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DIE
ALPHA
FORMEL

ERPROBTE STRATEGIEN FÜR HÖHERE BÖRSENGEWINNE BEI WENIGER RISIKO

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CHRIS CAIN · LARRY CONNORS

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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

The Alpha Formula: High Powered Strategies to Beat The Market With Less Risk

ISBN 978-0-578-53084-0

Copyright der Originalausgabe 2019:

Copyright © 2019, Chris Cain, Larry Connors, and Connors Research, LLC.

Published by The Connors Group, Inc., 185 Hudson St., Suite 2500, Jersey City, NJ 07311

All rights reserved.

This translation published by arrangement with The Connors Group, Inc.

Copyright der deutschen Ausgabe 2020:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Übersetzung: Egbert Neumüller

Gestaltung Cover: Daniela Freitag

Gestaltung, Satz und Herstellung: Sabrina Slopek

Gesamtherstellung: Daniela Freitag

Lektorat: Elke Sabat

ISBN 978-3-86470-704-9

eISBN 978-3-86470-705-6

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

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Haftungsausschluss

Die Connors Group, Inc., Connors Research, LLC, Chris Cain und Laurence A. Connors (gemeinsam als „Unternehmen“ bezeichnet) sind weder Anlageberatungsdienste noch registrierte Anlageberater oder Broker-Dealer und behaupten nicht, vorzugeben oder vorzuschlagen, welche Wertpapiere oder Währungen Kunden für sich selbst kaufen oder verkaufen sollten. Die Analysten und Mitarbeiter oder verbundene Unternehmen des Unternehmens können Positionen in den hier besprochenen Aktien, Währungen oder Branchen halten. Sie verstehen und erkennen an, dass der Handel mit Wertpapieren und/oder Währungen mit einem sehr hohen Risiko verbunden ist. Das Unternehmen, die Autoren, der Verlag und alle verbundenen Unternehmen des Unternehmens übernehmen keine Verantwortung oder Haftung für Ihre Handels- und Anlageergebnisse. Tatsachenbehauptungen auf der Website des Unternehmens oder in seinen Publikationen werden zum angegebenen Datum gemacht und können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Es sollte nicht davon ausgegangen werden, dass die in diesen Produkten vorgestellten Methoden, Techniken oder Indikatoren gewinnbringend sind oder dass sie nicht zu Verlusten führen. Vergangene Ergebnisse einzelner Händler oder Handelssysteme, die vom Unternehmen veröffentlicht wurden, sind kein Hinweis auf zukünftige Erträge dieses Händlers oder Systems und sind kein Hinweis auf zukünftige Erträge, die von Ihnen realisiert werden. Darüber hinaus werden die Indikatoren, Strategien, Kolumnen, Artikel und alle anderen Merkmale der Produkte des Unternehmens (zusammenfassend die „Informationen“) nur zu Informations- und Bildungszwecken bereitgestellt und sollten nicht als Anlageberatung ausgelegt werden. Die auf der Website des Unternehmens präsentierten Beispiele dienen nur zu Bildungszwecken. Sie stellen keine Aufforderung zur Abgabe eines Kauf- oder Verkaufsauftrags dar. Dementsprechend sollten Sie sich beim Tätigen einer Investition nicht allein auf die Informationen verlassen. Vielmehr sollten Sie die Informationen nur als Ausgangspunkt für zusätzliche unabhängige Nachforschungen verwenden, um sich eine eigene Meinung über Investitionen bilden zu können. Sie sollten immer mit Ihrem lizenzierten Finanzberater und Steuerberater Rücksprache halten, um die Eignung einer Investition zu prüfen.

Hypothetische oder simulierte Performance-Ergebnisse unterliegen gewissen inhärenten Einschränkungen. Im Gegensatz zu einem tatsächlichen Leistungsnachweis stellen simulierte Ergebnisse kein tatsächliches Trading dar und werden möglicherweise nicht durch Maklergebühren und andere Slippage-Gebühren beeinflusst. Da die Trades nicht tatsächlich ausgeführt wurden, können die Ergebnisse auch die Auswirkungen – sofern es überhaupt welche gibt – bestimmter Marktfaktoren, wie zum Beispiel mangelnde Liquidität, unter- oder überkompensiert haben. Simulierte Trading-Programme unterliegen im Allgemeinen auch der Tatsache, dass sie im Nachhinein entworfen werden. Es wird nicht behauptet, dass irgendein Konto ähnliche Gewinne oder Verluste wie die gezeigten erzielen wird oder wahrscheinlich erzielen wird.

