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SEBASTIANS PASSION: KÜCHENKLASSIKER MIT NEUEM TWIST

Ein Vorwort schreiben? So etwas wäre mir früher nie in den Sinn gekommen. Lobhudelei und auf eine extrem rhetorische Art und Weise den Autor hervorheben – das braucht kein Mensch. Als ich erfuhr, dass mein wohlgeschätzter Kollege und Freund Sebastian Lege ein Kochbuch schreiben möchte (Frage: Wie viele Kochbücher erscheinen im Jahr in Deutschland?), dachte ich sofort »Endlich eins, das ich mir auch kaufen werde«. Es gibt viele Köche, die sich in den letzten Jahren durch beispiellose Kochkunst oder Blödsinn hervorgetan haben. Die meistverkauften Kochbücher wurden von Autoren geschrieben, die in keinem gastronomischen Ranking auftauchen. Was sagt uns das? Die Antwort können Sie sich selber geben …

Ich habe ein, zwei Vorbilder, von denen ich mit Fug und Recht behaupten kann: Sie gehören zu den Besten. Der eine ist der kompletteste Koch, den ich kenne. Der andere ist Sebastian Lege. Letzterer könnte auch Kneipenwirt, Rausschmeißer eines In-Clubs oder Boxbuden-Besitzer sein – kraftvolle Statur, große Schnauze, Gemüt wie ein Bär. Laut, direkt und liebevoll kompetent: Diese drei Eigenschaften sind so bezeichnend, weil er sie in seinem kulinarischen Tagesgeschäft eins zu eins umsetzt. Keiner legt die Lebensmittelindustrie inhaltlich so aufs Kreuz und paart die Ernährungswissenschaft mit neuen Kenntnissen und Zubereitungstechniken. Immer innovativ, einfallsreich und extrem fachkompetent. Einmalig im deutschsprachigen Europa. Ich selber arbeite mit ihm seit einigen Jahren eng zusammen. Er ist ein wahrer 3-Sterne-Koch, wenn es um Produktentwicklung, Lebensmitteltechnik und kulinarische Produktwissenschaft geht. Dieses literarische Werk ist eine kulinarische Ausnahme. Sebastian Lege versteht es wie kein anderer durch seine eigenen innovativen Techniken traditionelle Rezepte mit neuen Werten zu versehen. Lieber Seb, du hast einen geilen Schinken geschrieben!

Gruß, Rose

(Frank Rosin)

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1. FLEISCH & GEFLÜGEL

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2. FISCH & MEERESFRÜCHTE

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3. GEMÜSE & SÜSSES

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SEBASTIAN LEGE

… ist TV-Foodexperte und Entertainer, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, humorvoll über die Zubereitung und Herstellung alltäglicher Lebensmittel aufzuklären. Als Küchenchef und dann Küchendirektor in diversen gehobenen Restaurant- und Hotelküchen machte der Koch eine beeindruckende Karriere. Parallel dazu arbeitet er als freiberuflicher Produktentwickler für namhafte Unternehmen der Lebensmittelbranche.

 

Seit 2012 zeigt Sebastian Lege in den ZDFzeit-Formaten den Zuschauern, was in den täglichen Lebensmitteln steckt und wie sie verarbeitet werden. Im Februar 2016 bekam Sebastian zur Primetime seine erste eigene Sendung im ZDF: Die Tricks der Lebensmittelindustrie.

 

Inzwischen beschäftigt er sich auch mit den modischen Aspekten des Kochens: Und unter dem Motto »Leidenschaft nicht nur am Gaumen, sondern auch auf der Haut« entwickelt er zusammen mit den Designern der Fashion Roomers die Kollektion Food-Tastic mit Schürzen und T-Shirts: www.food-tastic.de

SUPERSAFTIG UND GANZ OHNE GLUTAMAT

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Was einfach klingt, hat seine Tücken. Je kleiner die Fleischstücke – wie im Fall von Gulasch –, desto mehr Wasser geben sie beim anfänglichen Anbraten ab. Im schlimmsten Fall so viel, dass das Fleisch sofort in Bratensaft schwimmt und zur »Gulyassuppe« dünstet statt kross gebraten Röstaromen für die Sauce zu entwickeln. Das Fleisch bleibt trocken und zäh – da hilft auch langes Schmoren wenig.

Für aromatisch saftiges Fleisch und eine Sauce mit kräftigen Röstaromen braucht es also viel Hitze und wie beim Braten von Steaks (s. >) einen kleinen Trick, der verhindert, dass beim Braten zu viel Fleischsaft austritt. Dazu schauen wir nach China.

