Georg Schneidemühl

Die Protozoen als Krankheitserreger des Menschen und der Hausthiere

Für Ärzte, Thierärzte und Zoologen
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2022
goodpress@okpublishing.info
EAN 4064066112929

Inhaltsverzeichnis


Vorrede.
Einleitung und Geschichtliches.
Allgemeine Bemerkungen über die Technik der Untersuchung.
Allgemeines über Protozoen .
I. Klasse: Rhizopoden.
II. Klasse: Sporozoen .
I. Ordnung: Gregarinen , Gregariniden .
II. Ordnung: Myxosporidien.
III. Ordnung: Koccidien (Leuckart) .
IV. Ordnung: Sarkosporidien .
V. Ordnung: Hämosporidien (Labbé 1894) .
VI. Ordnung: Acystosporidien (Syn. Gymnosporidia Labbé 1894) .
Anhang .
III. Klasse: Infusorien (Aufgussthierchen) .
I. Ordnung: Flagellaten (Geisselthierchen) .
II. Ordnung: Ciliaten (Wimperinfusorien) .
Nachtrag .
Litteratur.
Sachregister.

Vorrede.

Inhaltsverzeichnis

Wer die Fortschritte der allgemeinen und vergleichenden Pathologie in den letzten 10 Jahren verfolgt hat, wird unschwer erkannt haben, dass neben den niedrigsten pflanzlichen Organismen auch die niedrigsten thierischen Lebewesen — die Protozoen — eine bedeutende Rolle in der Pathogenese des Menschen und der Thiere spielen. Ist diese Bedeutung besonders beim Menschen auch nicht annähernd so gross, wie diejenige der pflanzlichen Organismen, so lehren doch die Untersuchungen der letzten Jahre, dass die Protozoen jedenfalls eine viel grössere Berücksichtigung in der Pathologie verdienen, als ihnen bisher zu Theil wurde.

Schon bei der Bearbeitung des Abschnittes über Protozoen in meinem Lehrbuche der vergleichenden Pathologie und Therapie des Menschen und der Hausthiere (Leipzig 1898) empfand ich das Bedürfniss nach dem Vorhandensein einer besonderen Schrift über die Protozoen als Krankheitserreger recht lebhaft. Noch lebhafter trat dieser Wunsch an mich heran, als ich mich entschloss, eine Vorlesung über die Protozoen als Krankheitserreger der Thiere und des Menschen anzukündigen. Ein geeignetes Buch fehlte, da die vorhandenen Schriften theils nur die Protozoen als Krankheitserreger beim Menschen erörtern, theils vom rein zoologischen Standpunkte bearbeitet und nicht in erster Linie direkt für die Bedürfnisse des Arztes und Thierarztes berechnet sind. Bei einer Durchsicht der Litteratur zeigte sich auch, wie sehr zerstreut das theilweise recht umfangreiche Material in verschiedenen Schriften des In- und Auslandes niedergelegt ist.

Da ich selbst seit einer Reihe von Jahren fortgesetzt Studien über einzelne pathogene Protozoen angestellt habe, so entschloss ich mich endlich, den vorliegenden Gegenstand zu bearbeiten. Um den weiteren Forschern auf diesem Gebiete die Arbeit etwas zu erleichtern, habe ich am Schlusse des Buches auch die Litteratur übersichtlich und nach Jahrgängen zusammengestellt.

Es ist mir schliesslich noch eine angenehme Pflicht, Herrn Maler Fürst, welcher den grössten Theil der Abbildungen nach meinen Vorlagen gezeichnet hat, sowie ganz besonders der Verlagsbuchhandlung meinen wärmsten Dank auszusprechen für das fortgesetzte Entgegenkommen, welches mir dieselbe auch bei der Verlagsübernahme dieser Schrift gezeigt hat.

Ich würde mich freuen, wenn die Arbeit Anregung zu weiteren Forschungen geben und zur Verbreitung der Kenntnisse über die Bedeutung der Protozoen als Krankheitserreger beitragen möchte.

Kiel, Ostern 1898.

Georg Schneidemühl.


Einleitung und Geschichtliches.

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Wie die Bakterien im Pflanzenreich so nehmen bekanntlich die Protozoen im Thierreich die niedrigste Stufe ein und stellen die einfachsten Formen dar. Auch ist es diesen thierischen Lebewesen ergangen wie den pflanzlichen. Ihre Stellung war lange Zeit eine ganz unsichere, und es ist ausserordentlich interessant, dass während die schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts von Leeuwenhoek gesehenen Bakterien wegen ihrer Eigenbewegung noch bis um die Mitte dieses Jahrhunderts für kleinste Thierchen gehalten wurden, bis Perty und Cohn ihre pflanzliche Natur mit Sicherheit erkannten, die thierische Natur der Protozoen, und ganz besonders der wichtigen Gruppe der Sporozoen noch bis in die neueste Zeit von manchen Autoren bezweifelt wurde. Die Thatsache jedoch, dass Protozoen bei verschiedenen Krankheiten vorkommen und auch theilweise in ursächlicher Beziehung zu den Krankheiten stehen ist schon seit längerer Zeit bekannt. Von den Krankheiten des Menschen sei erwähnt, dass R. Wagner[1] (1836) über das Vorkommen von Monaden beim Lippenkrebs berichtet, Donné[2] (1837) Trichomonas vaginalis im Scheidensekret luetischer Frauen fand und die Thiere anfänglich für die Ursache der Syphilis hielt. Von späteren Autoren führe ich an, dass Wedl[3] (1854) Monaden bei Geschwüren beschrieben hat, Hassel[4], Junker[5], Davaine[6] und Andere Protozoen in den Stuhlgängen von Cholera- und Typhuskranken gefunden haben. Malmsten[7] fand (1857) Paramaecium coli in grosser Menge bei Lienterie und Lambl[8] konstatirte (1859) zahlreiche Amöben im Darminhalte eines an Enteritis verstorbenen Kindes.

Von weiteren Arbeiten und Untersuchungen über Protozoen als Krankheitserreger sind dann besonders die Mittheilungen von Pasteur[9] über die Pébrine der Seidenraupen (1870) zu nennen. Es handelte sich im letzteren Falle um eine unter den Seidenraupen verheerend auftretende Krankheit, welche damals die gesammte Seidenindustrie Frankreichs zu vernichten drohte. Pasteur konnte nun nachweisen, dass diese Krankheit durch kleinste Organismen, welche Leydig und Cornalia bereits entdeckt und für Psorospermien[10] erkannt hatten, hervorgerufen werde. Pasteur fand dann die Sporen dieser Parasiten, die schon früher als Cornalia’sche Körper bezeichnet wurden, sowohl in den Raupen, wie auch in den Schmetterlingen und selbst in den Eiern der kranken Thiere und konnte so auch auf die erbliche Uebertragung dieser Krankheit hinweisen. Pasteur machte dann den sehr zweckmässigen Vorschlag, nur Eier von solchen Schmetterlingen zur Aufzüchtung von Seidenraupen zu benutzen, in deren Körper bei nachträglich vorgenommener Untersuchung jene Körperchen (Sporen) nicht gefunden worden waren. In der That wurde durch diesen sachgemässen Vorschlag erreicht, dass weiterer Schaden von der französischen Seidenindustrie ferngehalten wurde.

