Muhammad Schams ad-Din Hafis: Der Diwan des Hafis. Die 600 Gedichte metrisch übersetzt von Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau
Übersetzt von Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau
Neuausgabe.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.
Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:
Anselm Feuerbach, Hafis vor der Schenke, 1852
ISBN 978-3-8430-5497-3
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-8430-1728-2 (Broschiert)
ISBN 978-3-8430-1729-9 (Gebunden)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Der Diwan des Hafez (1326–1390) ist die bedeutendste persische Dichtung. Die fast 600 Gedichte wurden erst nach Hafez Tod zu einem Werk zusammengestellt. Der vorliegende Text folgt der metrischen Übersetzung von Vincenz Ritter v. Rosenzweig-Schwannau.
Der Text dieser Ausgabe folgt:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, übers. v. Vincenz Ritter v. Rosenzweig- Schwannau, Wien: Verlag der K. K. Hof- und Staatsdruckerei, 1858.
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Nur dem Sprosser ist verständlich
Was das Buch der Rose spricht:
Mancher liest in einem Blatte
Und versteht den Inhalt nicht.
Hafis I. S. 169. 47. Ghasel aus dem
Buchstaben Te, Vers 2.
Auf, o Schenke, lass den Becher kreisen
Und dann reiche mir ihn freundlich dar,
Weil die Lieb', die anfangs leicht geschienen,
Schwierigkeiten ohne Zahl gebar.
Hoffnung, dass der Ostwind endlich löse,
Was an Duft in jenen Locken ruht,
Machte, dass ob ihren krausen Ringen
Jedes Herz beträufelt ward mit Blut.
Färbe dir den Teppich bunt mit Weine,
Wenn der Wirth, der alte, es dich heisst,
Denn die Wege und den Lauf der Posten
Kennt der Wand'rer, der so viel gereist.
Geb' ich in des Seelenfreundes Hause
Jemals wohl mich dem Genusse hin,
Wenn die Glocke alle Augenblicke
Klagend mahnet: »Lasst uns weiter zieh'n!«
Finster ist die Nacht und bange Schrecken
Birgt der Welle und des Wirbels Schoos:
Die da leichtgeschürzt am Ufer weilen,
Wie begriffen sie mein hartes Loos?
Nur der Eigenwille gab am Ende
All' mein Handeln üblem Rufe Preis:
Bleibt wohl ein Geheimniss noch verborgen,
Das zum Mährchen wird in jedem Kreis?
Wenn, Hafis, du dich nach Ruhe sehnest,
So vergiss nicht, was die Lehre spricht:
»Hast du einmal wen du liebst gefunden,
Leiste auf die ganze Welt Verzicht!«
Du, von dessen holder Wange
Licht der Mond der Schönheit borgt
Und aus dessen Kinnes Brunnen
Anmuth sich mit Glanz versorgt!
Wann, o Herr, wird es sich fügen,
– Was mein stetes Streben war, –
Dass ich mein Gemüth versammle,
Während sich zerstreut dein Haar?
Dich zu schauen, schwang die Seele
Auf den Rand der Lippe sich:
Soll zurück, soll vor sie schreiten?
Was befiehlt dein Wille? Sprich!
Hoch den Saum vom Staub und Blute,
Gehst vorüber du an mir!
Denn es liegen viele Todte,
Die du hingeopfert, hier.
Freunde! Lasst den Liebling wissen,
Dass er wüst gemacht mein Herz,
Denn es fühlt ja Eure Seele
Mit der meinen gleichen Schmerz!
Wo dein Aug' gestrahlt, that Jeder
Auf Enthaltsamkeit Verzicht:
Drum vor deinen trunk'nen Augen
Prahle man mit Tugend nicht!
Scheint es doch, mein Glück erwache
Endlich aus dem langen Schlaf,
Da der Schimmer deines hellen
Angesicht's sein Auge traf.
Sende mir ein Rosensträusschen
Deiner Wange durch den Ost,
Dass ich deines Gartenstaubes
Düfte athme, mir zum Trost![5]
Schenken, Ihr von Dschem's Gelage,
Lebet glücklich immerdar,
Wenn in Eurem Kreis gleich nimmer
Weingefüllt mein Becher war!
Horch, Hafis thut eine Bitte;
Sprich ein Amen denn getrost:
»Deine zuckersüsse Lippe
Sei in Zukunft meine Kost!«
Ostwind, sag' in meinem Namen
Jesd's Bewohnern: »Ueberall
Soll das Haupt der Undankbaren
Werden Eures Schlägels Ball!
Bin ich fern gleich von der Nähe,
Meine Wünsche sind nicht fern,
Und ich diene Eurem König
Und mein Wort, es preist Euch gern.«
Fürst, beschirmt von hohem Sterne,
Ich beschwöre dich, erlaub',
Dass dem Himmel gleich ich küsse
Deines Prunkgezeltes Staub![6]
Schenke, gib durch's Licht des Weines
Meinem Glase hellen Glanz!
Sänger, singe! Meinem Wunsche
Fügt sich ja die Erde ganz.
Im Pocal sah ich des Freundes
Holden Wangenwiderschein:
O Unkundiger der Wonne,
Die da liegt in meinem Wein!
Liebesspielen schlanker Schönen
Lässt man nur so lange Raum,
Als sich nicht, wie Pinien schaukelnd,
Reget mein Zipressenbaum.
Dessen Herz durch Liebe lebet,
Wird den Todten nie gesellt:
Meine ew'ge Dauer stehet
Desshalb in dem Buch der Welt.
Kömmt der jüngste Tag, befürcht' ich,
Werd' im Preis nicht höher sein
Das erlaubte Brod des Scheïches,
Als mein unerlaubter Wein.
Holder Wind, ziehst du vorüber
An der Freunde Rosenflur,
O so bring' von mir dem Liebling
Meine besten Grüsse nur;
Frage Ihn, warum er meiner
So mit Vorsatz nicht gedenkt?
Kömmt doch wohl von selbst die Stunde.
Die mich in's Vergessen senkt.
Meines holden Lieblings Auge
Hat den Rausch für schön erkannt:
Darum gab man auch dem Rausche
Meine Zügel in die Hand.[9]
Lass, Hafis, das Körnchen fallen,
Das dir an dem Auge hängt
Und vielleicht in meinem Netze
Des Genusses Vogel fängt.
Jenes grüne Meer des Himmels
Und sein Schiff, der neue Mond,
In Kăwām's, des Pilgers, Gnaden
Sind zu tauchen sie gewohnt.[10]
Komm, o Ssofi, denn der Spiegel
Des Pocales ist nun rein;
Sieh doch, welche Lust entströmet
Dem rubinenfarb'nen Wein.
Den Ănkā kann Niemand fangen:
Ziehe drum die Netze ein, –
Denn an diesem Orte füllet
Sich das Netz mit Wind allein.
Strebe nur nach baaren Freuden,
Denn des Glück's beraubt verliess
Adam einst das Haus des Heiles,
Das erhab'ne Paradies.
Leere bei dem Fest des Lebens
Einen Becher oder zwei
Und begehre nicht zu gierig,
Dass die Lust beständig sei.
Herz, die Jugend schwand, und keine
Lebensrose pflücktest du:
Wende nun dich, greiser Scheitel,
Gutem Ruf und Namen zu.
Frage um geheime Dinge
Nur der trunk'nen Zecher Schaar:
Dem erhab'nen Frömmler mangelt
Diese Kunde ganz und gar.
Auf die Schwelle deines Thores
Hab' ich Diener manches Recht:
Herr, erkenne es und habe
Doch Erbarmen mit dem Knecht!
Nur des Weinpocales Jünger
Ist Hafis; geh', Morgenwind,
Und dem Scheïche des Pocales
Bring' des Dieners Gruss geschwind!
Auf, o Schenke, gib mir den Pocal,
Streue Staub auf's Haupt der Erdenqual!
Setz' das Glas mir auf die Hand; – mit Lust
Reiss' das blaue Kleid ich von der Brust.
Klugen scheint das gegen Ehr' und Pflicht,
Doch ich will ja Ruhm und Ehre nicht.