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1 In China wird klein geschnittenes Fleisch vor dem Anbraten bzw. Frittieren bei extrem hohen Temperaturen im Wok zunächst in Stärke gewendet. Die Stärke umhüllt die Fleischstücke gleichmäßig.

2 Beim anschließenden Anbraten bzw. Frittieren quillt die Stärke sofort mit dem zuerst austretenden Fleischsaft auf, verkleistert und bindet den Fleischsaft.

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3 Wie ein Schutzfilm legt sich die Stärke-Saft-Verbindung um das Fleisch und verhindert, dass beim Weiterbraten noch mehr Fleischsaft austreten kann.

Durch den Stärkemantel geschützt, bleibt das Fleisch selbst beim Frittieren saftig und bildet trotzdem reichlich Röststoffe im Zuge einer Maillard-Reaktion – das Fleisch wird röstig braun und entwickelt jede Menge Aroma, das auch für die Sauce reicht. Beim anschließende Niedrigtemperaturgaren bei maximal 66° bleibt es dann wie ein gut gebratenes Steak in einem Stadium von medium bis well done und entspannt sich zugleich zart und weich. In der fünfstündigen Garzeit können sich dann die Aromen von Fleisch und Sauce verbinden.

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GEBACKENES UND FRITTIERTES GULASCH

Für 4 Personen

45 Min. Zubereitung

5 Std. Garen

1 kg Rindfleisch (Färse oder Fehlrippe; möglichst Bioqualität)

5 EL Speisestärke

1 l Frittieröl

3 Knoblauchzehen

3 große Zwiebeln

5 rote Spitzpaprika

20 Champignons (ca. 400 g)

2 EL edelsüßes Paprikapulver

2 EL Tomatenmark

250 ml Rotwein

1 l Rinderfond (aus dem Glas)

4 kleine Lorbeerblätter

½ TL gemahlener Kreuzkümmel

Salz

Pfeffer aus der Mühle

Außerdem

ofenfester Topf (ca. 3 l Inhalt)

1 Das Rindfleisch trocken tupfen und in Würfel mit ca. 4 cm Kantenlänge schneiden. Die Fleischwürfel in der Speisestärke wenden, sodass sie rundum von einer dünnen Stärkeschicht umhüllt sind.

2 Das Frittieröl in einem Topf oder einer Fritteuse auf 170–180° erhitzen. Ein Sieb in eine Schüssel hängen. Die Fleischstücke nach und nach portionsweise im heißen Öl frittieren, bis sie rundum leicht gebräunt sind. Die Stücke mit einer Schaumkelle herausnehmen, in das Sieb geben und abtropfen lassen.

3 Die Knoblauchzehen schälen und jeweils halbieren. Die Zwiebeln schälen und in kleine Würfel schneiden. Die Spitzpaprika waschen und halbieren, die weißen Trennwände und die Kerne entfernen. Anschließend die Paprika in schmale Streifen schneiden. Die Champignons putzen, falls nötig trocken abreiben, und in Scheiben schneiden.

4 Den Backofen auf 65° Ober-/Unterhitze (max. 66°, Ofenthermometer mit dazustellen) vorheizen. 4 EL des Frittieröls im ofenfesten Topf auf der Herdplatte erhitzen und die Zwiebeln mit dem Knoblauch darin bei starker Hitze anrösten. Das Paprikapulver dazugeben und kurz mit anschwitzen. Das Tomatenmark unterrühren und 4 Min. mit anschwitzen. Die Hälfte des Rotweins angießen und unter Rühren auf die Hälfte einköcheln lassen. Dann den übrigen Rotwein (125 ml) dazugeben und ebenfalls auf die Hälfte reduzieren.

5 Paprikastreifen, Champignons und Fleisch in den Topf geben. Den Rinderfond und die Lorbeerblätter dazugeben. Mit Kreuzkümmel, Salz und Pfeffer würzen. Das Gulasch mit geschlossenem Deckel im Ofen (Mitte) 5 Std. garen.

SUPERZART

Grundlage für mein Gulasch ist kein olles Rind, sondern ein zartes Kälbchen: Als »Färsen« bezeichnet man junge Kühe, die noch nicht gekalbt haben und auch sonst noch wenig Stress hatten. Nach optimaler Reifung von ca. 4 Wochen ist das Fleisch bereits wunderbar mürbe und könnte im Prinzip wie ein Steak gebraten werden.

