Mein Dank geht an Peter Windsheimer für das Design des Titelbildes.

Vorwort:

Da Anion immer wieder gesagt hat, dass okkulte Geschichten am besten hermetischen Probleme beleuchten, haben wir uns entschlossen, eine wirklich gute Sammlung von okkulten Geschichten und wirklich interessanten Berichten herauszugeben. Vorab muss ich noch sagen, dass es leider nur sehr wenig okkulte Literatur gibt, die aussagekräftig ist. Unsere Romane, Kurzgeschichten und Tatsachenberichte würden leider untergehen, da sie großteils unbekannt sind. Sie wurden in den frühen 20ern in okkulten Zeitschriften wie „Psyche", „Die magischen Blätter", „Dido", „ZfO", „Prana", „Lotusblühten", „Weiße Fahne", „Asgard" und anderen veröffentlicht und wer kann heutzutage behaupten, alle gelesen zu haben. Wohl die Wenigsten.

Aus diesem Grund veröffentlichen wir all die Geschichten, die gut, sinnvoll und die wir gefunden haben. Ich hoffe, unsere Leser sind mit dem 6. Band dieser Reihe der hermetischen Literatur zufrieden.

1. Studien über Hellsehen E.W. Dobberkau

In meiner letzten Arbeit über Hellsehen versprach ich einen Bericht zu erstatten über Beobachtungen, die ich bei dem Hellseher Theodor Petzold machen konnte. Ich möchte nun mein Versprechen einlösen, indem ich mich auf das beschränke, was ich selbst beobachten konnte, und alles das weglasse, was mir von anderen berichtet wurde. Denn bei Beobachtungen an Mittlern kommt zu viel seelisches in Frage, so dass es für jeden misslich ist, über Mittler zu berichten, da man ja doch nicht imstande ist, alle die seelischen Vorgänge im Mittler zu durchschauen, um eine möglichst richtige Erklärung alles dessen zu erlangen, was man an übersinnlichen Erscheinungen bei ihnen beobachten kann.

Die besten Berichte bleiben immer die eigenen Berichte der Mittler. Doch sind leider diese nur in seltenen Fällen in der glücklichen Lage, in wissenschaftlicher Form sachliche Berichte über ihre Selbstbeobachtungen zu liefern. Wir besitzen eigentlich nur ein einziges Buch in deutscher Sprache, das in dieser Hinsicht von einwandfreiem wissenschaftlichen Werte ist. Dieses Buch ist: „Im Reiche der Schatten, Licht aus dem Jenseits" von Frau E. d´Esperance. Es ist sehr bedauernswert, dass die eigene Lebensbeschreibung unseres größten Mittlers D. D. Home noch nicht vollständig ins Deutsche übersetzt wurde, sie hat vielleicht größeren Wert als viele der dickleibigen Bücher, die in unserm tintenklexenden Jahrhundert über die Geheimwissenschaften verfasst wurden. Nun haben wir allerdings einige ganz vorzügliche Werke über Mittler. Ich nenne nur: J. Kerner, Die Seherin von Prevorst; Dr. W. Bormann, Der Schotte Home; W. v. Pribytkoff, Die Mediumschaft der Frau E. v. Prybitkoff; P. Schnütgen, Die zeitgenössische Geisterseherin von Cöln; M. Wirth, Herrn Prof. Zöllners Experimente mit dem amerikanischen Medium Herrn Slade; Th. Flournoy, Die Seherin von Genf; Prof. Dr. M. Schottelius, Ein „Hellseher"; Dr. A. Freiherr v. Schrenck-Notzing, Materialisations-Phänomene.

Allein alle derartige Werke gestatten uns doch keinen genügend tiefen Blick in das Seelenleben der Mittler gerade in den Augenblicken, wo jene übersinnlichen Erscheinungen sich zeigen. Und dass gerade diese Vorgänge in der Seele des Mittlers von unabschätzbarem Werte sind, wird jeder einsehen, wenn er selbst einmal in der glücklichen Lage war, Mittler zu sein. Deshalb möchte ich auch den folgenden Beobachtungen nur einen bedingten Wert beigemessen haben, insofern als sie über Vorgänge berichten, die ich mir dadurch zu erklären suche, dass ich Rückschlüsse ziehe auf die Seele des Hellsehers.

Nun mochte ich noch die Berechtigung derartiger Rückschlüsse begründen. Mit A. N. Aksakow unterscheiden wir in der Geisterlehre drei Erklärungen: Personismus, Animismus, Spiritismus. Zur Erklärung dieser Ausdrucke mochte ich hier auf das Buch A. N. Aksakows hinweisen: „Animismus und Spiritismus", das grundlegend für unsere Wissenschaft vom Übersinnlichen geworden ist. Des ferneren möchte ich auf das Grundgesetz jeder wissenschaftlichen Forschung hinweisen, das uns sagt, wir sollen so viel wie möglich mit den einfachsten Erklärungen auszukommen suchen und erst dann zum Aufstellen von neuen schreiten, wenn die bisherigen sich als ungenügend erwiesen haben. Wenn wir dementsprechend an die Erklärung übersinnlicher Erscheinungen herantreten, ist der Geisterglaube das letzte, was für uns in Frage kommen kann, und zwar nur in dem Falle, wenn weder Personismus noch Animismus den Fall erklären können. Um das inner- und außerkörperliche Wirken des Menschengeistes annähernd begrenzen zu können, müssen wir über eine genügend tiefe Kenntnis aller seelischen Erscheinungen verfügen, die man meiner Ansicht nach am allerbesten dadurch erringt, dass man selbst in der Lage war, Mittler zu sein von den Erscheinungen, die man zu beurteilen gedenkt, oder aber zum mindesten praktische Seelenforschung getrieben hat. Unter letzterer verstehe ich die Wissenschaften, die uns befähigen, tiefe Einblicke in das Seelenleben eines anderen Menschen zu erlangen. Ich zähle hierzu die Handschriften-Deutungskunde neuerer Richtung, wie sie insbesondere Prof. W. Preyer wissenschaftlich begründete und praktisch von J. Crepieux- Jamin ausgebaut wurde; 2. die Gesichtsausdruckskunde, über die ich als einziges wissenschaftliches Werk nur das von Dr. Th. Piderit: „Mimik und Physiognomik" anerkennen möchte, weil es sich aufbaut auf das Spiel der Muskeln des Gesichtes, die durch das Denken und Empfindungsleben in Bewegung gesetzt werden, um bei oftmaliger Wiederholung desselben Spieles Eindrücke dem Gesicht einzuprägen, die es kennzeichnen. Was sonst noch an Erforschungen des Wesens eines Menschen als „Wissenschaft" gelehrt wird, ist mehr oder weniger zweifelhafter Art, so dass es für die Erforschung der Seele nicht ernstlich in Betracht kommt, wenigstens nicht für unsern Zweck.