Gib mir Wein! Wie manches Thorenhaupt
Hat der Wind des Stolzes schon bestaubt!
Meines heissen Busens Seufzerrauch
Sengte diese kalten Rohen auch.
Keiner, seh' ich, will mein Herz versteh'n,
Möge hoch er oder niedrig steh'n;
Nur bei jenem Holden find' ich Ruh',
Der die Ruhe mir geraubt im Nu.
Niemand blicket auf den Baum der Flur,
Sah er jenen Silberbaum erst nur.
Sei geduldig Tag und Nacht, Hafis,
Du erreichst des Wunsches Ziel gewiss.
Aus der Hand droht mir das Herz zu schlüpfen:
Herzensmänner, helft mir Gott zu Lieb',
Denn sonst wird, o Jammer, ruchbar werden,
Was noch immer ein Geheimniss blieb!
Auf die Sandbank ist mein Schiff gestossen:
Günst'ger Wind, beginne denn zu weh'n,
Denn vielleicht wird mir die Freude werden,
Jenen wohlbekannten Freund zu seh'n.
Nur zehn Tage währt die Gunst des Himmels,
Ist ein Mährchen, eine eitle List:
Freund, um Freunden Gutes zu erweisen,
Nütze sorglich die so kurze Frist!
Gestern Nachts, umringt von Wein und Rosen,
Sang der Sprosser gar so schön und wahr:
»Bringe schnell den Morgenwein und halte
Dich bereit, o trunk'ne Zecherschaar!«
Alexander's wunderbarer Spiegel
Ist das Glas, gefüllt mit Wein, und traun!
Was in Dara's Reiche sich begeben,
Kannst du klar und deutlich in ihm schau'n.
Edler Mann! Erkund'ge dich, zum Danke,
Dass des Himmels Segen dich beglückt,
Einmal nur in deinem ganzen Leben
Nach dem Armen, den der Mangel drückt!
Was die Ruhe beider Welten gründet,
Wird durch diese beiden Worte klar:
»Gütig sei mit Freunden dein Benehmen,
Doch die Feinde täusche immerdar!«
Nach dem Dorf des guten Rufes ging ich,
Doch man wies von dannen mich zurück;
Sollte dieser Umstand dir missfallen,
Nun wohlan, so änd're das Geschick![17]
Jenen bitt'ren Saft, den einst der Ssofi
Aller Laster Mutter hat genannt,
Hab' ich stets für lieblicher und süsser
Als der Jungfrau holden Kuss erkannt.
In den Tagen der Bedrängniss strebe
Du nach Lebenslust und Trunkenheit.
Denn durch diese Alchimie des Lebens
Wird der Bettler zum Kărūn geweiht.
Sollst nicht störrig sein, denn sonst verbrennet
Dich im Eifer, einer Kerze gleich,
Der Geliebte, dessen Hand den Kiesel,
Gleich dem Wachse, schmiegsam macht und weich.
Neues Leben spenden uns die Schönen,
Wenn da persisch spricht ihr holder Mund;
Schenke, mache diese frohe Botschaft
Allen alten frommen Priestern kund!
Nein, Hafis zog nicht mit freiem Willen
Diese Kutte an, befleckt mit Wein;
D'rum, o Scheïch mit unbeflecktem Saume,
Lass mir deine Nachsicht angedeih'n![18]
Mit der Jugend Reizen pranget
Abermals der Gartenhain,
Und von Rosen frohe Kunde
Trifft bei'm süssen Sprosser ein.
Trägt dich zu der Wiese Kindern,
Morgenwind, dein leichter Fuss,
Bring' dem Königskraut, der Rose
Und Zipresse meinen Gruss!
Schmeichelt sich des Weinwirth's Knabe
Gar so freundlich bei mir ein,
Fege ich mit meinen Wimpern
Ihm das Thor der Schenke rein.
Du, der einen Ambra-Schlägel
Trägt auf seinem Mondgesicht,
Mache zum geschlag'nen Manne
Mich, dem so schon schwindelt, nicht!
Ich befürchte, jenes Völklein,
Das der Hefentrinker lacht,
Ist es, das zu wüsten Zwecken
Gar den Glauben dienen macht.
Sei ein Freund der Männer Gottes,
Denn die Arche Noë's hegt
Einen Staub, der auf die Sündfluth
Nicht den Werth des Tropfens legt.
Du, dess letzte Schlummerstätte
Aus zwei Handvoll Staub besteht!
Wesshalb bauest du Paläste,
Bis zum Himmelsrand erhöht?
Fliehe aus des Himmels Hause
Und begehr' von ihm kein Brod:
Dieser Unhold schlägt am Ende
Alle seine Gäste todt.[21]
O mein Mond aus Kanán's Fluren!
Dir gebührt Egyptens Thron;
Deinen Kerker zu verlassen
Nahte wohl die Stunde schon.
Welchen schwarzen Vorsatz nähre
Deine Locke, weiss ich nicht,
Da dein Moschushaar sich wieder
So verwirret und verflicht.
Trinke Wein, Hafis, und schwelge
Und geniess' der Lust! – allein
Lass nicht And'ren gleich den Koran
Des Betruges Fallstrick sein![22]
Nähme der Schiraser Türke
Hold mein Herz in seine Hand,
Schenkt' ich seinem Indermaale
Būchărā und Sāmărkānd.
Gib den Weinrest her, o Schenke!
Wirst im Paradies nicht schau'n
Rōknăbād und seine Ufer
Und Mofsella's Rosenau'n.
Weh, die schelmisch-süssen Lulis,
Die der Stadt den Zwist gebracht,
Machen Jagd auf Herzensfrieden,
Wie auf's Mahl der Türke macht!
Auf mein unvollkomm'nes Lieben
Thut der schöne Freund Verzicht:
Glanz und Maal und Flaum und Farbe
Braucht ein schönes Antlitz nicht.
Sprich vom Sänger nur und Weine,
Doch dem Loos lass seinen Lauf:
Denn durch Weisheit löst und löste
Keiner noch dies Räthsel auf.
Ich ersah aus Joseph's Schönheit,
Die den Tag zu mehren schien,
Liebe mache einst Suleïchen
Aus der Keuschheit Vorhang flieh'n.
Böse war, was du mir sagtest,
Gott verzeih's, gut war's gethan:
Zuckersüsser Onixlippe
Steht ein bitt'res Wort wohl an.
Horch' auf meinen Rath, o Seele!
Mehr noch als die Seele werth
Ist dem wohlerzog'nen Jüngling,
Was der weise Greis ihn lehrt.
Lieder sangst du, bohrtest Perlen:
Komm, Hafis, und gib sie kund,
Dass auf dein Gedicht der Himmel
Streue der Plejaden Bund!
Ostwind! Jenem schlanken Rehe
Sage du mit Gunst und Huld:
»Durch die Berge und die Wüsten
Irre ich durch deine Schuld.«
Zuckerhändler, dessen Leben
Lange währe! Warum, ach,
Frägt er nie dem Papageie,
Der da Zucker kauet, nach?
Wenn du bei dem Freunde sitzest,
Einen Becher in der Hand,
So gedenke der Geliebten,
Die da irren durch das Land!
Stolz, auf Schönheit hat vermuthlich
Es, o Rose, dir verwehrt,
Nach des Sprossers Thun zu fragen.
Den der Liebe Gram verzehrt.
Durch die Macht der schönen Sitte
Fängt man auch den weisen Mann,
Während der verschmitzte Vogel
Jedem Netz und Garn entrann.
Wesshalb wird man nie die Farbe
Der Vertraulichkeit gewahr
An der schlanken, schwarzbeaugten,
Mondgesicht'gen Liebchenschaar?
Mehr als eines einz'gen Fehlers
Zeih' ich deine Reize nicht:
Dass es nämlich einem Schönen
Stets an Lieb' und Treu' gebricht.
Dankbar für der Freunde Umgang
Und des guten Glück's Gewinn.
Wolle du der Fremden denken,
Die durch Feld und Wüste zieh'n!
Ist's zu wundern, wenn am Himmel,
Durch Hafisens Wort erregt,
Der Sŏhrē Gesang zum Tanze
Den Messias selbst bewegt?
