„Nicht das Erzählte reicht,
sondern das Erreichte zählt.“
Sprichwort
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über www.dnb.de
ISBN 978-3-941412-87-3
Impressum
Verlag:
REKRU-TIER GmbH, München
© 2018 REKRU-TIER GmbH - All Rights Reserved
Ein fröhliches Hallo, liebe Leserin,
wer auf Weltreise gehen möchte, muss sich ordentlich vorbereiten und eine ganze Menge einpacken – Entdecker wollen bei ihren Expeditionen schließlich weder frieren noch übermäßig schwitzen. Auch für die extremsten Bedingungen gibt es Mittel und Methoden, um sie erträglich zu machen.
Die Vorbereitung für unsere Reise fällt deutlich einfacher aus: Mach es dir an einem Platz deiner Wahl bequem – in der Hängematte oder auf der Couch mit einem Kaffee oder Tee. Denn die Weltreise, die du mit diesem Buch antrittst, ist eine gedankliche Reise. Eine Reise in dein inneres Ich und von dort aus zu deinem äußeren Ich und zu deinem äußeren Umfeld. Dabei wirst du Dinge entdecken, die du so höchstwahrscheinlich noch nicht gesehen oder wahrgenommen hast. Möglicherweise wird sich dein Weltbild komplett verändern. Das Buch wird dich hoffentlich dazu animieren, neue Handlungsweisen anzunehmen.
Dieses Buch ist kein Reiseführer für einen Kurztrip nach Mallorca, sondern für eine Welt(bild)-Reise mit wahrscheinlich größeren Auswirkungen, als du sie dir im Moment vorstellen kannst.
In der Vergangenheit hatte ich in meinen Coachings immer wieder mit Frauen zu tun, die in einer persönlichen Sackgasse angekommen waren – ihre Aussichten waren keineswegs rosig, sie waren frustriert und antriebslos. Bei ihnen hätte das beste Make-up die Sorgenfalten nicht kaschieren und die Hilflosigkeit nicht überdecken können (ich weiß wovon ich hier rede, weil ich früher als Visagistin gearbeitet und ein erfolgreiches Make-up-Unternehmen geführt habe).
Eines hatten all diese Frauen gemeinsam: Ihr Leben fühlte sich für sie an wie ein überfüllter Kleiderschrank, aus dem alles herausbricht, wenn die Tür auch nur einen kleinen Spalt weit geöffnet wird. Die betroffenen Frauen hatten keine Motivation mehr, ihr Leben aufzuräumen. Sie wussten nicht, nach welchen Kriterien sie ihr Leben ordnen könnten und verfügten weder über den Willen noch über die Fähigkeit, Überflüssiges auszusortieren. Sie konnten weder bestimmen, was ihnen guttat, noch ausmachen, was ihnen fehlte. Manche Frauen erzählten mir, dass sie sich teilweise wie gelähmt fühlten und dass ihnen jedwede Handlung unmöglich sei.
Vielleicht warst auch du, liebe Leserin, schon einmal in einer ähnlichen Situation und weißt genau, was ich meine. Um es vorwegzunehmen: Ich durfte die betroffenen Frauen mit einer bewährten Strategie unterstützen, mit einer Methode, die es wirklich in sich hat.
Es mag verschiedene Patentlösungen geben – meine heißt Phoenix-Strategie. Benannt nach dem Phoenix, dem Fabelwesen aus der Mythologie, der immer wieder neu aus seiner eigenen Asche aufersteht. So wie der Phoenix kann auch jede Frau wieder zu Kräften kommen und die Kontrolle über ihr eigenes Leben übernehmen oder zurückgewinnen. Und genau darum geht es in diesem Buch.
Wenn du das Buch aufmerksam bis zum Ende gelesen hast, dann kannst du einordnen, welchem Typus Frau du entsprichst. Es gibt unterschiedliche Frauentypen in unzähligen Varianten. Der Einfachheit halber unterteile ich sie in vier Kategorien und teile jedem Frauentypus eines der vier Elemente zu, nämlich Feuer, Wasser, Erde und Luft. Jedes Element hat seine Vor- und natürlich auch seine Nachteile. Frauen eines Elements können sich von Frauen anderer Elemente inspirieren lassen und zum Beispiel neue Ideen oder Verhaltensweisen von ihnen übernehmen.
