Charles W. Leadbeater: Hellsehen

Charles W. Leadbeater

HELLSEHEN

Wie ein höheres Bewusstsein

entwickelt werden kann

Aquamarin Verlag

1. eBook-Auflage 2020

© Aquamarin Verlag

Voglherd 1 • D-85567 Grafing

Umschlaggestaltung: Annette Wagner

Satz: Sebastian Carl

ISBN 978-3-96861-146-4

INHALT

HELLSEHEN

I.       Was Hellsehen ist

II.      Einfaches Hellsehen: Allseitig

III.     Teilweises einfaches Hellsehen

IV.     Bewusstes Hellsehen im Raum

V.      Halb-bewusstes Hellsehen im Raum

VI.     Unbewusstes Hellsehen im Raum

VII.   Hellsehen in der Zeit: Die Vergangenheit

VIII.  Hellsehen in der Zeit: Die Zukunft

IX.     Methoden der Entwicklung

TRÄUME

I.       Einleitung

II.       Der Mechanismus

      1. Der physische Mechanismus

      2. Der ätherische Mechanismus

      3. Der astrale Mechanismus

III.     Das Ego

IV.     Der Schlafzustand

      1. Das Gehirn

      2. Das ätherische Gehirn

      3. Der Astralkörper

      4. Das Ego im Schlaf

      5. Sein transzendentales Zeitmaß

      6. Die Fähigkeit zu dramatisieren

      7. Die Fähigkeit vorauszuschauen

      8. Beispiele für die Anwendung des Vorausschauens

      9. Das Denken in Symbolen

      10. Die Faktoren bei der Entstehung des Traumes

V.      Träume

      1. Echte Visionen

      2. Der prophetische Traum

      3. Der symbolische Traum

      4. Der lebhafte, zusammenhängende Traum

      5. Der verwirrte Traum

VI.     Experimente über den Traumzustand

VII.    Schluss

HELLSEHEN

I. WAS HELLSEHEN IST

Hellsehen bedeutet buchstäblich nichts weiter als »hell sehen«. Es ist ein Wort, das schwer missbraucht worden ist, denn man hat es sogar angewandt, um die Gaukeleien der Zauberkünstler auf dem Jahrmarkt damit zu bezeichnen. Selbst im engeren Sinne schließt es eine große Anzahl Phänomene in sich ein, die so verschiedenartig sind, dass es nicht leicht ist, eine Definition des Wortes zu geben, die zugleich kurz und treffend ist. Man hat es bisweilen mit dem Ausdruck »spirituelles Schauen« erklären wollen, aber kein Begriff könnte irreleitender sein als dieser, denn in der größten Mehrzahl der Fälle ist keine Fähigkeit damit verbunden, die den geringsten Anspruch auf einen so erhabenen Namen geltend machen kann.

Für den Zweck dieser Abhandlung kann man es vielleicht als die Kraft definieren, dasjenige zu sehen, was der gewöhnlichen physischen Sehkraft verborgen ist. Auch wird es gut sein vorauszuschicken, dass es sehr häufig (obgleich durchaus nicht immer) mit Hellhören verbunden ist, der Kraft, dasjenige zu hören, was für das gewöhnliche physische Ohr unhörbar ist. Daher soll hier unser Titelbegriff so verstanden werden, dass es diese Fähigkeit ebenfalls in sich schließt, um nicht fortwährend zwei lange Worte gebrauchen zu müssen, wo eins genügt.

Gleich zu Beginn müssen zwei Punkte geklärt werden: Dieses Buch ist nicht für solche geschrieben, die nicht glauben, dass es so etwas wie »Hellsehen« überhaupt gibt, noch sollen die überzeugt werden, die daran zweifeln. In einem so kleinen Werk wie diesem ist kein Raum dafür vorhanden. Solche Personen sollten eines der vielen Bücher studieren, die derartige Fälle beschreiben, oder sie müssen eben Experimente mesmerischer Art machen. Ich wende mich hier an die besser unterrichtete Gruppe jener, die wissen, dass »Hellsehen« existiert, die sich genügend dafür interessieren und dankbar sind, über dessen Methoden und Möglichkeiten Auskunft zu erlangen. Diesen versichere ich, dass das, was ich hier schreibe, das Resultat sorgsamer Studien und Experimente ist, und dass, obgleich einige der Fähigkeiten, die beschrieben werden, ihnen neu und seltsam erscheinen mögen, dennoch keine einzigen erwähnt werden, von denen ich nicht selbst Beispiele gesehen habe.

Obgleich ferner technische Ausdrücke so weit wie möglich vermieden werden, so werde ich doch, da ich hauptsachlich für Schüler der Theosophie schreibe, bisweilen der Kürze wegen und ohne weitere Erklärung die gewöhnlichen theosophischen Ausdrücke verwenden, von denen bestimmt anzunehmen ist, dass sie genügend bekannt sind.

