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herausgegeben durch das Literaturpodium, Dorante Edition

Berlin 2017, www.literaturpodium.de

ISBN: 9783744878074

Motiv auf der Vorderseite: Christel Guedey

Alle Nachdrucke sowie Verwertung in Film, Funk und Fernsehen und auf jeder Art von Bild-, Wort-, und Tonträgern sind honorar- und genehmigungspflichtig. Alle Rechte vorbehalten. Das Urheberrecht liegt bei den Autorinnen und Autoren.

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Adam Luust

Und Cinderella gibt es doch

Das Radio dudelte schon den ganzen Nachmittag die schönste Faschingsmusik, die zu finden war. Sie hatte so ein Glücksgefühl in sich, dass sie sogar Helene Fischer ertragen hätte, aber die kam zum Glück nicht.

Alle Sachen waren herausgelegt, aufgebügelt und auch ihre Schuhe hatte sie ganz ordentlich geputzt. Mensch, was sah sie umwerfend aus! Sie ging in diesem Jahr als Micky Mäuschen. Die kleine schwarze Nase hatte die Tochter aufgemalt und das Kostüm war einfach zu niedlich. Sie konnte darin ihren kleinen, knackigen Po zeigen, den sie noch mit einem Pushup Höschen in Form gebracht hatte. Darüber trug sie einen sehr kurzen, schwarzen Minirock, eine weiße Bluse mit einer roten Schleife, halterlose, schwarze Strümpfe bei denen man den Ansatz sah und schwarze Stiefel mit sehr, wirklich sehr hohen Hacken! Knallrote Lippen und auf dem Kopf zwei niedliche schwarze Mäuseohren. Sie musste sich immer wieder betrachten und war mit dem Bild, das sie im Spiegel sah, zufrieden. Sie ging nicht auf irgendeinen Fasching. Nein sie ging auf einen Motto-Fasching: „Sei ein niedliches kleines Sexymäuschen, dass heute Abend vernascht werden möchte!“ Na, und sie hoffte doch heute Abend einen strammen Kater zu finden und mit diesem einen tollen Abend zu verbringen. Sie warf ihren Mantel über, nahm die Schlüssel und ging hinaus, denn der Taxifahrer hatte bereits geklingelt. Dieser sah sie auch mit einem zweideutigen Lächeln an, welches sie natürlich gern erwiderte. „Es ist doch Fasching!“, sagte sie zu sich selbst. Sie gab dem Fahrer die Anschrift dieser noblen Villa und los ging die Fahrt.

Dort angekommen, gab sie ihren Mantel an der eingerichteten Garderobe ab, setzte die schwarze Maske auf und betrat den ersten Raum der Villa. Es waren schon viele Leute da und alle sehr, wirklich sehr sexy gekleidet. Sie war dagegen doch echt sittsam angezogen und sie fragte sich, ob sie das Motto etwa falsch interpretiert hatte! Da waren Damen, die trugen knallenge schwarze Overall bei denen der Schritt offen war und man auch die Brüste sehen konnte, denn diese waren nur mit einem dünnem Tüll bedeckt.

Die Männer gaben diesen Damen keinen Handkuss, sondern küssten die Brüste der Frauen und die amüsierten sich köstlich darüber. Man hatte durchaus den Eindruck, dass sie sehr aufgeputscht waren und erwarteten, dass jemand mit ihnen in eines der dunkleren Zimmer verschwand, um sich verwöhnen zu lassen. Alles in diesem Raum schien von der Gier nach Sex erfüllt zu sein. Unser Mäuschen dachte: „Vielleicht sind die Kerzenständer hier auch geil? Es ist ein Knistern zu spüren, dem man sich nicht entziehen kann und auch nicht entziehen will.“ Die Palette der Kostüme war mitunter langweilig ... Krankenschwestern-Outfit aus dem Sexshop war das meist getragene Kostüm, aber sie entdeckte auch sehr spritzige und individuelle Kostüme. Eine Dame kam in einem breiteren Gürtel, den sie als Rock trug und dazu einen Blazer, der alles sehen ließ, was man sich nur vorstellen konnte. Die Masken verbargen natürlich einiges und man versuchte wirklich sich vorzustellen, wer dahinter steckte. Bei den Männern musste sie lachen und sah weg, denn einen String mit Elefantenrüssel konnte sie nicht ausstehen. So einen Kater würde sie heute Abend nicht erhören. Das nächste Zimmer war mit großen Matratzen ausgelegt und es herrschte dort schon ein buntes Treiben. Man vergnügte sich, ohne auf den anderen, der neben einem lag, zu achten. Manche tauschten auch mal schnell den Partner und wenn man aufstand, wusste man bestimmt nicht mehr, mit wem man hier hereingekommen war. An den Türen hingen kleine Schildchen, auf denen stand „Sex bitte nur mit Kondom“ und alle hielten sich auch daran.

So erkundete sie Zimmer für Zimmer, küsste hier einmal und auch dort, aber sie ließ sich nicht dazu überreden, in eines der Zimmer zu gehen. Ein ungeschriebenes Gesetz einer solchen Party lautete: „Ein Nein ist ein Nein!“ Es wurde strikt akzeptiert und beide Geschlechter waren damit zufrieden.

