1. Bei naturmystischen bzw. schamanischen Gedichten handelt es sich gewissermaßen immer um beschwörende Gesänge. Besondere Kräfte und Energien der Natur werden angerufen, herbeigerufen, ins Leben gerufen.
2. Naturmystik hat nichts mit Phantasie, bloßer Träumerei oder gar Spielerei zu tun. Alles hat einen Bezug zum ganz Konkreten, Realen. Plätze (z.B. das heilige Tal) in der Natur sind tatsächlich vorhanden.
3. Naturmystische Gedichte bzw. Gesänge stehen in einem Kontext. Das schamanische, naturverbundene oder naturmystische Weltbild ist wichtig, ist zentral. Dieses muss man kennen, um die Texte ganz verstehen zu können.
4. Beim Lesen der Texte könnte man schamanische Musik oder Musik von Naturvölkern hören. Dies könnte die Rezeption und das Verständnis fördern.
5. Trance, in welcher Form auch immer, spielt im Schamanismus eine wichtige Rolle. Die Form meiner Texte spiegelt das teilweise wider. Deshalb auch die Wiederholungen und das „Spiel“ mit Variationen. Bei manchen Gedichten ist es sogar besser, diese mehrmals zu lesen, so wie man auch häufig Mantren singen oder Gebete sprechen muss, um in eine Trance zu gelangen. Ein nur distanzierter und rationaler Zugang ist a priori unzureichend.
6. Naturmystische bzw. schamanische Gedichte drücken eine sehr tiefe Liebe zur wilden Natur aus, was natürlich impliziert, dass die Umwelt- und Naturzerstörung als besonders schmerzlich empfunden wird. Anders formuliert: hinter negativen Aspekten der gegenwärtigen Weltkultur steht immer eine positive Sichtweise und Wertschätzung der ursprünglichen Natur. Hauptsächlich geht es auch bei aller Kulturkritik um diese.
7. Zum Begriff des Schamanen bzw. des Schamanischen: darunter verstehe ich eine sehr tiefe, enge, mystische Verbundenheit mit der Natur und ihren Kräften, eine seelische Verbundenheit bis hin zu einer Identifikation mit MUTTER ERDE. Schamanismus ist die Urreligion, die sich überall auf der Erde in verschiedenen Formen entwickelt hat. Den Aspekt des Heilens sehe ich hier eher in Hinblick auf die Erde.
8. Das „lyrische Ich“ muss immer interpretiert werden. Das „Ich“ kann und darf nicht in jedem Fall mit meiner eigenen Person gleichgesetzt werden.
9. Einerseits gibt es schwierig zu deutende Metaphern, andererseits aber auch Aussagen, die klar und eindeutig erscheinen. Von meiner Seite ist alles zu interpretieren, und hinter abstrakten Aussagen steckt immer noch eine Meta-Ebene.
Wolf E. Matzker, geb. 1951. Mystiker, Dichter und Künstler. Der Autor erforscht, lebt und praktiziert spirituelle Wege seit seiner Jugend. Er hat sich schon immer für eine Synthese und Weiterentwicklung der spirituellen Systeme eingesetzt. Dabei ist ihm die Würdigung der menschlichen Seele und die multidimensionale Entfaltung des Bewusstseins immer sehr wichtig gewesen. Seine Werke, die er „spirituelle Erfahrungsberichte“ nennt, haben einen multidimensionalen, integralen Charakter. Sie sind philosophisch und poetisch, psychologisch und spirituell. Sie stellen somit eine innere Einheit von Dokumentationen und der literarischen Verarbeitung, der persönlichen Erfahrungen und der spirituellen Entwicklung dar.
Schamanismus als moderne Naturreligion – Grundlagen und Wege eines spirituellen Schamanismus, 2010
Der Geist der spirituellen Erfahrung, Über Jesus und den Weg des Himmels, 2010, 2016
Wilder Brocken, Über Deutschlands heiligen Berg der Dichter, Maler und Naturverehrer, 2013
Der Wolf – Krafttier der Seele. Über den Wolf im feinfühligen Schamanismus der Natur, 2014
Adler im Schamanismus, Adler, Rabe und andere Vögel im schamanischen, naturmystischen Weltbild 2015
Weitere Informationen unter: www.visionhill.de
Wir glauben an die
Weisheit des wehenden Windes
Wir glauben an die
Reinheit des fließenden Wassers
Wir glauben an die
Kraft der uralten Steine
Wir glauben an die
klingenden Gesänge der Wale
Wir glauben an die
Mutter der Berge, der Bäume
Wir glauben an die
Kräfte der weißen Knochen
Wir glauben an das
Wissen der Steine und Sterne
Wir glauben an die
Klänge und Kräfte der Trommel
Wir glauben an die
Botschaften des heiligen Rauches
Wir glauben an gar nichts
Wir leben die Weisheit der Winde
schön ist es
auf den uralten Felsen
eines Berggipfels zu sitzen
schön ist es
in einsamem Flusstal
Steine und Hölzer zu suchen
schön ist es
unter einer alten Tanne
zu meditieren
schön ist es
auf einem Gipfel zu stehen
zu rauchen die rote Pfeife
und die Geister
des Himmels der Winde
zu rufen zu lauschen
ihrer Weisheit
sie sitzen vor ihren Fernsehern
oder ihren Computern
und wissen nicht mehr
was echtes Leben ist
sie schauen zu - schauen zu
leben nichts selbst mehr
leben in fremden Welten
der bloßen Phantasie
draußen zu sitzen am Feuer
den Fluss der Berge zu hören
zu spüren, zu fühlen die Luft
der Gräser, der Tannen
zu sitzen auf der Erde
auf den Steinen der Urzeit
blicken hinauf zu den Bergen,
den Sternen der Weisheit
verbunden mit dem heiligen
Gewebe der Geister des
vielfältigen Lebens,
der Schönheit des Kreises
alles findest du hier oben:
eine Bahnstation
ein altes Restaurant
und ein neues im Turm
ganz oben eine Aussichtsplattform
eine Wetterstation
eine gigantische Funkstation
ein Museum
einen künstlich gestalteten Gipfel
was willst du mehr?