Sollte dieses Handbuch jemandem in die Hände fallen, dem diese Ausdrücke Schwierigkeiten verursachen, der wird wegen dieser einleitenden Erklärungen auf eines der Bücher zur Einführung in die Theosophie verwiesen, wie zum Beispiel »Die Uralte Weisheit« oder »Der Mensch und seine Körper« von Annie Besant. Alle Lehren der theosophischen Welt- und Lebensanschauung sind so eng miteinander verbunden und ihre verschiedenen Teile hängen so sehr miteinander zusammen, dass man, um eine genaue Erklärung jedes Ausdruckes zu geben, eine eingehende Abhandlung über die theosophischen Lehren als Einleitung selbst für diese kurze Abhandlung über Hellsehen schreiben müsste.

Bevor ich jedoch eine ins Einzelne gehende Erklärung des »Hellsehens« in zweckmäßiger Weise geben kann, werden wir uns kurze Zeit mit wenigen einleitenden Betrachtungen beschäftigen müssen, damit wir einige allgemeine Tatsachen über die verschiedenen Ebenen, auf denen die Fähigkeit des Hellsehens ausgeübt werden kann, und die Bedingungen, die diese Ausübung ermöglichen, kennenlernen.

In den theosophischen Schriften wird uns immer wieder versichert, dass alle diese höheren Fähigkeiten später das Erbe der ganzen Menschheit sein werden – dass die Kraft des Hellsehens in jedem Menschen latent ruht und jene, in denen sie sich schon jetzt zeigt, den anderen in dieser besonderen Fähigkeit nur ein wenig voraus sind. Obwohl diese Behauptung wahr ist, so scheint sie dennoch den meisten ganz unbestimmt und unwirklich, einfach deshalb, weil sie eine solche Fähigkeit als ganz verschieden von allem ansehen, was sie bisher erfahren haben, und sie fühlen sich ziemlich sicher, dass sie selbst jedenfalls sehr weit davon entfernt sind, diese zu entwickeln.

Es wird helfen, dieses Gefühl der Unwirklichkeit zu beseitigen, wenn wir versuchen zu verstehen, dass Hellsehen, wie so vieles in der Natur, einfach eine Frage von Schwingungen und tatsächlich nur eine Erweiterung der Fähigkeiten ist, die ein jeder täglich ausübt. Wir sind alle ständig von einem weiten Meer aus Luft und Äther umgeben, wobei letzterer allen physischen Stoff durchdringt, und die Eindrücke von außen erreichen uns hauptsächlich durch Schwingungen in diesem großen Stoffmeer. Das wissen wir zwar alle, aber vielleicht haben viele nie daran gedacht, dass die Anzahl der Schwingungen, auf die wir reagieren können, äußerst gering ist.

Unter den außerordentlich schnellen Schwingungen, die den Äther berühren, gibt es eine gewisse kleine Anzahl – eine sehr kleine Anzahl – auf welche die Netzhaut des menschlichen Auges fähig ist zu reagieren, und diese besonderen Schwingungen bringen die Empfindung hervor, die Licht genannt wird. Wir sind daher nur fähig, diejenigen Gegenstände zu sehen, von denen Licht dieser besonderen Art entweder ausstrahlt oder reflektiert werden kann.

In genau derselben Weise ist das Trommelfell des menschlichen Ohres fähig, auf eine gewisse sehr kleine Anzahl verhältnismäßig langsamer Schwingungen zu antworten – langsam genug, um auf die uns umgebende Luft einzuwirken. Daher sind die einzigen Töne, die wir hören können, solche, die von Gegenständen hervorgebracht werden, die mit einer innerhalb dieses Bereiches gelegenen Geschwindigkeit schwingen können.

In beiden Fällen ist es der Naturwissenschaft wohl bekannt, dass eine große Anzahl Schwingungen sowohl über als auch unter diesen beiden Sektionen existiert. Daher gibt es viele Lichtwirkungen, die nicht gesehen werden können, und viele Töne, für die das Ohr taub ist. Beim Licht ist die Tätigkeit dieser höheren und tieferen Schwingungen leicht in den Wirkungen wahrzunehmen, die durch die ultravioletten Strahlen an einem Ende des Spektrums und die Wärmestrahlen am anderen Ende hervorgebracht werden.

