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KVM – Der Medizinverlag Dr. Kolster Verlags-GmbH

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Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden.

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2020 © KVM – Der Medizinverlag Dr. Kolster Verlags-GmbH, ein Unternehmen der Quintessenz-Verlagsgruppe

www.kvm-medizinverlag.de

1. Auflage 2003

2., überarbeitete und korrigierte Auflage 2009

3., überarbeitete und korrigierte Auflage 2020

Projektleitung: Sabine Poppe, Marburg

Fotos: Peter Mertin, Köln

Grafiken: interActive Systems, Berlin Susanne Tischewski, Dr. Günter Körtner, Marburg

Bildquelle S. 317: adobestock.com © aphotostory

Gesamtproduktion: KVM – Der Medizinverlag, Berlin

ISBN (epub): 978-3-86867-526-9
ISBN (print): 978-3-86867-492-7

Die Autorin

Dr. med. Susanne Bihlmaier

„Die Medizinkulturen verbinden – zum Wohle des Patienten“ – das ist es, was Dr. med. Susanne Bihlmaier in Wort und Tat praktiziert. Grundstein hierzu bildet ihre Dissertation über „universitätskompatibles Studiendesign bei Akupunktur“, die mit einem Wissenschaftspreis dotiert wurde.

Als Ärztin für Naturheilverfahren lehrte Dr. Bihlmaier unter dem Motto „Akupunktur – von Mystik zu Wissenschaft“ an der Universität Tübingen, zudem baute sie eine naturheilkundliche Sprechstunde im Brustzentrum Coburg auf. Sie praktiziert in eigener Praxis mit den Tätigkeitsschwerpunkten westlicher und östlicher Naturheilverfahren, traditionell Chinesische Medizin mit Akupunktur, Phytotherapie und Ernährung mit dem Besten aus Ost und West.

Weitere Schwerpunkte sind die komplementäre Onkologie, Rheumatologie, ganzheitsmedizinisches Stress-Coaching und tiergestützte Therapie sowie die Kooperation mit dem Endometriose-Zentrum der Universitäts-Frauenklinik Tübingen.

Unter Mitarbeit von

Dr. med. Norbert Kuschik: Arzt in eigener Privatpraxis mit den Schwerpunkten Akupunktur und Homöopathie, Tutor der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGFA).

Dr. med. Karl-Heinz Christoph: Facharzt für Innere Medizin, Physikalische und Rehabilitative Medizin; Dozent der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA); Sektionsvorstand Naturheilverfahren und Arbeitskreis Akupunktur der Akademie für ärztliche Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Wissenschaftlicher Beirat der Deutschen Akademie für Schmerz- und Neuraltherapie mit Dozententätigkeit im In- und Ausland.

Geleitwort

Geleitwort zur 2. Auflage

In der gesellschaftlichen und in der akademischen Diskussion sollte sich jede Ärztin und jeder Arzt eine begründete Meinung zu den wichtigsten Methoden der komplementären Medizin gebildet haben. Dieses Buch stellt für mich eine Einladung dar, sich mit den dargaestellten Methoden der Akupunktur und den ihnen zugrunde liegenden Vorstellungen der Traditionellen Chinesischen Medizin gründlich auseinanderzusetzen.

Wer davon fasziniert ist und auf diesem Gebiet weiter arbeiten und Erfahrungen sammeln will, bekommt einen didaktisch exzellenten – weil übersichtlichen – Einstieg. Wer auch nach der Lektüre distanzierter bleibt, wird dann aber beurteilen können, welche Sorgfalt und welche Systematik von guten Anwendern erbracht wird oder erbracht werden sollte und kann somit den suchenden Laien guten Rat geben.

Bleibt zu wünschen, dass weitere geeignete Studiendesigns entwickelt und angewandt werden, die die Wirkungen der Akupunktur evident belegen und damit zur wissenschaftlichen Verankerung in der Ausbildung und an der Universität beitragen.

Prof. Gernot Lorenz

Medizinische Fakultät Universität Tübingen

Tübingen, im März 2009

Geleitwort zur 1. Auflage

Als ich vor exakt 20 Jahren aus Frustration über die häufig ausbleibenden dauerhaften Therapieerfolge der westlichen Medizin meine erste Akupunkturnadel in der Hand hielt und beherzt ins Ohr einer Patientin mit chronischen Unterbauchschmerzen stach, ahnte ich nicht, wie diese „chinesisch-okkultistische Methode“ die westliche Medizin des ausgehenden 20. Jahrhunderts beeinflussen würde.

Ich war höchst überrascht angesichts der Wirkungen, die jedoch von den damaligen Lehrern mit physiologischen und endokrinen Regelkreisen zum Teil nur mangelhaft erklärt werden konnten. Die chinesische Philosophie durfte nicht herangezogen werden, wollte man glaubwürdig bleiben. Heute hat die Akupunktur im Westen einen unglaublichen Stellenwert erlangt und es gibt viele Bücher von namhaften Theoretikern und Praktikern, die den Schüler von verschiedenen Seiten an die Akupunktur heranführen. Bisher fehlte jedoch ein Lehrbuch, das die theoretischen Grundlagen der chinesischen Medizin mit den physiologischen Grundlagen aus westlicher Sicht verknüpft und sich an der Praxis orientiert. Die chinesischen Bezeichnungen werden in diesem Buch mit ihrer Aussprache und blumigen Übersetzung einprägsam dargestellt.

Die farblich abgehobenen Übersichten, eingängigen Grafiken, die hervorragende Qualität des Bildmaterials, die eingebauten Verständnis- und Prüfungsfragen machen dem Anfänger den Einstieg leicht und vermitteln Spaß beim Lernen. Auch der in der Akupunktur Erfahrene hat ein Nachschlagewerk für die tägliche Praxis, mit dem er sein aktives Wissen durch Hintergründe, Punktqualifikationen und Indikationen erweitern kann.

