren Kurs ohne irgendwelche Vorwarnung änderten.

Es war die deutlichste Anweisung des Herzogs, daß seine Jacht jederzeit bereit sein mußte, ohne vorherigen Bescheid in See stechen zu können.

Er wußte, daß Captain Barnett nicht überrascht wäre, wenn er den Befehl erhielt, Monte Carlo sofort zu verlassen, und daß er nun auf Befehle warten würde, wohin sie fahren sollten.

Der Herzog wünschte keinerlei Fragen, aber sie kamen trotzdem von Dalton, seinem persönlichen Diener, der seit seiner Kindheit bei ihm war.

Er war von seinem Vater für die Stellung ausgewählt worden, weil er klug war und sein Vertrauen besaß.

»Entschuldigen Sie bitte, Euer Gnaden«, sagte Dalton, »aber ich frage mich, ob Euer Gnaden wissen, daß die gnädige Frau nicht an Bord ist.«

»Ja, ich bin mir dessen bewußt.«

»Die Garderobe der gnädigen Frau ist noch an Bord.«

»Auch dessen bin ich mir bewußt.«

Dalton verbeugte sich und ging weg.

Der Herzog kniff seinen Mund zusammen, als er zur Stadt und in Richtung zur Villa des Großherzogs sah.

Es würde für Imogen ein Schock sein, wenn sie feststellte, daß er die Gesellschaft verlassen hatte, ohne ihr etwas davon zu sagen.

Und es wäre ein noch größerer Schock für sie, wenn sie erfuhr, daß er abgefahren war und nicht nur ihre Garderobe mitgenommen hatte, sondern auch ihren Schmuck, auf den sie so großen Wert legte.

Der Großherzog kann ihr alles wieder kaufen, dachte der Herzog wütend.

Dann sagte er sich, daß er glücklich sein konnte, ihr entronnen zu sein.

Es war schlimm genug, daß sich die Frau, die ihm geschworen hatte, nur ihn zu lieben, ,wie sie noch nie einen Mann zuvor geliebt hatte‘, mit einem solch berüchtigten Ladykiller wie dem Großherzog abgab, aber es wäre weit schlimmer gewesen, wenn sie bereits seine Frau gewesen wäre.

Er dachte jetzt, daß er ein Narr gewesen war zu glauben, daß jemand, der so viel Zustimmung fand und begehrt wurde wie Imogen, jemals einem einzigen Mann treu sein würde.

Es war ein Schlag gegen seinen Stolz und seine Selbstgefälligkeit, und er erkannte es als einen solchen.

Er hatte sich daran gewöhnt, daß jede Frau, für die er sich auch nur schwach interessierte, und sehr viele von denen, für die er sich nicht interessierte, ihm ekstatisch in die Arme fielen.

Deshalb war es für ihn ein Schock zu erkennen, daß er, wie sein Kindermädchen es ausgedrückt hätte, nicht der einzige Kieselstein am Strand war.

Ein ironisches Lächeln spielte um seine Lippen, als er bemerkte, wie die Jacht langsam aus dem Hafen in das Mittelmeer hinausfuhr.

Es herrschte eine schwache Brise, die er willkommen hieß, und als er beschlossen hatte, wohin er seinem Kapitän zu fahren befehlen würde, war es plötzlich ein erhebender Gedanke, allein zu sein.

Es war lange her, seit er ohne die Gesellschaft von lachenden, scherzenden Leuten gewesen war.

Das Templecombe House in London war stets nicht nur von seinen Freunden, sondern auch von zahlreichen Verwandten angefüllt gewesen, die es für ihr Recht hielten, dort zu wohnen, sooft sie vom Land nach London kamen.

Und Combe in Buckinghamshire war viel zu groß. Es schien notwendig zu sein, die unzähligen Schlafzimmer mit unzähligen Gästen zu füllen und die Zahl derjenigen, die im Haus wohnten, noch durch seine Nachbarn zu vergrößern, die alle erwarteten, eingeladen zu werden, sooft er da war.

Jetzt war er allein, und er dachte, dies sei ein wünschenswerter Zustand, den er voll auskosten würde. Er mußte Bücher lesen, und er würde Zeit haben, über sich selbst und seine Zukunft nachzudenken.

Die Jacht war nun weit genug von Monte Carlo entfernt, so daß der Herzog auf die schimmernden Lichter zurückblicken konnte, die sich um das Casino konzentrierten und den Berg dahinter hinaufzogen.

Es war ein schöner Anblick, das wußte er, aber diejenigen, die das Fürstentum besuchten, hoben nur selten ihre Blicke von den Spieltischen, und viele standen in der Tat niemals auf, bis die Herrlichkeit des Tages vorüber war und sie eine weitere Nacht in den Spielsälen verbrachten. Es gibt sich einen falschen Anschein, so falsch wie Imogen, dachte der Herzog.  