Nach dieser langen allgemeinen Einleitung will ich nun meinen Bericht über meine Beobachtungen am Hellseher Theodor Petzold beginnen, der seinerzeit in vielen Orten Deutschlands Sitzungen gab und überall Beweise für die Echtheit seines Hellsehens abgelegt hat, zuletzt in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung. Zu mir kam er als ein lieber Freund, den ich nur ungern wieder scheiden sah, nachdem er mehrere Tage mein Gast gewesen war. Er war ein bescheidener, stiller Mann, mit einem verträumten Gesichtsausdruck und verschleierten, matten Augen, den jeder lieb gewann, wer ihn in seinem Wirkungskreise als Hellseher kennen lernte. So lernte ich ihn kennen. Er befand sich m. E. in einem immerwährenden halbsomnambulen Zustande, der während des eigentlichen Hellsehens in den völlig somnambulen überging. Dass letzteres der Fall war, konnte man an seinen Augen sehr gut beobachten. Er bekam nämlich während des Hellsehens einen stechenden Blick, als sei sein Auge zu einem Glaskristall geworden. Ich sprach davon schon in meiner letzten Arbeit über Hellsehen. Wenn er in einer Sitzung sich in den somnambulen Zustand versenken wollte, so geschah es auf dem Wege der Selbsteingebung unter lebhaften, krampfartigen Arm- und Körperbewegungen und eigenartigen Atembeengungen, die einem mit Schluchzen verbundenen ruckweisen Tiefatmen gleichgestellt werden können. Letzteres veranlasste m. E eine vorübergehende Blutleere des Gehirnes und rief einen Schwindelanfall hervor, der den Eintritt des somnambulen Zustandes entschieden begünstigt. Nach einer kurzen Pause, die nach meiner Beobachtung durch eine kurze Bewusstlosigkeit bzw. tieferen Schwindelanfall bedingt war, stand Petzold von seinem Stuhle auf, hob krampfhaft den rechten Arm in Rednerstellung und sprach dann mit tiefen Brustlauten, fast röchelnd, im Namen seines Schutzgeistes, der angeblich früher Pastor gewesen war. Den Namen desselben habe ich nie verstanden, da seine Sprechweise eine ungewöhnliche ist, was dadurch hervorgerufen wird, dass fortwährend ein eigentümlicher Kehllaut im Hintergrunde der Mundhöhle entsteht. Es dürfte also jene Aussprache keine besondere Mundart sein, sondern ist wohl nur eine Sprechform, die durch einen gewissen Krampfzustand der Zungenwurzel in Verbindung mit der Eigenartigkeit einer gewissen Verzückung des Hellsehers anders als gewöhnlich gebildet wird.

Was nun den Inhalt jener Rede anbetrifft, so richtet sich dieser ganz nach den Eindrücken, die der Hellseher kurz vor seiner Verzückung von den Sitzungsteilnehmern empfängt. Ich las z. B. auf Wunsch des Hellsehers ein Gedicht vor, das als Einleitungsgebet dienen sollte, und wählte zu diesem Zwecke das schöne Gedicht von Luise v. Plönnies „Hast du mich lieb?" Es findet darin die Liebe, die Jesus lehrte, ihren schönsten und ergreifendsten Ausdruck. Demzufolge war auch die Rede Petzolds, die er namens seines Schutzgeistes an uns richtete, eine Rede auf die Liebe, die wir zu allen Menschen haben und ausüben sollen. Da jenes Gedicht wohl einen tiefen Eindruck gemacht hatte, war Petzolds Rede ein gewisser Schwung und eine schöne Form nicht abzusprechen. Anderswo dagegen, wo wohl nur ein allgemeines Sitzungsgebet gesprochen wurde, das kaum einen tieferen Eindruck hervorgerufen haben mochte, war Petzolds Ansprache einer tieferen gemütserhebenden Wirkung bar. Aus diesem Grunde halte ich mich für berechtigt, die Erklärung des Personismus auf jene Ansprachen anzuwenden und bin geneigt, mit Meister du Prel jenen angeblichen Schutzgeist als eine Schöpfung der Traumdichtung anzusprechen, indem ich mich auf du Prels „Philosophie der Mystik" berufe, auf den Abschnitt vom „Traume als Dramatiker". Als weiteren Grund für die Annahme dieser Erklärung möchte ich das noch anführen, dass wir erst dann zur Geisterlehre greifen sollen, wenn wir durch die Wiedererkennung eines Geistes als Verstorbener gezwungen sind, alle anderen Erklärungen als ungenügend zu verwerfen. Letzterer Fall wird wohl nur selten eintreten, so dass wir berechtigt sind, den meisten – jedoch nicht allen – „Geisteroffenbarungen" mit einem gewissen Zweifel entgegenzutreten, es lediglich der persönlichen Überzeugung überlassend, von ihnen als „Geistermitteilung" anzusehen, was so zu erklären gewünscht wird. Wir dürfen aber nie vergessen, dass dies Verfahren wohl in gewissem Sinne persönlich berechtigt sein mag, in keiner Weise aber wissenschaftlich genannt werden darf.

Zwar weiß ich aus Kants „Kritik der reinen Vernunft" sehr wohl, dass es für uns ein bedingungsloses Wissen niemals geben kann, weil wir nie imstande sind, die Wahrheit zu erkennen. Und was Wahrheit ist, das wissen wir aus der Philosophie ganz genau: „Die Wahrheit ist die Übereinstimmung zwischen Vorstellung und Wirklichkeit", sagt du Prel.

Nun hat uns aber die Untersuchung der Sinneswahrnehmungen gelehrt, dass sie alle persönlich gefälscht sind und ein so kleines Stück des Weltgeschehens umfassen, dass wir über die Wahrscheinlichkeitsrechnung niemals hinaus kommen. Wir haben also immer nur mit Wahrscheinlichkeiten zu rechnen und müssen das als zur Zeit wahr ansprechen, was wahrscheinlich der reinen Wahrheit, d. h. der Wirklichkeit, wie sie außerhalb unserer Sinneswahrnehmungen besteht, möglichst nahe kommt. Dies Gefangensein in Wahrscheinlichkeiten berechtigt uns aber nicht, Luftschlösser zu bauen, d. h. das als Wahrheit auszugeben, was wir gern wahr sein lassen wollen. Der Wunsch darf niemals Vater von Erklärungen sein.

Wenn also jener Schutzgeist Petzolds sich als Verstorbener zu erkennen gab, so wäre ich gern bereit gewesen, die Geisterannahme als Erklärung gelten zu lassen. So lange dies nicht der Fall ist, bleibe ich bei der Erklärung durch den Personismus.