Tatsächlich existieren Schwingungen jedes erdenklichen Grades der Schnelligkeit, die den ganzen weiten Raum zwischen den langsamen Tonwellen und den schnellen Lichtwellen erfüllen, und es gibt außerdem zweifellos Vibrationen, die langsamer sind als die der Töne, und eine unendliche Anzahl derselben, die schneller sind als diejenigen, die als Licht wahrgenommen werden. So beginnen wir zu verstehen, dass die Schwingungen, durch die wir sehen und hören, nur wie zwei winzig kleine Gruppen einiger Saiten einer riesigen Harfe von wirklich unendlicher Ausdehnung sind. Wenn man überlegt, wie viel man schon durch den Gebrauch dieser kleinen Bruchstücke hat lernen können, so ahnt man die Möglichkeiten, die eintreten würden, wenn man fähig wäre, sich das wundervolle Ganze nutzbar zu machen.

Ferner ist hierbei zu beachten, dass verschiedene menschliche Wesen, wenngleich in relativ engen Grenzen, in der Fähigkeit, auf die wenigen Vibrationen zu antworten, die innerhalb des Bereiches unserer physischen Sinne liegen, beträchtlich voneinander abweichen. Ich denke hierbei nicht an die Schärfe des Gesichts oder Gehörs, das den einen Menschen befähigt, einen kleineren Gegenstand zu sehen oder einen leiseren Ton zu hören als einen anderen. Es kommt hierbei durchaus nicht die Schärfe der Sehkraft, sondern der Umfang der Empfänglichkeit in Betracht.

Wenn jemand ein gutes und geeignetes Prisma nimmt und mittels desselben ein deutliches Spektrum auf ein Blatt weißes Papier wirft, dann eine Anzahl Personen die äußersten Grenzen des Spektrums, wie es ihnen erscheint, auf das Papier zeichnen lässt, so wird man fast immer konstatieren können, dass ihre Sehkraft eine ganz verschiedene ist. Einige werden das Violett sich viel weiter ausdehnen sehen als die Mehrzahl; andere werden vielleicht weniger Violett als die meisten sehen, während sie am roten Ende mehr wahrnehmen. Einige wenige wird es vielleicht geben, die an beiden Enden weiter sehen können als die meisten anderen, und diese werden wohl bestimmt die sogenannten sensitiven Menschen sein – die tatsächlich für eine größere Anzahl von Schwingungen empfänglich sind als die meisten Menschen unserer Zeit.

Beim Gehör kann man denselben Unterschied nachweisen. Wenn man etwa einen Ton nimmt, der gerade noch nicht zu hoch ist, um gehört zu werden – der sozusagen an der Grenze der Hörbarkeit ist – und beobachtet, wie viele Personen unter einer gegebenen Anzahl fähig sind, ihn zu hören. Der Schrei einer Fledermaus ist ein bekanntes Beispiel für einen solchen Ton, und die Erfahrung lehrt, dass an einem Sommerabend, wenn die ganze Luft von diesen schrillen, spitzigen Rufen dieser kleinen Tiere erfüllt ist, eine große Anzahl Menschen ihrer gar nicht gewahr wird, da sie unfähig sind, sie überhaupt zu hören.

Nun zeigen diese Beispiele sehr deutlich, dass es keine festgesteckte Grenze für die Menschen gibt, Schwingungen des Äthers oder der Luft wahrzunehmen, dass aber einige diese Fähigkeit bereits in einem höheren Grade besitzen als andere; und man wird sogar finden, dass die Aufnahmefähigkeit eines und desselben Menschen bei verschiedenen Gelegenheiten verschieden ist. Man kann sich daher leicht vorstellen, dass es einem Menschen möglich sein kann, diese Kraft zu entwickeln und so im Laufe der Zeit Vieles sehen zu lernen, das seinen Mitmenschen unsichtbar ist, und Vieles zu hören, was für sie unhörbar ist, da man weiß, dass eine ungeheuer große Anzahl feinerer Schwingungen existiert und gewissermaßen nur darauf wartet, wahrgenommen zu werden.

Die Erfahrungen mit den Röntgenstrahlen geben ein Beispiel von den erstaunlichen Resultaten, die erzielt werden, wenn nur einige dieser feineren Schwingungen in den Gesichtskreis des Menschen gebracht werden. Die Durchsichtigkeit vieler Stoffe, die bis jetzt für undurchsichtig galten für diese Strahlen, zeigt plötzlich wenigstens einen Weg, auf dem eine solche Art von elementarem Hellsehen erklärt werden kann, wie sie das Lesen eines Briefes innerhalb eines verschlossenen Kastens bedingt oder das Beschreiben von Personen, die sich in einem benachbarten Raum befinden. Mittels der Röntgenstrahlen sehen zu lernen, zusätzlich zu jenen Strahlen, die man gewöhnlich benützt, würde genügen, um jemanden zu befähigen, ein magisches Kunststück dieser Art auszuführen.