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Connors Research, LLC

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Im Gedenken an Mike Duke, einen großartigen Trader und einen noch besseren Freund.

– CHRIS CAIN

Im Gedenken an Joseph Simonetty, einen großartigen Ehemann, Vater, Schwiegervater, großartigen Großvater und Freund von mir.

– LARRY CONNORS

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INHALT

Danksagungen

Kapitel 1Chris, wenn ich diesen Kunden verliere, bringe ich dich um!

Kapitel 2Willkommen zur Alpha-Formel

TEIL 1TRENDFOLGE, RÜCKKEHR ZUM MITTELWERT UND WESHALB SICH DIE KURSE SO UND NICHT ANDERS ENTWICKELN

Kapitel 3Weshalb Trendfolge funktioniert

Kapitel 4Weshalb die Rückkehr zum Mittelwert funktioniert

TEIL 2DIE STRATEGIEN

Kapitel 5Die Rising Assets Strategy™

Kapitel 6Die Connors Research Weekly Mean Reversion Strategy

Kapitel 7Connors Research Dynamic Treasuries™

Kapitel 8ETF Avalanches

TEIL 3DAS ALPHA-FORMEL-PORTFOLIO

Kapitel 9Vorstellung des Alpha-Formel-Portfolios

Kapitel 10Die Alpha-Formel – eine bessere Lösung für die Vermögensverwaltung

TEIL 4ANHANG

Trendfolge senkt das Risiko

Der RSI – Definition, Berechnung und historische Vorteile

Zusätzliche Anmerkungen

Weitere Bücher von Larry Connors

Direkt von Chris Cain lernen, wie man in Python programmiert – in nur zehn Stunden

Nachweise und weitere Danksagungen

Über die Autoren

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DANKSAGUNGEN

Wie bei allen Büchern, die wir im Laufe der Jahre veröffentlicht haben, war auch bei diesem ein aus engagierten Menschen bestehendes Team notwendig, um aus einem Rohmanuskript das fertige Produkt zu machen, das Sie nun in Händen halten.

Den nun folgenden Personen, die bei der Erstellung dieses Buches geholfen haben, möchten wir besonderen Dank aussprechen.

Besonderen Dank an Drew Markson, Brett Nelson, Tim Kiggins, Ken Levey, Marcus Dunne, Ernie Chan, Mike Hanyok, Dion Chu, Glenn Williams Jr. und Vishal Mehta. Was die Herstellung angeht, möchten wir auch Danilo Torres, Kyle Bowes, Studio02, Jose Pepito Jr. und Susan Tyler danken.

Ich möchte den besten Eltern der Welt – Gary und Antonette Cain – für ihre stetige Liebe und Unterstützung danken. Dank an meine Tante Lisa DeSimone für die ununterbrochene berufliche Beratung und dafür, dass sie ein großartiges Vorbild ist. Dank an meine schöne Frau Lindsay Cain dafür, dass sie meine liebende Lebensgefährtin und meine beste Freundin ist, und dafür, dass sie mich stets antreibt, besser zu werden. Und schließlich danke ich allen meinen ehemaligen Kollegen und Freunden bei GX Clarke and Co. und bei INTL FC Stone.

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KAPITEL 1

CHRIS, WENN ICH DIESEN KUNDEN VERLIERE, BRINGE ICH DICH UM!

2008 war ein Jahr, in dem die Welt auf den Kopf gestellt wurde.

Dieses Jahr zeigte allen, dass die Märkte nicht nur von Angebot und Nachfrage gesteuert werden, sondern auch von menschlichen Emotionen.

Menschliche Emotionen und die daraus folgenden Handlungen (Käufe und Verkäufe) tragen dazu bei, dass ein erkennbares Marktverhalten entsteht. Dieses Marktverhalten kann man nutzen, um Gewinne zu erzielen und Alpha einzufangen.

Wir werden Ihnen im gesamten Verlauf des Buches zeigen, wie man das macht. Sie werden sehen, dass die Verhaltenstendenzen der Anleger zu vorhersehbarem Marktverhalten führen, das man ausnutzen kann, um eine hohe risikobereinigte Performance und Alpha zu generieren.

Sie meinen, die Märkte seien rational? Dann denken Sie noch einmal nach!