Nach jener Traumrede erwachte Petzold unter krampfhaften Armbewegungen und ruckweisem, tiefem Einatmen. Es ist eine Art Zusammenschrecken, das vielleicht durch die Vorstellung Petzolds hervorgerufen wird, dass sein Schutzgeist wieder aus seinem Körper, d. h. dem des Mittlers Petzolds, herausgetreten ist. Sonderbarerweise herrscht nämlich in den Kreisen der Geistergläubigen die Vorstellung, dass Geister vom Körper eines Mittlers Besitz ergreifen können, indem sie in den Mittlerkörper hineinschlüpfen. Es ist dies eine Vorstellung, die vielleicht durch den altindischen Glauben an die Wiederverkörperung entstanden ist. Denn man findet sie besonders dort, wo man auf Allan Kardec als den alleinigen Wahrheitsapostels schwört. (Petzold gehört allerdings nicht zu den Anhängern Kardecs.)

Meiner Ansicht nach ist ein solches Besitzergreifen eines Mittlers von einem Geiste so zu erklären, wie der Hypnotismus, die Erforschung des künstlichen Zwangsschlafes, uns einen ähnlichen Vorgang erklärt hat. Es ist nämlich nicht gerade selten, dass der Zwangsschläfer alle Körperbewegungen nachahmt, die der Einschläferer ausführt, und zwar so blitzschnell, dass man den Eindruck erhält, als ob der Geist des Einschläferers auch den Körper des Zwangsschläfers beherrscht, ein Geist also zwei Körper befehligt. In der sogenannten Echolalie geht dies sogar so weit, dass der Zwangsschläfer alles nachspricht, was der Einschläferer sagt, und zwar in so schneller Folge, als sei der Zwangsschläfer nur das Echo seines Einschläferers. Man erklärt dies durch den sogenannten „magnetischen Rapport", eine Kunstausdruck, der noch immer auf seine wissenschaftliche Erklärung wartet. Das gleiche sehen wir bei den Mittlern, wenn ein Verstorbener, der sich hinreichend als solcher zu erkennen gibt, durch den Mittler spricht, mit der Hand desselben schreibt, und zwar in der ihm zu Lebzeiten eigentümlichen Handschrift, oder das Gesicht des Mittlers derartig verwandelt, als sehe aus seinem Kopfe ein Verstorbener mit dem ihm zu Lebzeiten eigentümlichen Gesichtsausdrucke heraus. Das Ganze findet seine Erklärung durch die Suggestion, den Zwangsbefehl, dem der Mittler wie auch der Zwangsschläfer derartig unterworfen sind dass sich die Persönlichkeit des Mittlers verwandelt in die eines Verstorbenen oder sich zum Echo eines jenseitigen Einschläferers (bei mündlichen Mitteilungen) macht, oder willenslos das niederschreibt (und zwar mit den kennzeichnenden Schriftzügen eines Verstorbenen), was dieser ihm als jenseitiger Einschläferer eingibt. Dies erscheint wohl manchem wunderbar. Es ist dies jedoch nicht seltsam; denn wir wissen, dass das Kennzeichnende einer Handschrift nicht in der körperlichen Beschaffenheit der schreibenden Hand seine Ursache hat, sondern in der geistigen Vorstellung von der Schrift, die daher beim Schreiben mit der Hand, dem Fuße, dem Munde, der linken Hand oder in der Spiegelschrift immer das persönlich Kennzeichnende bewahrt. Ich bitte hierüber in Prof. W. Preyers Buch „Zur Psychologie des Schreibens" nachlesen zu wollen. Mithin ist das Schreiben in der kennzeichnenden Handschrift eines Verstorbenen ein seelischer und körperlicher Vorgang, bei dem in jedem einzelnem Falle zu untersuchen ist, wie weit die im Unterbewusstsein vorhandene Erinnerung an die Handschrift eines Verstorbenen eine Rolle spielt. Gleichzeitig ist in Betracht zu ziehen, dass die Traumvorstellung ein Dramatiker ist, der sehr wohl imstande ist, das als größter Schauspieler darzustellen, wie ein bekannter Verstorbener handeln und denken würde, wenn er noch im Diesseits lebte.

Petzold scheint nach dem Erwachen wieder in seinen gewöhnlichen halbsomnambulen Zustand zu kommen, denn er steht auf (gegen Schluss der Traumansprache setzt er sich nämlich regelmäßig, um das Erwachen abzuwarten, wahrscheinlich ohne Gefahr zu laufen, hinzufallen oder lächerlich zu werden, ein Beweis dafür, dass sein Ich auch in seiner Traumrede wachte); er steht also auf und trinkt etwas Wasser aus einem Glase, dass er sich vor der Sitzung geben ließ und von dem er ziemlich oft einige Schlucke genoss. Ich lege deshalb hierauf Wert, weil erfahrungsgemäß in allen wirklichen Verzückungszuständen die Körperbedürfnisse schweigen und nur im Tiefschlafe der Somnambulen stets die volle Persönlichkeit gewahrt bleibt, wenn schon sie meistens eine oft wunderbare Steigerung erfährt. Letzteres ist dadurch erklärlich, dass das Unterbewusstsein zur Wirksamkeit kommt und die seelisch-körperliche Schwelle des Bewusstseins verlegt wird, wie uns dies du Prel in seinem „Rätsel des Menschen" so schön verständlich macht. Man darf also die Traumrede Petzolds nicht etwa deswegen als über sein Können hinausgehend ansehen, weil er bei vollem Tagesbewusstsein nicht fähig wäre, eine derartige Rede zu halten.

Man hört diese Begründungsweise oft, wenn ein Schriftsteller beweisen. will, dass die Rede eines Mittlers von einem Verstorbenen aus dem, jenseits gehalten worden sein soll. Wie ich schon sagte, ist eine derartige Beweisführung – für die Tatsächlichkeit einer „Geisteroffenbarung" wohl persönlich. Berechtigt, doch niemals als wissenschaftlich anzuerkennen, weil man alle Möglichkeiten in Betracht ziehen muss, ob man nicht ohne die Geisterannahme auskommen kann. Man unterschätzt viel zu sehr die Größe des Menschengeistes! Man ist sogar auf Seiten der Geistergläubigen mehr als zu sehr geneigt, alles als Geistereinfluss anzusehen, was sehr wohl der Schöpferkraft des Menschengeistes entsprungen sein kann und aller Wahrscheinlichkeit nach auch allein dem Erdenmenschen des Diesseits sein Dasein verdankt. Ja man geht an manchen Stellen so weit, dass man die Genialität überhaupt als bedeutende Mittlerschaft ansieht, indem man alles, was dichterischer und künstlerischer Begeisterung entsprang, für Geistereinfluss hält. Für wie klein hält man doch den Geist des Menschen! Ich muss mich hier auf den Standpunkt unseres Meisters du Prel stellen, wie er ihn in seiner „Philosophie der Mystik" zum Ausdruck gebracht hat. Doch nun wieder zu Petzold zurück!