Gestern war's, als aus dem Tempel
Unser Greis in's Wirthshaus trat;
Ordensbrüder! was beschliessen
Wir, nach einer solchen That?
Und wie wenden zu der Ka'ba
Wir uns hin, der Jünger Schaar,
Wenn zum Weinhaus sich der Meister
Hält gewendet immerdar?
Nun so lasst denn gleichen Schrittes
Uns auch in die Schenke geh'n,
Denn so muss es, durch des Schicksals
Ewigen Beschluss, gescheh'n.
Wüsste Weisheit, wie sich selig
Fühlt das Herz in Seinem Haar,
Des Verstandes würden Weise,
Meiner Kette wegen, baar.
Kaum dass sich die Ruh' im Netze
Meines Herzensvogels fing,
Als du deine Locken löstests
Und die Beute mir entging.
Einen Koransvers der Anmuth
Macht' dein Huldgesicht mir klar:
Desshalb trifft nur Huld und Anmuth
Man in meinem Commentar.
Ist des Nachts nicht einzuwirken
Auf dein Felsenherz im Stand'
Meiner Seufzer Feuerregen
Und des Busens nächt'ger Brand?
Als der Wind dein Haar berührte,
Schien die Welt mir schwarz zu sein;
Keinen and'ren Vortheil brachte
Deines Haares Lust mir ein.
Meiner Seufzer Pfeil durchdringet
– Schweig', Hafis – des Himmels Schloss:
Sei der eig'nen Seele gnädig
Und vermeide mein Geschoss!
Bringt den Höflingen des Sultans
Niemand dies Gesuch von mir:
»Dankbar, dass du König heissest,
Treib' den Bettler nicht von dir!«
Vor dem Diw, dem Nebenbuhler,
Flüchte ich zu meinem Herrn:
Dies Gestirn der ersten Grösse
Hilft vielleicht dem kleinen Stern.
Eine Welt bringst du in Flammen
Durch der Wangen helle Gluth:
Kann es dir wohl Vortheil bringen,
Dass du sanft nicht bist und gut?
Welchen Aufruhr weck'st, o Seele,
Du in der Verliebten Reich,
Zeigend deine Mondeswange
Und den Wuchs, Zipressen gleich!
Ganze Nächte hoff' ich immer,
Dass, wenn früh der Ost erwacht,
Er dem Freund mit Kunden schmeichle,
Die von Freunden er gebracht.
Ist es deine schwarze Wimper,
Die mein blut'ges Urtheil spricht,
So bedenke, dass sie trüge,
Holdes Bild, und irre nicht!
Durch den Trug des Zauberauges
Schwimmt mein armes Herz im Blut;
O mein Theurer, sieh wie grausam
Es geübt des Mordens Wuth!
Gott zu Lieb' gib dem Verliebten,
Der schon früh zum Himmel fleht,
Einen Labetrunk, und wirken
Wird auf dich das Frühgebet.
Wenn das arme Herz Hafisens
Durch die Trennung bluten muss,
Was, o Freund, wird seiner harren,
Kömmt es einmal zum Genuss?
Wo sind die tugendhaften Werke,
Und ach, wo ist mein wüster Sinn?
Sieh, welch ein Unterschied des Weges!
Wo fängt er an, wo läuft er hin?
Was hat die Trunkenheit zu schaffen
Mit Gottesfurcht und Tugendlohn?
Wo ist die Hörung einer Predigt,
Und wo der Zither froher Ton?
Mein Herz fühlt Abscheu vor der Zelle
Und vor der Kutte falschem Schein:
Wo sind der Maghen Klosterräume,
Und wo ist reiner, klarer Wein?
Vorbei sind des Genusses Tage:
Doch die Erinn'rung währe fort!
Wo kam es hin, das holde Kosen?
Wo kam es hin, des Vorwurfs Wort?
Was frommt dem Herzen eines Feindes
Des Freundes schönes Angesicht?
Wo ist die ausgelöschte Kerze,
Und wo der Sonne helles Licht?
Da mir der Staub von deiner Schwelle
Als Salbe für das Aug' erschien,
So sprich, wohin von dieser Stätte
Ich mich begeben soll? wohin?
Sieh nicht auf Seines Kinnes Apfel:
Es droht ein Brunnen auf der Bahn;
Wohin, wohin mit dieser Eile
Trittst du, o Herz, die Reise an?
Geduld und Ruh', o Freund, erwarte
Du von Hafisen nimmermehr:
Was ist Geduld und was ist Ruhe,
Ach, und der Schlaf, wo wäre er?
Ich, ich zog dahin, du weisst es,
Und mein Herz, das Gram verschlingt.
Wo mich wohl des Schicksals Tücke
Unterhalt zu suchen zwingt?
Deiner Locke ähnlich, fasset
Meine Wimper reich in Gold
Jenes Boten Fuss, der Grüsse
Mir von dir entbietet hold.
Betend kam ich; heb' auch betend
Du die Hand empor und sprich:
»Möge Treue dich begleiten,
Und des Himmels Segen mich!«
Zückte eine Welt auch Schwerter
Auf mein Haupt, – bei deinem Haupt! –
Nimmer würde deine Liebe
Aus dem Haupte mir geraubt.
Irrend treibt nach allen Seiten
Mich der Himmel, wie du weisst,
Weil er meinen Umgang neidet.
Der die Seele kräftig speist.
Übte alles Volk der Erde
Unbill wider dich und mich,
Rächte unser Herr und Richter
Uns an Allen sicherlich.
Wohlbehalten kehrt mein Liebling
Heim zu mir von ferner Bahn:
O des wonnevollen Tages,
Seh' ich grüssend ihn mir nah'n!
Dem, der sagt, dass weite Reisen
Nie Hafis noch unternahm,
Sage, dass die weite Reise
Nie ihm aus dem Sinne kam.
Gnade ist es, birgst vor Bettlern
Dein Gesicht du nicht,
Dass nach Herzenslust mein Auge
Schaue dein Gesicht.
Gleich Hărūt heisst mich die Liebe
Weinen stets und fleh'n:
Hätte doch mein Auge nimmer
Dein Gesicht geseh'n!
Fiel Hărūt in deines Kinnes
Brunnen je hinab,
Wenn er dem Mărūt nicht Kunde
Deiner Schönheit gab?
Holde Peri! auf der Wiese
Hebt sich Rosenduft,
Während der berauschte Sprosser
»Sah'st Mărūt du?« ruft.
Fern von dir hat, o mein Götze,
Qualen zu besteh'n
Mein Hafis; o lass ihn gnädig
Dein Gesicht doch seh'n!
Seit dein Liebreiz die Verliebten
Lud zu des Genusses Mahl,
Gab dein Maal und deine Locke
Herz und Seele Preis der Qual.
Was verliebte Seelen leiden
Fern von dir, hat in dem Maass
Niemand auf der Welt erfahren,
Als die Durst'gen Kērbĕlā's.
Theure Seele! Kennt mein Türke
Nichts als Rausch und Trunkenheit.
Musst auch du vor allem Ander'n
Thun Verzicht auf Mässigkeit.
Weil die Zeit der Lust und Freude
Und des Wein's jetzt wiederkehrt,
So betrachte sie als Beute,
Sie, die nur fünf Tage währt.
Wenn des Königs Fuss zu küssen
Dir gelänge, o Hafis,
Ist in allen beiden Welten
Rubin und Ehre dir gewiss.
Ich sprach: »O Sultan du der Schönen.
Erbarme dieses Fremdlings dich!«
Er sprach: »Wenn er dem Herzen folget,
Verirrt der arme Fremdling sich.«
Ich sprach zu Ihm: »Verzieh' ein wenig!«
Er sprach: »Entschuldigt lass mich sein,
Denn es erträgt das Kind des Hauses
Vom Fremdling nicht so viele Pein.«
Was grämt's den Zärtling, der da schlummert
Auf königlichem Hermelin,
Legt Stein' und Dornen sich der Fremdling
Als Polster und als Kissen hin?
Du, der so viel bekannte Seelen
An seiner Locken Kette hält!
Dein Moschusmaal auf rother Wange,
Ein Fremdling ist's, der sehr gefällt.