Neben der Mühe, die die Autorin auf die Akupunkturdarstellung verwandt hat, macht sie klar, dass die Akupunktur nur ein Verfahren der Traditionellen Chinesischen Medizin ist und spricht auch die chinesische Diätetik, die Lebensstiländerung und die chinesische Pharmakotherapie an. Frau Bihlmaier ist es gelungen, nach ihrer preisgekrönten Promotion erneut ein Werk zu verfassen, das inhaltlich, didaktisch und darstellerisch eine Lücke in der westlichen Akupunkturliteratur schließt und für Lernende und Lehrende gleichermaßen ein Genuss ist. Vielleicht gelingt es ja mit Hilfe dieses modernen Lehrbuchs, die Akupunkturausbildung an der Universität hoffähig zu machen.

Prof. Ingrid Gerhard

Universitäts-Frauenklinik Heidelberg

Ambulanz für Naturheilverfahren

Heidelberg, im Mai 2002

Vorwort

Warum DIESES Akupunkturbuch?

3 Punkte sprechen für dieses Buch:

›  Wirkkräftige praxis- und prüfungsrelevante Akupunkturpunkte (kein unnötiger Lernballast durch lediglich theoretisch nutzbare Punkte, die in der Praxis so gut wie keine Anwendung finden)

›  Leicht-Lern-Didaktik mit eingebauten Wiederholungen und Verständnisfragen

›  Aktuelle, westlich erarbeitete Erklärungsmodelle aus Forschung und Wissenschaft ergänzen mystischblumig anmutende chinesische Denkmodelle

Vorwort zur 2. und 3. Auflage

Liebe Akupunkturfreundinnen und -freunde,

herzlichen Dank für Ihre bisherige Zustimmung zu meinem Buch! Besonders gefreut hat mich Ihre positive Rückmeldung zur individualisierten Didaktik mit Verständnis aufbauendem Lese-Lerntext, zur tabellarisch-übersichtlichen Aufbereitung und auch zu den superkompakten Wiederholungspiktogrammen. Wenn eine uralte Erfahrungsheilkunde ohne blumige Mystik auskommen kann und westlich übersetzt sogar noch spannender und überzeugender wird, dann habe ich erreicht, was ich erreichen wollte: einen Brückenschlag zwischen den Medizinkulturen und vor allem: Arbeitsfreude und Arbeitserfolg zum Wohle hilfesuchender kranker Menschen. Und jetzt neu für Sie: Weiter ausgearbeitete Erfolgstipps aus der Praxis für die Praxis, die in den lila Kästchen „Praxistipps“ zu finden sind!

Viel Freude beim erfolgreichen Akupunktieren mit TCM!

Dr. med. Susanne Bihlmaier

Tübingen, im April 2009 und Januar 2020

Vorwort zur 1. Auflage

Liebe Leserinnen und Leser,

im Laufe meiner Ausbildung in der Chinesischen Medizin und später in der eigenen Dozententätigkeit wurde ich immer wieder selbst vor die Qual der (Lehrbuch-)Wahl gestellt: jedes hat einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt und die lernunterstützende Didaktik kam auch erst nach und nach hinzu. So schleppte ich oft mehrere „Buch-Kilos“ zu den Anfängerkursen, um in dem einen die Grundlagen, in einem anderen die Punktebeschreibung und in einem dritten die gelungenen Abbildungen vorzustellen.

Aus all diesen Punkten kristallisierte sich bei einigen der Akupunkturgesellschaften, bei welchen ich unterrichte, die Anfrage heraus: „Bringen Sie doch mal alles unter einen Hut! Das Ganze ohne mystisches Geschnörkel, sondern chinesisch-medizinisches Denken übersetzt in unser westliches Denken so wie in Ihrem Unterricht“.

Viel Freude beim Kennenlernen einer Therapierichtung, die laut WHO einen Großteil der Menschheit versorgt – und das seit ca. 5000 Jahren!

Dr. med. Susanne Bihlmaier

Tübingen, im Juni 2002

Danksagung

Mein herzlicher Dank gilt

den Akupunkturgesellschaften NidM und MediKolleg, auf deren Anregung hin dieses Buch entstand,

dem Kollegen und Verleger Dr. med. Bernard C. Kolster, der Projektleiterin Martina Kunze, der Lektorin Aja Reisewitz und dem Grafiker David Kühn vom KVM-Verlag,

im Jahr 2009 erneut Herrn Dr. med. Bernard Kolster sowie der Projektmanagerin Sabine Poppe, die in wirtschaftlich spannenden Zeiten die Neuauflage meines Buches erfolgreich durchgesetzt hat,

meiner Lektorin und Kollegin Susanne Engelhardt sowie der Grafikerin Susanne Tischewski,

den Dozenten-Kollegen Gabriel Stux (Deutsche Akupunkturgesellschaft) und Norbert Kuschick (DÄGfA), Andreas Höll (Übersetzer der Maciocia-Bücher) sowie meiner Stütze aus der Doktorandenzeit, Christine Mahrla, Sekretärin bei Frau Professor Gerhard für die kritisch-konstruktive Durchsicht,

dem Kollegen Norbert Kuschik für die Kapitel Ohrakupunktur und Schädelakupunktur,

Karl-Heinz Christoph,

Herrn Professor Gernot Lorenz von der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen für seine Offenheit gegenüber der Akupunktur. Ihm sei diese zweite Auflage gewidmet für seine Bemühungen, den Blickwinkel der Medizinstudenten um internationale Heilkundesysteme zu erweitern.

meinem Mann Armin für die unermüdliche computertechnische Unterstützung und seine Liebe,

meiner Doktormutter Frau Professor Ingrid Gerhard von der Naturheilkundlichen Ambulanz der Universitätsfrauenklinik Heidelberg für Ihr Geleitwort zur ersten Auflage.

Zu guter Letzt gilt mein besonderer Dank meinen TCM-Lehrern, deren Erfahrungsschatz und Begeisterung für die TCM in dieses Buch eingeflossen sind und an Sie, liebe Leser, weitergegeben werden sollen.

(alphabetisch) Dres.