Während nun allerdings Pasteur nicht zur Entscheidung brachte, ob die von ihm gefundenen Gebilde pflanzlicher oder thierischer Natur sind, zeigte dann später Balbiani[11], dass es sich bei jenen Organismen in der That um Protozoen handelte, wie dies schon Leydig vorher ausgesprochen hatte.

Als dann die bahnbrechenden Arbeiten Robert Koch’s gelehrt hatten, dass bei vielen Infektionskrankheiten pflanzliche Organismen die Ursache sind, und als derselbe geniale Forscher auch gezeigt hatte, wie man auf exaktem Wege diese Organismen erkennt und als spezifische Krankheitserreger nachweisen kann, da musste es mit Recht befremden, wie Hauser[12] zutreffend sagt, dass gerade für die typischsten Infektionskrankheiten, welche schon seit alter Zeit als eminent ansteckende Seuchen erkannt worden waren, wie die Syphilis, die schwarzen Blattern und insbesondere die akuten Exantheme, wie Scharlach, Masern, und andere ansteckende Krankheiten, auch mittels der Koch’schen Untersuchungsmethoden bis heute noch keine pflanzlichen Mikroorganismen als die sicheren Erreger dieser Krankheiten nachgewiesen werden konnten.

Es trat deshalb in der neueren Zeit immer mehr die Meinung in den Vordergrund, dass es sich bei diesen und einigen anderen Krankheitsprozessen überhaupt nicht um die Wirkung pflanzlicher Organismen, sondern um Protozoen handeln könnte. Dazu kam, dass Laveran, Marchiafava und Celli in dem Blute von Malariakranken in der That Protozoen gefunden hatten, welche mit Sicherheit als die Erreger der Krankheit erkannt wurden. Für die menschliche Pathologie war eigentlich erst durch diesen Befund zuerst der Beweis erbracht worden, dass Protozoen überhaupt eine typische Infektionskrankheit hervorrufen könnten. Vielleicht haben diese Befunde bei Malaria die Anregung dazu gegeben, dass man um diese Zeit begann den Protozoen als Krankheitserregern wieder erhöhtes Interesse entgegenzubringen. Besonders ist es das Verdienst L. Pfeiffer’s in Weimar durch seine Arbeiten[13] die Protozoen-Forschung in hervorragender Weise wieder angeregt zu haben. So ist in den letzten Jahren eine ganz umfangreiche Litteratur über die Protozoen als Krankheitserreger beim Menschen und bei Thieren entstanden, welche, soweit von besonderem Interesse, auch im Nachfolgenden citirt werden soll[14].

Allgemeine Bemerkungen über die Technik der Untersuchung.

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Im Allgemeinen muss man bei der Untersuchung frischer Objekte daran festhalten, die Parasiten möglichst in demselben Medium zur Untersuchung zu bringen, in welchem der Parasit lebt. So habe ich Muskelpräparate meist noch lebenswarm untersucht und später nur physiologische Kochsalzlösung hinzugefügt, wenn die mikroskopischen Präparate in der warmen Zimmerluft auszutrocknen begannen. Um Protozoen im Darm aufzufinden genügt es in Fällen, wo man frisches Material untersuchen will, kleine Stückchen der Darmwand zu zerzupfen und in physiologischer Kochsalzlösung zu untersuchen. Auch eine Eiweisslösung (20ccm Hühnereiweiss + 1g Kochsalz + 200ccm Wasser) wird für eine solche Untersuchung benutzt. Cysten erhält man am besten bei Untersuchung des Kothes der Thiere, was bei kleinen Hausthieren (Kaninchen, Hunden) im Ganzen leicht ausführbar ist. In einer mittels einer Glasschale mit Wasser aufgefangenen kleineren Kothmenge kann man die Cysten schon bei schwacher Vergrösserung und bei einiger Uebung mit blossem Auge als mattweisse oder grauweisse runde Gebilde erkennen. Bei anderen Thieren (Schafen) kann man das Rektum in 10–20cm langen Stückchen abbinden und dann jedes herausgeschnittene Stück in der genannten Weise untersuchen.

Für Dauerpräparate, Fixirung und Färbung sind verschiedene Verfahren in Gebrauch. Zur Fixirung wird Osmiumsäurelösung, Sublimat und Pikrinessigsäure (100 Theile konzentrirte Pikrinsäurelösung, 200 Theile destillirtes Wasser und 3 Theile Eisessig) benutzt. Zur Färbung wird Essigkarmin, Pikrokarmin oder Safraninlösung verwendet. Ich habe vorwiegend Pikrokarmin benutzt und muss aussprechen, dass die in dieser Färbung aufbewahrten Gewebsschnitte (Muskel, Darm) noch nach Jahren die Parasiten sehr gut gefärbt erkennen lassen. Allerdings muss das Pikrokarmin sehr lange einwirken. Ausserdem wird Goldchlorür und Silbernitratlösung benutzt; die letztere macht die fadenförmigen Anhänge der Sporen deutlich. (Wasielewski).

Um Haemosporidien lebend zu färben wird Methylenblau (1 Theil Methylenblau in 100 Theilen physiologischer Kochsalzlösung) benutzt und die Lösung mit etwas Fliesspapier durch das Präparat gesaugt. Für die Fixirung und Färbung dieser Protozoen wird das lufttrockne Deckglas durch die Flamme gezogen und dann gefärbt. Zur Färbung benutzt man Methylenblau-Eosin. Wie Czenzinski angiebt mischt man zu diesem Zweck 2 Theile konzentrirter wässriger Methylenblaulösung und 4 Theile Wasser für sich, sowie 1 Theil Eosin mit 100 Theilen 60 proz. Alkohols. Darauf nimmt man von der ersten Lösung einen Theil und von der zweiten zwei Theile und färbt mit diesen etwa 24 Stunden.

Neuerdings wollen Leyden und Schaudinn[15] Protozoen in der Ascitesflüssigkeit eines lebenden Menschen gefunden haben. Um die zelligen Elemente in der Ascitesflüssigkeit schnell zu sedimentiren wurden sie meistens zentrifugirt, doch wurden zur Kontrolle auch Präparate von nichtzentrifugirtem, durchgeschütteltem Ascites angefertigt. Für die Beobachtung der lebenden Amöben wurde ein Tropfen der Flüssigkeit auf den Objektträger gebracht, mit einem Deckglase bedeckt, das durch Umschmelzen der Ecken in der Gasflamme verhindert wurde, einen Druck auf die darunter befindlichen Objekte auszuüben und schnell mit Wachs umrandet. Die Amöben blieben in diesen Präparaten, bei einer Zimmertemperatur von 24–25°C., meistens 4–5 Stunden, auch ohne Anwendung des heizbaren Objekttisches, lebendig. Dauerpräparate wurden von den genannten Autoren in der Weise angefertigt, dass Deckgläser mit Ascitesflüssigkeit bestrichen und schnell in eine heisse Mischung von 2 Theilen konzentrirter wässeriger Sublimatlösung mit 1 Theil absoluten Alkohols gelegt wurden. Wegen des Eiweissgehaltes blieben meistens eine ganze Anzahl Amöben auf dem Deckglase haften und wurde letzteres mit 63% Jodalkohol ausgewaschen, gefärbt und in Kanadabalsam eingeschlossen.