Das Mäuschen schlenderte weiter durch die Räume der Villa und sah dem lustvollen, bunten Treiben zu. Wooowww da ging die Post ab und sie musste schon manchmal sehr tief Luft holen, um nicht auf die Pärchen zu starren und sich dabei auch nicht selbst zwischen die Beine zu greifen. Sie wurde des Öfteren angesprochen sich dazuzulegen, aber sie winkte ab und ging weiter. Sie suchte weiter! Was oder wen sie suchte, wusste sie selbst noch nicht, aber ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass sie den ominösen Mister Right für diesen Abend noch treffen würde, also begrub sie ihre Hoffnungen nicht, sondern sah sich weiter mit großem Interesse um. Sie trat an die nächste Bar und nahm sich ein Glas Sekt. Sie stürzte den Inhalt ziemlich schnell hinunter, denn sie hatte Durst. Es war recht warm in der Villa und ihre Kehle sehr trocken, also noch ein Glas Wasser hinterher und sie fühlte sich besser. Sie bemerkte, dass jemand hinter ihr stand, sehr dicht sogar, denn der heiße Atem eines Mannes traf sie im Nacken. Sollte sie sich umdrehen oder nicht? Das Mäuschen drehte sich um und vor ihr stand ein ganz in schwarz gekleideter Mann. In wenigen Zehntelsekunden hatte sie seine Erscheinung in sich aufgenommen. Schmale Hüften, ca. 1,80 Meter groß, wunderbare Schuhe, schlanke und gepflegte Hände. Sie hob langsam ihren Blick, denn sie wollte noch einmal den Kopf prüfen. Sie sah einen grauen Haaransatz unter dem Hut hervorleuchten, eine gerade schmale Nase, schmale Wangenknochen, die dem Träger einen etwas strengen Ausdruck gaben und einen etwas zu groß geratenen Mund, der aber in dieses Gesicht passte. Irgendwie kam ihr diese Gesichtsform bekannt vor, auch diese Hände hatte sie schon einmal gesehen. Aber das war jetzt völlig egal. Sie spürte, dass sie ihren Mister Rigth für diesen einen Abend gefunden hatte. Hinter der Maske sah sie zwei dunkle, fast schwarze Augen, die sie anlachten.

„Was soll ich jetzt sagen?“, fragte die schwarze Maske. „Nichts“, antwortete das Mäuschen, „wie wäre es einfach mit Küssen?“, und ohne eine Antwort abzuwarten, legte sie ihre Arme um seinen Hals und begann ihn zu küssen, erst vorsichtig und als sie keine Gegenwehr spürte, immer heftiger. Sie zog seine Unterlippe nach jedem langen Kuss etwas in ihren Mund und ließ sie dann wieder langsam zurückgleiten. Er genoss es einfach und fing auch an sie immer leidenschaftlicher zu küssen. Sie merkte, dass er ihr seine Unterlippe regelrecht zuschob, nur damit sie sie wieder und wieder in ihren eigenen Mund einsog. Das war ein Rausch, in den die beiden Unbekannten verfielen und sie küssten sich gefühlte einhundert Stunden, aber irgendwann ist jeder Kuss einmal vorüber und sie ließen langsam voneinander ab, gaben sich noch ein paar kurze Küsse. Sie glitt aus seinen Armen und griff nach ihrem Wasserglas, nahm einen großen Schluck und erst dann sah sie zu ihm auf. Er lümmelte an der Bar und hatte ihr sehr gespannt beim Trinken zugesehen. Er seufzte einfach so vor sich hin und starrte sie dabei fasziniert an.

„So geküsst habe ich bestimmt seit 20 Jahren nicht mehr“, kam es leise aus ihm heraus. „Dann sollten wir das an einem anderen Ort fortsetzen, denn den ganzen Abend hier stehen ist nicht so mein Ding!“, sagte das Mäuschen.

„Gut, suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen und lernen uns kennen“, gab er zurück.

„Kennenlernen werden wir uns nicht, aber sehr viel Spaß haben heute Abend, denke ich, und wenn ich dir nicht gefalle, dann sag es einfach und ich gehe! Wie soll ich dich anreden? Ich heiße Mäuschen!“, sagte sie und machte dabei einen kleinen Knicks. Er musste darüber lachen, denn so etwas hatte er auch noch nie bei einer Frau gesehen und es war ja in der heutigen Zeit auch nicht mehr Mode dies zu tun. Er nahm Haltung an, knallte die Hacken zusammen, verbeugte sich galant und sagte: „Gestatten Gnädigste, dass ich mich vorstelle: Graf von zu Hause weg!“

Beide mussten so herzlich lachen, dass sie schon ein wenig auffielen. „Angenehm Graf. Der Name gefällt mir“, gab sie ebenso galant zurück, hakte sich bei ihm unter und beide begannen ein „ruhiges Plätzchen“ zu suchen. So einfach war das aber gar nicht bei den vielen Leuten. Sie nahmen sich noch etwas zu Trinken mit und traten auf den Balkon. Die kühle, aber nicht kalte, Nachtluft tat ihnen gut und sie fingen schon wieder an sich lange zu küssen. Sie hätte ihn auffressen können, so ein warmes und wohliges Gefühl überkam sie, aber wohin nur um alles in der Welt, wohin mit den ganzen Gefühlen? Sie wollte nicht auf irgendeiner Matratze landen und 20 fremde Leute sahen ihrem Liebesspiel zu. Sie blickte ihn vorsichtig von der Seite an. Ihm schien es genauso zu ergehen.