BROTLOSE KUNST

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Auch bei deutschen Bouletten lohnt es sich über den eigenen Tellerrand zu schauen: Im Nahen Osten werden »Kibbeh«, die typisch eierförmigen Hackbällchen mit Hackfleisch und Bulgur anstelle von Brot zubereitet. Diese in der orientalischen Küche weit verbreitete Weizengrütze, bringt noch mehr Lockerung, Saftigkeit und dazu noch leichten Biss. Und mein ganz besonderer Geheimtipp: Quark!

Bulgur statt Brot, Quark statt Milch oder Wasser, ansonsten bleibe ich bei den Zutaten für meine Frikadellen recht klassisch. Vor dem Braten baden meine Bouletten allerdings noch kurz und sanft in Brühe – das bringt Saft, Kraft und noch mehr Geschmack in die leckeren Fleischküchlein!

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1 Der stark quellende Bulgur bindet genau wie Brot, hat aber die Fähigkeit deutlich mehr Wasser aufzunehmen. Er lockert die Hackfleischmasse deshalb ideal und bringt zusätzlich Feuchtigkeit hinein.

2 Milch und Stärke verbinden sich zu einem feuchtigkeitsbindenden Gel. Quark erfüllt denselben Zweck und ist eine Umami-Bombe, die Wumms in die Bouletten bringt.

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3 In Brühe, bei kleinerer Hitze als beim Braten, ziehen sich die Proteine langsamer zusammen, die Oberfläche schließt sich, die Feuchtigkeit bleibt im Inneren.

Dank Bulgur, Quark und Brühe hat sich die Feuchtigkeit der Bouletten nach dem Garen in Brühe optimal potenziert – da kann keine klassisch zubereitete Boulette mithalten! Und was nach dem Garziehen drin ist, kommt garantiert nicht mehr raus, die Bouletten behalten auch beim Braten Form, Lockerheit und Saftigkeit und schnurren null zusammen. Das Problem, dass sie außen verkohlen, während sie innen noch roh sind, hat sich ebenfalls erledigt. In einer gemäßigten Maillard-Reaktion werden sie schön braun, ohne Saft einzubüßen.

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GETAUCHTE SAFT-BOULETTEN MIT UMAMI-EFFEKT

Für 4 Personen

40 Min. Zubereitung

3 Std. Ruhen

1 große Zwiebel

50 g Petersilie

1 Knoblauchzehe

4 EL Butterschmalz

500 g Hackfleisch (mit mind. 20 % Fett, nach Belieben Rind, Schwein oder gemischt; möglichst Bioqualität)

100 g Bulgur oder feiner Grieß

100 g Quark (20 % Fett i. Tr.)

20 g Tomatenmark

20 g mittelscharfer Senf

Salz

1 TL Pfeffer aus der Mühle

1 Ei (M)

1,5 l Gemüsebrühe (oder Hühnerbrühe)

Öl für das Formen der Bouletten

Petersilienblätter (nach Belieben)

1 Die Zwiebel schälen und in feine Würfel schneiden. Die Petersilie waschen, trocken schütteln und fein hacken. Den Knoblauch schälen, halbieren, vom Keimling befreien und hacken.

2 In einer Pfanne 1 EL Butterschmalz erhitzen und die Zwiebel darin glasig anschwitzen. Aus der Pfanne nehmen und auf einem Teller kalt stellen.

3 Hackfleisch, Bulgur, Quark, Tomatenmark, Senf, Salz, Pfeffer und Ei in eine Schüssel geben und 3–4 Min. gut durchkneten. Zum Schluss 150 ml Gemüsebrühe (oder Hühnerbrühe) unterkneten. Die Fleischmasse zugedeckt im Kühlschrank 3 Std. ruhen lassen.

4 Aus der Fleischmasse nacheinander acht Bouletten formen. Dafür eine kleine Suppenkelle (ca. 100 ml Inhalt) innen leicht einölen und etwas Fleischmasse fest hineindrücken. Anschließend mit den Händen zu einer Kugel formen und diese zu einer ca. 1,5 cm dicken Boulette flach drücken.

5 Die restliche Brühe (ca. 1,35 l) in einem Topf zum Kochen bringen, die Bouletten hineingeben und bei mittlerer Hitze 13 Min. ziehen lassen. Dann mit einer Schaumkelle herausheben, abtropfen lassen und mit Küchenpapier etwas trocken tupfen.

