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Der Bergpfarrer Extra
– 4 –

Liebe und Eifersucht

Des einen Freud ist des anderen Leid?

Toni Waidacher

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74096-414-6

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Es wurde schon düster, als Julian Drexler und Luisa Malbeck von ihrer Ski-Tour in die Pension ›Edelweiß‹ zurückkehrten.

Marion Trenker, die die beiden hatte kommen sehen, erwartete sie im Flur vor der Rezeption. Sie konnte nicht mehr allzu viel Sympathie für Julian aufbringen, nachdem dieser aus Missgunst und Neid versucht hatte, zwischen Dominik und Celine einen Keil zu treiben. Julian hatte zwar, als ihn Dominik zur Rede stellte, bestritten, Luisa aufgehetzt zu haben. Doch das nahm ihm niemand ab.

Dominik hatte es auf den einzig richtigen Nenner gebracht: Julian hatte Luisa, die von dem Gedanken besessen war, Dominik zu lieben und ihn für sich gewinnen zu müssen, soweit gebracht, dass sie nach St. Johann gekommen war und für handfesten Wirbel gesorgt hatte.

»Guten Abend«, begrüßte Marion ihre Gäste ziemlich unterkühlt. Nachdem sie den Gruß erwidert hatten, wandte sich Marion an Luisa und sagte: »Unser Pfarrer war heut’ Nachmittag hier. Er wollte mit Ihnen sprechen, Frau Malbeck.«

Luisa und Julian wechselten einen schnellen, ahnungsvollen Blick, dann fragte Luisa: »Was will der Pfarrer von mir? Ich hab’ mit der Kirche nichts am Hut.« Plötzlich schien sie sich zu erinnern, dass sie den Pfarrer schon einmal gesehen hatte. »Kann es sein, dass er gestern Abend im Hotel anwesend war, als ich Dominik zur Rede stellen wollte?«

»Ja, das dürfte er gewesen sein. Sein Name ist ebenfalls Trenker. Mein Mann und er sind Cousins.«

»Wahrscheinlich haben ihn Dominik und Celine gemeinsam mit der Hoteliergattin auf dich angesetzt«, knurrte Julian. »In diesem Kuhdorf stecken sie doch alle unter einer Decke.« Er warf Marion einen bösen Blick zu. »Es sähe Dominik ähnlich.«

Marion fühlte sich herausgefordert. »Sie haben scheinbar einen völlig falschen Eindruck von diesem ... Kuhdorf ... gewonnen, Herr Drexler. Die Leut’ hier sind geradlinig und ehrlich und sprechen aus, was sie denken. Hier versucht jedenfalls keiner, einem anderen Schaden zuzufügen.«

Julian begriff die Anspielung und verzog geringschätzig den Mund. »Ich bin jedenfalls froh, wenn ich diesem Nest wieder den Rücken kehren kann«, stieß er hervor.

›Nur zu! Niemand hält dich auf‹, fuhr es Marion durch den Kopf. Sie sprach es aber nicht aus, sondern wandte sich erneut an Luisa. »Der Pfarrer hat mich gebeten, ihn zu informieren, wenn Sie zurück sind.«

»Sie können ihn von mir aus anrufen«, versetzte Luisa und fügte schnippisch hinzu: »Sagen Sie ihm aber gleich, dass ich für ihn nicht zu sprechen bin. Ich brauche keinen Anstandswauwau.«

Marion war ziemlich betroffen. »Als Anstandswauwau aufzutreten hat unser Pfarrer sicherlich net im Sinn, Frau Malbeck«, entrang es sich ihr. »Er …«

Luisa winkte ungeduldig ab. »Geschenkt, Frau Trenker. Ich will nicht mit ihm sprechen, und das können Sie ihm bestellen. Wie kommt er überhaupt dazu, sich in meine Privatsphäre einmischen zu wollen? Wo käme ich denn hin, wenn jeder zu meinen Angelegenheiten seinen Senf dazugeben dürfte?«

Marion war angesichts des Tonfalls, den Luisa am Leibe hatte, ziemlich irritiert. Ihr entging auch nicht das trotzige, geradezu herausfordernde Funkeln in deren Augen, und sie beschloss, nichts mehr zu sagen. Ihr Gesicht verschloss sich und sie wandte sich ab.

Julian und Luisa stiegen die Treppe empor und begaben sich auf ihre Zimmer.