Das ist gut und wichtig. Denn häufig sind zu viele oder zu wenige Stimmungen und Emotionen, Fähigkeiten und Fertigkeiten vorhanden. Klingt im ersten Moment logisch: Fügt man die einzelnen Bestandteile für ein glückliches Leben richtig dosiert zusammen, kann man glücklich leben. Doch was genau sind die Grundvoraussetzungen für ein glückliches Leben?
Auf diese Frage gibt es Hunderttausende von Antworten. Um die für sich passende zu entdecken, bedarf es einer messerscharfen Analyse und (manchmal) der Unterstützung von außen. Diese hältst du mit diesem Buch in deinen Händen.
Vor und während deiner Reise solltest du dir bewusst machen, wohin genau du selbst möchtest – völlig unbefangen und unvoreingenommen. Vergiss für einen Moment die anderen. Damit trittst du lieben Menschen nicht zu nah oder vernachlässigst sie. Du darfst auch mal nur an dich denken.
Das ist nicht nur okay, sondern sogar lebenswichtig. Für dich und deine Gedanken, für deine Stimmung, deine Entscheidungen und im Ergebnis natürlich auch für dein Umfeld. Denn wenn du weißt, wo du stehst, dann kannst du deine Zukunft, dein Leben und dein Umfeld nach deinen Regeln und Ideen neu aufstellen und organisieren, wenn das erforderlich ist. Und plötzlich verziehen sich die dunklen Gewitterwolken, und strahlender Sonnenschein fällt auf dein Gemüt.
Eingangs hatte ich es bereits angedeutet: Für eine Weltreise benötigst du mindestens einen großen Rucksack, der bis zum Rand gefüllt ist mit Equipment und Ausrüstung.
Für deine Welt(bild)-Reise brauchst du Zeit und dein Lieblingsgetränk, vielleicht noch ein paar gesunde Snacks und einen Stift. Schreibe Ideen, die dir beim Lesen in den Kopf kommen, als Randnotiz ins Buch. Falls du das Buch an Freundinnen weitergeben möchtest, lege ein paar Blätter bereit, um deine Gedankenblitze zu notieren. Übertrage die Infos aus dem Buch oder von den Zetteln in eine ordentliche Form.
Mit diesem Buch steht deinen Neuentdeckungen und persönlichen Zielen nun nichts mehr im Wege. Persönlich deshalb, weil jede Leserin an einem anderen Ziel ankommen wird als die anderen. Einige entscheiden sich vielleicht dafür, von der Unbequemlichkeit in die Bequemlichkeit des Lebens zu wechseln. Manche gehen möglicherweise den umgekehrten Weg – gelangweilte Frauen mit neuen Perspektiven erleben wieder mehr Action. Gestresste Frauen können zur lang ersehnten Ruhe kommen. Alles ist möglich. Und natürlich immer so, wie es genau richtig für dich ist.
Die Phoenix-Strategie, die du kennenlernen und anwenden wirst, ist so etwas wie dein persönliches Navigationssystem, das dich immer wieder auf den richtigen Weg bringt. Und meine Triade der Freude, eine Denkmethode, wird zu deinem Kompass. Freue dich auf eine spannende Entdeckungstour. Außerdem dürfen auch die präventiven Maßnahmen nicht fehlen – indem du deine Gedanken optimierst, wirst du auf deinem Weg immun gegen Pessimismus und Selbstzweifel. Gute Aussichten, oder? Wenn du bereit bist, treffen wir uns gleich im Anschluss auf dem ersten Kontinent, den wir gemeinsam entdecken. Er heißt Irdischer Mangel. Ich zeige dir mein früheres Zuhause in einer bedrückenden Siedlung – beide prägten meine Kindheit und mein späteres Leben.
Wenn du Interesse hast, dich mit mir auszutauschen, sende mir einfach eine Mail an info@martinakrohn.de. Ich freue mich natürlich auch auf dein Feedback.
Auf dich wartet
deine Martina Krohn
Der Kontinent Irdischer Mangel ist geprägt von Defiziten: Freiheit, Geld und Möglichkeiten sucht man hier vergebens.
Meine persönliche Geschichte
Ich bin mit sechzehn Jahren von zu Hause ausgezogen. Meine Kinder sind heute zwanzig und dreiundzwanzig Jahre alt, und es ist für mich unvorstellbar, dass ich sie mit sechzehn Jahren nicht mehr bei mir gehabt hätte. Bei mir war das alles anders. Zwei Jahre vor meiner Volljährigkeit war ich weg.