„Ich habe da hinten beim Kommen einen kleinen Pavillon gesehen. Vielleicht ist der auf und wir können dort hin gehen? Wollen wir mal nachschauen?“, fragte er sie leise. Sie nickte nur, nahm seinen Arm und schritt die Freitreppe hinunter. Der Kies knirschte leise unter ihren Füßen, als sie in der Dunkelheit verschwanden. Sie sah nichts, aber er schien Eulenaugen zu haben und bald schon standen sie vor einem kleinen Pavillon. Wie es wohl da drinnen aussehen würde? Und vor allem, ob er nicht schon besetzt war? Sie bemerkte nicht, wie er aus seiner Hosentasche einen Schlüssel holte und leise, ohne ein Geräusch, aufschloss. Sie traten ein und er tat, als ob er den Lichtschalter suchte, aber es wurde nicht hell. Lachend sagte sie: „Versuchs doch mal mit Klatschen. Vielleicht hilft das?“, und siehe da, das Licht ging langsam, sehr langsam an.

Was sie da erblickte, verschlug ihr den Atem. Mitten im Zimmer stand ein sehr großes rundes Bett. Ein Traum von einem Bett. Am Kopfende war ein kleines verziertes, schwarzes Metallgitter angebracht. An den Wänden hingen Masken und einige kleine Bilder von amerikanischen Schauspielern der 50er Jahre. Aber was das Attraktivste in diesem Raum war das sah sie erst beim zweiten Mal Umsehen. In einer Ecke stand in einem sehr großen Glasschrank eine Schneiderpuppe mit einem Hochzeitskleid. Sie stand mit offenem Mund davor und sah sich dieses Kleid an. Es war nicht weiß, so wie man Hochzeitskleider kennt, sondern der Designer hatte mit den Regenbogenfarben gespielt. Das Kleid war schulterfrei, hatte einen Herzausschnitt (oh wie liebte sie diesen an Kleidern), zwischen den Brüsten war eine Brosche platziert, die Sonne und Mond vereinte. Auf der Corsage, die sehr lang gestreckt war und somit die Taille betonte, waren lauter kleine Sterne angebracht, die sich bis auf den Rocksaum verteilten. Dieser Anblick allein ließ schon vor ihrem geistigen Auge das Universum entstehen. Und dann begriff sie die Farben! Es begann mit Gelb, dann folgte Orange, Grün, Rot und Violett. Und überall diese glitzernden Sterne. Sie begann leise zu weinen und sagte: „Ich war zwei Mal verheiratet, hatte aber nie ein Hochzeitskleid und wenn es Märchen gibt, dann steht hier das Kleid einer Prinzessin vor mir! Diesen Anblick werde ich nie vergessen!“ Sie holte tief, sehr tief, Luft und sah sich nach ihm um.

„Möchtest du es einmal anziehen?“, kam es vom Bett aus zu ihr herüber.

„Nein, auf keinen Fall. Ich bin da abergläubisch. Hochzeitskleider probiert man nur an, wenn man wirklich den Partner fürs Leben gefunden hat und ehrlichen Herzens heiraten will.“ Er sah sie so erstaunt an, dass ihm einfach die Worte fehlten. Was war das für eine Frau? Die hatte ja noch Prinzipien und war absolut nicht leichtfertig.

„Komm zu mir!“ sagte er leise.

Er hatte sich so gelegt, dass sie das Brautkleid nicht sehen konnte, da er merkte, dass es sie unwahrscheinlich beeindruckte!

Sie legte sich schweigend neben ihn und sah ihn sehr intensiv an. Wenn man nur die Masken abstreifen könnte, waren ihre Gedanken, aber das war für diesen Abend verboten und es erhöhte absolut die Spannung. Er fing an sie ganz zart zu streicheln. Er berührte ihre Haut, als ob sie aus Porzellan wäre, aus sehr dünnem Porzellan. Sie schloss die Augen und genoss jede Bewegung seiner Hände. Es war absolut still im Raum und beide sprachen kein Wort. Nur die Hände und die Augen waren die Verständigungsmittel. Er sah sie immer wieder an. Sie musste ihn ununterbrochen anschauen und merkte, dass er das Gleiche tat. Herrlich, wie lustvoll sich seine Hände zu ihren intimsten Stellen vorarbeiteten. Sie sah ihn an, als ob sie sagen wollte: „Mach schneller. Ich will dich spüren!“, aber er schüttelte nur den Kopf und blieb bei seiner Geschwindigkeit. Himmel, in ihr brodelte es, der Vulkan ihrer Leidenschaft war kurz vor dem Überlaufen und endlich, endlich war diese liebevolle Hand zwischen ihren Beinen. Sie stieß hörbar den Atem aus und er schüttelte wieder den Kopf, so dass sie nur leise nach Luft rang. Er führte seine Finger in sie ein, nahm sie erst einmal mit der Hand und verlangte immer und immer wieder, dass sie ihn dabei ansah. Sie tat es nur zu gern. Der erste Orgasmus ließ sie erzittern. Er drückte sie mit der anderen Hand auf das Bett, so dass er mit beiden Händen ihr Beben und ihre Erregung in sich aufnahm. Schnell zog er sie nach oben und entkleidete sie vollständig, dann zog er sich ebenso geschickt aus und schob sie in Richtung des kleinen Gitters. Er fesselte sie mit einem roten Band, aber er band sie nicht fest. Sie hätte jederzeit ihre Hände durch die Schlaufen schieben können. Sie war so voller Liebeslust, dass sie gar nicht auf die Idee kam sich zu wehren. Der Graf fing an mit einer Feder über ihren Körper zu streifen. Immer wieder von oben nach unten und von unten nach oben. Nur ihre intimsten Stellen ließ er aus. Das machte sie so rasend, dass sie ihren Unterleib von allein anhob und senkte und erst da beugte er sich über sie und begann sie mit voller Lust zu verwöhnen. Sie brachte mit geschlossenen Lippen und offenen Augen Laute heraus, die ihn so richtig antörnten und er jetzt anfing sie zu befriedigen. Immer abwechselnd, mal heftig und stark, mal fordernd und mal bittend, bis sie mit einem lauten Schrei ihren Orgasmus erreichte und merkte, dass der Graf ebenfalls seine eigene Erleichterung genoss. Oh, was war das für eine Wohltat sich so hingeben zu können, es zu genießen, sich auf den Partner verlassen zu können und zu empfinden, dass das nicht nur kalter Sex war, sondern die Erfüllung aller weiblichen Träume!