Dai, Go und Yin Bai, Rot Kreuz Krankenhaus in Hangzhou, China

Rainer Dirken, SAGA (Schweizerische Ärztegesellschaft für Akupunktur)

Prof. Ingrid Gerhard, Universität Heidelberg

Johannes Greten, DGTCM (Deutsche Gesellschaft für TCM)

Carl-Hermann Hempen und Rainer Nögel, SMS (Internationale Gesellschaft für Chinesische Medizin)

Prof. Liu Ke, Shenyang, China

Giovanni Maciocia, Großbritannien

Prof. Piao, Guan An Men Hospital, Peking, China

Francois Ramakers, Niederlande

Ansgar Römer und Birgit Seybold, Akupunktur Pro Medico

Radha Thambirajah, Academy of Chinese Acupuncture, Sri Lanka

Praxistipp

Wertvolle Praxistipps der Autorin – aus der Praxis für die Praxis!

Gebrauchsanweisung

„Gebrauchsanleitung“ – für mehr Lerneffektivität und mehr Lernspaß!

Dieses Praxishandbuch der chinesisch fundierten Akupunktur berücksichtigt – besonders in den Hauptkapiteln – die unterschiedlichen Lernstile und verknüpft diese gleichzeitig zu einem didaktischen Lernprogramm mit eingebauten Wiederholungen:

1Erfassen Sie die Lerninhalte entsprechend Ihres individuellen Lernstils

Der Lesetext: Lassen Sie sich einführen mit dem ausführlichen, fließenden Lesetext. Ohne „AbKüFi“ (Abkürzfimmel), für den texterfassenden Lernstil.

Die Tabelle: Vertiefen Sie mittels der tabellarischen Aufarbeitung die Lesetext-Inhalte. Für den tabellarisch-knapp-übersichtlichen Lernstil und gleichzeitig schon für die Wiederholung und Festigung des Lesetext-Wissens.

Das Quick-Memo: Hier finden Sie das extrahierte Wissensdestillat aus Lesetext und Tabelle, kombiniert mit Piktogrammen zur visuellen Kurz-Zusammenfassung und Schnell-Wiederholung.

2Nutzen Sie die visuelle Unterstützung der Lerninhalte

Die Farbgestaltung richtet sich nach den 5 Wandlungsphasen.

Die Quick-Memos sind mit einprägsamen Symbolen versehen.

Die Meridian-darstellenden Personenzeichnungen zeigen in ihrer Körperhaltung und ihrer Mimik bereits die Hauptaufgaben des jeweiligen Funktionskreises. Moderne Computergrafiken zeigen Ihnen alle wichtigen anatomischen Strukturen zur Punktelokalisation.

3Erhöhen Sie Ihre Lerneffektivität mit Hilfe der eingebauten Lernhilfen

Die unterschiedliche Aufarbeitung des Lerninhaltes in Lesetext, Tabelle und Quick-Memo bietet Ihnen Rekapitulationsmöglichkeit.

Die visuelle Unterstützung der Lerninhalte multipliziert und erleichtert die Wissensaufnahme.

Die Verständnisfragen am Ende jeden Kapitels fördern aktive Wissensverarbeitung.

4Lassen Sie sich leiten durch den logischen Kapitelaufbau

Die theoretischen Grundlagen am Anfang des Buches bilden ein solides Fundament für die danach folgenden Praxiskapitel, welche wiederum in einem Punkte-Destillat enden.

Am Schluss soll noch Ihre Neugierde für das Gesamtwerk der TCM geweckt werden durch ergänzende Kurzeinblicke in die Diätetik und die Pharmakologie.

Profitieren Sie von der Erfahrung und den Forschungsarbeiten renommierter internationaler Akupunktur-Institutionen, von der akribischen Auswertung Chinesischer Werke und zu guter Letzt von der praktischen Erfahrung leidenschaftlicher Akupunkteure – um sich mit fundiert ausgewählten Praxispunkten sowohl für die Prüfung, als auch für Ihre Behandlung des Patienten auf das Wesentliche konzentrieren zu können: auf wirksame Akupunktur!