Als er an sie dachte, sagte er sich, je eher er sie aus seinem Gedächtnis löschte, um so besser.

Er wollte sich nicht an seinen Zorn über ihr Verhalten erinnern, er wollte sie einfach vergessen.

Aus der Zeit seiner Kindheit wollte er sich nie mehr daran erinnern, daß er geschlagen worden war, und er zwang sich dazu, jede Demütigung zu vergessen, die er in der Schule erlitten hatte.

Es war ein Gefühl des Stolzes, das ihm von einer langen Reihe illustrer Ahnen vererbt worden war und ihm sagte, daß er nicht anderen Menschen erlauben durfte, ihn auszunützen, sofern sie nicht für ihn wichtig waren oder zu seinem Glück beitrugen.

Es war eine Idee, die ihm schon sein Vater in den Kopf gesetzt hatte. Er hatte ihm einmal erzählt, wie Mr Gladstone die Namen seiner Feinde aufgeschrieben und die Liste in einer verschlossenen Schublade aufbewahrt hatte. Jahre später hatte er sie herausgeholt und festgestellt, daß er sich in fast keinem Fall mehr daran erinnern konnte, was der Betreffende gesagt oder getan hatte, oder warum er ihn für einen Feind gehalten hatte.

Die Geschichte hatte den Herzog beeindruckt.

,Nimm deine Feinde niemals so wichtig, daß du an sie denkst‘ war eines seiner Lieblingssätze gewesen, und der Herzog sagte sich jetzt, daß er nicht die Absicht hatte, jemals wieder an Imogen zu denken, wenn er es vermeiden konnte.

Er würde Dalton bitten, ihre Kleider und Juwelen zu packen und sie für sie aufzubewahren. Wenn sie nach London kamen, würde sein Sekretär dafür sorgen, daß sie in ihrem Haus abgeliefert wurden, und das wäre das Ende.

Es war eine erfreuliche Verbindung gewesen, dachte er, das war nicht abzustreiten, und er hatte tatsächlich zu glauben begonnen, daß Imogen anders war als die übrigen Frauen.

Er dachte, die Liebe bedeute etwas in ihrem Leben, das nicht der flachen Schmeichelei ähnelte, wie es in der Umgebung des Königs üblich war.

Als Edward noch Prince of Wales gewesen war, war über die Schönheiten, die er bevorzugte, von einem Ende Englands bis zum anderen geredet worden. Es gab keinen einzigen Mann auf der Straße, der nicht von seinem Verhältnis mit Lily Langtry, mit der Gräfin von Warwick und einem halben Dutzend anderer schöner Frauen wußte.

Der Herzog hatte immer die untadelige Art bewundert, in der sich die aus Dänemark stammende Königin Alexandra benahm.

Sie schwankte nie in ihrer Loyalität und Hingabe zu ihrem Gatten oder ließ es sich irgendwie anmerken, daß sie über seine ständige Untreue erregt oder verärgert war.

In gewisser Weise hatte der Herzog immer geglaubt, daß seine eigene Frau sich ebenso benehmen würde. Aber jetzt wußte er, daß dies, soweit es Imogen betraf, nicht zugetroffen hätte.

Sie war sich zu sehr ihrer Schönheit bewußt, zu sehr darauf aus, bewundert zu werden, und zu schwach, um die Bewunderung anderer Männer zu ignorieren, selbst wenn deren Ruf so zwielichtig war wie der des Großherzogs.

Der Herzog sah im Geist vor sich, wie er sich selbst dem Alter näherte, und er fragte sich, was er täte, wenn seine Frau ihm untreu würde.

Wenn das alles ist, was vor mir liegt, sagte er sich, dann zum Teufel mit allen Frauen. Ich werde nie heiraten!

Seine Gedanken waren nicht glücklich, als er beschloß, in den Salon zu gehen, um etwas zu trinken.

Er wußte, daß dort eine Flasche Champagner auf ihn wartete neben einigen waffeldünnen Sandwiches aus pâté de foie gras, die immer bereitstanden, falls jemand hungrig an Bord zurückkehren sollte.

Als er über Deck ging, hörte er jemanden laut und in einem Tonfall, der ihm sagte, daß etwas nicht stimmte, auf der Brücke sprechen. Neugierig ging er zum Kapitän, der ein Fernrohr ans Auge hielt.

»Was ist?« fragte er.

»Ich bin nicht sicher, Euer Gnaden, aber der Ausguck hat etwas gesehen, was wie eine Leiche aussieht. Es ist etwas Weißes bei Gott, es ist eine Leiche.«

»Lassen Sie sehen!«

Der Kapitän gab dem Herzog das Fernrohr. Er hielt es in der erfahrenen Art eines Mannes, der gewohnt war, seine eigenen Hirsche zu jagen.