Nach seinem Erwachen lässt er sich von einem Sitzungsteilnehmer einen Gegenstand geben, z. B. einen Ring, eine Taschenuhr oder ähnliches. Dies umschließt er fest mit seiner Hand und sucht hierdurch mit dem Besitzer des Gegenstandes in „magnetischen Rapport", in magische Beziehung zu treten. Es gelang ihm dies auch in den meisten Fällen. Manchmal gelingt es ihm jedoch nicht, weshalb er alsdann einen völligen Misserfolg zu verzeichnen hat. Dies ist eine ganz gewöhnliche Erscheinung im künstlichen Tiefschlafe. Von der „Seherin von Prevorst" wird berichtet, dass ihr einige Menschen derartig zuwider waren, dass sie durch deren magische Einwirkung, die sich oft auf nichts weiter als auf bloßes Berühren oder auch nur Ansehen beschränkte, schwere körperliche Schädigungen erfuhr. Nun war aber auch die Seherin mit so schwacher Nervenkraft begabt, dass solches sie gleich so schädigte, weil sie diesem schädlichen magischen Einflusse fast gar keine Widerstandskraft entgegensetzen konnte. Bei Mittlern mit stärkerer Nervenkraft wird es nicht zu Schädigungen kommen, da dies naturgesetzlich nicht gut möglich ist. Es wird in solchem Falle nichts weiter geschehen, als dass die Herstellung der magischen Beziehung nicht gelingt. So auch bei Petzold. Da er sich aber einbildet, jedem Sitzungsteilnehmer Geistergestalten beschreiben zu müssen, weil er ja zu diesem Zwecke zur Sitzung kam, so wird der Wunsch Vater der Einbildung und die Traumvorstellung malt seinem Geiste Gestalten vor und lässt sie ihm in gewohnter Weise derartig körperlich erscheinen, dass er „Geister" zu sehen glaubt und sie als solche beschreibt. Natürlich werden sie nicht erkannt! Das ist eine Erklärung der Misserfolge Petzolds, die viel Wahrscheinlichkeit für sich hat und daher wohl in manchen Fällen Anwendung finden könnte. Eine andere Erklärung wäre die, die von den Geistergläubigen gern angewandt wird, nämlich, dass der, dem Petzold einen „Geist" beschreibt, sich jenes Verstorbenen nicht mehr erinnert. Diese Erklärung hat sich in vielen Fällen als richtig erwiesen, insofern als die betreffenden Verstorbenen demjenigen nach längerem Nachsinnen wieder ins Gedächtnis kamen, dem sie Petzold beschrieb als Verstorbene, die er gekannt haben soll. Einige Male kam es auch vor, dass Petzold einen „Geist" beschrieb, der von dem nicht erkannt wurde, dem er einen Ring oder einen anderen Gegenstand entliehen hatte, um mit ihm in magische Beziehung zu treten, wohl aber von einem anderen Sitzungsteilnehmer. Petzold war also mit diesem in magische Beziehung gekommen ohne irgendwelche weitere Verbindung, als allein durch Gedankeneinwirkung. Dass er für letztere außerordentlich empfänglich war, davon konnte ich mich während der Sitzungen wiederholt überzeugen. Es kam mehrfach vor, dass sich Petzold bei der Beschreibung von körperlichen Zuständen oder Wesenseigenarten derjenigen aufhielt, mit denen er in magischer Beziehung stand. Ich konnte alsdann manchmal beobachten, dass dies von dem betreffenden Sitzungsteilnehmer peinlich empfunden wurde, wenigstens konnte ich dies in dessen Gesichtsausdruck ablesen. In solchem Falle suchte ich Petzold durch stumme Gedankenbefehle auf das zu bringen, was mehr erwünscht war, nämlich auf die Beschreibung eines Geistes. Ich richtete also auf Petzold etwa folgenden Gedankenbefehl: „Du wirst jetzt einen Geist sehen und ihn beschreiben!" Der Erfolg dieses stummen Gedankenbefehls war oft für mich sehr überraschend. Denn Petzold schwieg nach dem stummen Ausdenken eines solchen Befehls fast immer sofort still, indem er jäh seine bisherigen Ausführungen abbrach, um bald darauf in seiner beliebten Weise fortzufahren: „Ich sehe einen geistigen Freund." Und meistens wurde ein derartig hervorgerufenes Hellgesicht mit Erfolg gekrönt, insofern als der beschriebene Geist fast immer sofort als Verstorbener erkannt wurde.

Um nichts zu vergessen, will ich dahin wieder zurückkehren, was Petzold tat, nachdem er einen Ring oder einen anderen Gegenstand erhalten hatte. Er umspannte den Gegenstand fest mit der einen Hand, und mehrmals den Arm auf und abbeugend ging er von seinem Stuhle bis zum Kreise der Sitzungsteilnehmer sinnend auf und ab, rückwärts immer wieder zu seinem Stuhle zurückkehrend. Zuweilen starrte er dabei sinnend nach oben oder auf eine bestimmte Stelle des Fußbodens, in allem also einem Menschen gleichend, der in tiefstem Nachdenken und Nachsinnen sich befindet. In Wirklichkeit war das auch der Fall. Nur verlief sein Nachsinnen unter der Schwelle des Bewusstseins und zwar so lange, bis die auf übersinnlichem Wege empfangenen Eindrücke so stark wurden, dass sie die Schwelle des Bewusstseins durchbrechen konnten, um durch die Traumvorstellung hindurch ins Tagesbewusstsein hinüberzutreten. Diese Anschauungen werden neu und verwunderlich erscheinen. Doch kann ich mir das Folgende nur in dieser Weise erklären. Petzold sah nämlich bald darnach Sinnbilder, die er zu deuten suchte, einesteils als Erkenntnisse des Betreffenden, dessen Ring er in der Hand drückte, oder als Sinnbilder, unter denen das Wesen oder geistige Innenleben des betreffenden Sitzungsteilnehmers dargestellt sein sollte.

So sah er einmal ein Gesetzbuch und Akten aufgeschlagen vor sich liegen und eine Hand, die auf deren Seiten hinwies. Petzold deutete dies als einen Rechtsstreit, den jener durchgemacht hatte. Ein andermal sah er einen Brunnen und ein kleines Kind, was er so deutete, dass ein Kind, des betreffenden Sitzungsteilnehmers in einem Brunnen verunglückt war. Manchmal war seine Deutung des gesehenen Bildes nicht richtig. Wenigstens konnte sich der Betreffende an nichts von dem erinnern, was nach Petzolds Deutung geschehen sein sollte.