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis – Theorie

1 Grundlagen

1.1 Akupunktur-Geschichte in Stichworten

1.2 Philosophische Grundlagen und deren Einflüsse auf die Akupunktur heute

1.3 Wissenschaftliche Erkenntnisse

2 Physiologie in der TCM

2.1 Die „Fünf Grundsubstanzen des Lebens“

2.2 Wissenschaftstheoretische Grundlagen

2.2.1 Yin und Yang – ein ganzheitliches Ordnungsprinzip

2.2.2 Wandlungsphasen als synergetisch/ biokybernetisches Modell

2.3 Funktionskreise

2.4 Krankheitsursachen

2.5 Meridiansystem

2.6 Organuhr

3 Punktekategorien in der TCM

3.1 Punktekategorien

3.1.1 Tonisierungs- und Sedierungspunkt

3.1.2 Zustimmungs-Rücken-Shu-Punkte (Bei Shu Xue) und ventraler Alarm-Mu-Punkt (Mu Xue)

3.1.3 Ursprungs-Yuan-Qi-Punkte (Yuan Xue)

3.1.4 Durchgangs-Luo- oder Vernetzungs-Punkte (Luo Xue)

3.1.5 Spalten-Xi-Punkte (Xi Xue)

3.1.6 Acht einflussreiche Chinesische Meisterpunkte (Ba Hui Xue, Zusammenkunfts- oder Einflusspunkte)

3.1.7 Acht Schlüssel-(Einschalt-)Punkte zum Energiereservoir (Ba Mai Jiao Hui Xue)

3.1.8 Gruppen-Luo-Punkte oder „Drei Fliegen mit einer Klappe“ (Luo Xue)

3.1.9 Fünf Antike Punkte (Wu Shu Xue)

3.1.10 Sechs untere Einfluss-He-Punkte (Xia He Xue)

3.1.11 Regionale Meisterpunkte

3.1.12 Europäische Meisterpunkte

Inhaltsverzeichnis – Praxis

4 Diagnostik in der TCM

4.1 Diagnostisches Vorgehen – Überblick

4.2 Die vier Untersuchungsmethoden nach TCM

4.2.1 Allgemeine Anamnese zur Erfassung der vegetativen Grundsituation

4.2.2 Palpation: Pulsdiagnostik

4.2.3 Inspektion

4.2.4 Olfaktion und Auskultation

4.2.5 Konstitution

4.3 Beurteilung der Erkrankungs-symptome

4.3.1 Yin – Yang

4.3.2 Innen – Außen

4.3.3 Kälte – Hitze

4.3.4 Leere (Schwäche/Mangel) – (Über-)Fülle

4.4 Zang-Fu-Disharmonie-Muster

4.5 Analyse der beteiligten pathogenen Faktoren

4.6 Disharmonie-Muster von Qi, Xue und Jing

5 Akupunktieren

5.1 Indikationen und Kontraindikationen

5.1.1 Indikationen

5.1.2 Kontraindikationen

5.2 Aufklärung, Nebenwirkungen, Komplikationen

5.2.1 Aufklärungspflicht

5.2.2 Mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen

5.3 Nadelwahl

5.4 Punktwahl

5.4.1 Konzepte

5.4.2 Beispiele

5.5 Akupunktieren Schritt für Schritt

5.5.1 Vorbereitung, Lagerung

5.5.2 Punktelokalisation

5.5.3 Desinfektion

5.5.4 Einstichtechniken

5.5.5 Stichtiefe, De-Qi-Gefühl, Stichrichtung

5.5.6 Manipulationstechniken

5.5.7 Nadelverweildauer, Nadelentfernung

5.5.8 Behandlungsfrequenz

5.6 Moxibustion

5.7 Weitere Akupunkturformen

6 Praxispunkte der Funktionskreise/Meridiane

6.1 Erster Meridianumlauf Lu-Di-Ma-Mi

6.1.1 Lungen- und Dickdarmfunktionskreise

6.1.2 Magen- und Milzfunktionskreise

6.2 Zweiter Meridianumlauf He-Dü-Bl-Ni

6.2.1 Herz- und Dünndarmfunktionskreise

6.2.2 Nieren- und Blasenfunktionskreise

6.3 Dritter Meridianumlauf Pe-3E-Gb-Le

6.3.1 Perikard- und Erwärmerfunktionskreise

6.3.2 Gallenblasen- und Leberfunktionskreise

6.4 Die Acht außerordentlichen Meridiane Qi Jing Ba Mai

6.4.1 Definition, Schlüssel-(Einschalt-) und Ankopplungspunkte

6.4.2 Konzeptionsgefäß (Ren Mai)

6.4.3 Lenkergefäß (Du Mai)

6.4.4 Chong Mai und Yin Wei Mai

6.4.5 Lenkergefäß und Yang Qiao Mai

6.4.6 Dai Mai und Yang Wei Mai

6.4.7 Konzeptionsgefäß und Yin Qiao Mai

6.5 Tendino-muskuläre Meridiane (Jing Jing)

6.6 Sondermeridiane Jing Bie Xun Xing

6.7 Extrapunkte

6.7.1 Übersicht

6.7.2 Kopf und Hals

6.7.3 Brust und Bauch

6.7.4 Rücken

6.7.5 Arm und Hand

6.7.6 Bein und Fuß

7 Ohrakupunktur

7.1 Einführung

7.2 Indikationen und Kontraindikationen

7.3 Aufklärung, Nebenwirkungen, Komplikationen

7.4 Methoden der Punktbehandlung

7.5 Punktauswahl und Lateralität

7.6 Ohrakupunktur Schritt für Schritt

7.6.1 Indikationsstellung

7.6.2 Therapiekonzept

7.6.3 Vorbereitung, Lagerung

7.6.4 Punktsuche

7.6.5 Desinfektion, Stichtechnik, Manipulation

7.6.6 Nadelverweildauer

7.6.7 Behandlungsfrequenz und -häufigkeit

7.7 Anatomie der Ohrmuschel, Repräsentationszonen

7.7.1 Topographische Anatomie der Ohrmuschel

7.7.2 Innervation der Ohrmuschel

7.7.3 Repräsentationszonen an der Ohrmuschel

7.8 Systematik der Ohrpunkte

7.8.1 Organ- bzw. Korrespondenzpunkte

7.8.2 Segmenttherapie

7.8.3 Analgetisch bzw. antiphlogistisch wirkende Punkte

7.8.4 Psychotrope bzw. vegetativ-ausgleichend wirkende Punkte

7.8.5 Modalitätsspezifische bzw. ergänzende Punkte

7.8.6 Ohrrückseite

8 Neue Schädelakupunktur nach Yamamoto (YNSA)

8.1 Einführung

8.2 Indikationen und Kontraindikationen

8.3 Aufklärung, Nebenwirkungen, Komplikationen

8.4 Methoden der Punktbehandlung

8.5 Punktauswahl und Lateralität

8.6 Neue Schädelakupunktur nach Yamamoto Schritt für Schritt

8.6.1 Indikationsstellung

8.6.2 Therapiekonzept

8.6.3 Vorbereitung, Lagerung

8.6.4 Punktsuche

8.6.5 Desinfektion, Stichtechnik

8.6.6 Nadelverweildauer

8.6.7 Behandlungsfrequenz und -häufigkeit

8.7 Repräsentationszonen am Schädel

8.7.1 Basis-Punkte bzw. -Zonen

8.7.2 Ypsilon-Punkte bzw. -Zonen

9 Aus der Praxis für die Praxis: Punkte-ABC

10 Chinesische Diätetik: Kurzübersicht

10.1 Status der Diätetik innerhalb der Traditionellen Chinesischen Medizin

10.2 Chinesische Klassifizierung von Nahrungsmitteln

10.2.1 Inneres Temperaturverhalten

10.2.2 Geschmack

10.2.3 Funktionskreisbezug

10.2.4 Wirkrichtung

10.3 Einfluss der Zubereitungsart auf die Nahrungsmittelwirkung

10.4 Die häufigsten Ernährungsfehler – Kurzübersicht

10.5 Durchführung einer diätetischen Therapie

11 Chinesische Arzneimitteltherapie: Kurzübersicht

11.1 Status der Arzneimitteltherapie innerhalb der Traditionellen Chinesischen Medizin

11.2 Geschichtlicher Überblick

11.3 Chinesische Arzneimitteltherapie in der Praxis

11.4 Vorgehen in der Praxis

11.5 Weiterführende Informationen zur Chinesischen Arzneimitteltherapie

Anhang

Studienlage und Gesundheitspolitik: Die German Acupuncture Trials – GERAC 2001–2005