Bisher haben wir uns nur mit einer Erweiterung der rein physischen Sinne des Menschen befasst. Bedenkt man aber, dass der Ätherkörper des Menschen tatsächlich nur der feinere Teil seiner physischen Hülle ist – und daher alle seine Sinnesorgane eine große Menge Ätherstoff von verschiedenen Dichtigkeitsgraden enthalten –, dessen Fähigkeiten in den meisten Menschen noch latent liegen, so ist ersichtlich, welche ungeheuren Möglichkeiten aller Art sich schon vor uns eröffnen, selbst wenn wir uns nur auf diesen Weg der Entwicklung beschränken.

Aber wir wissen ja, dass der Mensch darüber hinaus noch einen Astral- und einen Mentalkörper besitzt, die beide im Laufe der Zeit zu einer bewussten Tätigkeit erweckt werden können, dann ihrerseits auf die Vibrationen des Stoffes ihrer eigenen Pläne antworten und dadurch dem Ego in dem Maße, wie es in diesen Körpern zu arbeiten lernt, zwei gänzlich neue und weit größere Welten der Erkenntnis und Macht eröffnen. Nun muss man sich diese neuen Welten, obgleich sie uns überall umgeben und einander gegenseitig durchdringen, nicht in der Substanz gänzlich getrennt voneinander vorstellen, sondern vielmehr ineinander übergehend, so dass der gröbste Astralstoff direkt mit dem feinsten physischen Stoff verbunden ist, gerade so wie der gröbste Mentalstoff wiederum in den feinsten Astralstoff übergeht. Man darf sich jedoch keine neuen und fremden Stoffarten darunter vorstellen, sondern man muss sich den gewöhnlichen physischen Stoff nur in so feine Unterarten geteilt denken und mit so viel feinsten Schwingungszuständen versehen, dass sich dadurch gänzlich neue Bedingungen und neue Eigenschaften erschließen.

Dann wird es nicht mehr schwer sein, sich die Möglichkeit einer beständigen und fortgesetzten Erweiterung unserer Sinne vorzustellen, so dass man sowohl durch das Gesicht als auch durch das Gehör fähig wird, weit höhere und weit tiefere Schwingungen wahrzunehmen, als man sie gewöhnlich erkennt. Eine große Anzahl dieser neuen Schwingungen wird noch dem physischen Plan angehören und wird uns nur fähig machen, Eindrücke von den ätherischen Teilen dieser Ebene zu empfangen, die jetzt noch ein versiegeltes Buch für uns ist. Solche Eindrücke werden noch durch die Netzhaut des Auges aufgenommen werden; sie werden natürlich mehr ihren ätherischen als ihren festen Stoff berühren, aber trotzdem kann man sie als Eindrücke ansehen, die nur ein besonderes Organ ansprechen, das darauf spezialisiert ist, sie aufzunehmen, und nicht die ganze Oberfläche des Ätherkörpers.

Es gibt allerdings einige außergewöhnliche Fälle, in denen andere Teile des Ätherkörpers auf diese neuen Schwingungen ebenso leicht oder sogar leichter als das Auge antworten. Es gibt verschiedene Erklärungen dafür, doch hauptsächlich ist dies die Wirkung einer teilweisen astralen Entwicklung, denn man wird finden, dass die sensitiven Teile des Körpers fast immer mit einem der Chakras, der Energie-Zentren im Astralkörper, korrespondieren. Wenngleich diese Zentren auf ihrem eigenen Plan, falls das astrale Bewusstsein noch nicht genügend entwickelt ist, noch nicht wirken können, so sind sie doch stark genug, um den Ätherstoff, den sie durchdringen, zu stärkerer Tätigkeit anzuregen.

Bei den Astralsinnen selbst ist die Art der Wirksamkeit ganz anders. Der Astralkörper hat keine speziellen Sinnesorgane – eine Tatsache, die vielleicht einiger Erklärung bedarf, da viele Studierende, die seine Physiologie zu verstehen suchen, es schwer finden, was über die vollkommene Durchdringung des physischen Körpers durch den Astralstoff gesagt wurde und über die genaue Übereinstimmung zwischen den beiden Körpern sowie über die Tatsache, dass jedes physische Objekt notwendigerweise sein astrales Gegenstück hat.

Nun sind all diese Angaben zweifellos wahr, und doch ist es möglich, dass Menschen, die im Astralen nicht normal sehen können, sie missverstehen. Zu jeder Art der physischen Materie gehört eine ihr entsprechende Art von Astralstoff, mit dem sie beständig verbunden ist – von dem sie nur durch eine sehr starke Ausübung geistiger Kraft getrennt werden kann, und selbst dann können die beiden Stoffarten nur so lange auseinandergehalten werden, wie diese Kraft dazu aufrechterhalten wird. Doch ist die Verbindung der astralen Teilchen untereinander weit loser, als dies bei den korrespondierenden Teilchen des physischen Stoffes der Fall ist.