6 Das übrige Butterschmalz (3 EL) in einer großen Pfanne erhitzen und die Bouletten darin bei mittlerer Hitze von beiden Seiten goldbraun braten. Nach Belieben mit Petersilienblättern dekorieren.

NOCH MEHR SAFT, PLEASE!

Um nichts verkommen zu lassen, die Garbrühe durch ein Sieb gießen, auffangen und in einem Topf bei großer Hitze auf ein Drittel einkochen lassen. Dann 200 g Sahne und 2 TL mittelscharfen Senf unterrühren und weiter reduzieren, bis die Sauce schön sämig eindickt. Das Ganze über die gebratenen Bouletten gießen – einfach himmlisch saftig!

WAS LANGE SCHMORT, WIRD ENDLICH GUT

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Mir kommt es bei Bolognese vor allem auf intensiven Geschmack an, bei dem sich trotzdem alle Aromen harmonisch verbinden. Auf Brühe oder gar zusätzlich Wasser verzichte ich, da ich eher intensives Ragout als Sauce möchte – etwas Wein und die Flüssigkeit der Tomaten reichen, den Rest erledigt die Zeit. Durch langes Köcheln verdunstet genug Flüssigkeit und die Aromen entfalten sich perfekt.

Meine Sauce bolognese soll der ganzen Familie schmecken – mit einem durch eine lange Köchelzeit entwickelten tiefen, aber nicht durch allzu viel Wein und Tomatensäure geprägten, herben Aroma, das Kinder vergraulen würde. Das letzte Geheiminis: ein Schuss Milch am Ende.

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1 Tomaten steuern Süße, Säure und viel Umami bei. Je reifer oder konzentrierter sie sind, desto mehr Umami: Darum kommen bei mir sonnengereifte Dosentomaten und Tomatenmark in die Bolo.

2 Einfachheitshalber gibt’s Hack – aber Halb-und-Halb, da Schweinefleisch fetter ist. Mit Pancetta bringt das viel Fett – als Aromaträger und für eine »schlonzige« Konsistenz.

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3 Milch macht’s cremig und balanciert die Wein- und Tomatensäure aus. Am Ende dazugegeben, besteht auch kaum Gefahr, dass sie ausflockt.

Eine schlichte, gute Sauce bolognese ist also kein Hexenwerk. Sie braucht allerdings Zeit, vier Stunden, eventuell auch etwas länger. Dass die Sauce perfekt ist, merkt man an der stark eingedickten Konsistenz und dem Fett, dass sich am Ende obenauf großflächig absetzt. Auch beim Servieren habe ich meine eigenen Vorstellungen: Einfach einen Teil der Sauce mit der Pasta verrühren, auf Teller verteilen und dann noch eine herzhafte Kelle Sauce obendrauf geben – perfetto, die Pasta Bolo à la Lege.

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RAGOUT DE BOLOGNA

Für 4 Personen

20 Min. Zubereitung

4 Std. Köcheln

100 g Speck (am besten Pancetta)

4 Stangen Staudensellerie

1 dicke Möhre

1 große Zwiebel

2 Knoblauchzehen

1 kg gemischtes Hackfleisch (halb und halb; möglichst Bioqualität)

1 EL Tomatenmark

150 ml Rotwein

2 Lorbeerblätter

1 l passierte Tomaten

Salz

Pfeffer aus der Mühle

150 ml Milch

1 Den Speck in feine Würfel schneiden. Den Sellerie und die Möhre putzen, waschen bzw. schälen und in feine Würfel schneiden. Die Zwiebel und den Knoblauch schälen und ebenfalls fein würfeln.

2 Den Speck in einer Pfanne bei mittlerer Hitze auslassen, bis er goldbraun ist. Sellerie-, Möhren-, Zwiebel- und Knoblauchwürfel dazugeben und alles bei mittlerer Hitze weiterbraten. In einer zweiten Pfanne das Hackfleisch nach und nach portionsweise bei großer Hitze krümelig und goldbraun anbraten.

3 Das Tomatenmark in die Gemüsemischung geben und kurz mit anschwitzen. Mit dem Rotwein ablöschen. Das Hackfleisch hinzufügen, die Lorbeerblätter anbrechen und ebenfalls dazugeben. Die passierten Tomaten unterrühren und alles mit geschlossenem Deckel bei niedrigster Hitzezufuhr 4 Std. köcheln lassen. Während der Kochzeit zwischendurch immer wieder umrühren.