Beispiele aus der Akupunktur-Forschung

Chinesische Medizin in China

Literatur- und Quellenverzeichnis

Index

Farbleitystem

Farbleitsystem-Legende

Die Akupunktur

› THEORIE

01 Grundlagen

02 Physiologie

03 Punktekategorien

 

 

 

1 Grundlagen

Die Akupunktur als Teil der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) ist eine klassische naturheilkundliche Reiztherapie, welche die Selbstregulationskräfte des Körpers in Gang setzt. Sie zeigt Wirkung auf das gesamte Vegetativum, die Immunabwehr und das Allgemeinbefinden. Zerstörte Strukturen kann sie nicht heilen, jedoch kann sie auch hier noch im Sinne einer ganzheitlichen Therapie psychovegetativ unterstützen und Schmerzen lindern (wie z. B. in Studien zur Kniegelenksarthrose erfolgreich aufgezeigt wurde) oder aber auch psychovegetativ unterstützen. In ihrem Herkunftsland China macht die Akupunktur lediglich etwa 20 % der therapeutischen Maßnahmen im Rahmen der TCM aus. Den Hauptanteil von etwa 80 % bilden die Pharmakotherapie, die Ernährungstherapie sowie die Lebensführung. Sowohl die Pharmakotherapie (in Deutschland fast ausschließlich Heilkräuterabkochungen und Medizinalpilze) als auch die Ernährungstherapie haben den Vorteil, nicht mit den patienteneigenen Regulationsressourcen auskommen zu müssen, sondern von außen Energie zuführen zu können. Dies erklärt, weshalb die Anwendung des gesamten Therapiespektrums der TCM größere Heilungserfolge erzielt als die Akupunktur allein.

1.1 Akupunktur-Geschichte in Stichworten

Horn- und Knochennadeln sowie Bambussplitter aus urzeitlichen Grabfunden weisen vermutlich auf die ersten äußerlichen Reizbehandlungen im Sinne der Akupunktur hin.

Bei der 1991 in den Ötztaler Alpen gefundenen Mumie eines Steinzeitmenschen fand man Tätowierungen an Körperstellen, die uns heute als Akupunkturpunkte des Blasenmeridians bekannt sind. Einige Forscher deuten dies als Hinweis, dass schon 5300 v. Chr. in Europa Schmerzen des Bewegungsapparates reflextherapeutisch behandelt wurden.

Das Buch „Huang Di Nei Jing“ gilt als das älteste medizinische Werk. Es ist in Dialogform zwischen dem legendären „Gelben Kaiser“ (2697–2596 v. Chr.) und seinen Leibärzten verfasst. Von einigen Forschern wird es allerdings auf das 1.–2. Jahrhundert n. Chr. datiert, da die Akupunktur in den frühesten chinesischen heilkundlichen Schriften, den „Seidenmanuskripten des Mawangdui-Grabes“ von 167 v. Chr., nicht erwähnt wird. Die heute überlieferte Form des „Inneren Klassikers des Gelben Fürsten“ stammt aus dem 13. Jahrhundert.

In der Schrift „Shiji“ von Sima Quian, 90 v. Chr., wird über die Nadelung durch einen Wanderarzt aus dem 5.–6. Jahrhundert v. Chr. berichtet.

Die Anwendung von Beifuß (Artemisia vulgaris) zur Wärmebehandlung an Akupunkturpunkten findet sich zuerst beim Philosophen Mengzi im 4. Jahrhundert v. Chr. Der „Systematische Aku-Moxi-Klassiker“ von Huang Fumi, 215–282 n. Chr., ist das erste sicher datierbare Werk.

Die in China bereits im 10. Jahrhundert eingeführte Buchdruckerkunst sorgte für die Dokumentation weiterer Werke wie z. B. die „Erläuterung der 14 Hauptleitbahnen“ (1341) und die „Untersuchung über die acht unpaarigen Leitbahnen“ von Li Shizhen (1518–1593), einem der bedeutendsten chinesischen Ärzte.

Im 17. Jahrhundert brachten französische Kaufleute und Missionare die Akupunktur nach Europa und der Arzt der Ostindischen Handelskompanie, Willem Ten Rhyne, verfasste eine der ersten Publikationen. Weitere Veröffentlichungen kamen von dem Arzt Berlioz aus Frankreich (1816) und von Soulié de Morant, 1931, Konsul in China.

1958 wurden in China die „westliche Medizin“ und die Traditionelle Chinesische Medizin von Mao Ze-Dong gleichgestellt und damit die TCM zur universitären Heilkunde erhoben – um die medizinische Versorgung des großen chinesischen Volkes gewährleisten zu können.

In Deutschland wurde die Akupunktur nach dem 2. Weltkrieg bekannt.

1.2 Philosophische Grundlagen und deren Einflüsse auf die Akupunktur heute

Die Akupunktur (und die TCM) sind von zwei grundlegenden philosophischen Richtungen geprägt:

vom Daoismus, der die innere Entwicklung, die geistige Haltung des Menschen betrifft,

vom Konfuzianismus, der das sozial-bürgerliche, politische Leben mit Vorbildern aus militärischer Strenge und Traditionspflege regelt.

Daoismus

Dao = den inneren Weg gehen, Sich-Einfügen in den kosmischen Gesamtzusammenhang, Harmonie mit der Natur.

Gesundheitliche/medizinische Aspekte des Daoismus sind:

die Suche nach langem Leben, um mehr Zeit zur Meditation zu haben. Dazu gehören die Anwendung gesundheitsfördernder Praktiken und das gesundheitsbewusste Leben; die TCM wurde hauptsächlich als präventive Medizin angewandt,

das Entsprechungssystem von Yin und Yang: Alles steht in einer polaren Wechselbeziehung, Gegensätze bilden erst gemeinsam das Ganze (s. Yin und Yang, Kap. 2.2.1).

Konfuzianismus

Rational geprägte Staats- und Sittenlehre, die Tradition, Recht und Ordnung betont.

Gesundheitliche/medizinische Aspekte des Konfuzianismus sind:

die Verehrung der Eltern und vor allem auch der Ahnen, die eine Leichenschau verbietet. Daraus entwickelte sich ein minutiös beobachtendes System zur Erfassung von Befindlichkeit und Befindlichkeitsstörungen,

die dem militärischen Bereich entnommene Terminologie in der Medizin, z. B. das Herz = der Fürst, die Leber = der Heerführer.

