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Gerhart Hauptmann

Der Apostel

 

Saga

Spät am Abend war er in Zürich angelangt. Eine Dachkammer in der „Taube“, ein wenig Brot und klares Wasser, bevor er sich niederlegte: das genügte ihm.

Er schlief unruhig wenige Stunden. Schon kurz nach vier erhob er sich. Der Kopf schmerzte ihn. Er schob es auf die lange Eisenbahnfahrt vom gestrigen Tage. Um so etwas auszuhalten musste man Nerven wie Seile haben. Er hasste diese Bahnen mit ihrem ewigen Gerüttel, Gestampf und Gepolter, mit ihren jagenden Bildern; — er hasste sie und mit ihnen die meisten anderen der sogenannten Errungenschaften dieser sogenannten Kultur.

Durch den Gotthard allein . . . es war wirklich eine Tortur, durch den Gotthard zu fahren: dazusitzen, beim Scheine eines zuckenden Lämpchens, mit dem Bewusstsein, diese ungeheure Steinmasse über sich zu haben. Dazu dieses markerschütternde Konzert von Geräuschen im Ohr. Es war eine Tortur, es war zum Verrücktwerden! In einen Zustand war er hineingeraten, in eine Angst, kaum zu glauben. Wenn das nahe Rauschen so zurücksank und dann wieder daherkam, daherfuhr wie die ganze Hölle und so tosend wurde, dass es alles in einem förmlich zerschlug . . . nie und nimmer würde er nochmals durch den Gotthard fahren!

Man hatte nur einen Kopf. Wenn der einmal aufgestört war — der Bienenschwarm da drinnen — da mochte der Teufel wieder Ruhe schaffen: alles brach durch seine Grenzen, verlor die natürlichen Dimensionen, dehnte sich hoch auf und hatte einen eigenen Willen.

Die Nacht hatte es ihn noch geplagt, nun sollte es damit ein Ende haben. Der kalte, klare Morgen musste das seinige tun. Übrigens würde er von hier ab nach Deutschland hinein zu Fusse reisen.