Allgemeines über Protozoen[16].

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Als Protozoen bezeichnet man thierische Organismen, welche sich während ihres ganzen Lebens nicht über das einzellige Stadium erheben oder einfache Kolonien gleichartiger, einzelliger Thiere sind. Das zähflüssige, schwachkörnig getrübte Protoplasma der lebenden Zellen kann verschieden gestaltete Fortsätze (Pseudopodien) entsenden und besitzt in der äusseren hüllenbildenden Schicht theils Wimpern (Cilien), theils Geisseln (Flagellen), theils Saugröhrchen. Bei einzelnen sind auch ösophagus-ähnliche Spalten und lichtempfindende Organe Pigmentflecke (Augen) nachweisbar. Oft findet auch eine Ablagerung verschiedener Substanzen (Pigmentkörnchen, Oeltropfen, Krystalle) statt oder es werden Gerüstsubstanzen abgeschieden. Die Nahrung besteht gewöhnlich aus kleinen thierischen oder pflanzlichen Organismen; die parasitischen Arten ernähren sich ausser durch aufgenommene feste Nahrung auch auf endosmotischem Wege. Die Vermehrung der Protozoen erfolgt auf dem Wege der Theilung oder der von dieser abzuleitenden Knospung. Bei der Theilung, welcher die Kerntheilung auf direkte, seltener mitotische Weise vorangeht, zerfällt der Leib in zwei oder auch mehrere, selbst sehr viele Theilstücke; dabei geht die ganze Leibessubstanz in den Nachkommen auf oder es bleibt ein kleiner Restkörper übrig, der sich nicht weiter theilt und schliesslich zu Grunde geht. Bei der zur Knospung modifizirten Theilung tritt gewöhnlich eine grössere Zahl von Knospen, sei es auf der äusseren Oberfläche oder im Innern des Thieres, auf. Wo Theilungen und Knospungen rasch aufeinander folgen, ohne dass die Theilstücke sich gleich nach ihrem Auftreten trennen, kommt es zur Ausbildung sehr zahlreicher den Mutterthieren unähnlicher Produkte, die man Schwärmer resp. Sporen nennt. Unvollständig ausgeführte Theilungen führen zur Ausbildung von Kolonien, Protozoenstöcken. (Braun.)

Die Theilungen werden meist nur im encystirten Zustande vollzogen. Vorher werden oft zwei (selten mehr) Individuen ein oder mehrere Male mit einander vereinigt (Konjugation). Diese Konjugation kann dauernd sein und führt dann zu einer völligen Verschmelzung der Leibessubstanz beider Paarlinge — seien es nun Jugendstadien oder erwachsene Formen — oder die Konjugation ist (wie z. B. bei den Infusorien) eine vorübergehende, die Paarlinge trennen sich wieder und theilen sich später jedes für sich. (Braun.)

Braun theilt die Protozoen nach folgendem System ein:

  1. Klasse: Rhizopoden oder Sarkodina. Protozoen, deren Leibessubstanz Pseudopodien bildet, meist mit chitinösen, kalkigen oder kieseligen Gehäusen.
    1. Ordnung. Amoebina s. Lobosa. Rhizopoden mit pulsirender Vakuole, nackt oder mit einfacher Schale; im süssen oder salzigen Wasser, zum Theil auch in der Erde und parasitisch lebend.
    2. Ordnung. Reticularia s. Foraminifera, Rhizopoden mit kalkiger, gewöhnlich vielkammeriger Schale, welche meist zahlreiche Oeffnungen zum Durchtritt der Pseudopoden trägt; ohne kontraktile Vakuole; meist mit mehreren Kernen.
    3. Ordnung. Heliozoa, Rhizopoden mit radiär stehenden Pseudopodien und kontraktiler Vakuole, nackt oder mit radiärem Kieselskelet; ohne Centralkapsel; Ektosark oft schaumig, Süsswasserthiere.
    4. Ordnung. Radiolaria, marine, gewöhnlich pelagisch lebende Rhizopoden mit Centralkapsel und radiärem Kieselskelet; ohne kontraktile Vakuole; extrakapsuläre Sarkode schaumig.
  2. Klasse: Sporozoa, nur parasitisch lebende Protozoen, ohne Pseudopodien, ohne Wimpern und Geisseln, ohne Mund und Afterstelle und ohne kontraktile Vakuole, meist von einer Kutikula umgeben, mit einem oder sehr zahlreichen Kernen, sich durch nicht beschalte Fortpflanzungskörper, Sporen, vermehrend.
    1. Ordnung. Gregarinida. Im Darm, Leibeshöhle, Geschlechtsorganen u.s.w. von wirbellosen Thieren, besonders Arthropoden lebend, in früheren Jugendstadien amöboid beweglich, später von einer die Kontraktionen der Leibessubstanz meist ganz einschränkenden Kutikula umgeben, langgestreckt, oft mit Haftapparaten versehen, einkernig, nicht selten in zwei Abschnitte gesondert. Vermehrung stets nach vorhergegangener Konjugation und Encystirung.
    2. Ordnung. Myxosporidia. Fast ausschliesslich auf und in Fischen schmarotzend, selten nackt, gewöhnlich von einer derben Kutikula umgeben und mit zahlreichen Kernen; ausgezeichnet durch die Bildung meist geschwänzter, stets mit Polkörperchen versehener Sporen. (Psorospermien.)
    3. Ordnung. Koccidia. Einkernige Parasiten in Epithelzellen verschiedener Organe, deren Leib nach einer Encystirung, ohne vorhergehende Konjugation in ungeschwänzte Sporen, denen Polkörperchen durchweg fehlen, zerfällt; neben Sporen, welche zur Uebertragung auf andere Wirthe dienen, sollen auch solche zur Ausbreitung der Parasiten in demselben Wirth gebildet werden.
    4. Ordnung. Sarkosporidia. Schlauchförmige, vielkernige Parasiten in den Muskelfasern der Wirbelthiere, besonders der Säuger, die von einer zahlreiche Septa in das Körperinnere entsendenden Kutikula umgeben sind; sie beginnen wie die Myxosporidien die Produktion von Fortpflanzungskörpern lange vor Erreichung der definitiven Körpergrösse.
    5. Ordnung. Mikrosporidia. Sehr ungenügend bekannte Parasiten in den Zellen niederer Thiere, besonders der Insekten, welche ausserordentlich kleine Sporen bilden; ihre Stellung bei den Sporozoen ist durchaus noch fraglich.
    6. Ordnung. Haemosporidia. Einzellige Parasiten der rothen Blutkörperchen der Wirbelthiere, bei Vögeln und Menschen Malaria erregend; systematische Stellung ebenfalls noch fraglich.
  3. Klasse: Infusoria, meist frei im Wasser lebende Protozoen, die von einer dünnen Membran, selten von einem Panzer umgeben sind und auf ihrer Körperoberfläche zahlreiche kleinere Wimpern oder wenige lange Geisseln tragen, an deren Stelle bei einer Gruppe Saugröhrchen traten; mit kontraktiler Vakuole, meist auch mit Mund- und Afterstelle.
    1. Unterklasse. Flagellata s. Mastigophora: meist kleine Infusorien mit einer oder mehreren Geisseln, mit kontraktiler Vakuole und einem Kern.
    2. Unterklasse. Ciliata. Mit Wimpern versehene Infusorien, meist mit kontraktiler Vakuole, Mund und Afterstelle, Haupt- und Ersatzkern.
    3. Unterklasse. Suktoria. Infusorien, die nur in der Jugend bewimpert sind, und nach Verlust der Wimpern Saugröhrchen bilden, mit kontraktiler Vakuole und einem Kern; ohne Mund; gewöhnlich als Ektoparasiten lebend; in der Jugend oft endoparasitisch in Infusorien.