Marion ging in den Aufenthaltsraum, drückte die Tür hinter sich zu und holte ihr Smartphone heraus. Fünf Sekunden später hatte sie den Bergpfarrer an der Strippe. »Hallo, Sebastian. Der Julian und die Luisa sind soeben ins Hotel zurückgekommen. Ich hab’ ihr gesagt, dass du sie sprechen möchtest.«

»Bestell’ ihr bitte von mir, dass ich in einer Stunde …«

»Die Mühe kannst du dir sparen«, warf Marion ein. »Sie ist für dich net zu sprechen, hat sie erklärt, nachdem der Julian die Meinung vertreten hat, dass der Dominik dich geschickt hätte. Sie hat es kategorisch abgelehnt, mit dir zu reden.«

»Schade«, murmelte Sebastian etwas betroffen. »Aber zwingen kann ich sie net. Nun ja, da kann man nix machen.«

»Ich denk’«, sagte Marion, »dass die Angelegenheit für Dominik und Celine noch net ausgestanden ist. Die Luisa schien mir recht auf Krawall gebürstet zu sein, und Julian scheint das Feuer der Eifersucht in ihr kräftig anzuheizen.«

»Die junge Frau ist meiner Meinung nach krank«, murmelte Sebastian. »Und was den Julian angeht …« Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß net, was ich von dem halten soll. Es kann doch net sein, dass bei dem alles aus dem Ruder läuft, nur weil eine von ihm begehrte Frau einem anderen Mann den Vorzug vor ihm gegeben hat. Da stimmt doch auch irgendetwas net.«

»Den Verdacht hab’ ich auch«, pflichtete Marion ihm bei. Ihre Stimme hob sich ein wenig. »Okay, nun weißt du Bescheid. Die Dame will net mit dir reden. Mal sehen, was sie noch in petto hat. Dass die das Feld einfach so kampflos räumt, glaub’ ich net. Die ist unberechenbar und mit Vorsicht zu genießen.«

»Warten wir ab, wie’s weitergeht. Dominik und Celine schweben jedenfalls im siebten Himmel. Und dieses Glück kann ihnen keiner nehmen.«

»Hoffen wir’s ... «, murmelte Marion, dann wünschte sie Sebastian eine gute Nacht und verabschiedete sich.

Sebastian war ein wenig ratlos. Und so entschloss er sich, noch einmal mit Dominik zu reden. Das wollte er aber nicht telefonisch erledigen, sondern persönlich. Also verließ er sein Büro, ging in die Küche, wo Sophie Tappert hantierte, und sagte: »Ich geh’ noch einmal rüber zum Hotel und unterhalt’ mich mit dem Dominik.«

»Hatten S’ net vor, mit dieser Luisa ein ernstes Gespräch zu führen, Hochwürden?«, fragte Sophie Tappert.

»Sie hat mir durch die Marion bestellen lassen, dass sie keinen Wert drauf legt, mit mir zu sprechen.«

»Diese Dame gibt sich ja recht hochnäsig«, erregte sich Sophie. »Dabei müsst s’ eigentlich recht kleinlaut sein, nachdem s’ der Lüge überführt worden ist.«

»Nun ja, zwingen kann ich die Frau net, sich mit mir an einen Tisch zu setzen. Es ist ihre Entscheidung, und ich respektiere sie.«

»Mich ärgert ein solches Verhalten, Hochwürden.«

»Net ärgern, Frau Tappert, nur wundern«, versetzte der Bergpfarrer grinsend, dann ging er zur Garderobe, zog seine warmen Sachen an und verließ gleich darauf das Pfarrhaus.

*

Dominik saß im Gastzimmer des Hotels. Vor ihm stand ein Glas Mineralwasser. Er starrte versonnen auf die Tischplatte und schien mit seinen Gedanken weit, weit weg zu sein. Erst, als ihn der Bergpfarrer ansprach, erwachte er aus seiner Versunkenheit und murmelte: »Sie sind es, Herr Pfarrer. Guten Abend. Bitte, setzen Sie sich.«

»Sie waren mit Ihren Gedanken weit fort, Dominik, net wahr?«, fragte der Pfarrer, schob sich einen Stuhl zurecht und ließ sich nieder.

»Ich hab’ über alles nachgedacht«, antwortete Dominik. »Die ganze Geschichte hat meiner Meinung nach einen Haufen Scherben hinterlassen.«

»Ich denk’, zwischen Ihnen und Celine ist alles geklärt. Gestern Abend haben S’ beide noch recht zuversichtlich in die Zukunft geblickt.«

Heidi Reisinger kam zum Tisch. »Möchten S’ was trinken, Hochwürden?«

»Bring mir bitte ein kleines Wasser, Heidi«, antwortete der Pfarrer.

»Das ist richtig, Herr Pfarrer«, erklärte Dominik, als sich Heidi wieder abwandte und zur Theke ging. »Das war es auch nicht, was mich nachdenklich gemacht hat. Ja, zwischen Celine und mir ist alles wieder gut. Wir lieben uns und bleiben zusammen. Ein Wermutstropfen trübt das Ganze allerdings noch. Celine muss dringend die Sache mit dem Florian beenden. Das kann noch einmal unerfreulich werden.«

»Aber es muss sein«, erklärte Sebastian mit Nachdruck.

»Die Celine telefoniert fast jeden Tag mit ihm oder ihren Eltern. Sie hat dem Florian schon angedeutet, dass sie was mit besprechen muss. Sicherlich ahnt er schon, dass Celine die Sache beenden will. Auch ihren Eltern gegenüber hat sie entsprechende Andeutungen gemacht. Ihre Mutter hat sie gebeten, sich deutlicher auszudrücken, aber Celine hat sie auf ihren nächsten Besuch in Innsbruck vertröstet. Sie will das von Angesicht zu Angesicht klären.«

»Wenn zwischen Ihnen und dem Madel Einigkeit besteht, was war dann der Anlass für Ihre Besorgtheit?«, wollte Sebastian wissen. Irgendetwas, das spürte er ganz deutlich, belastete Dominik noch. Doch dann stieg in ihm eine Vermutung hoch. »Es ist, weil sich Ihr Freund net als der erwiesen hat, für den Sie ihn immer gehalten haben. Stimmt’s?«

Heidi brachte ein Glas voll Mineralwasser.