In einer Eisenstange findet man beispielsweise eine Masse physischer Moleküle in festem Zustand vor – das heißt, sie sind nur zu einer verhältnismäßig kleinen Veränderung in ihrer relativen Lage zueinander fähig, obgleich jedes derselben mit unglaublicher Schnelligkeit in seiner eigenen Sphäre vibriert. Das astrale Gegenstück davon besteht aus dem, was wir oft festen Astralstoff nennen – also aus dem Stoff der untersten und dichtesten Unterabteilung des Astralplanes. Dennoch verändern seine Teilchen schnell und beständig ihre relative Lage, indem sie sich untereinander so leicht bewegen wie eine Flüssigkeit des physischen Planes. Es existiert also keine fortdauernde Verbindung zwischen irgendeinem physischen Partikel und dem betreffenden Teil des Astralstoffes, der in irgendeinem gegebenen Augenblick als sein Gegenstück wirkt.

Das ist auch der Fall in Beziehung auf den Astralkörper des Menschen, den wir für unseren Zweck als aus zwei Teilen bestehend betrachten können – nämlich die dichtere Ansammlung, welche die genaue Lage des physischen Körpers einnimmt, und die Wolke des feineren Astralstoffes, die diesen umgibt. Innerhalb dieser Teile und untereinander geht fortwährend ein äußerst rascher Kreislauf der beschriebenen Teilchen vor sich, so dass man bei dem Beobachten der sich bewegenden Moleküle des Astralkörpers unwillkürlich an die Bewegung in stark kochendem Wasser denken muss.

Daraus folgt also, obgleich jedes Organ des physischen Körpers immer eine gewisse Menge Astralstoff als Gegenstück haben muss, dass es dieselben Partikel doch nie länger als einige Sekunden behält, und daher existiert nichts, was der Spezialisierung des physischen Nervenstoffes in Seh- oder Gehörnerven und dergleichen entspricht. So weist zwar das physische Auge oder Ohr zweifellos stets sein Gegenstück aus Astralmaterie auf, dieser besondere Teil der Astralmaterie ist aber dennoch weder mehr (noch weniger) fähig, auf die Schwingungen zu antworten, die astrales Sehen oder Hören hervorbringt, als irgendein anderer Teil des Körpers.

Man darf nicht vergessen, dass, obgleich hier beständig von »astralem Sehen« und »astralem Hören« gesprochen werden muss, um ein Verständnis herbeizuführen, alles, was wir unter diesen Ausdrücken verstehen, nur die Fähigkeit ist, auf solche Vibrationen zu antworten, die dem Bewusstsein des Menschen, wenn er in seinem Astralkörper tätig ist, Informationen derselben Natur vermitteln, wie seine Augen und Ohren es tun, während er in seinem physischen Körper lebt. Aber in den gänzlich andersartigen astralen Zuständen sind besondere Organe nicht nötig zur Erreichung dieses Resultates. In jedem Teil des Astralkörpers gibt es Materie, die fähig ist, so zu reagieren, und folglich sieht der in seinem Astralkörper funktionierende Mensch ebenso gut die Gegenstände hinter sowie unter und über sich, ohne seinen Kopf umdrehen zu müssen.

Es ist jedoch noch ein anderer Punkt zu beachten, der nicht außer Acht gelassen werden darf, nämlich die Frage der bereits erwähnten Chakras. Die Schüler der Theosophie wissen, dass sowohl im Astral- als auch im Ätherkörper des Menschen gewisse Kraftzentren existieren, die der Reihe nach durch das heilige Schlangenfeuer (Kundalini) belebt werden müssen, wenn der Mensch in der Entwicklung voranschreitet. Obgleich man diese Kraftzentren nicht Organe im gewöhnlichen Sinne des Wortes nennen kann, da der Mensch nicht durch sie sieht oder hört, so wie im physischen Leben durch Auge und Ohr, so hängt doch offensichtlich die Kraft, diese astralen Sinne zu gebrauchen, sehr stark von ihrer Belebung ab, indem jedes derselben in dem Maße, wie es sich entwickelt, dem Astralkörper die Kraft verleiht, auf einen neuen Schwingungsimpuls zu antworten.

Dennoch weisen auch diese Zentren keine beständige Ansammlung von Astralstoff auf, der mit ihnen in Verbindung stände. Es sind einfach Wirbel in der Materie des Körpers – Wirbel, durch die alle Partikel der Reihe nach hindurchgehen – Punkte vielleicht, an denen eine höhere Kraft von höheren Plänen auf den Astralkörper einwirkt. Selbst diese Beschreibung gibt nur eine teilweise Vorstellung von ihrem Aussehen, denn tatsächlich sind es vierdimensionale Wirbel, so dass die Kraft, die durch sie hindurchgeht und welche die Ursache ihrer Existenz ist, von nirgendwoher emporzuquellen scheint. Da aber alle Partikel der Reihe nach durch sie hindurchgehen, so ist es klar, dass es ihnen auf diese Weise möglich ist, in allen Atomen des Körpers die Kraft zu erwecken, für eine gewisse Art von Schwingungen empfänglich zu sein, bis alle Astralsinne in allen Teilen des Körpers gleich tätig sind.