Aus allen drei Klassen sind Schmarotzer beim Menschen und bei Thieren bekannt.

Um unnöthige Wiederholungen zu vermeiden, soll die Besprechung im Wesentlichen unter Berücksichtigung des vorstehenden Systems erfolgen.

Delage und Hérouard haben ihrer Arbeit[17] folgende Eintheilung zu Grunde gelegt:

I. Klasse: Rhizopoden.
1. Unterklasse: Protomyxiae. Ordnungen: Acystosporida, Azoosporida, Zoosporida.
2. Mycetozoariae. Ordnungen: Pseudoplasmodida, Filoplasmodida, Labyrinthulida, Euplasmodida (Myxomyceten).
3. Amoebiae. Ordnungen: Gymnamoebida, Thecamoebida.
4. Foraminiferiae. Ordnungen: Imperforida, Perforida.
5. Heliozoariae.
6. Radiolariae.
II. Klasse: Sporozoaria.
1. Unterklasse: Rhabdogeniae. Ordnung: a) Brachycystida
Unterordnung: Gregarinidae
Coccididae
Haemosporidae
Gymnosporidae.
b) Dolychocystida
Unterordnung: Sarcosporidae.
2. Amoebogenia. Ordnungen: Nematocystida.
Unterordnung: Myxosporidae.
III. Klasse: Flagella.
1. Unterklasse: Euflagelliae. Ordnungen: Monadida, Euglenida, Phytoflagellida.
2. Silicoflagelliae.
3. Dinoflagelliae.
4. Cystoflagelliae.
IV. Klasse: Infusoria.
1. Unterklasse: Ciliae.
2. Tentaculiferiae vel Suctoriae.

I. Klasse: Rhizopoden.

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Die Rhizopoden oder auch Sarkodinen sind Protozoen einfachster Art, deren Leibessubstanz Fortsätze (Pseudopodien) bildet, welche vorgetrieben und eingezogen werden können und unter Anderem zur Fortbewegung der Thiere verwerthet werden. Die Rhizopoden besitzen meistens ein chitinöses, kalkiges oder kieseliges Gehäuse.

Die Rhizopoden werden gegenwärtig in folgende vier Ordnungen eingetheilt: Amöben, Retikularien, Heliozoen und Radiolarien.

Von diesen haben nach den bisherigen Beobachtungen nur die Amöben ein besonderes medizinisches Interesse.

Die zur Ordnung Amoebina gehörigen Protozoen lassen entweder gar keine besondere Pseudopodienbildung erkennen oder es sind stumpflappige, fingerförmige Fortsätze nachweisbar. Die Fortpflanzung erfolgt durch Zweitheilung oder nach Encystirung. Sie bewohnen das süsse und salzige Wasser.

Hinsichtlich der Züchtung der Amöben oder anderer Protozoen, welche bei Versuchen über ihre pathogene Wirkung in Betracht kommen kann, mögen die folgenden Methoden aus der neueren Zeit hier Erwähnung finden.

Ogata[18] verimpfte das protozoentragende Material auf eine 2,5 prozentige Traubenzuckerlösung in schmutzigem sterilisirtem Wasser. Als sich nach 5–6 Tagen auf diesem Nährboden Infusorien nebst Bakterien entwickelten versuchte er in folgender Weise die einen von den anderen zu trennen. Er füllte ein 10–20cm langes Kapillarröhrchen, von 0,3–0,5mm im Durchmesser, mit jenem genannten Substrat in der Weise, dass etwa 2cm des Röhrchens leer blieben. Dann hielt er das obere Ende des Röhrchens fest mit dem Finger zu, so dass keine Luft eindringen konnte und tauchte es in das betreffende, Infusorien nebst Bakterien enthaltende Substrat. War das Röhrchen gefüllt, so lötete Ogata es an beiden Seiten zu. Schon mit unbewaffnetem Auge und noch besser unter dem Mikroskop sieht man, wo der sterile und der beschickte Nährboden einander berühren. Dieser Punkt wird am Glase bezeichnet. Nach 5–30 Minuten wird der Röhrcheninhalt aufs Neue mikroskopisch untersucht. Es erweist sich alsdann, dass ein oder mehrere Infusorien dem reinen Nährboden um 1cm oder mehr näher gerückt sind, wobei die Bakterien ihnen nicht folgen. Ogata feilte nun den Theil des Röhrchens ab, der nur Infusorien enthielt und verlötete ihn. Nach einem Monat wurde der Inhalt des Röhrchenabschnittes untersucht, und es wurden nur Infusorien darin gefunden. Ihre Bewegungen liessen sich am Besten beobachten, wenn das Röhrchen in der Hand erwärmt wurde. In derselben Weise vorgehend, erhielt Ogata noch bessere Infusorienkulturen, wenn er eine 2,5 prozentige Fleischbrühelösung von Traubenzucker (ohne Pepton), mit Hinzufügung eines 5 prozentigen sterilisirten und nach allgemeinen Regeln neutralisirten Aufgusses von Porphyra vulgaris verwandte.

Wird der Inhalt jenes Kapillarröhrchens in einen der oben genannten Nährböden geblasen, so entwickelt sich jenes Infusorium darin in Reinkultur, wozu Polytoma uvella und Paramecium aurelia verwendet wurden. Eine Reinkultur von Infusorien, die keine Bakterien enthält, darf sich nicht vor 7–8 Tagen trüben. Erst nach 4–6 Tagen zeigt sich an der Oberfläche des Substrates ein Ring, der, mikroskopisch untersucht, aus Infusorien in Reinkultur bestand. Nach 7–8 Tagen greift die Trübung des Substrates immer mehr um sich. Alsdann können die Infusorien auf Gelatine übertragen werden. Man erhält weisse Kulturen, die nach 2–3 Wochen 1mm gross werden. Gelatinestichkulturen zeigen stärkere Entwickelung der Infusorien an der Oberfläche, als in der Tiefe.