Ich bin im absoluten Mangel groß geworden – sowohl im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse als auch im Hinblick auf Zukunftsperspektiven. Mein Elternhaus war sehr liebevoll und zugleich äußerst einfach. Mein Vater arbeitete als Arbeiter auf dem Bau, und meine Mutter verdiente Geld als “Putzfee” (ich mag die Bezeichnungen Putzfrau oder Reinigungskraft nicht – sie klingen für mich irgendwie herabwürdigend). Von frühester Kindheit an habe ich immer dasselbe gehört: „Das können wir uns nicht leisten” oder: “Dafür haben wir kein Geld.”
Wir hatten nichts, obwohl meine Eltern sehr viel und körperlich hart arbeiteten.
Als ich ungefähr zwölf Jahre jung war, stand für mich fest, dass ich so später nicht leben möchte. Deshalb fing ich an, die Menschen um mich herum zu studieren. Ich bewegte mich in zwei unterschiedlichen Freundeskreisen. Zwischen ihnen lagen Welten. Einerseits zählten zu meinen Freundinnen Töchter von Unternehmerinnen und einem ortsansässigen Zahnarzt. Auf der anderen Seite verbrachte ich meine Zeit mit anderen Kindern, die ebenfalls aus der Siedlung waren, in der ich wohnte, und die ebenfalls nicht das Privileg hatten, im Wohlstand aufzuwachsen. Einige dieser Kinder waren extrem unerzogen, hatten keinen Respekt vor nichts und niemandem und benahmen sich wie die sprichwörtliche Axt im Walde.
Ich erkannte Zusammenhänge zwischen dem Verhalten der Kinder und dem ihrer Eltern. Ich beobachtete das Umfeld meiner Freundinnen sehr genau: Was machen deren Eltern beruflich? Wie sehen sie aus? Wie leben sie? Wie bewegen sie sich, und wie sprechen sie miteinander und mit anderen? Als ich fünfzehn wurde, war mir mit einem Mal klar: Wenn ich ab sofort immer das Gegenteil dessen machen würde, was meine Eltern tun oder von mir verlangen, dann müsste ich damit auch das Gegenteil erreichen können und auf den richtigen Weg kommen.
Eine Erkenntnis, die meine Mutter und mein Vater heftig zu spüren bekamen. Meine armen Eltern! Ich war eine Revoluzzerin. Vermutlich ein Eltern-Albtraum. Diese Zeit war für niemanden von uns leicht. Bald schon wollte ich mich wie meine Vorbilder – die erfolgreichen Eltern einiger meiner Freundinnen – selbstständig machen. Ich wollte schnell (finanziell) unabhängig werden. Gar nicht so leicht, wenn man noch minderjährig ist und “die Füße unter den Tisch der Eltern stellt”.
Heute weiß ich, dass sie nur das Beste für ihr Kind wollten. Dazu gehörte natürlich auch eine solide Ausbildung. Dieses Thema lieferte hochexplosiven Gesprächsstoff. Am Ende setzten sich meine Eltern durch. Ich ging ja noch zur Schule und musste mich ihren Vorstellungen beugen. Aber ganz gewiss nicht kampflos.
So kam ich zu meiner Ausbildung als Industriekauffrau. Obwohl ich null Interesse an dieser Branche und dem Berufsbild hatte, zog ich die Ausbildung durch. Oder besser: Ich kämpfte mich durch. Hätte ich die Wahl gehabt, wäre ich wahrscheinlich Friseurin geworden – ein kreativer Beruf war zu dieser Zeit mein größter Traum, aber der blieb zunächst unerfüllt.
Meine Mutter meinte es gut mit mir. In ihren Augen hatte ich als Chefsekretärin deutlich höhere Chancen im Hinblick auf wirtschaftlichen Erfolg als in einem Friseursalon. Für sie war klar: Chefsekretärinnen verdienen mehr Geld als Friseurinnen. Und deswegen setzte sie ihre Pläne mit mir früh um und bahnte mir meinen Weg in die Vorstandsetagen, indem sie mich schon mit zwölf Jahren im Schreibmaschinen- und Stenografie-Verein anmeldete.