Es bestand kein Zweifel daran, es schwamm etwas im Wasser. Dann war er sicher, daß er ein Gesicht sah.

»Wir lassen sofort ein Boot herunter und sehen nach, ob die Person noch am Leben ist«, sagte er.

Während er sprach, dachte er, daß es ein Selbstmörder sein mußte, der sein Geld an den Spieltischen verloren hatte.

Das war die Art Geschichten, die man sich über Monte Carlo erzählte, obwohl man auch sagte, daß die meisten dieser Geschichten unwahr waren.

Die Jacht drehte bei, und die Matrosen ließen eines der Boote hinab.

Im letzten Augenblick beschloß der Herzog, selbst in das Boot zu steigen. Er dachte, es wäre besser, wenn er dabei war, falls die Leiche schon lange im Wasser gelegen hatte. In diesem Fall wäre es nicht nur unnötig, sondern auch außerordentlich unerfreulich, sie an Bord zu nehmen.

Er hatte ertrunkene Seeleute gesehen, und ihre aufgedunsenen Gesichter und Leiber konnten den Magen des stärksten und zähesten Seemannes umdrehen.

Der Kapitän hatte die Jacht ungefähr hundert Meter von dem treibenden Menschen entfernt zum Stehen gebracht, und als sie darauf zu ruderten, beugte sich der Herzog vor. Es schien kein Mond, aber die Sterne leuchteten hell. Trotzdem war kaum etwas zu sehen, bis sie direkt neben dem waren, was im Wasser lag.

Dann sah der Herzog zu seinem Erstaunen, daß es der Körper eines Kindes oder einer sehr jungen Frau war, die ein weißes Nachthemd trug.

Ihre Arme waren zu beiden Seiten ausgestreckt. Sie hatte den Kopf weit zurückgeworfen, und das Haar schwamm offen im Wasser. Der Herzog sah, daß sie nicht nur am Leben war, sondern auch eine erfahrene Schwimmerin sein mußte, um so mühelos auf der Oberfläche liegen zu können.

Das Boot fuhr näher an sie heran, und dann hoben die Männer die Ruder und sahen den Herzog erwartungsvoll an.

»Packe sie an der Hand«, sagte er zu dem Mann am Bug.

Seine Stimme erschreckte die Frau. Sie öffnete die Augen und schrie auf.

Als sie das Boot und die Männer sah, drehte sie sich um und wollte wegschwimmen. Aber ein Matrose hatte bereits auf des Herzogs Anweisung hin ihre Hand gepackt.

»Lassen Sie mich los! Lassen Sie mich los! Ich möchte sterben!« schrie sie.

Sie kämpfte verzweifelt und riß sich von dem Mann, der sie festzuhalten versuchte, los.

Sie sank unter die Wasseroberfläche, und einen Augenblick lang glaubte der Herzog, er habe sie verloren.

Aber sie tauchte wieder auf. Inzwischen hatte sich das Boot gedreht, so daß nun der Herzog selbst ihr am nächsten war. Er packte ihren Arm, und es gelang ihm, sie festzuhalten. Sie schlug um sich und protestierte, aber dann ließen plötzlich ihre Kräfte nach.

So leicht sie als totes Gewicht im Wasser war, so schwer war es, sie ins Boot zu ziehen.

Als es dem Herzog schließlich mit Hilfe eines Seemanns gelang, bemerkte er, daß ihre Füße nackt waren und sie nur ein Nachthemd trug.

Es schmiegte sich eng an ihren Körper, und weil sie so zierlich und klein war, hätte man sie leicht für ein Kind halten können, obwohl sie zweifellos eine junge Frau war.

Er ließ das Boot zur Jacht rudern. Die Treppe war an der Seite heruntergelassen worden, so daß der Herzog sie in seinen Armen auf Deck tragen konnte.

Die ganze Mannschaft einschließlich des Kapitäns und Daltons erwarteten sie. Ohne Zeit zu vergeuden trug der Herzog sie in die Kajüte hinunter, gefolgt von Dalton.

Sie war nun bewußtlos, und der Herzog fragte sich, ob sie tot war.

Hastig breitete Dalton dicke Frottierhandtücher auf dem Fußboden aus, und der Herzog legte sie darauf.

»Ich kümmere mich um sie, Euer Gnaden«, sagte Dalton.

 »Nein, hole etwas Kognak und Handtücher.«

»Sehr wohl. Euer Gnaden.«

Der Herzog betrachtete die Frau, die er gerettet hatte, und im Licht der Kajüte bemerkte er, daß er recht gehabt hatte. Sie trug nur ein Nachthemd.

Aber es war ein elegantes und sehr teures Nachthemd.