C. Miller[19] ist es nach seinen Angaben gelungen bei 37°C. Amöbenkulturen in 2–4 proz. wässeriger Bouillonlösung, in ½ proz. Glycerinlösung mit Hinzufügung eines Stückchens Sehne (etwa 1ccm auf ein Glas), in ⅕ prozentiger wässeriger Milchlösung oder in ½ prozentiger Auflösung von Traubenzucker in verdünntem Heuaufguss zu erhalten. Miller giebt an, einige seiner Kulturen mit gutem Erfolge 25mal übertragen zu haben.

Kurze Zeit vor den Mittheilungen Miller’s hatten Celli und Fiocca[20] berichtet, dass sie schon seit zwei Jahren auf einem Substrat Amöben züchteten. Jede Amöbe hatte nach ihren Beobachtungen ein amöboides und ein encystirtes Lebensstadium. Nach den weiteren Angaben von Celli und Fiocca[21] entwickeln sich die Amöben spärlich auf alkalischer Kartoffel, auf ascitischer Flüssigkeit und auf Eiweiss; ganz gut und reichlich wachsen sie nur auf einem Nährboden, nämlich auf Fucus crispus. Fucus crispus ist eine Seealge. Eine 5 proz. genau alkalisirte Lösung davon in Wasser oder Bouillon ist der beste Nährboden für Amöben. Bei einiger Uebung kann man dieses Substrat ohne zu filtriren direkt aus den Kolben auf Platten ausgiessen. Wenn es sich um Kulturen im hängenden Tropfen handelt, ist es am besten Fucus crispus ohne Bouillon zu benutzen; der betreffende Nährboden muss aber durch Hinzufügung von 1ccm einer 110 Normallösung von Kalilauge oder 1–5ccm konzentrirter Sodalösung auf jede 10ccm des Substrates alkalisirt werden. Auf diese Weise ist es nicht schwer, gute Amöbenkulturen mit nur geringer Beimischung von Bakterien zu erhalten. Dagegen ist es nicht leicht, Kulturen der einen oder der anderen Amöbenspezies allein zu züchten, hauptsächlich, weil gewisse Arten derselben ausschliesslich in diesem oder jenem Wasser wachsen. Handelt es sich darum, verschiedene aus der Erde gezüchtete Amöben von einander zu isoliren, so verfuhren die Autoren in folgender Weise:

Mit dem vorhandenen Material werden Petri’sche Schälchen aus Fucus crispus beschickt; man wartet alsdann bis es zur Bildung encystirter Formen kommt. Diese benutzt man zur Kultur im hängenden Tropfen und daraus erhält man die einzelnen Amöbenarten, indem man entweder sich den Umstand zu Nutze macht, dass die eine Spezies die andere überwuchert, oder die Zeit, die zur Entwickelung der verschiedenen Formen erforderlich ist, oder indem man die einzelnen Spezies mittels einer Platinnadel isolirt. Den aus der Erde oder aus Koth gewonnenen Kulturen gesellen sich gewöhnlich einzelne Infusorien bei, allein diese gehen nach 1–3maliger Verimpfung zu Grunde und die Amöben sind auf diese Weise ganz isolirt. Celli und Fiocca empfehlen die Amöben ungefärbt zu untersuchen, da alle Farbstoffe sowohl bei den amöboiden als auch bei den encystirten Formen Schrumpfung hervorrufen, wodurch beide wesentliche Veränderungen erfahren.

Unter Benutzung des erwähnten Züchtungsverfahrens haben Celli und Fiocca dann Erde aus verschiedenen Gegenden Italiens und Aegyptens, von Ebenen, Bergen und Niederungen, Lachen und Teichen in malarischen und in gesunden Gegenden, Brunnen-, Fluss-, See- und Meerwasser, Kloaken-, Strassen- und Stubenstaub, Heu, Gras, Schleim aus Mund, Hals, Bronchien, Ohr, Blase, Scheide wie auch den Darminhalt Gesunder und Kranker, darunter auch Dysenterischer auf Amöben untersucht. Die beiden Autoren haben dann die gefundenen Amöben gezüchtet und, soweit dieselben bereits in der Wissenschaft bekannt waren, auch mit den zugehörigen Namen belegt. Andere wurden, je nach der Gestalt, der Grösse und der Verzweigung der im amöboiden Stadium von ihnen ausgesandten Pseudopodien bezeichnet. So unterscheiden sie Amoeba lobosa (Varietas gattula, oblonga, undulans, Amoeba koli Loeschi), Amoeba spinosa, diaphana, vermikularis et retikularis.

Ueber Amoeba koli machen Celli und Fiocca folgende Angaben:

Sie fanden dieselben in der Erde aus der Nachbarschaft dysenterischer Fäces, im Wasser aus dem Nilkanal (und seiner Einfassung, von welchem aus das Wasser nach Alexandrien geleitet wird), im Darm Gesunder und an Dysenterie und an anderen Krankheiten Leidender.