Während andere im Ballettunterricht grazile Bewegungen übten – dafür hatten wir bekanntlich ja kein Geld –, tanzten immerhin meine Finger über die Tasten der Schreibmaschine. Nicht klassisch, sondern eher rock’n‘roll-mäßig. Ich musste dabei ziemlich fest auf die Tasten hauen, denn ich wuchs in der Zeit der mechanischen Schreibmaschinen auf – überhaupt nicht zu vergleichen mit den heutigen PC-Tastaturen.
So saß ich also zu Hause und übte, möglichst schnell zu schreiben. Zweifelsohne war ich darin auch ziemlich gut. Die Aktivitäten im Schreibmaschinen- und Stenografie-Verein waren für mich Momente, in denen ich aus meinem trüben Alltag ausbrechen und soziale Kontakte pflegen konnte. Vor allem tat mir die Anerkennung, die mir hier zuteil wurde, richtig gut. In der Schule wurde ich damit nämlich nicht gerade überhäuft. Ich war leider keine besonders gute Schülerin – vor allem nicht in Mathematik und den naturwissenschaftlichen Fächern. Deutsch lag mir einigermaßen. Und Erdkunde auch. Ich interessierte mich recht früh für die ganze Welt, was mir später noch zugute kommen sollte.
Was meine Fertigkeiten auf der Schreibmaschine anbelangte, wurde ich relativ schnell zur Meisterin. Es gab richtige Wettbewerbe, an denen ich teilnahm. Bei der deutschen Meisterschaft konnte ich mich in den beiden Disziplinen “Schnell schreiben” und in “Perfekt schreiben” durchaus mit anderen messen. Die Zeit wurde mit der Stoppuhr genommen, und dann wurden die Anschläge gezählt, denn die Aufgabe bestand darin, möglichst schnell zu schreiben und dabei möglichst wenige Fehler zu machen. Das war das große Highlight meiner Kindheit.
Ich wuchs in einer Siedlung auf, in der zwölf Familien in einem Haus lebten. Eine Menge Potenzial für Reibereien ...
Meine Eltern und ich teilten uns eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung. Das halbe Zimmer gehörte mir. Eigentlich war es eher eine Kammer. Ich konnte mich kaum darin bewegen. Ich hatte mein Bett, dort einen Schreibtisch und hier einen Schrank. Und damit war das Zimmerchen auch schon voll. Ich konnte hören, wie andere Menschen lebten und stritten. Heute würde man diese Gegend als sozialen Brennpunkt bezeichnen. Früher teilten sich dort Sozialhilfeempfänger, Alleinstehende und Familien mit vielen Kindern eine Adresse. Das Thema Alkoholismus war allgegenwärtig. Manchmal krakeelten Männer früh morgens im Hausflur herum, ein anderes Mal rüttelte jemand an der falschen Wohnungstür, also (auch) an unserer. Ich bin nie müde geworden, mir zu überlegen, wie ich aus diesem Milieu herauskommen und ein anderes Leben führen könnte – ein Leben nach meinen eigenen Vorstellungen. Die Zeichen dafür standen damals nicht unbedingt günstig.
Heute bin ich froh, dass meine Eltern sich trotz der widrigen Umstände im Griff hatten. Sie waren bescheiden und anständig. Meine Eltern sind Sudetendeutsche. Das bedeutet, dass sie aus ihrer Heimat vertrieben wurden – mit nichts außer den Sachen, die sie am Leibe trugen. Sie sahen sich nie als Flüchtlinge, sondern immer als Vertriebene. Ein aus ihrer Sicht wesentlicher Unterschied. Sie hatten immer das Gefühl, nie eine echte Chance bekommen zu haben. Wahrscheinlich stimmt das sogar: keine Chance auf eine richtige Ausbildung und keine Chance auf ein Leben im Wohlstand. Traurig aber wahr. Noch heute kann ich in Gesprächen mit meiner Mutter ihre Opferhaltung erkennen. Sie hält sich daran fest, dass sie für unsere missliche Lage nichts konnte.
Zu Wohlstand und Luxus hatte sie allenfalls Zugang, wenn sie die Stadtvilla eines Fabrikbesitzers reinigte. Damit verbrachte sie einen großen Teil ihres Lebens. Und wenn ich Ferien hatte, dann nahm sie mich ab und zu mit dorthin.