Fremd scheint die Ämsenschaar des Flaumes,
Die deine Wange rings umschliesst,
Wenn gleich in China's Bilderhause
Ein Moschusstrich kein Fremdling ist.
Auf deines Mondgesichtes Farbe
Erscheint des Weines Widerschein
Als Fremdling, wie die Ergwansblüthe
Auf Rosenblättern würde sein.
Ich sprach: »Du, dessen nächt'ge Locke
Der Abend eines Fremdlings scheint!
Du magst dich vor dem Morgen hüten,
Wenn dieser Fremdling klagt und weint!«
Er sprach: »Hafis! Selbst die Bekannten
Steh'n da verwundert über mich:
D'rum ist's begreiflich, setzt der Fremdling,
Krank und von Gram ermattet, sich.«
Der Morgen graut; die Wolke
Hüllt sich in Schleier ein:
Den Morgenwein, ihr Freunde!
Auf, bringt den Morgenwein!
Seht, wie auf Tulpenwangen
Der Thau hell niedersinkt:
D'rum bringt mir Wein, o Freunde,
Wein, den man immer trinkt!
Die Luft des Paradieses
Weht von der Wiese Rain:
D'rum trinket unablässig
Vom allerreinsten Wein!
Ein Thron ist's aus Smaragden,
Auf dem die Rose sitzt:
D'rum bringe Wein, der feurig
Gleich dem Rubine blitzt!
Man schloss das Thor der Schenke
Zum zweiten Male zu:
O öffne du es wieder,
Der Pforten Öffner du!
Wohl ist es zu verwundern,
Dass in so froher Zeit
Das Weinhaus man verschlossen
Mit solcher Schnelligkeit.
Dein Mund, roth wie Rubine,
Ist sich des Rechts bewusst,
Das wohl das Salz nur hätte
Auf eine wunde Brust.
Hafis, sei unbekümmert!
Es schlägt das Liebchen »Glück«
Am Ende doch den Schleier
Vom Angesicht zurück.
Des Glückes Morgen graut; wo ist
Das Glas, der Sonne zu vergleichen?
Geleg'ner war die Zeit wohl nie:
D'rum wolle mir das Weinglas reichen!
Das Haus ist still, der Schenke hold,
Der Sänger scherzt mit süssem Munde;
Es ist der Lust, der Jugend Zeit,
Und Becher kreisen in der Runde.
Damit die Sinne sich erfreu'n
Und nie der Freude Zierden fehlen.
Soll sich der goldene Pocal
Mit flüssigem Rubin vermählen!
Das Liebchen klatscht, der Sänger auch.
Die Trunk'nen heben ihre Füsse,
Und Weinverehrern raubt den Schlaf
Des Schenken Liebesblick, der süsse.
Ganz einsam ist's und sicher hier,
Ein Ort, wo Seelen Lust geniessen;
Es werden Jedem, der hier weilt,
Sich hundert Siegesthor' erschliessen.
Die flinke Künstlerin Natur,
Beherzigend des Weines Güte,
Verbirgt das Rosenwasser schön
In jedes Rosenblatt's Gemüthe.
Seit jener Mond als Käufer sich
Hafisens Perlen nahm zu eigen,
Vernimmt Sŏhrē zu jeder Zeit
Des Saitenspieles lauten Reigen.
Aus dem Garten deiner Liebe schöpfet
Selbst Rĭswān's Gefild des Ruhmes Fluth;
Von den Gluthen deiner Trennung borget
Selbst die Hölle ihre heisse Gluth.
Zuflucht sucht bei deiner schönen Wange
Und bei deiner schlanken Hochgestalt
Selbst das Paradies und selbst der Thuba;
Wohl denn ihnen! Schöner Aufenthalt!
Wie mein Aug', so sieht durch ganze Nächte
Auch der Strom der Paradiesesflur
Immerdar im Schlaf das Traumgebilde
Deiner trunkenen Narcisse nur.
Jeder Abschnitt in des Frühlings Buche
Ist ja deiner Schönheit Commentar,
Und ein jedes Thor des Paradieses
Bringt ein schönes Lobgedicht dir dar.
Dieses Herz verbrannte, und die Seele,
Nicht erhielt sie das gewünschte Gut;
Denn erhielt sie's, so vergöss' sie nimmer
Ein mit Wasser untermengtes Blut.
Deine Lippe und dein Mund geniessen
Salzesrechte mannigfacher Art
Auf das Herz, das leidende, das wunde,
Und den Busen, der zum Braten ward.
Wähne nicht, es sei'n zu deinen Zeiten
Nur Verliebte trunken und verstört:
Hast du nichts von jener Frömmler Lage,
Die da wüst geworden sind, gehört?
Jetzt zur Zeit der Herrschaft deiner Lippe
Wird es mir bis zur Gewissheit klar,
Dass, was den Rubin zu Tag gefördert,
Nur das Weltlicht einer Sonne war.[47]
Lüfte doch die Hülle, die dich decket!
Hüllt noch lang' dich dieser Schleier ein?
Brachte denn dir jemals diese Hülle
Andren Vortheil als nur Scham allein?
Als die Rose dein Gesicht erblickte,
Glühte sie, da Neid sie überkam;
Als sie sich an deinem Dufte labte,
Schmolz zu Rosenwasser sie aus Scham.
Liebe nur zu deinem Angesichte
Taucht Hafisen in des Unglücks Meer;
Sieh, es gilt ja eines Menschen Rettung:
Komm und hilf, denn sonst versinket er.
Fruchtlos ziehe nimmer dieses Leben
– Gib's nicht zu, Hafis – an dir vorbei:
Mühe dich und trachte aufzufinden,
Was der Zweck des theuren Lebens sei.[48]
Bei des Meisters Seele schwör' ich's
Und beim alten Recht und Bunde:
Wünsche für dein Glück gesellen
Sich zu mir in früh'ster Stunde;
Meine Thräne, gegen welche
Noë's Fluth im Nachtheil bliebe,
Wäscht von meines Busens Brette
Nie das Bild mir deiner Liebe.
Handle denn mit mir und kaufe
Dieses Herz, zerstückt von Schmerzen:
Selbst zerstückt, erreicht's an Werthe
Hunderttausend ganze Herzen.
Schilt mich nicht, bin ich betrunken,
Denn der Lenker süsser Triebe
Wies mich schon am ersten Tage
An des Weingenusses Liebe.
Suche Wahrheit! Deinem Inner'n
Wird die Sonne dann entsteigen:
Weil der erste Morgen lüget,
Sind ihm schwarze Wangen eigen.
Herz, verzweifle nicht: des Freundes
Huld ist ohne Maass und Ende;
Nun du mit der Liebe prahltest,
Opfre denn dein Haupt behende!
Du nur hiessest mich auf Bergen
Irren und im Wüstensande,
Und noch lockerst du erbarmend
Nicht des Kettengürtels Bande.[51]
Tadelt den Ăssāf die Ämse,
Kann man ihr nur Beifall zollen:
Denn, das Siegel Dschem's verlierend,
Hat er es nicht suchen wollen.
Traure nicht, Hafis, noch fordre
Dass die Schönen treu dir seien:
Ist es wohl die Schuld des Gartens,
Will dies Kräutchen nicht gedeihen?[52]
Meines Auges Halle will ich
Dir zum Neste weih'n:
Lass' in ihr dich gnädig nieder.
Denn das Haus ist dein.
Deines Maals und Flaumes Anmuth
Stahl der Weisen Herz:
Unter'm Korn und Netze birgst du
Wunderbaren Scherz.
Werde glücklich durch die Rose,
Morgen-Nachtigall!
Denn die ganze Wiese füllet
Dein verliebter Schall.
Weise meines Herzens Heilung
Deiner Lippe zu:
Den Rubin, der fröhlich machet,
Birgst im Schatze du.
Ist's als Körper dir zu nahen
Auch unmöglich mir,
Liegt als Thürstaub meine Seele
Bündig doch vor dir.
Meines Herzens Baarschaft leg' ich
Jedem Schelm nicht vor:
Nur dein Siegel und dein Zeichen
Wahrt des Schatzes Thor.
Süsser Reiter! Welcher holden
Puppe bist du gleich!