Das Sehen auf dem Mentalplan ist davon wiederum ganz verschieden, denn hierbei kann man nicht mehr von besonderen Sinnen, wie von Gesicht und Gehör, sprechen, sondern hier hat man es mit einem Allgemeinsinn zu tun, der auf die ihn erreichenden Vibrationen so vollkommen reagiert, dass er, wenn irgendein Gegenstand in den Bereich seiner Wahrnehmung gelangt, ihn sogleich vollkommen erkennt und ihn sozusagen sieht, hört und fühlt und durch diesen gleichzeitigen Vorgang alles von ihm weiß, was gewusst werden kann. Aber selbst diese wunderbare Fähigkeit ist nur dem Grade und nicht der Art nach von denen verschieden, die wir jetzt in unserer Gewalt haben. Auf dem Mentalplan so gut wie auf dem physischen werden die Eindrücke immer noch durch Schwingungen vermittelt, die von dem gesehenen Gegenstand zum Seher hinführen.

Auf dem buddhischen Plan begegnet man zum ersten Mal einer ganz neuen Fähigkeit, die mit den bisher besprochenen nichts gemein hat, denn dort erkennt ein Mensch ein Objekt auf eine ganz verschiedene Weise, bei der äußere Schwingungen keine Rolle spielen. Das Objekt wird ein Teil seiner selbst, und er betrachtet es von innen, anstatt von außen. Aber mit dieser Kraft hat gewöhnliches Hellsehen nichts zu tun.

Die vollständige oder teilweise Entwicklung jener Fähigkeiten fällt unter unsere Definition des Hellsehens – die Kraft zu sehen, was dem gewöhnlichen physischen Blick verborgen ist. Aber diese Fähigkeiten können auf verschiedene Weise entwickelt werden, und es wird gut sein, hierüber einige Worte zu sagen.

Wenn es einem Menschen möglich wäre, während seiner Evolution von allen, außer den freundlichsten und sanftesten, Einflüssen von außen isoliert zu sein und sich von Anfang an vollkommen regelmäßig und normal zu entwickeln, würde er seine Sinne wahrscheinlich auch in regelrechter Ordnung entfalten. Seine physischen Sinne würden allmählich ihre Grenze immer mehr erweitern, bis sie auf alle physischen Schwingungen antworten könnten, sowohl auf die des Ätherstoffes als auch auf die der gröberen Materie. Dann würde in richtiger Folge die Empfänglichkeit für die gröberen Teile des Astralplanes auftreten, und später würden auch die feineren Teile mit eingeschlossen werden, bis endlich zur gegebenen Zeit die mentale Fähigkeit erwachen würde.

Im wirklichen Leben ist jedoch eine so regelmäßige Entwicklung kaum möglich, und mancher Mensch hat gelegentliche Lichtblicke von astralem Bewusstsein, ohne dass seine ätherische Sehkraft überhaupt erweckt worden wäre. Diese Unregelmäßigkeit in der Entwicklung ist eine der Hauptursachen dafür, dass der Mensch in den Fragen des Hellsehens so außerordentlich leicht Irrtümern unterworfen ist – wovon er sich nur durch einen langen Lehrgang sorgfältiger Übung unter einem dazu befähigten Lehrer frei machen kann.

Studierenden der theosophischen Schriften ist dies bekannt, und selbst in diesem materialistischen Jahrhundert gilt die alte Redensart: »Wenn der Schüler bereit ist, ist auch der Meister bereit.« Wenn der Jünger fähig ist, in die Halle des Lernens einzutreten, wird er dort stets seinen Meister finden. Auch wissen sie wohl, dass man nur unter solcher Führung seine latenten Kräfte mit Sicherheit entwickeln kann, da es ihnen bekannt ist, wie leicht sich der ungeübte Hellseher über die Bedeutung und den Wert dessen, was er sieht, täuschen oder sogar seine Vision vollständig entstellen kann, wenn er sie ins physische Bewusstsein herabbringt.

Daraus folgt nicht, dass selbst der Schüler, der in dem Gebrauch esoterischer Kräfte regelmäßigen Unterricht erhält, diese genau in der oben beschriebenen Ordnung entwickeln wird. Seine vorherige Entwicklung ist vielleicht nicht derart gewesen, um diesen Weg für ihn als den leichtesten oder wünschenswertesten erscheinen zu lassen; aber er steht jedenfalls unter der Leitung eines wirklich befähigten Führers seiner spirituellen Entwicklung. Er kann beruhigt sein, dass der Weg, auf dem er geführt wird, der beste für ihn ist.