1.3 Wissenschaftliche Erkenntnisse

Die breite Palette der Akupunkturwirkungen ist noch immer nicht vollständig erforscht. Die wissenschaftliche Aufarbeitung konzentriert sich auf die teils spektakuläre analgetische Wirkung. Die Auswirkungen der Akupunktur auf das Hormonsystem bedürfen noch weiterer Studien. Wichtige Forschungsergebnisse werden in Tabelle 1.1 (s. Seite 4) dargestellt.

Die bekannteste und am meisten erforschte Wirkung der Akupunktur ist die Schmerzlinderung durch Endorphin-Freisetzung. Ihr Wirkungsspektrum ist aber breiter gefächert, wie Tabelle 1.2 (s. Seite 5) zeigt.

Erfolgreich nachgewiesen werden konnte der Akupunkturpunkt zudem, in einer heute hochaktuellen Struktur, der Faszie. Bei der Untersuchung von Verstorbenen konnte ein Gefäß-Nerven-führendes Faszienloch identifiziert werden, welches zusätzlich von einem Ring aus von doppelt so vielen Rezepten umgeben wird, wie nur einen halben Zentimeter daneben, siehe Abb.1.1.

Abb. 1.1: Gefäß-Nervenbündel (modifiziert nach H. Heine): Zu 80 % entsprechen die Akupunkturpunkte der Durchtrittsstelle eines Gefäß-Nervenbündels durch die äußere Körperfaszie.

Abb. 1.2: Neurophysiologische Grundlagen (modifiziert nach C.-H. Hempen): Die drei neurophysiologischen Wirkebenen der Akupunktur sind die

kompetitive aszendierende Hemmung auf Rückenmarksebene

Hemmung der deszendierenden Fasern im Mittelhirn

Endorphin-Freisetzung aus dem Hypothalamus

Forschungsgebiet

Forschungsergebnis

Forscher

Embryologie

Haut und Nervensystem entwickeln sich aus dem gleichen Keimblatt (Ektoderm, äußeres Keimblatt).

Ramakers

Neuroanatomie, Körpersegmente

Akupunkturpunkte werden Spinalnerven zugeordnet: kutiviszerale Informationsübermittlung.

König und Wancura

Head-Zonen

Über kutiviszerale und viszerokutane Reflexwege der Rami communicantes albi et grisei existieren Wechselwirkungen zwischen Arealen der Körperoberfläche und den inneren Organen (in der chinesischen Medizin bereits jahrtausendelang bei der Nadelung der Alarm-Mu-Punkte ventral und der Zustimmungs-Rücken-Shu-Punkte dorsal „genutzt”).

Head

Segmente

Akupunkturpunkte in Segmenten müssen genau getroffen werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Experimentell konnte z. B. nur mit Nadelung des Zwerchfell-Zustimmungs-Punktes Bl 17 die Zwerchfellfunktion objektivierbar beeinflusst werden, nicht aber mit anderen Punkten des gleichen Segments.

Bergsmann

Histologie/ Morphologie

80% der Akupunkturpunkte entsprechen der Perforation eines Gefäß-Nervenbündels durch die oberflächliche Körperfaszie.

Heine (s. Abb. 1.1), Benner, Draehmpaehl

Histologie

Akupunkturpunkte haben eine nahezu doppelt so hohe Hautrezeptorendichte wie ihre Umgebung (0,31 versus 0,16/mm2).

Kellner

Elektrophysiologie

Akupunkturpunkte weisen einen niedrigeren Hautwiderstand auf (erklärbar durch die wasserreiche Bindegewebshülle um das Gefäß-Nervenbündel; Heine). Diese Bindegewebshülle enthält Paccini-Körperchen.

Durchschnittlich besteht am Akupunkturpunkt eine 3,4fach höhere elektrische Kapazität als in seiner Umgebung.

Pomeranz

Abele, Dieper, Herrmann Thalmann

Tabelle 1.1: Grundlagenforschung Akupunktur

Forschungsgebiet

Forschungsergebnis

Forscher

Mikrozirkulation

Aus Nervenzellen wird vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP) freigesetzt, dadurch nimmt die Mikrozirkulation um die Nadel/Einstichstelle herum zu.

Saig und Mutt

Neurochemie

Akupunktur führt zur Bildung und Freisetzung körpereigener Endorphine, was die Akupunkturwirkung vor allem in der Schmerztherapie erklärt. Sie ist durch den Morphin-Antagonisten Naloxon antagonisierbar.

Pomeranz und Cheng

Humorale Wirkung

Schmerzhemmende humorale Substanzen konnten über das Liquorpunktat von einem akupunktierten, schmerzgereizten Kaninchen auf ein schmerzgereiztes, nicht akupunktiertes Kaninchen übertragen werden. Der Schmerz beim nicht akupunktierten Kaninchen nahm um 2/3 ab.

Zhang Xian Tong

Hormonale Wirkungen

Durch Akupunktur nehmen die Testosteronwerte und die Globalmobilität von Spermien bei männlicher Sterilität zu.

Jung

Nach Akupunktur konnte bei amenorrhöischen Patientinnen ein signifikanter LH-Abfall nachgewiesen werden. Der Rebound-Effekt löste die Ovulation aus.

Kubista

Durch Akupunktur bei hypothalamischer Gestagen-positiver Amenorrhö wurden vergleichbare Schwangerschaftsraten wie durch Hormontherapie erzielt.

Gerhard

Der ACTH-Spiegel im Plasma steigt durch Akupunktur an.

Xie, Masala

Der Kortisolspiegel im Plasma steigt durch Akupunktur an.

Lee, Liao

Neurophysiologie

Das körpereigene Schmerzsystem wird auf drei Ebenen aktiviert:

Im Rückenmark findet durch die nichtschmerzhaften Reize der Akupunktur eine segmentale Hemmung statt → die aszendierende Schmerzweiterleitung wird über die Transmittersubstanz Enkephalin blockiert.