Selbst des Himmels Pferd gehorchet
Deiner Peitsche Streich.
Strauchelt schon des Himmels Gaukler,
Was soll ich erst thun
Bei den Listen, die dir Schlauem
In der Tasche ruh'n?
Selbst der Himmel eilt zum Tanze,
Wenn dein Lied erklang:
Denn Hafisens süsse Verse
Tönet dein Gesang.
Es ist das Herz der Vorhang
An Seiner Liebe Thor;
Das Aug' hält seinen Reizen
Den treu'sten Spiegel vor.
Mir, der um beide Welten
Das stolze Haupt nicht neigt,
Hat Seiner Gnaden Bürde
Den Nacken tief gebeugt.
Du huldigest dem Thuba,
Des Freundes Wuchse ich:
Des Menschen Denkart richtet
Nach seinem Hochsinn sich.
Wer bin ich, um zu treten
In diesen heil'gen Ort?
Der Ostwind weilt als Pförtner
Voll heil'ger Scheu nur dort.
Ist auch mein Saum besudelt,
Was schadet's? Immerhin!
Ist eine Welt doch Zeuge
Von Seinem keuschen Sinn.
Mĕdschnūn verliess den Schauplatz;
Nun ist die Reih' an mir:
Die Reihe eines Jeden
Währt nur fünf Tage hier.
Der Liebe Reich, die Schätze,
Die frohe Lust gewährt,
Und was ich sonst besitze,
Sein Glück hat mir's bescheert.
Wenn wir uns auch geopfert
Ich und mein Herz; gleichviel!
Ist Er nur erst gerettet,
Erreichten wir das Ziel.[57]
Der Schauplatz meines Auges,
Soll stets sein Bild nur sein!
Es ist ja dieser Winkel
Sein stilles Kämmerlein.
Die jugendliche Rose,
Der Schmuck der grünen Flur,
Gemahnt durch Duft und Farbe
An Seine Nähe nur.
Sieh' nicht auf äuss're Armuth;
Ist doch Hafisens Brust
Durch das Gefühl der Liebe,
Ein wahrer Schatz der Lust.[58]
Meines Willens Haupt liegt immer
Auf des hohen Freundes Schwelle:
Was mein Haupt auch möge treffen,
Seinen Willen hat's zur Quelle.
Nichts dem Freunde Gleiches sah ich,
Hielt auch, des Vergleiches wegen,
Ich die Spiegel: »Mond und Sonne«,
Dieses Freundes Wang' entgegen.
Kann der Ostwind wohl erklären,
Was mein Herz so sehr beenge,
Dass, wie bei der Knospe Blättern,
Falte sich an Falte dränge?
Nicht nur ich bin's, der hienieden
Krüge leert in vollem Zuge:
Manches Haupt in dieser Werkstatt
Ist auch Thon zu einem Kruge.
Hast du deine Ambralocken
Etwa mit dem Kamm gelüftet,
Weil die Winde Bisam hauchen,
Und die Erde Ambra düftet?
Jedes Rosenblatt der Wiese
Will ich vor dein Antlitz streuen,
Will des Bach's Zipressen alle
Deinem schlanken Wuchse weihen.
Keine Menschenzunge schildert,
Was Er weckt für Sehnsuchtsklagen:
Kann da mit beschnitt'ner Zunge
Noch das Rohr zu schwätzen wagen?
Mir in's Herz kam deine Wange:
Meinen Wunsch werd' ich erreichen,
Denn ein schöner Stand der Dinge
Folget auf ein schönes Zeichen.
Nein, Hafisens Herz durchglühet
Nicht erst jetzt die Gluth der Minne:
Maale, gleich des Feldes Tulpen,
Trägt er schon vom Urbeginne.
Jenem schwärzlichen Geliebten,
Voll von aller Erdenlust,
Glüht das weingefärbte Auge,
Lacht die Lipp' und jauchzt die Brust;
Alle zuckerlipp'gen Schönen
Sind Monarchen zwar; doch er
Ist der Salomon der Zeiten,
Denn er ist des Siegels Herr;
Auf der weizenfarben Wange
Zeigt sein Moschusmaal uns klar,
Wie es kam, dass einst ein Körnchen
Der Versucher Adam's war.
Reisen will mein Herzensräuber;
Helft mir, Freunde, Gott zu Lieb'!
Denn wie heilt mein Herz, das wunde,
Da das Pflaster bei ihm blieb?
Schönheit schmückt ihn, hohe Tugend,
Und sein Saum ist makelrein:
Alle Reinen beider Welten
Müssen ihm gewogen sein.
Wer begreift die Widersprüche,
Dass mich jenes Felsenherz,
Das da Isa's Hauch besitzet,
Doch geweiht dem Todesschmerz?
Gläubig ist Hafis, d'rum halte
Ihn in Ehren immerdar;
Es geleitet ihn der Segen
Der geehrten Geisterschaar.
Hoffnung heg' ich auf des Freundes
Nachsichtvolle Huld;
Sündig bin ich, doch ich hoffe,
Er vergibt die Schuld.
Ja, ich weiss es, er verzeihet
Meinem Frevelmuth.
Nicht nur schön wie Peris ist er,
Nein, auch engelgut.
Und ich weinte so, dass Jeder,
Der des Auges Nass
Fliessen sah, verwundert fragte:
»Welcher Strom ist das?«
Meinen Kopf warf ich als Spielball
Hin in deinen Gau:
Aber Gau und Spielball kannte
Wohl kein Mensch genau.
Wortlos ziehet deine Locke
Herzen mit sich fort:
Gegen diese holde Locke
Wagt man ja kein Wort.
Seit dein Lockenduft mich labte
Schwand ein Leben; doch
Im Geruchsinn meines Herzens
Weilt der Wohlduft noch.
Nichts ist jener Mund, und nimmer
Seh' ich seine Spur;
Und ein Haar ist jene Lende;
Wüsst' ich, welches nur?
Wunderbar, dass meinem Auge
Nie dein Bild entschwand,
Das mit Thränen abzuwaschen
Ich doch nie entstand.
O Hafis, dein wirrer Zustand
Ist ein böser zwar:
Gut doch ist Verwirrung, mahnet
An des Freundes Haar.
Die Nacht der Kraft, von der die Frommen sprechen,
Ist sicher diese Nacht;
O Herr, was ist es für ein Stern gewesen,
Der dieses Glück gebracht?
Auf dass die Hand Unwürdiger stets bleibe
Von deiner Locke fern,
Schickt jedes Herz aus einem Lockenringe
Ein Stossgebet zum Herrn.
Todt lieg' ich in dem Brunnen deines Kinnes,
Denn überall umfing.
Wohl Hunderttausende von Seelen-Nacken
Das Doppelkinn als Ring.
Der Mond hält meinem königlichen Reiter
Den Spiegel vor's Gesicht;
Es ist der Hufstaub seines Schlachtenrosses
Der Sonnenkrone Licht;
Sieh, hell erglänzt sein Wangenschweiss; die Sonne,
Die sich so heiss bewegt,
Fühlt täglich sich, aus Lust nach diesem Schweisse,
Von Fiebergluth erregt.
Ich leiste nimmer auf des Freund's Rubine
Und auf das Glas Verzicht,
Ich halte dies – entschuldigt mich, Ihr Frommen! –
Für meine Glaubenspflicht.
Dort wo den Rücken man des Ostwind's sattelt
Bei jenem Lagertross,
Wie kann ich dort mit Salomon mich messen?
Die Ämse ist mein Ross.
Es träuft ihm aus dem Schnabel der Beredtheit
Stets Lebenswasser nur
Dem Raben meines Rohrs; er ist, beim Himmel!
Von herrlicher Natur.
Er, der mit des verstohl'nen Blickes Pfeile
Das Herz mir bluten macht,
Er spendet auch Hafisen Seelennahrung
Wenn er verstohlen lacht.
Fordre von mir Trunk'nem nimmer
Bundestreu' und frommen Sinn,
Da ich seit dem Schöpfungstage
Schon berühmt als Zecher bin.
Als ich in dem Quell der Liebe
Rein zu waschen mich gestrebt,
Betete ich Sterbgebete
Über alles was da lebt.