Im amöboiden Stadium haben sie eine lobuläre Gestalt, d. h. schicken lobuläre, hyaline, verhältnissmässig zahlreiche Pseudopodien aus; ihre Bewegungen sind nicht sehr lebhaft, ihre Grösse wechselt zwischen 4–, 8–, 15µ (nach Loesch — 35µ). Sie besitzen ein gleichmässig feinkörniges Protoplasma, das einen bläschenartigen Kern, und oft auch eine Vakuole enthält. Sie pflanzen sich durch Theilung fort. Im Ruhestadium hat Amoeba koli einfache Konturen und ein gleichmässig feinkörniges Protoplasma, im encystirten Zustande jedoch doppelte Konturen, wobei die innere derselben dicker als die äussere und der Inhalt des Cystchens feinkörnig ist. Hinsichtlich der Entwickelung konnte festgestellt werden, dass die Amöben nach 12–15 Stunden aus den Cysten austreten und amöboide Gestalt annehmen; nach 40–48 Stunden werden einzelne Amöben schon abgerundet und nach 60–65 Stunden sind bereits alle encystirt oder degenerirt. Bezüglich der biologischen Eigenthümlichkeiten wurde festgestellt, dass eine Temperatur von 0–15° die Amöben weder im encystirten noch im amöboiden Zustande tödtet, weder nach mehreren Stunden noch nach mehreren Tagen; bei 45°C. gehen sie nach 5 Stunden, bei 50°C. nach einer Stunde zu Grunde, wenn sie im amöboiden Stadium sind. Die encystirten Formen erhalten sich sogar bei +55° C. 4 Tage lang, bei +60°C. eine Stunde und sogar bei einstündiger Einwirkung von +67°C. mehrere Tage nacheinander. Bei Sonnenlicht leben sie bei +12–15°C. gegen 270 Stunden. Es dauert 11–15 Monate ehe sie vertrocknen. Ohne Luftzutritt können die Amöben nicht fortkommen, werden sie aber nach Ablauf von 4–6 Monaten auf gewöhnlichen Nährboden übertragen, so kommen sie wieder darauf fort. Erst wenn der Luftzutritt 10 Monate lang abgehalten wird, gehen sie zu Grunde. Sie sind weit empfindlicher gegen die Wirkung antiseptischer Mittel, als die Bakterien. Sauren Nährboden vertragen sie nicht, dafür schadet auch ein Uebermass an Basen ihrer Entwickelung nicht. Hinsichtlich des Vorkommens der Amöben fanden sie Celli und Fiocca im Darm bei Fröschen, Hühnern, Lämmern, Meerschweinchen, Kaninchen und Katzen, darunter bei experimentell an Katzen hervorgerufener Dysenterie 3mal Amoeba koli. Beim Menschen gelang es diesen Autoren nicht, Amöben bei verschiedenen akuten und chronischen Leiden der Nase, des Larynx, der Bronchien, der Ohren und des männlichen urogenitalen Apparates nachzuweisen. Bei Frauen hingegen wurden in 3 Fällen unter 16 angestellten Untersuchungen im Urogenitalapparat Amöben gefunden. In der Mundhöhle wurden bei 13 Untersuchungen niemals Amöben gefunden. Im Magen bei 4 Untersuchungen nur einmal. Im Kinderdarme wurden bei 78 untersuchten Fällen (darunter 14 gesunde Kinder, 50 Fälle von Darmkatarrh, 5 Fälle von grüner Diarrhoe, 6 Fälle von blutiger Diarrhoe und 3 von follikulärem Katarrh) 26mal Amöben gefunden. Bei Erwachsenen wurden unter 111 Untersuchungen 12mal Amöben gefunden, darunter unter 65 Fällen 11mal bei Dysenteriekranken. Demnach kommen die Amöben bei Erwachsenen seltener vor, als bei Kindern.

Hinsichtlich der Rolle, welche die Amöben bei der Dysenterie spielen, bemerken Celli und Fiocca zunächst am Schlusse ihrer sehr fleissigen Arbeit, dass sie allerdings bei 54 Dysenteriefällen 23mal Amoeba koli gefunden haben. Davon kommen 14 Fälle auf Aegypten. Da jedoch bei 8 Dysenteriefällen ausser Amoeba koli auch noch andere Amöben (Amoeba diaphana, spinosa, lobosa et vermikularis) gezüchtet werden konnten, so meinen die genannten Autoren, ist erforderlich, ehe man der Amoeba koli dysenterieerregende Eigenschaften zuerkenne, die Wirkung anderer Amöben, die bei Stuhluntersuchungen ohne Kulturen ganz unbemerkt bleiben würden, in dieser Richtung ausschliessen zu können. Deshalb fehlt es auch nach der Ansicht von Celli und Fiocca bis jetzt an sicheren experimentellen Beweisen dafür, dass Amoeba koli allein Dysenterie hervorrufen könne; sie sagen, dass sogar Versuche, wie Injektionen mit Amoeba koli enthaltenden Fäces in das Rektum und mit amöbenhaltigem, aber bakterienfreiem Eiter, diese Frage nicht lösen werden, denn diese Experimente sind vom bakteriologischen Standpunkte aus nicht rein. Celli und Fiocca haben bei Katzen sogar durch Injektion dysenterischer Stühle, die vorher bis zu 45–70°C. erhitzt waren, Dysenterie hervorgerufen. Nach der Meinung dieser Autoren wird die Dysenterie durch eine virulente Varietät des Bakterium koli, durch das sog. Bakterium koli dissenterico hervorgerufen. Diesem virulenten Bakterium beigesellt, werden auch die anderen Bakterien virulent, wenn auch in geringerem Grade, gehen dieser Eigenschaft aber bei Ueberimpfungen wieder verlustig, während jene Varietät des Bakterium koli ihre Virulenz selbst nach zahlreichen Ueberimpfungen nicht einbüsst.

Eine andere Art der Züchtung von Amöben als muthmassliche Erreger der Dysenterie hat Schardringer[22] vorgenommen. Schardringer bereitete sich zunächst einen wässerigen Heuaufguss (30–40g auf 1l Wasser) und fügte demselben 1–1½ Proz. Agar hinzu. Um Kulturen zu erhalten beschickte er zuerst den Heuaufguss mit dem zu untersuchenden (z. B. mit schmutzigem Wasser) und liess den Aufguss 24 Stunden lang bei 37°C. stehen. Erst nach Ablauf dieser Zeit injizirte er diesen befruchteten Heuaufguss in das Kondensationswasser des oben erwähnten Agars mit Heu und bespülte mit diesem Wasser die Oberfläche des Agars. Nach einigen Tagen wuchsen darauf, abgesehen von Bakterien, Gebilde, die den Kolonien grosser Kokken ähnlich waren. Hiermit beschickte er neue Agarplatten und erhielt bei entsprechender Verdünnung Protozoen in Reinkultur. Sollen die Kulturen rein sein, so müssen sie zu wiederholten Malen auf die Oberfläche des Agars mit Heuaufguss gegossen und erst hierauf auf den flüssigen Nährboden übertragen werden.

Sollten die Amöben aus Stuhlentleerungen gezüchtet werden, wo die mikroskopische Untersuchung keine Amöben erkennen liess, so verimpfte Schardringer dieselben auf einen Heuaufguss und übertrug sie erst nach 3 Tagen, wenn das Mikroskop zahlreiche Amöben darin zeigte, auf gewöhnliche Gelatineplatten; auf diesen wählte er wiederum die Stellen, welche nur Amöben enthielten und verimpfte sie wiederholt auf das Kondensationswasser des obenerwähnten Agars mit Heu. Er wiederholte diese Ueberimpfung 6mal und erhielt beim letzten Male fast Reinkulturen der Amöben. Solche Kulturen enthalten stets eine gewisse Anzahl Bakterien, denn diese befinden sich in den Amöben selbst. Schardringer hält die von ihm gezüchteten Amöben für identisch mit Amoeba koli. Ihre Grösse beträgt 15–20µ. Die encystirten Formen entwickeln sich am raschesten auf der schrägen Agarfläche. Auch im kondensirten Agarwasser sieht man fast nur encystirte Amöben. Sie sind rund oder eckig, haben einen farblosen Saum und enthalten in ihrem hellbräunlichen Inneren 1–2 Kerne. Sind die Amöben auf kondensirtes Agarwasser verimpft, so sieht man sie bereits nach zweitägigem Stehen der Eprouvetten im Thermostaten auf die schräge Agarfläche kriechen und ⅔ ihrer Höhe bezw. Länge wie mit feinem Sande bedecken. Wird einer kleiner Theil dieser sandartigen Masse in den hängenden Tropfen gebracht, so erhält man daraus lebendige sich rasch bewegende Amöben in Menge. Wird ein solcher hängender Tropfen 3–4mal über der Flamme hin- und herbewegt, so erhält man in jeder Amöbe einen hellröthlichen Kern in einer schmalen grünlichen Hülle. Schardringer meint, dass Amoeba koli nicht so allgemein verbreitet ist, wie Manche glauben. Jedenfalls hat er bei vielen zu diesem Behufe angestellten Untersuchungen von Typhusfällen keine Amöben erhalten.