Am 15. Oktober 2008 befand sich Chris im reifen Alter von 22 Jahren im Epizentrum einer der größten Kursbewegungen des Marktes für US-Staatsanleihen im Verlauf eines Tages, die es je gab.

Auf der ganzen Welt brachen Märkte zusammen, und die Welt flüchtete sich in die Sicherheit US-amerikanischer Staatsanleihen.

Auf der einen Seite des Trades stand eine der größten und versiertesten Vermögensverwaltungen der Welt. Auf der anderen Seite stand Chris, der insgesamt vier Monate Erfahrung im institutionellen Wertpapierhandel hatte.

Wenn das eine Wette gewesen wäre, hätte Las Vegas nicht einmal die Quoten bekannt gegeben. Es war aber keine Glücksspielveranstaltung, sondern ein Ereignis, bei dem mehr als 200 Millionen Dollar auf dem Spiel standen!

Und was geschah?

„Bezahlen die etwa Zinsen, um ihr Geld zu parken?“

Im Oktober 2008 schaltete die globale Finanzkrise einen Gang höher. Es war erst ein paar Wochen her, dass Lehman Brothers die Wall Street und die Welt durch seine Bankrotterklärung vor den Kopf gestoßen hatte.

Die vom Kongress geschaffenen staatlich geförderten Unternehmen Fannie Mae und Freddie Mac wurden im Prinzip verstaatlicht. Der Kongress musste eine riesige Summe an Rettungsgeldern für die zusammenbrechenden Finanzsysteme aufbringen, um das gesamte Finanzsystem zu stabilisieren – in Form des sogenannten TARP (Troubled Asset Relief Program).

Der Trade

Und jetzt nimmt Chris Sie mit, mitten in ein Ereignis, wie man es nur einmal in einer Generation erlebt …

Da saß ich nun aufgeregt vor vier Computerbildschirmen und beobachtete aus erster Hand die Vernichtung der globalen Märkte.

Fünf Monate zuvor war ich noch ohne Einladung auf Partys von Studentenverbindungen gegangen, weil es mir Spaß machte, und jetzt war ich für 500 Millionen Dollar Handelskapital verantwortlich.

Wie es der Zufall wollte, war ich für den leitenden Anleihehändler eingesprungen, der an jenem Tag nicht da war.

Um die Mittagszeit, als sich der Aktienmarkt bereits im freien Fall befand, meldete sich ein Großkunde und wollte von uns ein Angebot über Schatzwechsel mit einer Laufzeit von einem Monat im Wert von 200 Millionen Dollar haben. Er wollte diese Staatsanleihen kaufen und fragte uns, zu welchem Preis (zu welcher Rendite) ich sie ihm verkaufen würde.

Für mich und die Firma waren 200 Millionen eine riesige Order. Das wäre sogar für die größten Firmen der Wall Street eine große Order.

Da ich erst seit vier Monaten Trainee war, gelang es mir nicht, die Ruhe zu bewahren. Nervös ging ich den Denkprozess durch, den mir meine Chefs beigebracht hatten.

Oberste Priorität hatte der Schutz der Firma – vor allem weil die gesamte Wall Street in Panik geraten war.

Eine E-Mail, die der Leiter der Handelsabteilung noch an diesem Tag an die Händler geschickt hatte, betonte diesen Punkt noch einmal – es habe den Anschein, dass das Finanzsystem sich auflöst, und am wichtigsten sei es, uns den Hals zu retten.

Der Kunde, der um ein Angebot bat, war allerdings nicht irgendein Kunde. Es war der größte Kunde der Firma und eine der größten Vermögensverwaltungen der Welt! Offenbar wollte er sich durch die Sicherheit, die kurzfristige US-Staatsanleihen bieten, vor dem unbarmherzigen Kursrutsch schützen.

Dass sich der Markt seit zwei Monaten in Panik befand, war schmerzlich klar. Die Risikopapiere fielen weiterhin in alarmierendem Tempo, während der US-Dollar und US-Staatsanleihen als sichere Häfen angesteuert wurden – was die Preise der Anleihen in die Höhe trieb (und ihre Renditen in die Tiefe).

Als ich mir den Bildschirm anschaute, wurde der einmonatige Schatzwechsel, den ich anbieten sollte, zu unglaublichen fünf Basispunkten (0,05 Prozent) gehandelt. US-Schatzwechsel hatten also eine Rendite von nur 0,05 Prozent – so etwas hatte es in neuerer Zeit noch nie gegeben.