und beim Brockenwirt gibt
es Erbsensuppe mit Wurst
für vier Euro fünfzig
hinter dem Zaun siehst
du die alten, heiligen Steine
und sie lachen
über die Menschen
denn sie wissen
dass alles nur leer
dass alles nur heute so ist
und irgendwann nicht mehr
wenn keiner schaut
verschwinde ich durch den Zaun
verstecke mich hinter
den Felsen
opfere meine kleinen Steine
aus den Alpen
rauche meine
Chanupa lutah
Chanupa wakan
und der würzige Rauch
verbindet mich
mit den Geistern der Erde
der Felsen und des weiten Himmels
und meine Seele fühlt den Geist
von Wakan Tanka und Wanblee
und ich singe mit dem Wind ein Lied
freue mich über die Schönheit
der bizarren Eisformen
auf den Felsen
auf den Tannen
die wilde Schönheit der
ungezähmten Natur
die wilde Schönheit
des Windes des Eises
(Erklärungen: Chanupa lutah = rote Pfeife, wakan = heilig; Wakan Tanka = großer Geist; Wanblee = Adler )
sie leuchtet in dunkler Nacht
sie durchlichtet dein Leiden
sie erleuchtet deine Seele
sie ist der Stern am frühen Morgen
sie ist der Stern am Abend
sie ist das Licht der Kerze
das Licht der weißen Tara
das leuchtende heilende Licht
der stillen Weisheit
die ruhende Kraft der Steine
der sanfte Mut des Tigers
das langsame Wachsen der Eichen
die weite Liebe der Mutter
die alles versteht und alles
vergebend annehmen kann
die blaue Leere des Himmels
in der sich auflösen
die Kämpfe und der Hass
der schwarze Schoß der Nacht
in der du fühlst die Weisheit
hinter allen bunten Bildern
die einen sehen nur die Steine
das Metall und das Geld
die anderen nur den Fluss
die Wolken und das Meer
der Fluss braucht die Berge
die Steine das weite Land
die Berge und Steine
schaffen den wandernden Fluss
deine Seele ist nur ein Blitz
ein rauchender Wind in der Steppe
deine Seele ist ein blauer Stein
der liebenden Weisheit
deine Seele ist ein alter Traum
den du wach tanzen willst
deine Seele ist ein Weg
der verliert sich in den Bergen
der Fluss des Lebens
durchströmt die wechselnden
Zeiten und löst sich auf im
Ozean der vollen Leere
Buddhas Weg zum Glück
ein Buch des Dalai Lama
aber mit Glück meint er
etwas anderes als die Suche
nach den tausend Dingen
viele Wege des Glücks gibt es
viele Menschen viele Wege
der eine liebt den Marktplatz
der andere die Stille des Klosters
oben
auf den Hügeln und Bergen
wenn der Blick schweift
übers endlose Land
hinauf zu den Wolken
den ziehenden wandernden
spürend den weiten Raum
das Leben den Kosmos
verbunden mit allem
dem Schnee auf den Feldern
dem fliegenden Bussard
den Spuren der Füchse
den Bäumen und Büschen
die warten auf Wärme
verbunden mit dem ganzen Kreis
des schönen Lebens
ich komme aus den Bergen des Himmels
weit im Osten dem Land der Bären und Wölfe
ich komme von den weiten Flüssen
die sich winden und wandern
durch endlose Wälder der Tannen
ich komme von den Luchsen der leeren Räume
und den Raben der Felsen
meine Seele ist eine Feder
meine Seele ist ein Stein
meine Seele ist eine Trommel
ich war nie ein Mensch
wenn ich auch so aussehe
und in diesem Körper bin
ich rede mit den Steinen
den Bäumen den Füchsen
den Wolken und Sternen
meine Seele klingt durch die Nacht
und reitet mit dem Wind um die Erde
meine Seele ist der Schrei der Eule
und das Heulen der Wölfe der einsamen Taiga
meine Seele ist ein Adler
der kreist um die weißen Gipfel
der Berge des Altai
mein Herz schlägt
wie die Trommel der Erde
und kreist wie die Sterne der Nacht
schon der alte Seattle
hatte in seiner Rede
von der Zerstörung
der Natur gesprochen
und der Einsamkeit der Seele