Gib mir Wein, dass ich dir künde,
Was dem Loos ich abgelauscht,
Dir vertraue, wen ich liebe,
Wessen Wohlduft mich berauscht.
Selbst des Berges Kräfte weichen
Einer Ämse Kräften hier;
Weinverehrer, nicht verzweifle
Du an des Erbarmens Thür!
Nur der trunkenen Narcisse
– Treffe sie kein böser Blick!
Wurde unter'm Türkisdome
Ein erfreuliches Geschick.
Deinem Mund weih' ich die Seele:
Liess doch auf des Blickes Flur
Keine schön're Knospe prangen
Jener Schmücker der Natur.
Deine Liebe hat Hafisen
Salomonen gleich gestellt,
Da von deiner Gunst er leider
Wind nur in den Händen hält.
Der Frömmler, der nur Äuss'rem fröhnet,
Begreifet meine Lage nicht,
Und nimmer werd' ich ihm verargen,
Was in Bezug auf mich er spricht.
Was auf dem Ordenspfad dem Wand'rer
Entgegen kömmt, das frommt ihm nur:
O Herz, auf dem geraden Pfade
Verliert man nie des Weges Spur.
Wie wird sich wohl das Spiel gestalten?
Ich rücke mit dem Bauer an:
Das Schachbrett, das dem Zecher dienet,
Ist keines König's Tummelbahn.
Was soll dies hohe Dach bedeuten,
So glatt und voll von Bildern doch?
Kein Weiser auf dem Erdenrunde
Erklärte dieses Räthsel noch.
O Herr, welch' eine Seelenruhe
Und weise Kraft ward mir bescheert!
Ich leide an geheimen Wunden,
Und jedes Ach ist mir verwehrt.
Es scheint, als ob mein Divanshälter
Nicht wüsste, was man rechnen nennt:
Die Formel: »Auf die Rechnung Gottes«
Fehlt ja auf diesem Document.
Ein Jeder, der da will, erscheine
Und spreche, wie für gut er's fand,
Denn Wächtertrotz und Pförtnerhochmuth
Sind ganz von diesem Hof verbannt.
Es trägt mein Wuchs, der ungestalte,
Der formenlose, alle Schuld:
Zu kurz sind sonst für keinen Menschen
Die Ehrenkleider deiner Huld.[71]
Den Weg hin nach der Schenke Pforte
Geh'n Männer Einer Farbe nur,
Denn, wer sich selbst verkauft, den führet
Zu Weinverkäufern keine Spur.
Ich diene einem greisen Wirthe,
Dem es an Gnade nie gebricht;
Allein des Scheïch's und Frömmlers Gnade,
Bald ist sie und bald ist sie nicht.
Verschmäht' Hafis den Sitz der Ehren,
Hat er's aus Hochsinn nur gethan:
Ficht ja den zechenden Verliebten
Kein Geld und keine Würde an.[72]
Jener Bote, der mit Briefen
Von des Freundes Land gekommen
Und – als Amulet – des Freundes
Moschuszüge mitgenommen,
Gibt von des Geliebten Reizen
Mir die lieblichsten Berichte,
Und erzählt vom Ruhm des Freundes
Mir die lieblichste Geschichte.
Für die freudenvolle Kunde
Gab ich ihm das Herz, das Leben,
Schämend mich der schlechten Münze,
Die ich für den Freund gegeben.
Dank sei Gott, dass durch die Hilfe,
Die das günst'ge Loos gespendet,
Die Geschäfte meines Freundes
Ganz nach Wunsche sich gewendet!
Kann der Mond und kann der Himmel
Wohl nach eig'nem Willen kreisen?
Nein, nur nach des Freundes Willen
Wandeln sie in den Geleisen.
Wenn des Aufruhr's wilden Stürmen
Beide Welten auch erlägen,
Meines Auges Fackel strahlte
Sehnsuchtsvoll dem Freund entgegen.
Perlen-Kohol mir zu bringen,
Morgenluft! komm' ich zu bitten,
Doch er sei vom theuren Staube,
Den des Freundes Fuss durchschritten.
An der Schwelle des Geliebten
Lieg' ich flehend um Erbarmen;
Wer geniesst des süssen Schlummers,
Ruhend in des Freundes Armen?
Wenn der Feind auch von Hafisen
Drohend spricht, was kann's ihn grämen?
Darf ich doch – Gott sei gepriesen! –
Nimmer mich des Freundes schämen.
Willkommen, Bote der Verliebten,
Gib von dem Freunde mir Bericht,
Und freudig leist' ich auf die Seele
Bei'm Namen meines Freund's Verzicht!
Es raset meines Herzens Psittich,
Gleich Sprossern in des Käfigs Haft:
Des Freundes Mandel und sein Zucker
Ist seine stete Leidenschaft.
Sein Haar ist einem Netze ähnlich,
Sein Maal gleicht einem Korn; und ich,
Ein Körnchen aufzupicken hoffend,
Stürzt' in das Netz des Freundes mich.
Bis zu des jüngsten Tages Morgen
Verbleibt versenkt in Trunkenheit,
Wer aus des Freundes Glas, mir ähnlich,
Genippt von aller Ewigkeit.
Von der Erklärung meiner Sehnsucht
Sprech' ich nicht das geringste Wort:
Dem Freunde würd' es Kopfweh machen,
Bestürmt' ich so ihn immer fort.
Ich neige stets mich zum Vereine,
Doch Er verfolgt der Trennung Spur:
Dem eig'nen Wunsch will ich entsagen,
Erfüllt des Freundes Wunsch sich nur.
Als Schminke reib' ich mir in's Auge
– Wenn's anders meinen Händen glückt –
Den Wegstaub, dem des Freundes Füsse
Des Adels Würde aufgedrückt.
Hafis, verbrenn' im Schmerz, und trage,
Was als unheilbar schon erscheint:
Denn Heilung gibt's nicht für die Schmerzen,
Die ruhelosen, um den Freund.
Morgenwind! Wenn du vorüber
Wandelst an dem Land des Freundes,
O so bringe Ambradüfte
Von dem Lockenband des Freundes!
Ja, bei seiner Seele schwör' ich's:
Meine opf're ich zum Danke
Wenn du freundlich eine Nachricht
Bringest von der Hand des Freundes.
Ist dir aber nicht gestattet,
Einem solchen Herrn zu nahen,
O dann bring' als Augenschminke
Staub von Thür und Wand des Freundes!
Nie durft' ich, der Bettler, hoffen,
Mich mit ihm vereint zu schauen,
Ausser wenn vor mir im Schlafe
Hold das Traumbild stand des Freundes.
Einem Fichtenapfel gleichet
Dies mein Herz, und bebt gleich Weiden,
Weil ich sehnend mich zum hohen
Fichtenwuchs gewandt des Freundes.
Wenn der Freund um mich Verliebten
Selbst den kleinsten Preis nicht böte,
Wär' mir doch, selbst nicht um Welten,
Feil ein Härchenrand des Freundes.
Frommt's ihm wohl, wenn aus des Grames
Banden sich sein Herz befreiet?
Bleibt ja doch Hafis als Sclave
Und als Knecht bekannt des Freundes.
Komm, denn sieh, die Burg der Hoffnung
Fusset auf gar schwachem Grunde;
Bringe Wein! den Bau des Lebens
Wirft ein Windstoss um zur Stunde.
Jenes Mannes hohem Sinne
Hab' als Sclav' ich mich verdungen,
Der von jeglicher Verbindung
Dieser Welt sich losgerungen.
Sag' ich dir's, dass, als ich gestern
Mich im Weinhaus arg betrunken,
Mir vom Geisterland ein Engel
Frohe Kunde zugewunken?
»Falke kühnen Blickes – sprach er –
Der auf dem Sĭdrē du thronest!
Nicht dein Nest ist dieser Winkel,
Den du leidend jetzt bewohnest.