Ich überprüfte meine Position. Ich stand nur mit etwa zwei Millionen long. Wenn ich also diesem Kunden Anleihen für 200 Millionen Dollar verkaufen wollte, musste ich sie leerverkaufen, zumindest vorübergehend, eben bis ich welche bekam und meine Short-Position eindecken konnte. Es gab starke Schwankungen, und wenn die Preise steigen würden, während ich short stand, würde ich meine 30 Jahre alte Firma schwer schädigen.

Ich schaute nach, wie viele Zinsen ich würde bezahlen müssen, damit ich mir Schatzwechsel leihen konnte, um sie zu shorten. Das Ergebnis hatte ich nicht erwartet. Die Leihkosten waren so hoch, dass wir umso mehr bluten müssten, je länger wir die Short-Position halten würden, und das erhöhte das Risiko des Trades noch mehr.

Zu allem Überfluss hatten sich die anderen großen Investmentbanken, zumindest die, die noch vorhanden waren, mit Kauf- und Verkaufsgeboten den ganzen Vormittag zurückgehalten, weil sie um ihre Existenz fürchteten. Daher gab es im Markt so gut wie keine Liquidität. Darum wusste ich nicht, ob ich überhaupt Anleihen herbekommen würde, um die Short-Position rechtzeitig einzudecken.

Ich bedachte alle diese Informationen, atmete tief durch und teilte dem für den Kunden zuständigen (obendrein altgedienten) Verkäufer unser Angebot mit: -10 Basispunkte (minus 0,10 Prozent).

Ja, so war es, ich schlug vor, einer der größten und versiertesten Vermögensverwaltungen der Welt – unserem besten Kunden – Schatzwechsel mit NEGATIVER RENDITE zu verkaufen!

Denken Sie darüber einmal kurz nach. Der Käufer der Anleihen würde für das Vorrecht, sein Geld einen Monat lang an einem sicheren Ort parken zu dürfen, etwas BEZAHLEN müssen. Der Verkäufer schaute mich an, als wäre ich verrückt geworden.

„Schau mal, Kleiner“, sagte er. „Ich weiß, du bist neu hier und die Welt geht unter, aber wir können Anleihen nicht mit negativer Rendite anbieten, schon gar nicht diesem Kunden. Weißt du, wie viel Geld dieser Kunde der Firma letztes Jahr eingebracht hat? Wenn du dieses Angebot machst, stehen wir womöglich wie komplette A-- löcher da!“

Mein Herz raste. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, um zu erklären, was ich dachte, ich sagte dem Verkäufer, wie viel uns die Wertpapierleihe kosten würde und dass ich nicht sicher sei, ob wir den Short würden eindecken können, weil die anderen Wall-Street-Händler keine Liquidität bereitstellten. Aber er wollte davon nichts hören.

„Wir können das einfach nicht machen!“, schrie er. „Du vergraulst mir meinen besten Kunden, verflixt noch mal!“

Auf Betreiben des Verkäufers gingen wir mit der Sache eine Etage höher zu den Leitern der Handels- und der Verkaufsabteilung.

Wir versammelten uns alle in einem Raum und ich rechnete – inzwischen nass geschwitzt – allen die Sache vor.

Ich erklärte, wo die Preise für Pensionsgeschäfte (die Kosten für die Wertpapierleihe) standen und dass ich nicht sicher war, ob es uns gelingen würde, den Leerverkauf rechtzeitig einzudecken. Im Prinzip sagte ich, dass wir dieses Geschäft nicht machen wollten.

Wenn es ein paar Tage dauern würde, die Short-Position über circa 200 Millionen Dollar einzudecken, in die uns dieses Geschäft treiben würde, könnten wir allein durch die Finanzierungskosten einen hohen Verlust erleiden. Nach einer hitzigen Diskussion wurde entschieden, dass ich ein angemessenes Angebot gemacht hätte. Die -10 Basispunkte seien angesichts der extremen Umstände ein „faires“ Angebot.

In dem Raum herrschte jedoch allgemein die Auffassung, der Kunde würde sich woanders nach einem besseren Preis umsehen und ihn auch bekommen.