Beide lagen sie auf dem Rücken und rangen nach Luft. Ihm lief der Schweiß von der Stirn und er versuchte ihn abzuwischen. Sie sah unter einem kleinen Tisch eine Serviette liegen, holte sie ihm und er konnte sich den Schweiß abtupfen. Er rutschte eng an sie heran und nahm sie in seine Arme. Das genoss sie mehr als tausend Prozent, das war es wovon sie immer geträumt hatte.

„Gibt es hier auch ein Bad?“, fragte sie ihn.

„Keine Ahnung. Schau doch mal hinter die Türen“, sagte er leise. Sie

stand auf und ging auf die erste Tür zu. Die Figur stimmt. Der Sex mit ihr stimmt auch und an dem Kleid war sie auch nicht so interessiert, dass sie es anziehen wollte. Sie hat es einfach genossen!, so waren seine Gedanken. Mäuschen machte die erste Tür auf. Da war eine nette kleine Toilette drin. Ohne etwas zu sagen schlüpfte sie hinein und kam nach wenigen Minuten wieder heraus. „Die Toilette“, sagte sie nur und ging in den nächsten Raum. Ein lauter freudiger Schrei entfuhr ihr. „Was für ein wunderschönes Bad. Das ist wirklich, wie im Märchen. Da sind hellblaue Fliesen mit weißen Wölkchen zu sehen und an der Decke sind Sonne, Mond und Sterne angebracht. Komm und schau es dir an! Graf komm schon“, drängelte sie. Der Graf stand auf und betrat ebenfalls das Bad.

„Ja, du hast recht. Es ist wirklich eine Augenweide. Wir können ja gleich hier gemeinsam duschen und dann gehen wir wieder in die Villa zurück.“

Er schob sie in die Dusche, drehte das Wasser langsam auf und stellte sich dazu. Das warme Wasser lief über beide hinweg und hier nahm er „Mäuschen“ ein zweites Mal ohne auch nur ein Wort zu sagen. Sie wehrte sich nicht, warum auch? Es gefiel ihr ausnehmend gut und sie wollte heute einfach nur genießen. Er stand mit dem Rücken zu ihr und sie fühlte sich unbeobachtet. Da nahm sie die Maske für einen Moment ab, um sich mit der nassen Hand über das ganze Gesicht fahren zu können. Er erstarrte, denn er hatte sie im Spiegelbild der Fliesen beobachtet. Das konnte doch nicht sein. Das war nicht möglich. Er hatte Sex mit der Frau, der er, der Chef, heimlich in seiner Firma hinterher sah und die sicherlich nie zu hoffen gewagt hätte, dass sie ihm auffallen würde. Sie war eine Mitarbeiterin in seinem eigenen Großraumbüro. Wie war sie nur an die Einladung herangekommen? Und das fragte er sie auch sofort.

„Wie bist du zu dieser Einladung gekommen? Kennst du hier jemanden?“

„Nein, ich kenne niemanden hier, aber unsere Chefsekretärin, die meine Freundin ist, hatte heute ein Date und wollte die Karte nicht verfallen lassen. Da hat sie gesagt, dass ich gehen soll und da ja Maskenzwang ist, würde mich eh keiner erkennen und ich weiß ja nicht einmal, wer der Besitzer der Villa ist.“

Er musste lächeln und meinte: „Aber gefallen hat es dir?“

„Das auf jeden Fall! Und wie es mir gefallen hat!“ Sie hatte sich in der Zwischenzeit angezogen und trat noch einmal vor den Schrank mit dem Hochzeitskleid. „Dieses Bild werde ich mitnehmen. Vielleicht zeichne ich es zu Hause und hänge es mir an die Wand.“ Leise verließen sie den Pavillon und gingen zurück in die Villa.

„Ich brauche dringend noch etwas zu trinken. Holst du es mir bitte!“, bat sie ihn und setzte sich auf eine Bank. Sie brauchte nicht lange zu warten, da stand er schon mit Gläsern wieder vor ihr und setzte sich hinzu. Sie genoss seine Gegenwart und sie genoss auch den Sekt oder war das sogar Champgner? Den hatte sie noch nie getrunken, aber sie wollte sich auch keine Blöße geben und fragen. Dann dachte er vielleicht noch, dass sie dumm und arm wäre und den Eindruck wollte sie absolut nicht erwecken. Sie war keineswegs dumm, aber reich war sie auch nicht. Sie war halt so, wie sie sich als normale Frau empfand und das genügte ihr. „Ich darf mich dann verabschieden. Ich bedanke mich für diesen wundervollen Abend, der mir ewig in Erinnerung bleiben wird. Wenn ich Cinderella wäre, dann würde ich jetzt einen Schuh verlieren und weglaufen, aber ich bin „Mäuschen“ und sage ganz artig: Auf Wiedersehen!“

Er nahm sie ohne ein Wort zu sagen in den Arm. Sie schloss nicht die Augen. Er küsste sie lang und innig und sie ging, ohne ein weiteres Wort abzuwarten, zu einer der Taxis, die in langer Reihe vor der Villa warteten.