Von des Himmels hoher Zinne
Hörst du laute Töne schallen:
Was – ich kann es nicht begreifen –
Machte in dies Netz dich fallen?«
Einen Rath will ich dir geben;
Merk' ihn dir, um ihn zu üben,
Denn dies Wort des alten Meisters
Ist mir stets im Sinn geblieben:
»Hoffe nicht, dass ihr Versprechen
Dir die Welt, die falsche, halte:
Eine Braut von tausend Freiern
Ist sie, diese schnöde Alte.«
Lass die Welt dich nicht betrüben,
Und gedenke meiner Worte!
Freundlich sprach zu mir ein Wand'rer,
Der durchpilgert viele Orte:[81]
»Füg' dich in gescheh'ne Dinge
Heit'rer Stirn und unverdrossen,
Denn des freien Willens Pforte
Blieb so mir wie dir verschlossen.«
Treu' und Glaube fehlt der Rose,
Die da lacht durch kurze Tage;
Seufze nur, verliebter Sprosser,
Denn wohl ist hier Grund zur Klage!
Der du matte Verse schmiedest!
Was beneidest du Hafisen?
Zu gefallen und zu dichten
Ward von Gott er angewiesen.[82]
Seit deines Lockenhaares Spitze
Dem Ostwind in die Hände fiel,
Zerfiel aus Kummer in zwei Hälften
Das Herz, und litt, ach, gar so viel!
Ein Büchlein, das von Schwarzkunst handelt,
Ist dein bezaubernd' Aug' fürwahr;
Doch schlich – dies ist nicht zu bestreiten
Ein Fehler sich in's Exemplar.
Was ist das Maal, das glänzend schwarze,
Das in der Locke Häkchen blitzt?
Dem Tintenpunct ist's zu vergleichen,
Der in dem Ring des Dschimes sitzt;
Und deine moschusreiche Locke
In jener Wange Rosenbeet
Was ist sie wohl? Ein Pfau, ein stolzer,
Der sich im Paradies ergeht.
Mein Herz, o trauter Freund der Seele,
Von Lust nach deinem Duft besiegt,
Ward zum gemeinen Strassenstaube,
Der zu des Westwind's Füssen liegt.
Es hebt sich dieser Leib von Erde,
Dem Staube gleich, wohl nimmermehr
Empor von deines Dorfes Rande,
Denn ach, sein Fall war allzuschwer!
Dein Schatten wirkt auf meine Hülle,
O wunderthät'ger Isa, ein,
Wie auf die modernden Gebeine
Des Lebensgeistes Widerschein.
Ich sah den Mann, der nur die Kába
Sich sonst zum Aufenthalt erkor,
Weil deiner Lippe er gedachte,
Jetzt weilen an der Schenke Thor.
Hafisen, der sein Herz verloren,
Verknüpft mit deiner Liebe Leid
Ein Bündniss das, o theure Seele,
Besteht seit dem Beginn der Zeit.
Die Rose am Busen, das Glas in der Hand,
Ein Liebchen, das willig erfreut!
Der mächtigste Sultan im herrlichsten Land
Ist wahrlich mein Sclave nur heut!
Verschont die Versammlung mit Lichtern, verschont!
Uns strahlt ja in heutiger Nacht
Die Wange des Freundes als leuchtender Mond
In schimmernder Völle und Pracht.
Stets waren die Freuden des Weines erlaubt
Nach uns'rem Gesetze; allein
Sind, Rosenzipresse, wir deiner beraubt.
So müssen verboten sie sein.
Durchwürz' nicht in uns'rer Gesellschaft die Luft!
Der Seele Geruchsinn erfüllt
In jedem Moment ja der lieblichste Duft,
Der süss aus der Locke dir quillt.
Mein Ohr neigt dem Worte der Flöte sich hin,
Und horcht, wie die Harfe verklingt;
Mein Auge blickt immer nach deinem Rubin.
Und schaut, wie den Becher man schwingt.
Vom Kandel und Zucker sprich fürder mir nicht,
So schmackhaft sie immer auch sein:
Mein sehnlichster Wunsch und mein liebstes Gericht,
Dein Mund ist's, dein süsser, allein.
Seit Kummer um dich – jener köstliche Schatz –
Im öden Gemüthe mir ruht,
Sind Winkel der Schenken der einzige Platz,
Der wohnlich mir scheinet und gut.
Du sprichst von der Schande? Sie freut mich, mein Ruhm
Erwächst ja aus Schande allein.
Du frägst nach dem Ruhme? Ich hass' ihn. Warum?
Mein Ruhm bringt ja Schande mir ein.[87]
Als taumelnden Zecher bekenne ich mich;
Kühn send' ich die Blicke umher:
Doch Jener, der nimmer so wäre wie ich,
Wo fände im Städtchen sich der?
O saget dem Vogte des Städtchens doch nicht,
Wie schimpflich mein Treiben mag sein:
Er leistet, mir ähnlich, ja auch nicht Verzicht
Auf immer zu trinkenden Wein.
Vom Wein und vom Liebchen getrennt, o Hafis,
Verschwinde dir nimmer ein Tag:
Nun duften Jasmine und Rosen so süss,
Auch nahte des Festes Gelag.[88]
Pinjen und Zipressen brauchet
Nimmer meines Gartens Raum:
Denn, wem wiche wohl an Höhe
Meines Buchses zarter Baum?
Sage mir, du holder Knabe,
Welchen Glauben nennst du dein?
Denn mein Blut scheint dir erlaubter
Als die Muttermilch zu sein.
Siehst von fern du düst're Bilder,
O dann hurtig Wein begehrt!
Den Erfolg erprobt' ich selber,
Und das Mittel ist bewährt.
Zieh' ich von des Wirthes Schwelle
Jemals wohl das Haupt zurück?
Wohnt in diesem Haus und Hofe
Immer doch nur Sieg und Glück.
Nichts als nur gebroch'ne Herzen
Kauft man ein auf meiner Bahn;
Auf dem Markt des Selbstverkaufens
Langt auf ander'm Weg man an.
Gestern liess Genuss Er hoffen.
Und im Kopfe spukt' ihm Wein:
Doch was spukt Ihm heut im Kopfe.
Und was wird Sein Ausspruch sein?
Stets dasselbe ist das Mährchen
»Liebesgram«; doch sonderbar,
Dass bei Keinem, der's erzählte.
Es ein wiederholtes war.
Kehre wieder, denn das Auge
Hofft auf dich in Trennungsnoth,
Wie das Ohr des Fastenhälters
Auf die Worte: »Gross ist Gott!«[91]
Schilt nicht auf Schirās und Rokna,
Noch auf jenen Abendwind,
Sie, die Wasser auf der Wange
Aller sieben Länder sind.
Welch ein Abstand! Chiser's Wasser
Fliesset in des Dunkels Schoos,
Und der Urquell meines Wassers
Sind die Worte: »Gott ist gross!«
Von dem Ruhm zufried'ner Armuth
Zieh' ich nimmer mich zurück;
Sprich zum Kaiser: »Für die Nahrung
Sorgt ein gütiges Geschick.«
Welch ein frisches Kandelbäumchen
Ist dein Schreibrohr, o Hafis!
Ist doch Honig selbst und Zucker
Nicht wie seine Früchte süss.[92]
Eine Flur ist, ewig grünend,
Was Derwischen-Zelle heisst:
Ehrensummen sind die Dienste,
Die Derwischen man erweist;
Und der Schatz in öden Gründen
Mit dem Wundertalisman
Wird gehoben, blickt erbarmend
Der Derwische Aug' ihn an.
Das, wovor die hehre Sonne
Ihres Stolzes Krone neigt,
Ist die Grösse, die sich herrlich
Im Derwischen – Prunke zeigt.
Auf das Himmelsschloss, gehütet
Von Riswan, kann hin man seh'n
Von der freudenvollen Wiese,
Wo Derwische sich ergeh'n.
Was in Gold die schwarzen Herzen
Durch sein Strahlenlicht verkehrt,
Alchimie ist's, die im Umgang
Mit Derwischen sich bewährt.
Und von einem Pol zum andern
Wüthet stets des Unrechts Krieg,
Doch vom Urbeginn zum Ende
Bleibt Derwischen stets der Sieg;
Und die Macht, die nie des Sturzes
Bange Sorge hat ereilt,
Eine Macht ist's – hör' es freudig –
Die nur bei Derwischen weilt.