Weitere Züchtungsversuche sind dann noch von Beijerink[23] in Delft und von Gorini[24] angestellt worden, jedoch handelt es sich dabei nicht um Amoeba koli oder um grössere Versuchsreihen. Beijerink benutzte eine wiederholt mit destillirtem Wasser ausgelaugte Agarschicht und Gorini alkalische Kartoffeln[25].

Als pathogen sind bisher folgende Amöben bekannt:

1. Amoeba koli (Lösch 1875).

Eine genaue Beschreibung dieses bereits im Jahre 1860 von Lambl beim Menschen beobachteten Parasiten ist zuerst von Loesch[26] (1875) gegeben worden. Es handelt sich dabei um einen 0,008–0,040mm grossen mit 1–2 Pseudopodien und ein oder mehreren Vakuolen ausgestatteten Parasiten. Bisher hat man Amoeba koli beim Menschen vorwiegend bei Dysenterie und den dabei entstehenden Leberabscessen gefunden und sie auf Grund von Infektionsversuchen, die besonders Kartulis[27] angestellt hat als Erzeuger der Dysenterie hingestellt. Vor Kartulis hatte R. Koch gelegentlich seiner Cholera-Untersuchungen in Darmabschnitten von 4 zur Sektion gekommenen Fällen von ägyptischer Dysenterie Amöben gefunden. Ebenso in Leberabscessen derselben Fälle. Von anderen Autoren werden jedoch in diesen Fällen Mischinfektionen mit pathogenen Bakterien angenommen, weil es auch Amöben giebt, die nicht infektiös sind. Neuerdings haben dann Quincke und Roos[28] zwei Fälle von Amöben-Enteritis beobachtet, welche sie zu weiteren Versuchen benutzten und auf Grund ihrer Beobachtungen drei beim Menschen parasitirende Amöbenarten aufgestellt:

Figur 1.

Amoeba koli Lösch im Darmschleim mit Blut- und Eiterkörperchen. (Nach Lösch.)

  1. Amoeba intestini vulgaris, 0,040mm gross, grob granulirt, weder für Menschen noch für Katzen pathogen.
  2. Amoeba koli mitis, ebenso, aber für den Menschen, nicht jedoch für Katzen pathogen.
  3. Amoeba koli Lösch s. Amoeba koli felis, bis 0,025mm gross, fein granulirt, für Mensch und Katze pathogen, bei beiden Dysenterie hervorrufend.

Da jedoch auch schon Blanchard[29] neben Amoeba koli noch Amoeba intestinalis unterschied, welche von Sonsino und Kartulis gelegentlich ihrer Untersuchungen als Ursache der ägyptischen Dysenterie gefunden waren, so ist einstweilen die Frage über die Dickdarmamöben des Menschen als Krankheitserreger noch nicht gelöst. Durch die Untersuchungsergebnisse von Grassi, Calandruccio, Quincke und Roos ist hinsichtlich der Dickdarmamöben des Menschen bekannt, dass sie sich encystiren und im encystirten Zustande sehr widerstandsfähig sind. Calandruccio[30] zeigte durch einen Versuch an sich selbst und Quincke und Roos durch Versuche mit Katzen, dass durch encystirte Amöben Infektionen per os gelingen, während gleiche Versuche mit beweglichen Amöben negativ ausfielen. Es ist anzunehmen, wenn auch bisher noch nicht erwiesen, dass die aufgenommenen Amöben sich im Darm durch Theilung vermehren.

Von weiteren bemerkenswerthen Fällen, in denen Amöben als Ursache der Dysenterie bezeichnet werden, seien noch erwähnt[31] diejenigen von Hlava, welcher bei 60 Dysenteriefällen in Prag regelmässig Amöben in den Ausleerungen fand, ferner die Fälle von Pfeiffer in Weimar (bei einem Kinde) von Cahn bei einem vierjährigen Knaben, von Manner bei einem gleichzeitig mit Leberabscessen komplizirten Falle u.s.w. In Kiel hat jüngst Röhrig[32] einen Fall von Amöben-Enteritis beschrieben. Es handelt sich um eine 40jährige Arbeiterfrau, welche unter Erscheinungen einer schweren Pneumonie in die Klinik aufgenommen wurde und zehn Tage nach der Aufnahme starb. Die Obduktion ergab ausser einer fibrinös-serösen Pleuritis und Abscessen in der linken Lunge auch zahlreiche, eigenthümliche Geschwüre im Dickdarm, bei deren näherer Untersuchung Amöben gefunden wurden. Auch in einer Darmvene wurden die Amöben gefunden. Zur Erklärung des Befundes nimmt Röhrig an, dass die Amöben mit der Blutbahn in die Leber, von hier, ohne makroskopisch hervortretende Erscheinungen zu machen, in die Lunge gelangt sind, wo sie zur Entstehung der Abscesse Veranlassung gaben. Das schnelle Umsichgreifen der Lungenaffektion wäre dann auf Bakterienwirkung und auf Aspiration bereits jauchiger Massen zurückzuführen. „Mit dem Sputum in die Mundhöhle gelangt, könnten die Parasiten in die Drüsen eingewandert sein, und von hier aus in derselben Weise wie im Darm ihre Zerstörung begonnen haben.“ Die Sektion hatte auch ein gangränescirendes Geschwür am linken Zungenrande und an den Stimmbändern, sowie starke Schwellung des weichen Gaumens und der Tonsillen ergeben.

Von anderen Fällen aus neuerer Zeit mögen noch folgende erwähnt sein.