Es war in diesem Falle sicher, nur die Deutung falsch, das Bild hatte wohl seine volle Berechtigung, und eine richtige Deutung wäre für den Betreffenden von großem Werte gewesen. Aus dieser Art des Hellsehens sieht man jedoch, dass bei ihr die Traumvorstellung eine Hauptrolle spielte. Denn genau in derselben Weise entstehen auch unsere Träume. Niemals denken wir im Traume in begrifflicher Form; jeder Gedanke verwandelt sich vielmehr in ein Bild, so dass der ganze Traum nichts weiter ist als eine lange, ununterbrochene Reihe von Bildern, die vor unserem geistigen Auge vorüberziehen. So empfängt Petzold Eindrücke, die sich in Bilder verwandeln in dem Augenblicke, wo sie an der Schwelle des Bewusstseins von einem Prisma gebrochen werden, als Sinnbilder vor die Traumvorstellung treten und vom Tagesbewusstsein Petzolds genau so zu deuten gesucht werden, wie es die alten Griechen mit den Orakeln ihrer Wahrsagerinnen auch gemacht haben. Daher auch zuweilen die Misserfolge Petzolds, sie sind auf eine unrichtige Deutung des gesehenen Bildes zurückzuführen.

Außer dieser Form des Hellsehens zeigte sich bei Petzold auch das Hellfühlen. Er empfindet unter der Einwirkung der magischen Beziehung alle körperlichen Schmerzen, Krankheiten und sonstigen körperlichen Störungen, die dem eigentümlich sind, mit dem er in magischer Beziehung steht. Es ist diese Erscheinung aus der „Seherin von Prevorst" genügend bekannt, so dass ich auf ihre Erklärungen nicht weiter eingehen möchte, die aufgestellt wurden, dies Hellfühlen verständlich zu machen. Im Grunde genommen gehen alle Erklärungen auf unsern übersinnlichen Gebieten auf die Tatsache zurück, dass in gewissen Zuständen des Bewusstseins im Menschen ein geistiges Ich erwacht, das mit geistigen Sinnen die geistige Welt durchschaut und viel tiefere Einblicke in das Werden und Vergehen der Natur tun kann, als es uns mit unseren körperlichen Sinnen möglich ist. Demnach ist eine andere Bezeichnung des „Hellfühlens" viel richtiger, die „Innschau" lautet, da tatsächlich das geistige Auge des geistigen Menschen es ist, das den Körper eines anderen Menschen besser durchschauen kann, als wir es mit Röntgenstrahlen fertig bringen.

Nun kommt noch hinzu, dass sich in der magischen Beziehung Empfindungen von Leibesstörungen übertragen, die dem durchschauten Menschen eigentümlich sind. Dies beruht auf Gedankenübertragung. Nur müssen wir das als Tatsache zugestehen, dass sich auch Empfindungen übertragen, die dem anderen gewöhnlich unbewusst bleiben und nur in Krankheitsfällen sich derartig steigern, dass sie die Grenzen des Unterbewusstseins überschreiten und zum Gehirnbewusstsein geleitet werden. Dort werden sie dann als Unbehagen, Unwohlsein oder gar als Krankheitsschmerzen empfunden. So beschrieb Petzold oft Körperstörungen, die er bei einem andern hellfühlend wahrnahm; es steigerten sich diese Eindrücke bei ihm zuweilen derartig, dass er die Schmerzen am eigenen Leibe mitempfand, die bei dem andern in beschriebener Weise vom Unterbewusstsein zum Gehirnbewusstsein geleitet und dort als Schmerzen empfunden wurden. In besonders heftigen Formen des Krankseins, die mit Lähmungen verbunden waren, stellten sich bei Petzold Lähmungen des betreffenden Gliedes ein, und Schmerzen entstanden so heftig in ihm, als, sei er selbst von der Krankheit gequält, die in Wirklichkeit dem anderen angehörte. In diesem Falle wurde die Mitempfindung von Schmerzen und Lähmungen bei Petzold so groß, dass in der Vorstellung dieselben Eindrücke auf die Nerven hervorgerufen wurden, wie sie umgekehrt beim Kranken der Körper verursachte. Ich hoffe, richtig verstanden zu sein! Beim Kranken verursacht der Körper im Unterbewusstsein und durch seine Nervenverbindungen im Gehirn Empfindungen, die vom Oberbewusstsein als Schmerzen in den betreffenden Körperteilen empfunden werden. Bei Petzold löste die Vorstellung und das geistige Mitempfinden von Schmerzen im Gehirne Nerveneindrücke aus, die das Bewusstsein dorthin verlegte, wo sie sein müssten, wenn die betreffende Krankheit im Körper Petzolds Schmerzen verursacht hätte.

Dieser seelisch-körperliche Vorgang ist naturwissenschaftlich von großer Wichtigkeit. Denn er beweist den Materialisten mit größter Gewissheit, dass der Geist nimmer ein Erzeugnis aller Lebensvorgänge des Körpers sein kann. Vielmehr ist er Baumeister desselben. Er schuf sich den Körper fürs Erdenleben und formte ihn zum Menschen in dem Hin- und Herfließen der Stoffe: Im Stoffwechsel. Im Grunde genommen ist unser Wissen vom den Wirkungen eines Zwangsbefehles schon ausreichend, den Materialismus über den Haufen zu werfen, da durch die Wirkung eines Zwangsbefehles die Herrschaft des Geistes durch seine Vorstellung über den Körper hinreichend wissenschaftlich bewiesen wird.

Derartige Lähmungen, die bei Petzold eintraten, zeigten sich besonders an seinen Fingern und Beinen. Er zeigte uns z. B. wiederholt Lähmungen der Hände oder nur einzelner Finger, die dem betreffenden Verstorbenen zu Lebzeiten eigen waren, den Petzold gerade hellsehend wahrnahm und beschrieb. Einmal sah ich Petzold in derselben Weise mit gelähmtem Knie hinken, wie der beschriebene Verstorbene gehinkt hatte. Wie gesagt, alle diese Erscheinungen sind in physiologischer Hinsicht ebenso zu erklären wie die Echolalie, wie die willenslose Nachahmung bei Zwangsschläfern. Es sind übertragene Empfindungen, die sich nach den Gesetzen der magischen Beziehung im Körper des Mittlers und Zwangsschläfers verwirklichen und in ihm dieselben Zustände hervorrufen wie die, die den Körper dessen quälen, mit dem der Mittler, Zwangsschläfer oder Hellfühler in magischer Beziehung steht.

Nun hätte ich noch zu erklären, wie es möglich ist, dass Petzodl den Charakter und das ganze geistige Sein eines anderen so überraschend genau durchschauen konnte, wie er uns dies vorführte. Wir finden diese Erscheinung bei allen Tiefschläfern, ja sie wirft in die unterbewusste Zu- und Abneigung ihren dunklen Schatten und kommt besonders bei Kindern und Tieren als Naturtrieb recht deutlich zum Vorschein.

Ich erkläre mir dies Durchschauen eines anderen Charakters als eine Wahrnehmung mit den geistigen Sinnen des geistigen Menschen, die die Schwelle des Bewusstseins nur teilweise durchbricht und daher meist als triebmäßige Abneigung zum Vorschein kommt, weil diese in einer stärkeren seelischen Erregung ihren Grund hat. Besonders gern erzählt man sich, dass der erste Eindruck, den ein Fremder auf uns macht, der sein soll, der maßgebend für dessen Charakter ist, und dass selten ein Irrtum in dieser Hinsicht sich herausgestellt hat. Diese alte Anschauung würde ebenfalls in der Tätigkeit der geistigen Sinne ihre Begründung haben, und es spricht vieles dafür, dass diese Erklärung wahrscheinlich richtig ist. Ich erinnere nur an Zschokkes sog. „Zweites Gesicht", von dem er so Wunderbares zu erzählen wusste.