Ein zweiter großer Vorteil, den er dabei gewinnt, ist der, dass er alle Kräfte, die er erwirbt, endgültig beherrscht und sie somit beständig und in vollkommener Weise benutzen kann, wenn er sie für seine theosophische Arbeit einsetzt. Während bei nicht geschulten Menschen sich diese Kräfte oft nur teilweise und unwillkürlich zeigen und sozusagen nach ihrem eigenen Willen auftauchen und verschwinden.

Es könnte nun mit gutem Grund eingewendet werden, dass es seltsam erscheint, wenn die Fähigkeit des Hellsehens, wie gesagt wurde, ein Teil der geistigen Entwicklung des Menschen und somit ein Zeichen eines gewissen Fortschrittes nach dieser Richtung hin ist, dass Eingeborene oder wenig gebildete Menschen diese Fähigkeit oft besitzen. Menschen, die augenscheinlich ganz unentwickelt sind, von welchem Gesichtspunkt aus man sie auch betrachten möge. Zweifellos erscheint das zuerst sehr merkwürdig; aber tatsächlich ist die Sensitivität eines Eingeborenen oder eines unwissenden Europäers ganz und gar nicht dasselbe wie die Fähigkeit des geschulten Hellsehers, noch ist sie auf dieselbe Weise entstanden.

Eine genaue und eingehende Erklärung des Unterschiedes würde zu schwierige Fachausdrücke erfordern, aber vielleicht kann man eine allgemeine Vorstellung des Unterschiedes aus einem Beispiel erlangen, das aus dem niedrigsten Plan des Hellsehens, der in enger Verbindung mit dem dichten physischen steht, genommen ist. Der Ätherkörper des Menschen ist außerordentlich eng mit seinem Nervensystem verbunden, so dass jede Wirkung auf eines dieser Systeme sich sofort auch im anderen bemerkbar macht. Nun hat man beobachtet, dass bei den gelegentlichen Erscheinungen des ätherischen Hellsehens bei Eingeborenen, ob aus Zentralafrika oder anderen Gebieten, die damit in Verbindung stehende nervöse Störung fast gänzlich in dem sympathischen System auftritt, weshalb der betreffende Mensch diese Fähigkeit absolut nicht kontrollieren kann. Es ist tatsächlich ein sehr kräftiger Eindruck, der eher dem ganzen Ätherkörper in unbestimmter Weise angehört, als eine genaue und bestimmte Sinneswahrnehmung zu sein, die sich durch ein besonderes Organ mitteilt.

Da die Kraft des Menschen in späteren Evolutionsstufen sich mehr und mehr auf die Entwicklung mentaler Fähigkeiten konzentriert, verschwindet diese unbestimmte Sensitivität gewöhnlich. Aber noch später, wenn sich das spirituelle Element zu entfalten beginnt, erlangt er seine hellseherische Kraft wieder. Dann aber ist diese Fähigkeit eine bestimmte und genaue, die unter der Kontrolle des menschlichen Willens steht und durch ein besonderes Sinnesorgan ausgeübt wird. Es ist bemerkenswert, dass irgendeine Tätigkeit des Nervensystems, die im Zusammenhang mit ihr entsteht, jetzt fast ausschließlich dem zerebrospinalen System angehört.

Gelegentliche hellseherische Wahrnehmungen treten jedoch bisweilen auch bei hoch gebildeten und spirituellen Menschen auf, selbst wenn sie niemals von der Möglichkeit gehört haben, eine derartige Fähigkeit zu entwickeln. In diesem Falle bedeuten solche gelegentliche Eindrücke gewöhnlich, dass der Betreffende sich jener Stufe der Evolution nähert, auf der diese Kräfte anfangen werden, sich in natürlicher Weise zu manifestieren, und ihr Auftreten sollte ihm als ein neuer Antrieb in dem Streben dienen, den hohen Standard moralischer Reinheit und mentalen Gleichgewichts aufrechtzuerhalten, ohne welchen das Hellsehen ein Fluch und nicht ein Segen für seinen Besitzer ist.