Wilson[33] berichtet über vier Fälle von Dysenterie, welche durch Amöben hervorgerufen wurden. In keinem der angegebenen Fälle waren Symptome eines Leberabscesses nachzuweisen. Stets traten die Amöben in den Exkrementen auf. In einem tödtlich verlaufenen Falle ergab die Sektion zahlreiche Geschwüre und nekrotische Herde in der Schleimhaut. Die Geschwüre enthielten zahlreiche Amöben. In der Darmwand war auch die Muskularis stark verändert, ebenso war die Niere erkrankt. Manner[34] theilt einen Fall von Amöbendysenterie und Leberabscess mit. Bei einem seit Jahren unter dysenterischen Erscheinungen erkrankten Manne wurden in den schleimigen Theilen des Stuhlgangs stets Amöben gefunden. Dieselben glichen durchaus der Amöba coli. Der Fall endete unter fortschreitendem Verfall der Kräfte und unter Auftreten von Oedemen tödtlich. Bei der Sektion fanden sich in der Leber Abscesse, die theils raschen Zerfall ihrer Wand zeigten, theils von einer Bindegewebskapsel eingeschlossen waren. Sowohl der Abscesseiter als auch die innersten Theile der Abscesswand enthielten zahlreiche Amöben. Die Schleimhaut des ganzen Dickdarmes war geschwellt und aufgelockert; im Cökum fand sich eine Reihe unregelmässig gestalteter, mit leicht gezackten, etwas indurirten Rändern versehener Geschwüre. Noch zu Lebzeiten des Kranken wurde mit dem Stuhl desselben ein Infektionsversuch an einer Katze gemacht. Das Thier erkrankte bald nach der Infektion per rektum und ging nach einer Woche zu Grunde. Bei der Sektion wurden im Dickdarm kleine bis in die Submukosa reichende Geschwüre und in den tieferen Abschnitten der Schleimhaut die meisten Amöben gefunden.

Ferner berichtet Boas[35] über zwei von ihm behandelte Fälle von Amöbenenteritis. In dem einen gelang es mittelst ganz schwacher Argentum nitricum Spülungen (1: 10,000) die Beschwerden zu lindern und die Amöben vorübergehend zum Schwinden zu bringen; in dem anderen Falle hatte der innerliche Gebrauch von Wismuthsalicylat einen ähnlichen Erfolg. Peyrot et Roger[36] berichten über einen im Anschluss an eine leichte Dysenterie entstandenen Amöbenabscess in der Leber.

In der allerjüngsten Zeit hat W. Janowski[37] den gegenwärtigen Standpunkt über die Aetiologie der Dysenterie unter Verwerthung eigener Beobachtungen in einer sehr gründlichen Arbeit erörtert, in welcher auch die wichtigsten literarischen Angaben gemacht worden sind. Janowski kommt dabei nach sorgfältiger Durchsicht des bis jetzt in der Litteratur gesammelten, die Rolle der Amöben bei Dysenterie betreffenden Materials zu dem bemerkenswerthen Ergebniss, dass bis heute noch keine sicheren Beweise dafür vorliegen, dass die Parasiten wirklich die Erreger der Dysenterie in bestimmten Ländern seien. Wenn uns die Beweise noch fehlen, so ist der Grund hauptsächlich darin zu suchen, dass in Ermangelung von Kulturen bis jetzt die eigentliche, streng wissenschaftliche Untersuchungsmethode in dieser Frage nicht angewandt werden konnte. Jetzt dagegen ist der Plan solcher Untersuchungen deutlich vorgezeichnet. Es müssen Kulturen der Amöba coli auf dem von Celli und Fiocca mit so vorzüglichem Resultate verwandten Fucus crispus oder auf Agar mit Heu (Schardringer) gezüchtet werden, wenn letzteres sich thatsächlich als günstiger Nährboden für diese Parasiten erweisen sollte. Hat man in diesen Kulturen uncystirte Amöbenformen erhalten, so müssen Fütterungsversuche bei Thieren angestellt werden, wobei schon einzelne positive Resultate von Werth sein können[38]. Andererseits würde sich auch zeigen, dass aus schweren Dysenteriefällen gezüchtete Amöba coli bei Thieren weit leichter zu Erkrankungen führen, als dieselbe aus anderen Fällen (z. B. Kinderdiarrhoe, Kloakenkot oder Teichschlamm) gezüchtete Amöbe. Es scheint Janowski mit Recht nicht unwahrscheinlich zu sein, dass die Symbiose mit gewissen Bakterienarten die Virulenz der Amöben selbst steigert[39]. Es scheint die Bedeutung dieses Parasiten für den Menschen, je nach den Bedingungen, unter welchen er in den menschlichen Organismus gelangt, ganz verschiedenartig sein zu können. An manchen Orten Europas (Italien, Deutschland) gelangt dieser Parasit aus der Umgebung in den Darm, ohne hier augenscheinlich irgend welche den Darm zur Entwickelung der Amöben disponirenden Bakterien vorzufinden. In anderen Gegenden aber (Indien, Aegypten, Vereinigte Staaten) gelangen die Amöben entweder im Vereine mit Bakterien, die ihnen den Boden zu ihrer Entwickelung vorbereiten in den Darm, oder finden im Darme Bakterien vor, die ihnen bei Entfaltung ihrer Thätigkeit behilflich sind. Von der Art dieser Symbiose, vielleicht auch von der sekundären Infektion in einer und in der anderen Serie von Fällen, hängt nach der Ansicht von Janowski der mehr oder weniger schädliche Einfluss der Amöben auf den Darm und die von den Amöben im Darme erworbenen Eigenschaften ab, deren Verschiedenheit erst experimentell festzustellen ist.

In den von Koch, Councilmann und Lafleur, Kruse und Pasquale u. a. beschriebenen Fällen drängt sich die Ueberzeugung auf, dass die betreffenden Autoren eine in klinischer und in anatomischer Hinsicht von der gewöhnlichen Dysenterie abweichende Krankheit beobachtet haben und dass das konstante Auftreten der Amöben die Beobachter auf den Gedanken führte, es bestehe ein inniger ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Amöben und jener besonderen Dysenterieform.

Schliesslich wird von Janowski alles, was bis jetzt über die Aetiologie der Dysenterie bekannt ist, folgendermassen zusammengefasst:

Die Dysenterie ist eine ätiologisch nicht einheitliche Krankheit und wird aller Wahrscheinlichkeit nach nie durch die Einwirkung eines einzelnen Parasiten, sondern durch Zusammenwirkung mehrerer Varietäten auf den Organismus hervorgebracht. Aus den bis heute in der Litteratur vorhandenen Daten kann man schliessen, dass die Ursache der gewöhnlichen Dysenterie irgend eine Bakterienassociation ist; eine ihrer Formen aber, die sich in klinischer und anatomischer Hinsicht von den übrigen unterscheidet, die sogenannte Tropendysenterie, wird aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Assoziation einer bestimmten Amöbenspezies mit Bakterien hervorgerufen.“

Im Allgemeinen ist die Amöbendysenterie anatomisch charakterisirt durch das Auftreten eines hämorrhagischen Katarrhs und durch die Bildung umschriebener Geschwüre mit unterminirten Rändern. Dabei vermehren sich die Amöben nicht nur in der Darmschleimhaut, sondern dringen auch in die Mukosa und Submukosa ein, treten hier zu grösseren Haufen zusammen, in deren Gebiet das Gewebe allmählich nekrotisirt. Beim Durchbruch der submukösen Herde durch die Schleimhaut entwickeln sich die erwähnten Geschwüre, welche einen bedeutenden Umfang annehmen können. In ein Darmgefäss gelangt, können dann Metastasen in anderen Organen durch Einwanderung der Amöben hervorgerufen werden.

Klinisch