Die deszendierende Hemmung der Hinterhornneurone durch Nervenreize von Mittelhirn, periaquäduktalem Grau und Raphekern wird über Monoamine, insbesondere Serotonin, bewirkt.

Im Hypothalamus werden Beta-Endorphine ausgeschüttet.

Pomeranz (s. Abb. 1.2)

Funktionelle Anatomie

Di 4 hat Anschluss an den kompletten Plexus brachialis, Ma 36 an den Plexus lumbosacralis. Beide stellen so Informationsfilter für alle afferenten und efferenten Bahnen des Rückenmarks dar. Ihr Anschluss an die parasympathischen Kerngebiete in Rückenmark und Gehirnstamm prädestiniert sie zur Kontrolle des Sympathikus.

Heine

Neurophysiologie

Narkotisierten Patienten wurde ein Schmerzreiz verabreicht, dann erfolgte Akupunktur an traditionellen Schmerzpunkten bei 50 % der Probanden. Ergebnis: Eine Abflachung der evozierten Potenziale fand sich nur bei akupunktierten Probanden.

Meissner

Neurophysiologie

Darstellung neuronaler Aktivität mittels fMRI (Stoffwechsel, Durchblutung): Eine deutliche Veränderung in den zugehörigen Gebieten zeigte sich nur bei Verum-Akupunktur an TCM-Punkten.

Litschner, Siedentopf, Bin Yan

GERAC-Studie

s. Seite 318 f.

 

Tabelle 1.2: Wirkprinzip der Akupunktur

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Akupunktur-Geschichte in Stichpunkten

1. Welcher Klassiker ist das am häufigsten zitierte Buch der chinesischen Medizin?

Philosophische Grundlagen

1. Welchen Einfluss hat der Daoismus auf die chinesische Medizin?

2. Was ist der Grundgedanke des Konfuzianismus?

3. Wie wirkt sich der Konfuzianismus auf die chinesische Medizin aus?

Wissenschaftliche Grundlagen

1. Erläutern Sie die Schmerzlinderung durch Akupunktur und nennen Sie die drei Wirkebenen.

2. Welche anatomisch-histologischen Besonderheiten weisen Akupunkturpunkte auf?

2 Physiologie in der TCM

Lange Zeit untersagte der Konfuzianismus die Leichenschau. Dies machte chinesische Ärzte zu minutiösen Beobachtern. Daher ist der chinesische Physiologie-Begriff v.a. durch ein analoges Denken geprägt, bei dem von äußerlich wahrnehmbaren Veränderungen auf Vorgänge im Körperinneren geschlossen wird. Dies spiegelt sich auch in der ausgeprägt bildhaften Sprache wider. Für uns westliche Mediziner ist die chinesische Denkweise oft schwer zugänglich, weil diese mangels tieferen Verständnisses oft unzureichend oder gar verfälschend übersetzt wird.

Beispiele sind

Aussagen wie: „Die Chinesen kannten damals nur die fünf Grundelemente Holz/Feuer/Erde/Metall/Wasser, mit denen sie alles zu erklären versuchten“, oder

Übersetzungen wie „Qi“ = „Odem“.

Dass westlich ausgebildete Kollegen mit solchen Erklärungen nur wenig anfangen können und sich deshalb auf die reine Rezeptakupunktur mit Endorphinwirkung beschränken, ist verständlich – aber schade. Neuere Studien zeigen, dass die Akupunktur bei Anwendung der chinesischen Diagnostik und des daraus resultierenden Therapiekonzepts um etwa ein Drittel mehr therapeutische Erfolge erzielen kann.

Der Schritt zur erfolgreicheren Therapie muss deshalb in Richtung einer profunden Übersetzungsarbeit gehen. Essenziell ist dabei die Übersetzung der chinesischen Denkweise und der andersartigen, viel bildhafteren Sprache in ein für westliche Mediziner nachvollziehbares Konzept.

Diese Schritte wurden und werden getan von Sinologen, wie z. B. Porkert und Unschuld sowie von forschenden Ärzten und Ärztinnen wie z. B. (alphabetisch) Focks, Gerhard, Greten, Hempen, Kubiena, Maciocia, Ramakers, Römer, Stux und vielen anderen mehr. In den folgenden Ausführungen sind die zahlreichen Denkmodelle in ein Gesamt-Erklärungsmodell integriert. Diese Synthese soll es erleichtern, sich in die chinesische Medizin einzudenken.

2.1 Die „Fünf Grundsubstanzen des Lebens“

Die „Fünf Grundsubstanzen des Lebens“ bilden die Basis der chinesischen Physiologie und setzen sich jeweils aus unterschiedlichen Anteilen von Substanz und Energie zusammen (s. Tabelle 2.1, Seite 7). Alle sind direkt am Lebensprozess beteiligt.

Qi

Die TCM kennt unterschiedliche Formen von Qi. Die wichtigsten:

Erb-Energie, Ursprung-Energie (Yuan Qi) = angeborene Energie; Konstitution, welche im Nierenfunktionskreis, der „Lebensbatterie“, gespeichert und im Laufe des Lebens verbraucht wird.

Nahrungs-Energie (Gu Qi) entsteht aus der Nahrungsumwandlung und ist demzufolge durch die Nahrungsmittelwahl steuerbar.

Atmungs-Energie (Zong Qi) entsteht aus der Atmung und kann durch Atemübungen unterstützt werden.

Grund-Energie oder organspezifische Energie (Zang Fu Qi) wird aus Nahrungs- und Atmungsenergie gebildet und versorgt den gesamten Organismus.

Das Wahre Qi (Zheng Qi) besteht aus Nähr-Qi (Ying Qi, annähernd mit der Nährfunktion des Blutes übersetzbar) und Abwehr-Qi, welches hauptsächlich außerhalb der Meridiane in Haut und Immunsystem zirkuliert.

Tabelle 2.1: Die Fünf Grundsubstanzen des Lebens (korrekte Aussprache in Klammern)

Quick-Memo

Grundsubstanzen

Qi Summe aller physiologischen, dynamischaktiven Lebensvorgänge, neurovegetative Grundaktivität, individualspezifische aktive Energie

Xue stoffliches Komplement zu Qi, mit Blut übersetzbar

Shen Intellekt, Geist, Bewusstsein

Jing Erbgut, Konstitution

Jin Ye interstitielle Gewebsflüssigkeit und Körpersäfte

2.2 Wissenschaftstheoretische Grundlagen

Damit eine Medizinrichtung als wissenschaftliche Medizin gilt, müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden:

eine festgelegte Fachsprache,

positive Empirie,

rationale Vernetzung der empirischen Daten bzw. ihre Systematisierung.