Zwischen denen, die ganz unempfänglich, und denen, die im vollen Besitz der Kraft des Hellsehens sind, gibt es viele Zwischenstufen. Eine, die es wert ist vorübergehend betrachtet zu werden, ist die Stufe, auf der ein Mensch, obgleich er im gewöhnlichen Leben die Fähigkeit des Hellsehens nicht besitzt, sie mehr oder weniger unter mesmerischem Einfluss zeigt. Das ist ein Fall, bei dem die physische Natur bereits sensitiv ist, nur ist das Bewusstsein noch nicht fähig, unter den mannigfaltigen Zerstreuungen des physischen Lebens darin tätig zu sein. Es muss durch die zeitweilige Einstellung der äußeren Sinne im mesmerischen Trance-Zustand freigemacht werden, bevor es die höheren Kräfte anwenden kann, die eben in ihm zu dämmern beginnen. Doch gibt es natürlich selbst im mesmerischen Trance-Zustand unzählige Grade der Klarheit – von gewöhnlichen Patienten, die ganz unintelligent sind, bis zu dem Menschen, dessen Sehkraft ganz unter der Herrschaft des Magnetiseurs steht und von ihm überall, wohin er will, gelenkt werden kann, oder bis zu jener höheren Stufe, auf der, wenn das Bewusstsein einmal frei ist, es gänzlich dem Willen des Magnetiseurs entflieht und in Regionen einer erhabenen Schau emporschwebt, wo es vollständig außerhalb seines Bereiches wirkt.

Ein weiterer Schritt auf demselben Weg ist jener, wenn eine vollständige Unterdrückung des physischen Bewusstseins, wie beim hypnotischen Trance-Zustand, nicht nötig ist, sondern die Kraft des übernatürlichen Sehens, obgleich sie im Wachzustand noch nicht erreicht ist, dem Menschen zur Verfügung steht, wenn der Körper in den Banden des gewöhnlichen Schlafes liegt. Auf dieser Entwicklungsstufe standen viele Propheten und Seher, von denen wir lesen, dass Gott ihnen »im Schlafe ein Zeichen gab« oder die in den stillen Stunden der Nacht mit höheren Wesen verkehrten.

Die meisten kultivierten Völker der Menschheit haben diese Entwicklungsstufe bis zu einem gewissen Grade erreicht. Die Sinne ihrer Astralkörper sind vollkommen tätig und vollständig fähig, Eindrücke von Gegenständen und Wesenheiten auf ihrem eigenen Plan zu empfangen. Aber damit ihnen diese Tatsache in ihrem physischen Körper von Nutzen sein kann, sind gewöhnlich zwei Veränderungen notwendig: Erstens muss das Ego für die Wirklichkeiten des Astralplanes erweckt und veranlasst werden, sich aus der Hülle, die durch seine eigenen Gedanken des Wachzustandes gebildet ist, zu befreien und um sich zu blicken, um Beobachtungen zu machen und zu lernen; und zweitens muss das Bewusstsein während der Rückkehr des Egos in seinen physischen Körper so weit wachgehalten werden, dass es die Erinnerung an das, was es gesehen oder gelernt hat, seinem physischen Gehirn einprägen kann.

Wenn die erste dieser Veränderungen stattgefunden hat, dann ist die zweite von geringerer Bedeutung, da dann das Ego, der wahre Mensch, fähig ist, von der Unterweisung, die auf diesem Plan erlangt werden kann, Nutzen zu ziehen, selbst wenn er nicht die Befriedigung erlangt, irgendeine Erinnerung daran in sein Wachbewusstsein mit herüberzubringen.

Studierende fragen oft, in welcher Weise sich diese Fähigkeit des Hellsehens bei ihnen selbst zuerst zeigen wird – wie sie es wissen können, wann sie die Stufe erreicht haben, auf der die ersten schwachen Anzeichen dafür sich bemerkbar machen. Da die Fälle so ganz voneinander verschieden sind, ist es unmöglich, auf diese Frage irgendeine allgemein gültige Antwort zu geben.

Einige Menschen beginnen sozusagen ganz plötzlich und werden unter einem ungewöhnlichen Anreiz nur für einmal fähig, irgendeine auffallende Vision zu sehen. Sehr oft geschieht es in einem solchen Fall, dass der Betreffende, da diese Erfahrung sich nicht wiederholt, mit der Zeit zu glauben beginnt, dass er bei dieser Gelegenheit das Opfer einer Halluzination gewesen sein müsse. Einige fangen damit an, von Zeit zu Zeit die glänzenden Farben und Schwingungen der menschlichen Aura wahrzunehmen; andere sehen und hören mit zunehmender Häufigkeit Dinge, für die ihre Umgebung blind und taub ist; wieder andere sehen Gesichter, Landschaften oder farbige Wolken im Dunkeln vor ihren Augen schweben, ehe sie einschlafen. Doch die meisten machen wohl zuerst die Erfahrung durch, dass sie anfangen, sich mit einer größeren Klarheit dessen zu erinnern, was sie während des Schlafes auf den anderen Plänen gesehen und gehört haben.

Da nun der Boden in gewisser Beziehung vorbereitet ist, kann damit begonnen werden, die verschiedenen Erscheinungen des Hellsehens näher zu betrachten.