Er erzählt nämlich, dass es ihm sehr oft vorkommt, dass er im Gespräche mit Fremden, die er zum ersten Male sieht und hört, in einen eigenartigen traumhaften Zustand gerät, in dem ihm das Bewusstsein der Sprache und des körperlichen Aussehens des Fremden schwindet, statt dessen aber von seinem „geistigen Auge" sich Bilder darstellen, die in rascher Folge vorüberziehen und Vorgänge aus dem Leben dessen vorführen, dem er zum ersten Male in seinem Leben gegenüber sitzt. Erst wusste Zschokke nicht, was er von jenen Bildern halten sollte. Als er aber anfing, von ihnen zu erzählen, war er erstaunt zu hören, dass diese Hellgesichte Vorgänge darstellten, die in der Erinnerung des betreffenden Fremden als Erlebnisse ihres Lebens schlummerten. Zschokke konnte jedoch davon niemals etwas wissen, was jene erlebt und getan hatten. Hier finden wir dasselbe, was uns Petzold zeigte: Das Lesen im Gedächtnis eines anderen ohne eine andere Möglichkeit des Wissens, als sie durch Gedankenübertragung durch das Unterbewusstsein möglich ist. Nur war bei Zschokke diese Art der Gedankenübertragung besser ausgebildet wie bei Petzold. Denn bei letzterem erstreckt sie sich lediglich auf einige Sinnbilder und auf die Kennzeichnung des geistigen Seins dessen, mit dem er in magischer Beziehung steht. Immerhin ist durch Petzold der Beweis dafür erbracht, dass es eine unbewusste Gedankenübertragung und ein Lesen in dem Gedächtnis eines anderen gibt. Dieser Beweis ist sehr wichtig für die Widerlegung des Materialismus. Soweit ist bei Petzolds Hellsehen mich alles durch Gedankenübertragung und durch den Traum als Dramatiker, im Sinne du Prels, zu erklären, also als Erscheinung des magischen Tiefschlafes.

Nun aber komme ich zu denn Sehen von Geistergestalten, die nach der Beschreibung zweifelsfrei als Verstorbene erkannt wurden. Hier möchte ich die Erklärung vorausschicken, dass ich persönlich sehr geneigt bin, in den meisten Fällen die Erklärung des Sehens von Geistergestalten zu Hilfe zu nehmen. Als strenger Wissenschaftler werde ich mich jedoch bemühen, so vorsichtig wie möglich zu bleiben und mit den einfachsten Erklärungen auszukommen suchen, d. h, ohne die Erklärung des Geistersehens. Persönlich stehe ich jedoch hier auf dem Boden des Spiritismus. Doch darf uns selbst die sichere persönliche Überzeugung nicht hindern, streng wissenschaftlich zu bleiben und erst das als wahr anzusehen, was sich einwandfrei beweisen lässt. Und das ist bei persönlichen Überzeugungen leider gar selten der Fall! Ob man bei dieser vielleicht allzu großen Zweifelsucht immer im Rechte ist, möchte ich dahingestellt sein lassen. Ich kann mich auch nicht entschließen, den Standpunkt als richtig anzusehen, der verschiedene bedeutende Forscher noch immer nicht bewogen hat, sich von der Wirklichkeit verkörperter Geister überzeugen zu lassen, trotzdem sie diese ebenso wissenschaftlich genau untersuchten, fotografierten, auf ihr Gewicht abwogen, auf den Widerstand ihres Körpers gegen den elektrischen Strom prüften oder Paraffin-Abgüsse von ihren Körperteilen nahmen, wie man dies alles nur ebenso genau bei lebenden Menschen ausführen kann. Mir deucht, wenn diese Forscher sich trotzdem noch immer nicht zum Geisterglauben bekennen konnten, so huldigen sie einer Zweifelsucht, die zu Widerlegen keine Möglichkeit besteht, weil es keine Wissenschaft und kein Können auf unserer Erde gibt, die zur Besiegung eines solchen zu weit getriebenen Zweifels ausreichen könnten. Ich erinnere daran, dass es nach Kant reine Wahrheit für uns nicht gibt und niemals geben kann, weil wir nicht imstande sind, das „Ding an sich", die außerhalb unserer Sinneswahrnehmungen bestehende Welt zu erkennen, wir also aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung nie herauskommen können. Doch ich will mit niemand rechten, denn in wissenschaftlichen Folgerungen kann man nicht vorsichtig genug sein, noch dazu, wenn man einen guten Ruf als Gelehrter hat. Mir kommt es jedoch nicht darauf an, „menschliche, allzu menschliche" Anschauungen auszusprechen, auf die Gefahr hin, dass ich von den strengen Wissenschaftlern nicht für voll genommen werde. Denn ich bin der vollen Überzeugung, dass unsere okkultistischen Anschauungen über lang oder kurz doch zu der Geltung und allgemeinen Wertschätzung kommen werden, die sie vollauf verdienen. Petzold fängt seine Geisterbeschreibungen stets mit den Worten an: „Ich sehe einen geistigen Freund", und unterbricht seine Beschreibung oft mit den Worten: „Zeige dich deutlicher, lieber Freund, bitte etwas deutlicher!" Was er sieht, ist ihm also nicht immer klar, die Gestalten verbleichen oft vor seinem Auge wie Nebelschatten, die körperlos in unsern Träumen uns erscheinen und hinwegschwinden, so vollständig und ohne irgend etwas Körperliches zu hinterlassen, wie es nur die Geister der Spiritisten tun können – oder auch Traumerscheinungen der dichtenden Vorstellungskraft. Während seiner Beschreibung sieht Petzold nicht etwa nach einer bestimmten Ecke oder einem bestimmten Raume des Zimmers, er sieht vielmehr meist seitwärts nach oben und umkrampft dabei in der geschlossenen Hand den Ring oder anderen Gegenstand, den er von einem Sitzungsteilnehmer erhielt, zu dem er auf diese Weise in magische Beziehung trat. Wenn die Geistergestalt seinem geistigen Auge entschwinden will, so führt Petzold meistens Bewegungen mit den Armen aus, als ob er einen Einfluss an sich heranziehen oder abwehren will, durch den sein Hellsehen verstärkt oder vermindert wird. Im ersteren Falle, erklärte er mir, will er den Geist an sich heranziehen, die Verbindung zwischen sich und dem Geiste inniger machen, um ihn deutlicher sehen zu können. In letzterem Falle will er störende Einflüsse anderer Geisterfreunde von sich abwehren, um nur mit einem Geiste in Verbindung zu bleiben und ihn genauer beschreiben zu können. Diese Anschauungen können berechtigt sein und der Wahrheit sehr nahe kommen. Allein sie machen nicht die Erklärung der Gedankenübertragung und die des Lesens im Gedächtnis eines anderen Menschen unmöglich. In letzterem Falle würde die Traumvorstellung die Künstlerin sein, die die übertragenen Erinnerungsbilder körperlich erscheinen lässt, ihnen Leben einhaucht, so dass Petzold Geister zu sehen glaubt, wo er in Wahrheit nur Erinnerungsbilder beschreibt die er unbewusst und als Somnambuler dem unterbewussten Gedächtnisse des höheren Ichs des anderen entnommen hat. Für diese Anschauung spricht die Tatsache, dass Petzold seine Geisterbeschreibungen meistens mit Worten und Ausdrücken beginnt, die so allgemein gehalten sind, dass sie eigentlich nichts Genaues besagen und sicher zu keiner Wiedererkennung eines Verstorbenen führen könnten. Allein nach den ersten Worten Petzolds beginnt sein besonderer Zuhörer, mit dem er in magischer Beziehung steht, in den Blättern seines großen Gedächtnisbuches zu suchen, ob auf ihnen nicht irgendwo ein Verstorbener eingezeichnet ist, auf den die Worte Petzolds passen könnten. Und siehe, es findet sich ein Verstorbener im Gedächtnisse abgebildet. Das Bild desselben tritt im nächsten Augenblicke klar vor die Seele und – Wunder über Wunder – Wort für Wort passen nun alle weiteren Beschreibungen Petzolds auf diesen einen Verstorbenen, der denn auch sofort als anwesend angenommen wird. Dass in sehr vielen Fällen in dieser Weise „Geistergesichte" entstanden, ist sehr wahrscheinlich. Allein dass es immer so war, möchte ich doch dahingestellt sein lassen. Zwar kann ich für diese Annahme keinen einwandfreien Beweis erbringen. Denn dieser wäre erst dann möglich, wenn Petzold einen Geist beschrieben hätte, den nach allen Nachforschungen niemand von den Anwesenden, Petzold mit eingeschlossen, jemals gekannt hat und von dessen Dasein niemand etwas bekannt sein konnte. Doch lässt sich ein solcher Beweis jemals erbringen? Ich glaube diese Frage mit einem zuversichtlichen Nein beantworten zu dürfen. Denn wir Erforscher des Übersinnlichen müssen immer mit dem unterbewussten Gedächtnisse rechnen, und was dies alles enthält, ist keinem Menschen zu sagen möglich. Irgend wann und irgendwo kann doch einer der Sitzungsteilnehmer irgendetwas von einem Verstorbenen gesehen, gehört oder gelesen haben, was seinem bewussten Gedächtnisse völlig entschwunden ist. Das Unterbewusstsein in ihm hat diesen Eindruck jedoch mit der Treue und Genauigkeit einer Lichtbildplatte festgehalten und durch Zufall überträgt sich gerade dieser flüchtige Eindruck, der von selbst nicht wieder ins Tagesbewusstsein zurücktreten kann, auf Petzold; er wird von dessen Traumvorstellung körperlich dargestellt und von Petzold als Verstorbener beschrieben, den niemand im Kreise der Sitzungsteilnehmer kennt; nach näheren Nachforschungen stellt es sich jedoch heraus, dass es wirklich einen solchen Menschen gegeben hat, der auch schon verstorben ist. Spiritisten wird das als Beweis für ihren Geisterglauben genügen und mit Genugtuung werden sie der Welt verkünden, dass es wieder gelungen ist, einen Verstorbenen wiederzuerkennen, so dass niemand mehr an der Wahrheit der Geisterlehre zweifeln darf. Doch ist eine derartige Beweisführung wissenschaftlich? Sicher nicht! Meinem persönlichen Dafürhalten nach dürften jedoch die Spiritisten in sehr vielen Fällen Recht haben. Denn bei obiger Art des Schlussfolgerns dürfte eine andere Erklärung als die des Animismus im Sinne Aksakows beim Hellsehen niemals anwendbar sein. Immer lässt sich folgern, dass das betreffende Erinnerungsbild des beschriebenen Verstorbenen in irgendeinem der Anwesenden vorhanden ist, ohne dass er es weiß und ohne dass es möglich ist, nachzuweisen, ob es so ist oder ob doch ein echtes Hellsehen eines anwesenden Verstorbenen vorliegt.