Zu Hause angekommen, setzte sie sich hin und ließ den Abend vor ihren Augen noch einmal erstehen. Das Kleid, das Kleid. Schnell nahm sie ihre Stifte und ein Blatt Papier und begann das Kleid nachzumalen und sie malte es so gut, dass sie über sich selbst erstaunt war. Irgendwo musste sie noch einen Rahmen haben, den sie auch nach einigem Suchen fand, und sie passte das Bild in den Rahmen ein und hing es gleich an dem zentralsten Ort in ihrer Stube auf, über dem Fernseher! Sicherlich würde der Nachbar am anderen Tag klingeln und meckern, weil sie des Nachts um zwei den Nagel in die Wand geschlagen hatte, aber das war ihr egal. Das Bild hing an seinem Platz und sie konnte es betrachten so oft und so lange sie nur wollte.

Ruhig und traumlos schlief sie bis zum Mittag. Sie erwachte erfrischt und freute sich auf einen ruhigen langen Sonntag.

Die Tage vergingen einer wie der andere. Ihre Freundin hatte im Vorbeigehen gefragt, wie es auf der Faschingsparty war und sie hatte nur ein kurzes knappes gut hören lassen. Der Chef hatte diese Woche auffallend viel im Büro zu tun und er hatte sie direkt und freundlich gegrüßt. Was war mit dem los? Sonst knurrte er nur und rannte durch den Raum und jetzt ließ er sich Zeit. Sie betrachtete ihn und dachte. Der hat solche Augen wie der Graf, aber das kann auch Zufall sein und sie ist nur eine Schreibkraft und Cinderella ein Märchen.

Der Sommer kam und das Firmenfest war angesagt worden. Es sollte in der gleichen Villa stattfinden, in der der Fasching stattgefunden hatte. Welch ein Zufall! Ihre Freundin erklärte ihr, dass der Chef die Villa gemietet habe. Sie war so aufgeregt und stellte sich jeden Tag die Frage, was sie anziehen sollte. Sie entschied sich für ein rotes Kleid und eine schwarze Jacke darüber. Die Haare ließ sie sich beim Friseur blond färben und sah so ganz anders aus. Der Samstag kam heran und alle Kollegen waren aufgeregt und konnten es kaum erwarten, um 16 Uhr zu erscheinen. Sie sah wieder wirklich gut aus. Ihre Freundin sah sie an und sagte: „Mensch, ich wusste gar nicht, was du für ein hübsches Mädel bist.“

„Hast du mal Zeit einen ordentlichen Satz auf der Arbeit mit mir zu sprechen? Na siehst du und da sollst du wissen, wie ich aussehe!“ Ihre Freundin sah sie echt betreten an und schwieg. Der Chef hielt seine Ansprache und dankte allen für die geleistete Arbeit und wünschte einen angenehmen Tanzabend. Das Mäuschen, das jetzt Conny hieß, schlich sich heimlich in den Park, denn sie wollte unbedingt schauen ob der Pavillon auf war und als sie die Türklinke nach unten drückte, gab diese auch nach. Schnell schlüpfte sie in den großen Raum hinein, klatschte zwei Mal und sah dieses Traumkleid in dem großen Kleiderschrank. „Das ist wie bei Aschenputtel“, entfuhr es ihr.

„Und jetzt kannst du das Kleid auch anziehen Mäuschen!“, sagte ganz dicht hinter ihr eine Stimme. Sie drehte sich blitzartig um und da stand der Graf von zu Hause weg vor ihr! Schwarze Bekleidung an und vor allem eine schwarze Maske vor dem Gesicht. Ohne auch nur ein Wort zu sagen griff sie nach der Maske und zog sie nach unten weg. Sie musste schlucken, ihr wurde schlecht und sie erwachte mit einem kalten Lappen auf dem Kopf auf dem Bett. „Na, na, was machen Sie denn für Sachen?“, sagte ihr Chef mit einem Lächeln, „oder darf ich sagen „Mäuschen“? Warum bist du umgefallen?“

„Sie sind der Graf und ihnen gehört dieses ganze Anwesen? Das habe ich nicht gewusst!“

„Ich habe auch nicht gewusst, dass du in meiner Firma arbeitest. Erst als ich dein Spiegelbild in den Fiesen gesehen habe, als wir hier geduscht haben, war mir klar, dass wir uns kennen. „Sie musste lachen und wollte aufstehen, aber das ließ er nicht zu. Jetzt küsste er sie immer und immer wieder und sie konnte nicht anders, als seine Küsse zu erwidern.

„Bitte zieh meine Unterlippe in deinen Mund. Das ist so wunderschön, dass ich nur noch davon geträumt habe!“ Den Wunsch wollte sie ihm sehr gern erfüllen und tat es auch.

Ja, was will man da zum Schluss noch viel erzählen. Es kam, wie es kommen musste. Antrag, Verlobung und Hochzeit! Nur ihre Freundin war noch lange sauer auf sie!

Das Kleid wurde aus dem Schrank geholt, an ihre Maße angepasst und am Hochzeitstag das erste Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Ein kleiner Junge sagte ganz laut, als sie auf dem roten Teppich auf ihren zukünftigen Mann zuschritt: „ Und Cinderella gibt es doch!“ Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!