4 Am Ende der Kochzeit das Ragout mit ca. 1 EL Salz und 1 TL Pfeffer würzen und die Milch unterrühren. Die Sauce mit 400–500 g Pasta nach Belieben servieren.

DIE QUAL DER PASTAWAHL

Zum Ragout de Bologna passt am besten eine Pastasorte mit rauer Oberfläche, die Sie beim Einkauf am Zusatz »al bronzo« auf der Nudelpackung erkennen. Die Pasta dann vor dem Servieren zunächst in einer Schüssel mit einem Teil der Sauce verrühren, dann auf Teller verteilen und erst zum Schluss die übrige Sauce obendrauf geben.

ALLES QUATSCH IN SAURER SAUCE

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Es stimmt zwar: Die Essigsäure zersetzt das feste Kollagengewebe der Muskelfasern im Fleisch und macht es somit zarter. Gleichzeitig dringen dabei Aromastoffe nach innen ins Gewebe. Das dauert allerdings – mindestens so lange, wie es das traditionelle Einlegen vorsieht, also mehrere Tage. Aber machen wir den Test und legen ein Stück Fleisch eine Woche in eine Sauerbratenmarinade ein.

Selbst nach einer Woche dringt die Marinade nicht tiefer als 1 bis 2 cm in das Fleisch ein – das sieht man deutlich und kann es auch fühlen: dort wo es am Rand verfärbt ist, ist es auch deutlich weicher. Dann ist aber Ende im Gelände, mehr geht nicht. Daraus können wir drei Rückschlüsse ziehen:

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1 Wenn wir unser Fleisch mittels Marinade durchgängig beizen wollen, müssen wir es in kleinere Stücke schneiden, in die die Marinade tiefer eindringen kann – das gibt dann aber eher Sauergulasch statt Sauerbraten.

2 Wir gestehen uns ein, dass die Marinade eher wenig bringt – damit sie tiefer ins Fleisch einzieht, könnten wir aber unser Bratenfleisch mit einer Injektionsspritze »dopen«.

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3 Wir sparen uns das ganze langwierige Einlegen, nehmen ein schönes, zartes Stück Rindfleisch und bereiten die Sauce einfach separat zu!

Und genau das ist mein Vorschlag für den Fast-Track-Sauerbraten, der sich in wesentlich kürzerer Zeit, ohne tagelanges Einlegen realisieren lässt: Das Fleisch wird in ein Sauerbratengewürzmäntelchen gehüllt, dann ganz langsam und sacht bei Niedriggartemperatur im Wasserbad pochiert und bleibt so supersaftig und wird butterzart. Und die Sauce? Die köchelt extra in einem Topf und kann so ganz nach Wunsch mehr oder weniger eingekocht werden – am besten gerade so, dass sie gut an der Beilage, z. B. dem Kloß, haftet.

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FAST-TRACK-SAUERBRATEN À LA LEGE

Für 4 Personen

30 Min. Zubereitung

6 Std. Garen

2 Pck. Sauerbratenggewürz (aus dem Supermarkt)

Salz

1,5 kg falsches Filet vom Rind (Schulterfilet; möglichst Bioqualität)

2 große Zwiebeln

2 Äpfel (z. B. Boskop)

¼ Stange Staudensellerie

2 EL neutrales Pflanzenöl

2 EL Tomatenmark

200 ml Rotwein

200 ml Aceto balsamico

500 ml Rinderfond (aus dem Glas)

100 g Zartbitter-Schokolade (z.B. 1 kleiner Schoko-Hase oder -Weihnachtsmann)

Pfeffer aus der Mühle

50 g kalte Butter

Außerdem

Backpapier, Frischhaltefolie, Alufolie

1 Das Sauerbratengewürz in einer Pfanne ohne Fett leicht rösten und anschließend im Mörser fein zerstoßen. Etwas Salz untermischen. Das Fleisch trocken tupfen und rundum mit der Gewürzmischung einreiben.

2 Das Fleisch fest in ein ausreichend großes Stück Backpapier einschlagen und anschließend wie ein Bonbon in Frischhaltefolie wickeln. Die Folie an den beiden Enden jeweils wie Bonbonpapier eindrehen. Das Ganze dann ebenfalls wie ein Bonbon in Alufolie wickeln und auch deren Enden eindrehen.

3 Die Fettpfanne des Backofens mit Wasser füllen und die Fleischrolle hineinlegen. Die Fettpfanne in den Backofen (Mitte) schieben und den Ofen auf 50° Ober-/Unterhitze einschalten. Das Fleisch 6 Std. garen.