Ein unglaubliches Kontrastprogramm zu unserer Wohnung: Als ich diese riesige Villa das erste Mal betrat, kam ich mir vor wie Aschenputtel. Wunderschön, wirklich wunderschön war diese Villa – ausgestattet mit edlen Möbeln, den feinsten Teppichen und den hochwertigsten Materialien, die man sich nur vorstellen kann. Ein Traum. Die Frau des Fabrikanten war immer perfekt gekleidet mit modernen, exklusiven Kleidern und edlem Schmuck. Unbeschreiblich angenehme Düfte verwöhnten meine Nase. Und ich hörte, dass die Familienmitglieder Englisch sprachen.
Und natürlich gab es die feinsten Speisen, bei deren Anblick mir das Wasser im Munde zusammenlief. Schon damals ahnte ich, dass es einen Zusammenhang geben muss zwischen dem, was man tut, und dem, was man hat. Eine Verbindung also zwischen Bildung und dem materiellen Wohl. So hätte ich das früher nicht auszudrücken vermocht. Aber mir war klar, dass ich mich hier in einer Welt befand, die mir außergewöhnlich gut gefiel.
Meine eigene Realität in meiner Familie sah ganz anders aus. Das fing schon damit an, dass ich mich und natürlich auch meine Mutter ständig fragte, wieso ich keine Jeans tragen dürfe, andere Teenager trugen schließlich auch Jeans. Und immer wieder hörte ich die alte Endlosschleifenleier: “Kein Geld, wir haben doch kein Geld.” Und Englisch wurde bei uns selbstredend auch nicht gesprochen.
Mit jedem Tag wuchs mein Wunsch, später nicht auf so viele Dinge verzichten zu müssen wie meine Eltern. Und mich bewegte die Frage, was ich tun müsse, um “nach oben” zu kommen. Natürlich fehlten mir mit gerade mal eineinhalb Jahrzehnten Lebenserfahrung die Ideen und Inspirationen, um diese Frage richtig beantworten zu können. Doch ich war lernwillig und bereit, eine Reise anzutreten, die mich weit wegbringen sollte aus dieser Welt des Mangels. Heute kann ich sagen, dass mich diese Motivation schon damals von vielen Gleichaltrigen aus unserer Siedlung unterschied. Ich habe einige hinter mir zurückgelassen, und nicht wenige blieben auf der Strecke.
Es ist etwas anderes, ob du dir selbst sagst, dass du etwas nicht kannst oder hast oder dass alles schlecht ist, oder ob du weitergehst und bereit bist für den Wandel. Statt zu klagen – lieber fragen. Ich habe mich immer und immer wieder selbst gefragt, was ich tun muss, um dem Trübsinn zu entkommen. Ich habe aber nicht nur gefragt, sondern habe aktiv nach Antworten gesucht und war bereit für Veränderung.
Heute stelle ich fest, dass die Schmerzgrenze für viele Frauen, die ich kennenlerne, schon extrem hoch sein muss, damit sie sich in Bewegung setzen, um aktiv nach Lösungen für ihre Probleme zu suchen und sie dann auch tatsächlich umzusetzen.
Forschergeist und Umsetzungswille scheinen bei einigen Frauen nur schwach ausgeprägt zu sein. Viele Frauen verharren unbeirrt in ihrer Opferrolle nach dem Motto: “Habe ich nicht und kann ich nicht – und ich kann auch nichts dafür.” Auf die Frage, wer dafür verantwortlich ist, werden viele redselig. Plötzlich kommen die vermeintlichen Übeltäter zum Vorschein: der Partner, der Chef, das Umfeld, die Politik und die Medien. Für die eigene Misere sind immer die anderen verantwortlich.
In der Opferrolle fühlen sich einige Frauen sichtlich wohl. Schließlich können sie ja nichts für ihre Lage. Oder doch? Eins ist klar: Mit dieser Einstellung wird sich nichts oder nicht viel ändern.
Ich habe mich, seit ich denken kann, gegen die Opferrolle gewehrt und es kategorisch abgelehnt, meine Situation zu akzeptieren. Ich wollte einfach nicht akzeptieren, mein Leben so zu leben wie die Leute in dieser Siedlung. Ich wollte auch nicht so leben wie meine Eltern. Und deswegen habe ich alles darangesetzt, um diesem Schicksal zu entkommen.