Jürgen Quadfasel

On the Beach

Obwohl Regen angesagt war, kündigte der strahlend blaue Himmel einen weiteren sommerlichen Tag an. Nächtlicher Wind hatte die unerträgliche Schwüle vertrieben, die Luft war rein und klar und schmeckte nach Meer, Salzwasser und Seetang. Hufgeklapper der ersten Pferdefuhrwerke weckten das kleine Inseldorf, Möwengeschrei und Brandungsgetöse kündigten die auflaufende Flut an. Mit dem Wechsel der Gezeiten frischte erneut der Wind auf, zerrte an den Fahnenmasten und ließ die Flaggen knattern. Der dunkle Ton vom Nebelhorn der morgendlichen Fähre verwehte über dem Wattenmeer.

Früher als sonst war er aufgestanden - seine Frau rekelte sich noch wohlig im Bett, wünschte verschlafen einen Guten Morgen - verließ auf leisen Sohlen die kleine Ferienwohnung, verzichtete auf den Fahrstuhl, stellte sich in die Schlange, die sich bereits beim Bäcker gebildet hatte, las im Warten die aus dem Ständer gezogene Zeitung. Mit halbem Ohr vernahm er das Palaver der Urlauber, hörte die individuellen Wettervorhersagen, die verschiedenen Aussagen über Wassertemperatur und Wellenauflauf. Schnappte amüsiert kleine Streitigkeiten zwischen Ehepaaren über die Gestaltung des Tages, die mit Vehemenz ausgetragenen philosophischen Dispute, welches der angebotenen Brötchen das gesündeste sei, auf, ärgerte sich über das Gequengel der Kinder.

Verlangte endlich zwei Roggen- und zwei Sesambrötchen, musste beim Aussuchen des Kuchens für den Nachmittag eine längere Schimpfkanonade der neben ihm stehenden älteren Dame über sich ergehen lassen, die angeblich viel länger als er gewartet und somit eher, im Grunde bereits schon vor dem Herrn mit Gehhilfe, dran gewesen wäre. Da wäre sie sich ganz sicher. Nur aus höflicher Rücksichtnahme auf die Gebrechlichkeit dieses Herrn hätte sie auf vorzeitige Bedienung verzichtet, denn sie kenne sich aus mit gehbehinderten Menschen, habe sie doch selbst jahrelang in einem Altenheim usw. usw. Auch als er längst gezahlt hatte, konnte die Urlauberin sich nicht beruhigen, erklärte der Verkäuferin nochmals ihre Beweggründe, die sie veranlasst hätten, Rücksicht zu nehmen und das kenne man heute ja gar nicht mehr.

In Vorfreude auf ein gemütliches Frühstück, seine Frau hatte sicherlich schon gedeckt und Kaffee gekocht, und auf den anschließenden langen Strandspaziergang trat er auf die sonnenbeschienene Dorfstraße, musste Radfahrern, Pferdekutschen, rennenden Kindern und im Gespräch versunkenen Urlaubern ausweichen, bahnte sich seinen Weg durch im Foyer des Appartmenthauses aufgestapelte Berge von Koffern, Taschen, Rücksäcken, Kinderrollern und grellfarbigen Strandspielsachen der abreisenden Gäste, grüßte die gepäcksuchende, Urlauber beruhigende Concierge.

Nach dem Frühstück, eingenommen auf dem zum Appartement gehörenden kleinen Balkon, meldeten sich bei seiner Frau Kopfschmerzen, Übelkeit; einen aufziehenden Migräneanfall befürchtete sie. Vor einem Spaziergang oder einer Fahrradtour wollte man noch etwas abwarten. Schnell waren Tabletten besorgt aus der dem Appartementhaus gegenüber liegenden Apotheke, eine Probepackung schmerzlindernder und beruhigender Tees sowie gutgemeinte Ratschläge gab´s als Zugabe. Die Medizin brachte keine Erleichterung, das grelle Sonnenlicht störte, nur noch liegen wollte sie auf dem kleinen Sofa, sich nicht rühren, nichts hören müssen. Verlangte nach einer Wärmflasche.

„Bei diesem Wetter?“

„Ja, bitte.“

„Und nun?“

„Geh doch allein.“

„Brauchst du noch etwas?“

„Nein, nur Ruhe und Dämmerlicht, zieh bitte die Gardinen zu.“

„Gut, ich geh dann mal durchs Dorf, habe mein Handy dabei, falls was sein sollte.“

„Ja, geh man, vielleicht ist mir heute Nachmittag schon besser. Und“, gab sie ihm mit auf den Weg, „guck doch mal nach einer neuen Badehose. Die alte kannst du wirklich nicht…“

Da hatte er bereits die Tür zugezogen, nahm diesmal den Lift, stolperte im Foyer wiederum über Gepäckstücke, diesmal sicherlich die der ankommenden Gäste, wie deren Blässe verriet, trat mit etwas schlechtem Gewissen auf die Straße, wusste zuerst nicht, welche Richtung einschlagen. Entschied sich dann doch für einen längeren Spaziergang zum kleinen Hafen, dann entlang der Wattstraße bis in das kleine Nebendorf. So schnell würde seine Frau sich nicht erholen, das wusste er von früheren Migräneattacken, die sie immer wieder in unregelmäßigen Abständen aus dem Verkehr zogen. Da half nur Ruhe und Dunkelheit - irgendwann würde sie einschlafen und nach Stunden erholt wieder aufstehen, vielleicht etwas benommen, aber meistens so, als wäre nichts geschehen. Dann könnte man nachmittags noch etwas unternehmen, gemeinsam, und abends Essen gehen in einem der urigen Lokale des Urlaubsdorfes.