Die Chosrewe sind die Kibla
Jeder Bitte, jeder Noth:
Steh'n sie doch als treue Diener
Den Derwischen zu Gebot.[95]
Lass den eitlen Hochmuth fahren,
Du, der Erdengüter fand,
Denn dein Haupt und Gold beschützet
Doch nur der Derwische Hand.
Doch Kărūn's versunk'nen Schätzen
Hatte zürnend Gott geflucht:
Und warum? du hast's gelesen:
Aus Derwischen-Eifersucht.
Jenes Antlitz theurer Wünsche,
Worum selbst Monarchen fleh'n,
Ist nur im Gestaltenspiegel
Der Derwische zu erspäh'n.
Was der Blick Ăssāf's befohlen,
Dem gehorch' ich Sclave leicht,
Weil er äusserlich Gebietern,
Innerlich Derwischen gleicht.
Wünschest du, Hafis, zu treffen
Auf des Lebenswassers Spur?
Es entquillt dem Staub der Thüren
An Derwischen-Zellen nur.
Sei, Hafis, hier fein bescheiden,
Denn, was Länderherrschaft heisst,
Stammt allein nur von den Diensten,
Die Derwischen man erweist.[96]
Es kam mein Freund in's Maghen-Kloster
– In seiner Hand war ein Pocal –
Von Wein berauscht, so wie die Zecher
Von seiner trunk'nen Augen Strahl;
Am Hufe seines Rosses glänzte
Ein neuer Mond im hellsten Schein,
Und selbst die hohe Pinje schrumpfte
Vor seinem schlanken Wuchse ein.
Was sag' ich denn, ich sei bei Sinnen,
Wenn ich's im Grunde doch nicht bin?
Wie sag' ich denn, ich schau' ihn nimmer?
Blickt doch mein Auge nur auf ihn.
Der Freunde Herzenslicht verlöschte,
Erhob er sich vom Sitz; doch jetzt
Erhebt ein Schrei sich der Verliebten,
Wenn er sich wieder niedersetzt.
Der Bisam hauchet süsse Düfte,
Denn er berührte ja sein Lockenhaar;
Die Brauenschminke wird zum Schützen,
Denn sie umzog sein Brauenpaar.
O kehre heim! dann kehret wieder
Das Leben, das Hafisen schwand,
Wenn gleich der Pfeil nicht wiederkehret,
Der einem Bogen ward entsandt.
Nicht umsonst ist jener Schlummer
Deines schlauen Augenpaar's;
Nicht umsonst ist jener Schimmer
Deines wirren Lockenhaar's.
Noch floss Milch von deiner Lippe,
Und schon sagte ich wie heut:
»Nicht umsonst ist dieser Zucker
Um dein Salzgefäss gestreut.«
Eine Quelle ew'gen Lebens
Ist dein Mund; doch ist bekannt,
Deines Kinnes Brunnen liege
Nicht umsonst an ihrem Rand.
Freue dich des längsten Lebens!
Weiss ich doch für meinen Theil,
Nicht umsonst sei an den Bogen
Angelegt dein Wimpernpfeil.
Bist in Gram und Leid verfallen
Und in herben Trennungsschmerz:
Nicht umsonst ist deine Klage
Und dein Wehgeschrei, o Herz!
Gestern weht' am Rosenhaine
Seines Dorfes Luft vorbei:
Nicht umsonst reisst du, o Rose,
Dir den Kragen nun entzwei.
Birgt das Herz auch vor den Leuten,
Was die Lieb' es leiden liess,
Nicht umsonst doch ist dies Weinen
Deines Auges, o Hafis!
Geh' und sorge um dich selber,
Prediger! was sprichst du? sprich!
Zwar mein Herz hat sich verwirret,
Aber was beirrt das dich?
Des Geliebten zarte Mitte
Schuf aus Nichts des Schöpfers Hand,
Als ein Räthsel, das zu lösen
Kein Geschöpf sich unterstand.
Bettler Deines Dorfes tragen
Die acht Himmel in der Brust;
Sclaven deiner Bande leben
Frei von beider Welten Lust.
Zwar mich gab der Rausch der Liebe
Der Verwüstung Preis; allein
Meines Lebens Bau erstehet
Nur durch dies Verwüstetsein.
Herz, bejamm're nicht die Härte
Deines Freundes, denn der Freund
Hat dir dieses nur beschieden,
Was denn auch gerecht erscheint:
Bis sein Mund mir meinen Gaumen
Nicht berührt, gleich einem Rohr,
Ist der Rath der ganzen Erde
Eitel Wind nur meinem Ohr.
Geh', Hafis, lies keine Mährchen,
Keine Zauberformeln mehr:
Diese Mährchen, diese Formeln
Kenn' ich leider allzusehr.
Es ist die Lippe meines Freundes
Ein feuchter, blutiger Rubin,
Und freudig gebe ich die Seele,
Bloss um ihn zu erblicken hin.
Vor jenem schwarzen Auge schäme
Und vor den langen Wimpern sich,
Wer schaute, wie er Herzen raubet
Und es gewagt, zu schmähen mich.
O Führer der Kameele, schaffe
Nicht mein Gepäck zum Thor hinaus!
Am Königswege liegt ein Dörfchen,
Und dort steht meines Liebsten Haus.
Ich bin des eig'nen Schicksals Sclave,
Denn jetzt, wo Noth an Treue ist,
Ist's jenes trunk'nen Luli's Liebe
Die mich zu kaufen sich entschliesst.
Die würz'ge Scheibe einer Rose,
So wie ihr Kelch, der Ambra streut,
Enthalten Theilchen nur des Duftes,
Den mein Gewürzverkäufer beut.
O Gärtner, treibe gleich dem Weste
Nicht aus dem Gartenthore mich!
Denn deinen Rosenhain bewäss're
Mit Thränen, gleich Granaten, ich.
Nur Kandelsaft und Rosenwasser,
Die meines Freundes Lipp' enthält,
Ward mir von seinem Aug' verschrieben,
Das sich mein Herz zum Arzt bestellt.
In lieblicher Ghaselen – Dichtung
Genoss Hafis den Unterricht
Des Freund's, der süsse Reden führet,
Und wunderselt'ne Dinge spricht.
Lang schon ist's, dass Leidenschaft für Götzen
Mir als Glaube wohnt in stiller Brust;
Doch dem sorgenvollen Herzen schaffet
Diese Sorge Freude nur und Lust.
Will man deines Mund's Rubin erblicken,
Braucht's ein Aug', das Seelen schauen kann;
Aber hebt mein weltbeschauend' Auge
Sich zu dieser Stufe wohl hinan?
Sei mir Freund: denn aller Schmuck des Himmels,
Alle Zier der irdischen Natur
Liegt im Monde deines Angesichtes
Und der Plejas meiner Thränen nur!
Seit die Liebe, die ich dir geschworen,
Mich gelehrt der Dichtkunst edles Wort,
Leben Lob und Beifall, mir gespendet,
In des Volkes Zunge immer fort.
Lass, o Gott, des Glückes mich geniessen,
Das allein die Dürftigkeit verleiht:
Denn nur diese Gabe ist die Quelle
Meiner Macht und meiner Herrlichkeit!
Sag' dem Pred'ger, der den Stadtvogt kennt:
»Wolle doch so dünkelhaft nicht sein!
Denn das Haus, worin der Sultan wohnt,
Ist ja doch mein armes Herz allein.«
Wessen Schauplatz, Herr, ist diese Kába,
Die der Zielpunkt aller Wünsche ist?
Ist für mich doch Rose und Narcisse
Jeder Dorn, der ihrer Bahn entspriesst;
Doch dein Bild, wer hat es unterrichtet
In der Kunst zu schiffen durch ein Meer?
Meine Thräne, die der Plejas gleichet
Und als Leitstern wandelt vor mir her.
Sprich, Hafis, von jenem Prunke nimmer,
Den das Loos beschieden dem Pĕrwīs;
Seine Lippe trinkt ja nur die Hefe,
Die Chŏsrēw, mein Süsser, übrig liess.
Ich bin es, dem der Schenke Winkel
Ein Haus des Gottesdienstes scheint,
Und der im Gruss des alten Wirthes