4 Inzwischen die Zwiebeln schälen. Die Äpfel waschen und nach Belieben schälen, dann vierteln und die Kerngehäuse herausschneiden. Den Sellerie putzen und waschen. Zwiebel, Apfelviertel und Sellerie in Würfel mit ca. 3 mm Kantenlänge schneiden.

5 Das Öl in einer Pfanne erhitzen und Zwiebel-, Apfel- und Selleriewürfel darin bei starker Hitze rundum anrösten. Das Tomatenmark dazugeben und kurz mitrösten. Ein Drittel vom Rotwein angießen und unter Rühren komplett verkochen lassen. Dann ein weiteres Drittel dazugeben und ebenfalls komplett verkochen lassen. Den restlichen Rotwein dazugeben und verkochen lassen. Mit Aceto balsamico ablöschen und den Rinderfond hinzufügen. Alles einmal aufkochen und sämig einköcheln lassen. Die Schokolade unterrühren und in der Sauce schmelzen. Die Sauce mit Pfeffer würzen und zum Schluss die kalte Butter einrühren.

6 Das Fleisch aus dem Ofen nehmen, auswickeln, in Scheiben schneiden und mit der Sauce servieren. Dazu passen Kartoffeln.

MEHR ALS SÜSS

Rosinen oder nicht? Was genau in die Sauce kommt, darüber lässt sich trefflich streiten. So sehr, dass 2002 im Vogtland sogar ein Gericht darüber entscheiden sollte, was einen Braten zum wahren Sauerbraten macht. Das Urteil steht bis heute aus. Mein Vorschlag daher: Den übrig gebliebenen Schoko-Weihnachtsmann oder Osterhasen in die Sauce rühren. Das bringt nicht nur schöne Süße als Gegengewicht zur Säure, sondern sorgt für cremige Konsistenz der Sauce und bindet sie ähnlich wie Lebkuchen oder Printen.

BIS(S) DIE SCHWARTE KRACHT

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Mega-Knusperkruste und trotzdem butterzarter, saftiger Braten? Damit das klappt gibt’s einen indisch-kantonesischen Fusions-Braten à la Lege: Joghurtmarinade nach Tandoori-Art macht das Fleisch zart (s. >, Lammschulter), eine dicke China-Style-Salzkruste sorgt schon mal für Kruste und meine Wunderzutat Backpulver lässt die Schwarte zum Superkracher werden.

Für eine krosse Kruste muss der Schwarte durch Salz viel Wasser entzogen werden. In China packt man daher fetten Schweinebauch mit Schwarte unter eine dicke Salzkruste und übergrillt ihn am Ende kurz ohne Salzdeckel. Mein Rezept reizt diesen Effekt aus und erweitert ihn um den Lege-Pop-up-Faktor.

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Stunden ruht die Schwarte auf dem Salzbett: genug Zeit, in der ihr das Salz durch Osmose jede Menge Wasser entziehen kann und die Säure der Marinade das Fleisch zusätzlich zart macht (s. >, Lammschulter).

2 Beim anschließenden Garen bei Niedrigtemperatur wird durch das Salz noch mehr Wasser aus der Schwarte gezogen, ohne dass das Fleisch durch hohe Hitze trocken wird.

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3 Natron aus dem Backpulver wirkt wie schwache Lauge, die Proteine und Fett in der Schwarte denaturiert und das Austrocknen beschleunigt bzw. verstärkt.

Die Kruste ist also nach der Behandlung mit Backpulver und folgender Ruhe bereits »ausgetrocknet«, das enthaltene Kollagen entspannt und gelockert. Beim Garen bei hoher Temperatur reagiert das alkalische Natron dann mit den gelockerten Fett- und Eiweißmolekülen und beschleunigt die einsetzende Maillard-Reaktion: Die Kruste bräunt schneller, wird aromatisch und knusprig. Mehr als knusprig: Das Backpulver lässt die Feuchtigkeit im Inneren quasi nach außen explodieren – wie Popcorn poppt die Kruste in vielen Knusperbläschen auf.