Wir besprachen sogar, was der Verkäufer dem Kunden sagen sollte – ihm ausführlich erklären, weshalb wir -10 Basispunkte anboten, und durchblicken lassen, dass er höchstwahrscheinlich woanders ein besseres Angebot finden würde. Der Plan war, das Angebot zu machen und durch die Erklärung der Situation das Gesicht zu wahren. Dann würde der Kunde den Trade bei jemand anderem machen und uns das nicht allzu lange krummnehmen. Der zuständige Verkäufer war damit gelinde gesagt nicht glücklich.

„Chris, wenn ich diesen Kunden verliere, bringe ich dich um!“

Wir verließen das Besprechungszimmer und ich ging an meinen Platz zurück. Ich hatte vor Aufregung Bauchschmerzen. Der Verkäufer war eindeutig böse auf mich. Er fuhr mich an und schrie, wenn er diesen Kunden verlieren würde, dann würde er mich „verdammt noch mal umbringen“.

Da der Mann 15 Jahre älter war als ich und einer der leistungsstärksten Verkäufer der Firma, wollte ich ihn nicht unbedingt zum Gegner haben. Ich hörte, wie er den Kunden anrief und kleinlaut mein Angebot murmelte: -10 Basispunkte. Dann hörte ich, wie er mit der Erklärung begann, aber gleich unterbrochen wurde.

„Bitte was?“, hörte ich ihn sagen.

Mir rutschte das Herz in die Hose. Der Kunde hatte wohl tatsächlich gesagt, wir sollten uns ins Knie … Gleich malte ich mir den schlimmsten Fall aus – dass wir den Kunden verlieren und ich entlassen werde. Meine Dienstzeit als Händler an der Wall Street hätte dann ganze vier Monate gedauert und ich wäre ein weiteres Opfer der großen Finanzkrise.

Der Verkäufer stand auf und drückte sich das Telefon an die Schulter. Der ganze Raum hielt schweigend inne, denn es hatte sich herumgesprochen, was vor sich ging. Jetzt kommt’s, dachte ich, gleich würde ich vor aller Augen eine Abreibung bekommen. Stattdessen schaute mich der Verkäufer an und sagte zu unser aller Überraschung: „Geschafft, Chris!“ Die Order wurde ausgeführt.

Aufgeheizte Emotionen erzeugen Marktineffizienzen

Wären die Märkte wirklich effizient, hätte es diesen Trade – und wahrscheinlich Hunderttausende anderer Trades in dieser Phase – nicht geben dürfen.

Wir verkauften an diesem Tag, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, einmonatige Schatzwechsel im Wert von 200 Millionen Dollar mit negativer Rendite. Und nicht nur das – eine der größten und versiertesten Vermögensverwaltungen der Welt akzeptierte eine negative Verzinsung auf ein Schuldinstrument, weil sie noch größere Verluste vermeiden wollte und eindeutig mit der Herde Zuflucht in sicheren Anlagen suchte.

Danach sah ich die Märkte nie mehr mit den gleichen Augen. Die Panik und der Herdentrieb der Investoren waren dermaßen stark, dass diese Firma (die meines Erachtens eine der großartigsten und brillantesten Vermögensverwaltungen ist, die je aufgebaut wurden) bereit war, für das Recht, ihr Geld an einem sicheren Ort zu parken, ZU BEZAHLEN.

Ich lernte an jenem Tag eine wertvolle Lektion – vor allem dass der Herdentrieb und andere Verhaltenstendenzen selbst die ausgefuchstesten Investoren der Welt manchmal zu irrationalem Handeln veranlassen können. Diese Erkenntnis bestimmte auf Jahre hinaus meinen Denkprozess und meine Herangehensweise an den Markt. Damals war mir das natürlich noch nicht klar, aber dieser Tag war die Keimzelle der Alpha-Formel.

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KAPITEL 2

WILLKOMMEN ZUR ALPHA-FORMEL

Die Alpha-Formel ist eine Kombination aus:

Quantitativen Anlagestrategien

Behavioral Finance

Der Anwendung von First Principles™ auf die Portfoliokonstruktion

Wir werden in diesem Buch einige der am weitesten verbreiteten Verhaltenstendenzen ansprechen, von denen die Anleger befallen sind, und darüber sprechen, dass sie an den Märkten zu bestimmten vorhersehbaren und wiederholbaren Verhaltensweisen führen.

Dann werden wir dieses Marktverhalten verwenden, um vier möglichst gering korrelierte Trading-Strategien zu konstruieren – samt Regeln und historischen Testergebnissen. Jede Strategie bezieht sich auf ein Grundprinzip (ein „First Principle“), also auf eine selbstverständliche Wahrheit über die Märkte. Daraus ergeben sich Strategien, die von Grund auf unterschiedlich und nicht miteinander korreliert sind. Zum guten Schluss führt uns die Kombination unserer vier Strategien zum Alpha-Formel-Portfolio.