Angekommen im Hafen, begutachtete er den Arbeitsfortschritt beim Bau des neuen Yachthafens. Seit Tagen wurden von einem schwimmenden Arbeitsponton aus schwere Stahlprofile für die Spundwand gerammt, an der bereits die auflaufende Flut leckte. Urlauber und Hoteliers verabschiedeten abreisende Gäste, das Fahrschiff stand unter Dampf. Ein Versorgungsschiff entlud Güter und Waren, die von wartenden Pferdefuhrwerken aufgenommen wurden. Läden, Hotels, Gaststätten mussten beliefert werden mit nützlichen und unnützen Dingen.

Nach kurzem Besuch des Hafenlädchens machte er sich auf den Weg entlang des Watts. Auf dem kleinen Sommerdeich musste er nur selten radfahrenden Urlaubern ausweichen. Die Weite des Wattenmeeres strömte eine friedvolle Ruhe aus, die Stille legte sich betäubend auf die Ohren. Nach gut einer Stunde erreichte er das kleine Nebendorf, verlassen und menschenleer lagen die Sandwege im flirrenden Sonnenlicht, nur ein Pferdefuhrwerk trottete gemächlich des Weges. Er überquerte die schmale Insel, kletterte über hohe, mit Strandhafer und Sanddornsträuchern bewachsene Dünen zum weißen Strand, hörte die See wellenklatschend rauschen, schmeckte das Salz auf seinen Lippen. Sah die dunkle, vom nächtlichen Sturm noch kabbelige See, den weiten Horizont, im grauen Dunst kaum zu erkennen die Trennlinie zwischen Wasser und Himmel. Die Strandbesucher verloren sich in den Entfernungen des Strandes, im Funkeln der sich brechenden Wellen, waren nur auszumachen als kleine, sich bewegende dunkle Punkte. Einige Reiter ließen schaumige Gischt aufspritzen, der Strandsegler drehte mit geblähten Segeln seine Runden, bunte Drachen kreisten am blauen Himmel. In diesem Licht schien alles zu schweben, schwerelos zwischen Strand und See.

Strandkörbe standen im tiefen Sand, nur wenige Sonnenhungrige räkelten sich am Dünenrand, Kinder bauten muschelverzierte Sandburgen am Saum der Priele. Sie schöpften unermüdlich Wasser, begossen ihre Bauwerke, ließen mühsam gegrabene Kanalsysteme volllaufen. Der Sand wurde feuchter, fester am Wassersaum, auslaufende Wellen leckten an seinen Füssen, bildeten Strudel, verwirbelten mit neuen Wellen, schwemmten schillernde Quallen an. Hemd und Shorts hatte er ausgezogen, trug alles zusammengeknotet mitsamt den leichten Sommerschuhen über der Schulter. Bald schon war er alleine, nur in weiter Ferne waren einige Strandwanderer auszumachen, kleine schwarze Punkte im gleißenden Licht der Sonne. Vom Wasser aus erschien der Strand noch breiter, verlor sich in seiner Weite am dunstigen Horizont.

Ein kühlendes Bad würde guttun. Er suchte einen trockenen Platz für die wenigen Kleidungsstücke, entledigte sich der Badehose und lief splitterfasernackt ins kalte Wasser, genoss die prickelnde Kälte, die Bewegung der Wellen, den Sog der Strömung, die Gewalt der donnernden Brecher. Hinter der Sandbank wurde das Wasser ruhiger, der Strand nur zu sehen zwischen den ständig wiederkehrenden, Gischt sprühenden Wellenbergen. Die Kälte des Wassers, die ständige Bewegung der anrollenden Brandung, das Anstemmen gegen die Strömung der Flutwelle beschleunigten seinen Puls, ließen ihn prusten und Salzwasser ausspucken. Herrlich anregend, geradezu aphrodisierend! Zähneklappernd rannte er aus dem Wasser, stürzte sich erneut in die brechenden Wellen, tauchte unter, ließ sich schwerelos treiben, lief endlich zurück an den Strand und ließ sich neben seinen Sachen, da keine Menschenseele zu sehen war, nackt in den warmen Sand fallen, genoss das Prickeln des Salzes, den leichten Wind, spürte die Wärme der Sonne.

Er baute aus Sand ein Kissen für den Kopf, drehte sich auf den Bauch, auf den Rücken, betrachtete den gepuderten Körper, auf dem die feuchten Kristalle glitzerten, ließ Sandkörner durch die geballte Hand auf die Brust rieseln, formte mit ausgestreckten Armen wischende Muster und Schlieren auf den Strand. Sah aus ungewohnter Perspektive die weißen Schaumkronen der auslaufenden Wellen, versandete Muschelbänke, angeschwemmtes Strandgut. Die am Meeressaum sitzenden Möwen erschienen größer als er selbst, bedrohlich, je mehr er die Augen schloss, einige seltsam in ihre Gliedmaßen aufgelöste Spaziergänger plantschten in der Ferne im Wasser, schaukelnd zwischen Strand und Himmel. Der säuselnd warme Wind, das unaufhörliche Rauschen des Meeres, die wütenden Klageschreie der Möwen, das diffuse Licht der Sonne ließen ihn wegnicken, tagträumend aus halbgeöffneten Augen in den blauen Himmel blicken. Unbeschwerte Gedanken kreisten hinter heißbeschienener Stirn, beschauliche Reflexionen an selige Stunden, meditative Betrachtungen seines Lebens, utopische Hirngespinste an eine Idealwelt, illusorische Phantasien amouröser Art angesichts seiner Nacktheit.