Alle genannten Kriterien sind bei der TCM gegeben. Die in der TCM verwendeten Symbole aus der Naturbeobachtung erscheinen nur bei der flüchtigen Erstbetrachtung blumig und überholt. Auch hier ist es Sinologen und Ärzten zu verdanken, dass diese Natursymbole in das westliche Medizinverständnis übersetzt werden konnten. Sie stellen universelle Symbole für die Richtung einer Aktivität im menschlichen Organismus dar.

Quick-Memo

Wissenschaftstheoretische Grundlagen einer wissenschaftlichen Medizin sind:

eine festgelegte Fachsprache,

positive Empirie,

Systematisierung.

Die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der chinesischen Medizin sind:

die Lehre von Yin und Yang,

die Lehre von den Wandlungsphasen.

2.2.1 Yin und Yang – ein ganzheitliches Ordnungsprinzip

Das Ordnungsprinzip von Yin und Yang besagt, dass das gesamte Universum aus Gegensatzpaaren besteht, die zusammen erst eine Ganzheit bilden.

Die wörtliche Übersetzung der beiden Begriffe Yin und Yang zeigt am deutlichsten, was mit ihnen gemeint und wie universell dieses Begriffspaar zu verstehen ist:

Yin = schattige Seite des Berges,

Yang = sonnenbeschienene Seite des Berges.

Abb. 2.1: Der Berg mit Sonnen- und Schattenseite als wörtliche Übersetzung verdeutlicht die grundlegende Symbolik für Yin und Yang: Yin und Yang sind komplementäre, existenziell voneinander abhängige Komponenten, die erst zusammen eine Ganzheit bilden.

Das Naturphänomen der beiden Bergseiten in Bezug auf die Sonne wurde 400 v. Chr. als Entsprechungssystem Grundlage der daoistischen Philosophie. Es verdeutlicht, dass alle Lebensäußerungen, angefangen von Naturerscheinungen wie Tag und Nacht, Trockenheit und Feuchtigkeit, Bewegung und Ruhe, bis hin zu Mann und Frau, Gegensatzpaare mit zwei polaren aber sich ergänzenden Anteilen darstellen.

Anstatt lange Tabellen der Zuordnung einzuprägen, ist es leichter, sich das Bild des Berges (s. Abb. 2.1) mit Sonnen- und Schattenseite vorzustellen und folgende Fragen zu beantworten:

Auf welcher Seite des Berges ist es wärmer, auf welcher kälter; wo ist es hell, wo dunkel?

Auf welcher Seite ist es aufgrund des Klimas trockener; wo kann sich Feuchtigkeit eher halten, sogar ansammeln und damit Vegetation ansiedeln und festigen?

Auf welcher Seite huscht eine Eidechse (wechselwarm!) flink umher, wo liegt sie starr am Boden? Auf welcher Seite würden Kinder spielen?

Abb. 2.2: Monade

Die Beantwortung dieser Fragen führt zum Prinzip von Yin und Yang und damit auf das Entsprechungssystem zu: vgl. Tabelle 2.2, Seite 9

Bedeutung des Entsprechungssystems

Siehe Tabelle 2.2, Seite 9

 

Yin = „Schattenseite des Berges”

Yang = „Sonnenseite des Berges”

Naturbeobachtung

allgemein

dunkel

kalt

feucht

Ruhe

Vegetation, Moos, Sumpf: Substanz

allgemein

hell

warm

trocken

Aktivität

Kinder spielen, Eidechse huscht flink umher: Aktivität

Entsprechungen

der vegetativen Aktivitäts richtung, des energetischen Aspekts

Substanz, Materie

Hypofunktion

Statik

Energieleere

Funktion

Hyperfunktion

Dynamik, Energie

Energiefülle

Entsprechungen

im Menschen, in der menschlichen Physiologie

Parasympathikotonus

Schlaf

Dilatation

Diastole

Exspiration

Intima, Körperinneres

Körpersubstanz (Muskulatur, Bindegewebe, Fett u. a.)

bewahrend-weiblich

Ventralseite

Sympathikotonus

Bewegung, Wachsein

Kontraktion

Systole

Inspiration

Körperoberfläche

Körperfunktionen (Blutdruck, Bewegung)

progressiv-männlich

Dorsalseite

Pathophysiologie

schleichende Erkrankungen

chronische Erkrankungen

Kälte/Kältegefühl, Frösteln

Statisches/Erstarrtes wie Arthrose (Gelenksteife, Unbeweglichkeit)

Wärmebedürftigkeit (auch bei Speisen)

wenig Durst bei reichlich hellem Urin

weiche Stühle

blasse Zunge und schwacher Puls

akut einsetzende Erkrankungen

Hitze/Hitzegefühl mit und ohne objektiven Temperaturanstieg

Dynamisches, Aktives, wie akute Entzündungen

Verlangen nach Kühlem

viel Durst bei konzentriertem Urin

Obstipation bzw. harte Stühle

rote Zunge mit gelbem Belag und voller Puls

Tabelle 2.2: Yin und Yang: Naturbeobachtung und ihre Entsprechungen

Symbolik

Symbol der Entsprechungslehre ist das Fou-Chi-Zeichen, die Monade (s. Abb. 2.2, Seite 8). Der Kreis steht für Ganzheit, die schwarze Fläche für das Yin, die weiße für das Yang. Die gegenfarbigen kleinen Punkte symbolisieren den Anteil des jeweils Anderen, der in allem enthalten ist (Frauen produzieren auch männliche Hormone wie Testosteron, Männer auch weibliche Hormone wie Östrogene). Die wellenförmige Trennungslinie symbolisiert den ständigen Wandel, den Fluss des Geschehens, die phasischen Zyklen (z. B. Hormonzyklus der Frau, Jahreszeiten).

Bezug zur TCM