Wir setzen uns also mit der animistischen Erklärung völlig auf den Strand und es ist keine Möglichkeit vorhanden, im Diesseits das Rätsel zu lösen, das uns über die Tragweite der animistischen Erklärung aufgegeben wird.

Die einzige Möglichkeit wäre, alle Anwesenden in magischen Tiefschlaf zu versenken, um ihr Gedächtnis zu durchforschen, ob nicht irgendwo in einem vergessene Winkelchen des unterbewussten Gedächtnisses jenes Bild zu finden ist, das uns der Hellseher als sein Hellgesicht beschrieb. Doch würden wir auch so keine sichere Gewissheit erlangen über die richtige Erklärung des Hellgesichtes, denn wer bürgt uns dafür, dass die Aussagen der Tiefschläfer auch richtig sind? Man täuscht sich so leicht über die Tiefe des magischen Schlafes und der Tiefschläfer ist so sehr der Gedankenübertragung zugänglich – und sei es auch unbewusst, dass jenes Erinnerungsbild ihm übertragen sein kann von irgendeinem Unbekannten. Auch die Traumvorstellung kann als Fälscherin auftreten, so dass der Tiefschläfer sich einbildet, jenen vom Hellseher beschriebenen Verstorbenen gekannt, von ihm gehört oder gelesen zu haben. Wer kann eine wissenschaftliche Untersuchung durchführen, wo alles schwankender und schwindender Boden ist? Es bleibt uns also nichts weiter übrig, als solange mit unserer wissenschaftlichen Erklärung des Rätsels zu warten, bis wir alle gestorben, wo wir dann hoffentlich genau zu sagen imstande sind, ob wir die Quelle jenes Hellgesichtes waren oder ob der beschriebene Verstorbene wirklich als Geist anwesend war.

Wenn wir das nicht wollen – und das wird niemand wollen, der nicht auf diesseitige wissenschaftliche Forschungen verzichten will –, haben wir noch zwei mögliche Erklärungen: Entweder man entschließt sich endgültig für die animistische Erklärungsweise oder man nimmt sowohl die animistische als auch die spiritistische Erklärung als richtig an und sucht in jedem einzelnen Falle festzustellen, welche Erklärung höchster Wahr scheinlichkeit nach die richtige ist. Auf diesem letzteren Standpunkt stelle ich mich und erkläre ausdrücklich, dass verschiedene Geisterbeschreibungen Petzolds meiner Ansicht nach auf echt spiritistischem Wege entstanden sind. Denn seine Beschreibung kennzeichnete zuweilen sofort einen Verstorbenen so genau, dass eine Verkennung ausgeschlossen und doch niemand unter den Anwesenden war, der sich eines Verstorbenen von beschriebenem Aussehen erinnern konnte. Erst nachträglich stellte es sich heraus, und zwar durch solche, die der Sitzung nicht beigewohnt hatten, dass es einen Verstorbenen gab, auf den Petzolds Beschreibung genau passte, oder aber es fiel dem einen oder anderen nachträglich, oft lange Zeit nach der Sitzung ein, dass Petzolds Beschreibung genau mit dem Aussehen eines längst vergessenen Verstorbenen übereinstimmte.