»Danke, Heidi.«

In einem Anflug von Verbitterung presste Dominik die Lippen zusammen, sodass sie nur noch eine dünne, blutleere Linie in seinem Gesicht bildeten. Schließlich nickte er. »Die Sache mit dem Dominik ist das eine, Herr Pfarrer«, gab er zu. »Wir waren seit vielen Jahren die besten Freunde und sind zusammen durch dick und dünn gegangen. Mir ist es unbegreiflich, dass sich der Julian von einer Stunde auf die andere so zu seinem Nachteil verändert haben soll.«

»Es gibt Charakterzüge, die jahrelang in einem Menschen schlummern. Ein nichtiger, kaum nennenswerter Anlass genügt, um sie in den Vordergrund zu spülen. Und dann zeigt dieser Mensch sein wahres Gesicht. Es ist schwer zu verstehen, aber die Fakten lügen net. Drum muss man sich damit abfinden. Was ist das andere, das Ihnen zu schaffen macht?«

»Die Luisa. Ich hab’ sie immer gemocht. Wie schon gesagt: Wir waren eine Clique. Insgesamt zwölf Leute, Männer und Frauen. Über das regelmäßige Treffen am Stammtisch hinaus haben einige von uns immer irgendetwas unternommen. Wir waren im Schwarzwald zum Wandern, wir waren in den Dolomiten und sind Ski gefahren, wir haben Radtouren unternommen, und, und, und … Das alles ist auf freundschaftlicher Ebene geschehen. Natürlich hab’ ich es bemerkt, dass mich die Luisa mit anderen Augen betrachtet hat, als die anderen Burschen in der Gruppe. Ich hab’ mir gesagt, dass sie das Interesse verlieren wird, wenn sie merkt, dass ich nicht darauf reagiere. Ich hab’ doch nicht damit gerechnet, dass sie derart ausrastet.«

»Haben Sie schon mit ihr gesprochen? Nachdem sie weinend aus dem Hotel geflüchtet ist, wär’s vielleicht im Laufe des heutigen Tages möglich gewesen, mit ihr in aller Ruhe zu reden.«

»Ich hab’s versucht, Herr Pfarrer. Heute in aller Frühe hab’ ich sie angerufen. Sie hat gar nicht abgenommen. Am späteren Vormittag hab’ ich es noch einmal versucht. Vergeblich. Nachmittags hab’ ich ein weiteres Mal angerufen. Sie hat ins Telefon gebrüllt, dass ich sie in Ruhe lassen soll.« Dominik zuckte mit den Schultern, er seufzte und endete: »Mir macht die Luisa direkt Angst, Herr Pfarrer. Denn ich frag’ mich, ob sie noch richtig tickt da oben.« Er tippte sich mit den Fingerkuppen gegen die Stirn. »Wenn nicht, weiß man denn, was so ein krankes Hirn ausheckt?«

»Sie hat es auch abgelehnt, mit mir zu sprechen«, sagte Sebastian. »Ich hab’ mich mit einem Arzt, mit dem ich gut bekannt bin, über die Luisa unterhalten und hab’ ihm ihre Auffälligkeiten geschildert. Sein Name ist Keller – Doktor Adrian Keller. Er hat auf einem Bauernhof hier in St. Johann eine Traumaklinik ins Leben gerufen. Doktor Keller denkt, dass die Luisa an einem akuten Realitätsverlust leidet. Sie unterscheidet nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit.«

»Ist das heilbar?«

»Ja. Aber dazu müsst’ sich die Luisa in ärztliche Behandlung begeben.«

Dominik entfuhr ein bitteres Lachen. »Luisa? Niemals!«

»Was meinen Sie? Tut es Ihrem Freund leid, dass er die Freundschaft mit Ihnen wegen seines verletzten Egos aufs Spiel gesetzt hat?«

»Ich weiß es nicht, glaub’ es aber net. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass er und Luisa noch ein paar weitere Gemeinheiten aushecken, um einen Keil zwischen mich und Celine zu treiben.«

»Fürchten Sie sich davor?«

»Ich wäre nicht erfreut, wenn es so sein sollte«, bekannte Dominik. »Aber Celine und ich sind gewarnt. Wir werden allen Intrigen, die möglicherweise auf uns zukommen, gemeinsam die Stirn bieten.«

Sebastian nippte an seinem Wasser. »Das freut mich«, sagte er dann. »Dennoch bleibt – wie Sie’s schon richtig formuliert haben -, ein Haufen Scherben übrig. Das ist traurig. Sehen S’ denn keine Chance mehr, dass Sie und der Julian sich wieder miteinander vertragen?«