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SCHWEINEBRATEN MIT POP-UP-EFFEKT

Für 4 Personen

1 Std. Zubereitung

25 Std. 30 Min. Kühlen und Ruhen

ca. 3 Std. Garen

1 mittelgroße Zwiebel

2 Knoblauchzehen

2 EL mittelscharfer Senf

abgeriebene Schale von 1 Bio-Zitrone

1 EL grob geschroteter Pfeffer

4 EL neutrales Pflanzenöl

1 EL griechischer Joghurt (10 % Fett)

1 EL Steinsalz

frisch geriebene Muskatnuss

2 kg Schweineschulter (Krustenbraten; möglichst Bioqualität)

250 g grobes Meersalz

1 EL Backpulver

Außerdem

1 Schaschlikspieß

Kräuterblätter (z. B. Petersilie; nach Belieben)

1 Die Zwiebel und den Knoblauch schälen, aus dem Knoblauch den Keimling entfernen. Zwiebel und Knoblauch fein schneiden und mit Senf, Zitronenschale, Pfeffer, Öl, Joghurt, Steinsalz und 1 Prise Muskatnuss zu einer Paste verrühren.

2 Den Schweinebraten auf der Fleischseite mehrmals 0,5 cm tief einschneiden, sodass Quadrate mit ca. 5 cm Kantenlänge entstehen. Die Fleischseite gleichmäßig mit der Paste einreiben, dabei darf keine Marinade auf die Schwarte kommen.

3 Das grobe Meersalz in eine flache ofenfeste Form geben und den Braten mit der Schwartenseite nach unten darauflegen. Offen 24 Std. in den Kühlschrank stellen.

4 Den Schweinebraten aus dem Kühlschrank nehmen und 1 Std. bei Raumtemperatur stehenlassen. Den Backofen auf 150° Umluft vorheizen. Den Schweinebraten im Ofen (Mitte) 2 Std. 30 Min. garen.

5 Den Schweinebraten aus dem Ofen und der Form nehmen, das Meersalz entfernen. Den Braten mit der Fleischseite nach unten zurück in die Form legen und die Schwarte mit dem Schaschlikspieß gleichmäßig im Abstand von 0,5 cm einstechen. Die Schwarte mit dem Backpulver einreiben und den Schweinebraten 30 Min. bei Raumtemperatur stehenlassen.

6 Die Ofengrill auf 160° einstellen und den Braten in ca. 35 Min. fertig garen, bis die Schwarte schön gebräunt und knusprig ist. Den Braten in Scheiben schneiden und mit Kräuterblättchen, z. B. Petersilie, garnieren. Dazu passen Kartoffelklöße.

INNEN ZART, AUSSEN SUPERKNUSPRIG

Durch die Milchsäurebakterien des Joghurts – inspiriert von der indischen Tandoori-Küche – wird das Fleisch schön zart und saftig. Weiteren Effekt hat die Zubereitungsart nach kantonesischem Verfahren, welches eine luftig-lockere und krosse Schwarte verspricht.

HALTEN BEI JEDEM WETTER

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Gegen gut gerollte Rouladen spricht im Prinzip nichts. Sind sie aber schon halb zu Hackfleisch geklopft, krumm und schief gewickelt und zusätzlich mit Spießen zerlöchert, werden sie trocken und zäh – oder müssen stundenlang gekocht werden, bis sie zerfallen und nach gar nichts mehr schmecken. Bei mir entfällt das große Hauen, Wickeln und Stechen: es wird sanft geklopft, gerollt und gegart.

Auch an der Füllung habe ich etwas gedreht, um sie einfacher einwickeln zu können. Mit einer kompakten, sich flexibel direkt ans Fleisch anschmiegenden Mettfülle gibt es gleichmäßige Rouladen, die bei niedrigen Temperaturen im Wasserbad superzart garen und bei denen niemand verzweifeln muss.

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1 Ordentlich fettes Wurstbrät bringt noch mehr Feuchtigkeit und zusätzliches Aroma von innen in die Rouladen. Wie Kitt hält es das Fleisch mit den Füllungszutaten zusammen und den Saft im Fleisch.

2 Frischhaltefolie bringt die Rouladen in gleichmäßige Form, Backpapier isoliert gegen zu viel Hitze und Alufolie drumherum leitet und verteilt die Wärme gleichmäßig nach innen.

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3 Die Rouladen »pochieren« länger und gleichmäßiger bei niedrigerer Hitze im Wasserbad statt kurz bei größerer Hitze zu schmoren – sie bleiben saftig und zart.