Mögen zweifelsüchtige und überpeinliche Forscher in solchen Fällen zur animistischen Erklärung ihre Zuflucht nehmen, ich für meinen Teil bekenne hier meine Vorliebe für die Geisterlehre und will deshalb gern den Vorwurf der „Unwissenschaftlichkeit" auf mich nehmen, weil mich 20 Jahre lange Erfahrungen als Hellseher zwingen, an das Dasein von Geistern zu glauben. Wiedererkennungen beschriebener Art habe ich bei Petzold mehrere erlebt. In mehreren Fällen, wo ein scheinbarer Misserfolg Petzolds in der Beschreibung eines Verstorbenen anfänglich festzustellen war, stellte sich später doch die Richtigkeit seiner Aussagen heraus. Es kann also keine Rede davon sein, dass an der Echtheit seines Hellsehens zu zweifeln ist, selbst wenn auch dann und wann ein völliger Misserfolg zu verzeichnen war.

Wie sieht nun Petzold die Geister und mit welchen Worten beschreibt er sie? Diese Fragen zu beantworten, ist vielleicht Petzold am besten in der Lage. Aber leider ließ er sich niemals zu Erklärungen herbei, weshalb ich gezwungen bin, den ersten Teil der Frage hier unbeantwortet zu lassen. Ich werde jedoch in meinem nächsten Aufsatze, der mein eigenes Hellsehen behandeln wird, psychologisch an diese Frage herantreten und hoffe sie auch ausreichend beantworten zu können. Unter Hinweis auf die Einleitung dieser Arbeit in Bezug auf die Möglichkeit und Berechtigung einer wissenschaftlichen Klarlegung der Erscheinungen an magischen Tiefschläfern und Mittlern, gehe ich hin zur Beantwortung der Frage über, in welcher Weise Petzold seine Hellgesichte beschreibt. Unter allen Beschreibungen Petzolds in Bezug auf Geistererscheinungen herrscht eine eigenartige Ähnlichkeit. Es sind immer dieselben Ausdrücke, Rede-Wendungen und Beschreibungen, die für einen Dritten so sehr allgemein gehalten sind, dass er aus ihnen wohl niemals einen Verstorbenen erkennen würde, selbst wenn man ihm nicht nur das Lichtbild, sondern auch die lebenswahre mit Farben übermalte Bildsäule desselben Verstorbenen vorführen würde. Ich habe wiederholt die Stenogramme von Petzolds Worten durchgelesen, bin aber immer wieder zu denselben Schlüssen gelangt. Selbst während der Sitzungen habe ich mich oft darüber gewundert, dass man auf Grund seiner wenig kennzeichnende Worte jemand wiedererkennen wollte, und wunderte mich gar nicht, als einmal ein sehr ungläubiger und vorsichtiger Sitzungsteilnehmer zu Petzold sagte: „Ich glaube den Beschriebenen zu kennen. Allein Ihre Beschreibung ist mir zu allgemein, zu wenig kennzeichnend! Können Sie mir nicht besondere Kennzeichen sagen, an denen der Verstorbene zu kennen war?" Oft konnte Petzold in solchen Fällen einen derartigen berechtigten Wunsch erfüllen und gab besondere Kennzeichen an, nachdem er den Geist gebeten hatte, sich deutlicher zu zeigen und insbesondere das gewünschte Kennzeichen erkennen zu geben. Manchmal hörte Petzold auch mit großer Anstrengung ein Wort, einen Namen oder ähnliches, das, wie er sagte, ihm von dem Geiste zugerufen wurde. Ein andermal wurde ihm ein Vorgang hellsehend vorgeführt, der in Beziehung zu dem Geiste stand und an dem er dann auch sofort erkannt wurde.

Trotzalledem war dies alles für einen Dritten, der den Verstorbenen nicht kannte, so wenig kennzeichnend, dass er nach der Beschreibung Petzolds sicher nicht den betr. Verstorbenen erkannt hätte, den er zu Lebzeiten nicht kannte, dessen Bild ihm aber vorgelegt wird. Petzold beschrieb auch oft Gewohnheiten, die dem Verstorbenen eigentümlich waren, z. B. das Drehen an einem Schlüssel, den er oft in die Hand zu nehmen pflegte, das Spielen an der Uhrkette mit der rechten Hand, oder die Haltung des Kopfes und andere ähnliche Gewohnheiten. Wiederholt trat bei Petzold eine teilweise Körperlähmung ein, die er an seinem eigenen Leibe empfand und aus der er folgerte, dass sie den betr. Verstorbenen zu Lebzeiten quälte. Einige Male konnte Petzold aus solchen Schmerzen das Leiden nennen, das den Tod jenes Geistes verursacht hatte. Auch den Charakter des Verstorbenen kennzeichnete Petzold zuweilen so gut und treffend, dass schon hierdurch die Wiederkennung möglich war: Doch, wie gesagt, für einen Dritten war dies alles zu allgemein und kein Beweis dafür, dass Petzold einen ganz bestimmten Verstorbenen beschrieb. Aus diesem Grunde sind viele Forscher der Ansicht, dass die Wiedererkennung eines Verstorbenen noch niemals durch Hellseher oder Mittler möglich war, weil alles von ihnen Vorgebrachte zu allgemein gehalten ist, als dass es für einen Dritten als Beweis dienen könnte. Allein überlegen wir uns einmal, ob eine derartige strenge Beurteilung berechtigt ist. Untersuchen wir, ob es überhaupt möglich ist, aus einer Beschreibung, die von keiner bildlichen Darstellung gestützt und erläutert wird, einen bestimmten Verstorbenen zu erkennen. In seinem zu neuen Erkenntnissen anregenden Buche: „Ist das Tier unvernünftig? Neue Einblicke in die Tierseele" hat Dr. Th. Zell nachgewiesen, dass wir alle Säugetiere – den Menschen eingeschlossen in zwei Gruppen zu teilen haben, die in zwei von einander grundverschiedenen Welten leben: In Augentiere und Nasentiere. Zu letzteren gehören alle „Schnüffler", deren Augen schwachsichtig, weshalb die „Schnüffler" ganz auf ihren Geruch angewiesen sind, wenn sie sich von der Welt einen genügenden Begriff oder eine richtige Vorstellung machen