Was sind First Principles™?

„First Principles“ oder Grundprinzipien sind einfache, selbstverständliche Wahrheiten. Wahrheiten, die offensichtlich sind, die keinen Anlass zu Meinungsverschiedenheiten geben und denen jeder zustimmen kann.

Das Denken anhand von Grundprinzipien ist eine Möglichkeit, ein Problem anzugehen, indem man diese einfachen, selbstverständlichen Wahrheiten anspricht. Diese Denkweise wurde von allen möglichen Menschen angewendet, von Aristoteles über Thomas Edison bis hin zu Nikola Tesla. Sie steht hinter einigen der größten technischen Durchbrüche der Geschichte.

Das Denken anhand von Grundprinzipien setzt oft Kreativität frei und führt zu neuartigen Lösungen für schwierige oder komplexe Probleme. Man baut komplexe Problemstellungen gewissermaßen nach, häufig indem man sie in einfache Grundsätze und „Wahrheiten“ zerlegt, die man dann einzeln angehen kann.

Die Anwendung von Grundprinzipien auf die Märkte

Wenn man an die komplexen Finanzmärkte denkt – da herrscht kein Mangel an Überzeugungen, Denkschulen und Meinungen zu den Fragen, in welche Richtung sich der Markt entwickeln wird oder wie man sein Geld am besten anlegt.

Viele Anleger denken von Natur aus in Analogien oder sie übernehmen verbreitete Überzeugungen, Annahmen oder bewährte Methoden, wenn sie nach einem Rahmen für die Lösung komplexer Probleme suchen.

In diesem Buch versuchen wir, ein solches Denken zu vermeiden und stattdessen die komplexe Problemstellung des Portfoliomanagements in einfache, selbstverständliche Wahrheiten oder Grundprinzipien („First Principles“) zu zerlegen.

Unsere ersten drei Grundprinzipien für die Märkte sind einfach und lauten folgendermaßen:

1.Märkte steigen.

2.Märkte fallen.

3.Märkte stehen zu manchen Zeiten unter Stress.

Diese recht offensichtlichen Aussagen sind augenscheinlich wahr, und es ist sehr schwer, dagegen zu argumentieren.

Seit Jahrzehnten werden Portfolios im Grunde auf die gleiche Weise aufgebaut, nämlich indem Dinge wie subjektive Fundamentalanalysen, verlockende Storys, statische Asset Allocation und Dutzende anderer Methoden angewandt werden, die keine Grundprinzipien sind. Keine dieser Methoden ist eine Wahrheit!

Dass die Märkte steigen, fallen und manchmal unter Stress beziehungsweise Druck stehen, versteht sich von selbst und kann genutzt werden, um eine Garnitur robuster Handelsstrategien zusammenzustellen. Von diesen Wahrheiten auszugehen ist der erste Schritt zum Aufbau von Portfolios, die das Potenzial haben, sich über einen langen Zeitraum hinweg in vielen verschiedenen Marktumfeldern gut zu entwickeln.

Im Folgenden erläutern wir alle Grundprinzipien und die Tendenzen innerhalb jedes Prinzips.

Grundprinzip 1: Märkte steigen

Wir wissen, dass Märkte auf der ganzen Welt, vor allem Kapitalmärkte, im Laufe der gesamten Geschichte dazu geneigt haben, über längere Zeiträume nach oben zu tendieren. Die meisten Haussen dauern mehrere Jahre und sind von vergleichsweise geringen Schwankungen gekennzeichnet.

Wir wollen Strategien haben, die solche ansteigenden Fluten ausnutzen.

Grundprinzip 2: Märkte fallen

Die Preise von Vermögenswerten steigen aber nicht nur, sie fallen auch. Baisse-Phasen dauern normalerweise nicht so lange wie Hausse-Bewegungen und verlaufen oft heftiger. Das kann man empirisch sehen, wenn man die Volatilität in Baisse-Phasen ermittelt – das werden wir an späterer Stelle dokumentieren.

Wir wollen Strategien haben, die Zeiten ausnutzen, in denen die Märkte fallen.

Grundprinzip 3: Märkte stehen zu manchen Zeiten unter Stress