Das röstige Ende bei meinen Rouladen kommt erst zum Schluss: Beim kurzen Frittieren gewinnen sie durch eine extrem beschleunigt ablaufende Maillard-Reaktion Röstaromen und Farbe, ohne dabei Saft einzubüßen. Die Sauce verliert durch separates Einkochen ihren starken Weingeschmack: Wird nur Wein eingekocht, verdunstet mehr Alkohol (rund achtmal so viel) als beim gemeinsamen Einkochen von Wein und Brühe oder Wasser – Einlagen wie die Rouladen absorbieren zusätzlich Alkohol, halten so also mehr Schwips in der Sauce.

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RINDERROULADEN À LA LEGE

Für 4 Personen

1 Std. Zubereitung

9 Std. 50 Min. Garen

4 Rinderrouladen (à 150–175 g; möglichst Bioqualität)

3 große Zwiebeln

2 große Gewürzgurken

Salz

Pfeffer aus der Mühle

2 EL mittelscharfer Senf

8 Scheiben Frühstücksspeck

4 frische Bratwürste (nach Belieben fein oder grob)

150 g kalte Butter

1 EL Tomatenmark

250 ml Rotwein

1 l Rinderfond (aus dem Glas)

200 ml neutrales Pflanzenöl

Außerdem

Frischhaltefolie, Backpapier und Alufolie (à ca. 1 m lang)

1 Die Rouladen auf einem Küchenbrett und mit einem Fleischklopfer sanft auf die gleiche Dicke klopfen, sodass eine große Oberfläche entsteht und man die Seiten einschlagen kann, damit die Füllung nicht ausläuft. 2 Zwiebeln schälen und in Streifen schneiden. Die Gurken längs in dünne Scheiben schneiden. Das Fleisch mit Salz und Pfeffer würzen, mit Senf bestreichen und mit je 2 Scheiben Speck belegen. Die Zwiebelstreifen und die Gurkenscheiben darauf verteilen. Von den Bratwürsten jeweils die Darmhülle entfernen. Je 1 Wurst mittig flach auf die Füllung der Rouladen drücken. Die langen Seiten der Rouladen nach innen einschlagen. Die Rouladen so fest wie möglich aufrollen.

2 Auf der Arbeitsfläche ein 1 m langes Stück Frischhaltefolie ausbreiten. Die Roulade nebeneinander mittig auf die Folie legen und wie ein Bonbon fest in die Folie einwickeln. Die Rouladen-Schlange an beiden Enden der Folie festhalten und immer wieder nach vorne rollen, bis Spannung auf den Rouladen entsteht. Anschließend die Rouladen-Schlange auf die gleiche Weise in Backpapier und zum Schluss in Alufolie wickeln. Den Backofen auf 50° Umluft vorheizen, dabei ein mit Wasser befülltes Gefäß, in das die Rouladen-Schlange passt, mit vorheizen. Die Rouladen-Schlange in das Wasser geben und im Ofen (Mitte) 8 Std. 50 Min. sanft garen.

3 Die übrige Zwiebel schälen und in so feine Würfel wie möglich schneiden. 50 g Butter in einem Topf zerlassen und die Zwiebeln darin anschwitzen, bis sie eine goldene Farbe bekommt. Das Tomatenmark hinzufügen und 5 Min. mit anschwitzen. Mit Rotwein ablöschen und einkochen lassen, bis eine Paste entsteht. Den Rinderfond angießen und alles offen bei mittlerer Hitze 1 Std. köcheln lassen. Die übrige Butter (100 g) in Würfel schneiden und mit dem Pürierstab in die Sauce einarbeiten.

4 Die Rouladen-Schlange aus dem Ofen nehmen, die Rouladen auswickeln und trocken tupfen. Das Öl in einem kleinen Topf erhitzen und die Rouladen nacheinander einzeln darin rundum kross braten. Auf Küchenpapier abtropfen lassen, in den Topf mit der Sauce geben und bei kleiner Hitze 1 Std. simmern lassen. Zwischendurch immer wieder mit Sauce übergießen. Zum Servieren auf Teller verteilen. Als Deko passen Kräuterblätter, z. B. hübsch gemaserter Blutampfer, und grob gemahlener Pfeffer.

BEILAGEN-TIPP

Dazu schmeckt grober Kartoffel-Möhren-Stampf. Dafür je 500 g geschälte und in Stücke geschnittene Kartoffeln und Möhren zusammen in wenig Salzwasser weich garen. Anschließend mit einem Kartoffelstampfer zerstampfen, dabei ca. 2 EL Butter und warme Milch je nach gewünschter Konsistenz unterarbeiten. Mit 1 Prise Muskatnuss würzen.