Nur langsam und etwas benommen von der Sonne, die weißen Stellen seines Körpers wiesen inzwischen eine hautspannende juckende Rötung auf, erwachte er aus Träumereien, die wohl, intensiver als gewünscht, ins Reich der Sinnlichkeiten abgerutscht waren. Mit leichtem Schmunzeln bemerkte, fühlte, sah er eine leichte Regung in der Mitte seines Körpers. Die vor dem Einschlafen noch stille Schlaffheit war jetzt einer formgebenden Härte gewichen, der Traum hatte den Weg gefunden zwischen seine Beine und dort unübersehbare, dennoch angenehme Spuren hinterlassen. Weiteres wollte, mehr durfte er nicht zulassen in dieser einsamen Öffentlichkeit des breiten und kilometerlangen, jedoch jetzt zur Mittagszeit fast menschenleeren Strandes. Auch war er sich sicher, dass während des unschuldigen Nickerchens seine anschwellende Männlichkeit wohl eher nur zufällig und völlig unbeabsichtigt heimliche Beobachter in den Bann gezogen haben könnte.

Ach, was soll´s, es wurde Zeit für den langen Rückweg - natürlich bekleidet mit Hemd und Shorts - zurück ins Dorf, in das Appartement, in dem seine Frau sicher schon erholt und ausgeruht mit Kaffee und Kuchen ungeduldig auf ihn wartete.

Also suchte er sein Bündel zusammen, versuchte, den Knoten zu lösen und bemerkte im Aufstehen, das Herz wollte ihm stehen bleiben, vier schlanke, braungebrannte Beine - vier Füße mit rotlackierten Nägeln, sandig bedeckt bis zu den schlanken Fesseln. Neben jedem Fußpaar steckte demonstrativ und bedrohlich die Spitze eines knorrig-krummen, ausgeblichenen Knüppels im Sand. Vier Beine, zwei Personen, die unheilschwanger den mitgeführten Stock hin und her bewegten. So, als würde ihn bei einer unbedachten Bewegung, einer abwehrenden Reaktion ein zweifacher Schlag niederstrecken und die eben noch geträumte Wollust schmerzhaft beenden.

Vorsichtig krochen seine Augen weiter hinauf, über Knie und Schenkel. Prachtvoll geformte Taillen hielten den Blick gefangen, leicht hervorstehende Beckenknochen, die dreieckig rasierten Schamhügel, die straff abstehenden Brüste mit den dunkelbraunen Warzenhöfen bescherten seiner inzwischen abschwellenden Männlichkeit erneut, diesmal jedoch real, eine nicht zu verbergende Unruhe. Auf der fein ziselierten Haut der beiden funkelten silberne Salzkristalle.

Die amüsierten Gesichter der jungen Frauen, die schadenfroh aufgerichteten Stirnfalten, das geringschätzige Rümpfen der Stupsnasen ließen ihn erstarren. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, Röte der Verlegenheit übertünchte im Gesicht den leichten Sonnenbrand. Unerbittlich blickten sie ihm tief in die Augen, erforschten seinen Körper, taxierten ungeniert sein zur Unzeit strammstehendes Glied. Seine Erregung hielt an, erfuhr durch die hemmungslosen Blicke der beiden Wohlgeformten einen weiteren amourösen Kick und zeigte sich nun in seiner ganzen Pracht. Nichts wollte ihm einfallen, die zuckende, vorstehende Standarte zur Aufgabe, zur Kapitulation zu bewegen. Vorbeifliegende Möwen ließen ihr lachendes Geschrei erklingen.

Nur durch eine schnelle Drehung des Körpers könnte er, zumindest partiell, die unverzeihliche Blöße den kritischen und schadenfrohen Blicken der Strandnixen entziehen. Schnell bückte er sich nach Badehose und Shorts, die er vor Überraschung angesichts der beiden Nackedeis wieder hatte fallen lassen. Leises Kichern verriet ihm, dass er den beiden Frauen nun auch noch die Lächerlichkeit seines weißen Hinterteils darbot. Erschöpft sank er auf die Knie. Griff nach seinem Bündel, verhedderte sich in dem Knäuel - zog und zerrte ergebnislos an der Verknotung. Murmelte sinnlose Entschuldigungen, und als er an sich herunterblickte, hatte die körpermittige Schwellung längst an Spannkraft verloren. Dieser Zustand erschien ihm nun peinlicher als der eben noch straffe Ständer.

Jedoch das Bündel wollte sich nicht öffnen lassen, der Knoten war wohl ein Gordischer. „Soll ich mal?“, fragte süffisant eine der beiden. Wortlos und ohne aufzublicken reichte er die Klamotten nach oben.

„Fast wären wir über Sie gestolpert, haben Sie gar nicht gesehen in Ihrer Strandburg“, erklärte die wohl couragiertere der beiden, die sich auch mit seinem Knoten beschäftigte. „Hier“, sagte sie, und im Weitergehen: „Wohnen Sie nicht auch in dem Apartmenthaus am Hafen?“ Und nach einer ganzen Weile rief er den dunkelbrauen Rücken, den wippenden Pobacken hinterher:

„Ja, ja, am Hafen, da wohn…“ Der Rest wurde verschluckt vom wütenden Getöse der Brandung.

Andrea Pierus

Die Schwestern

Ich hätte gerne ein eigenes Kinderzimmer gehabt, so wie die anderen Mädchen in meiner Klasse, aber ich musste mir ein Zimmer mit meiner Schwester teilen. Wir warteten noch auf den Lottogewinn und bis dahin lebten wir in der Hausmeisterwohnung am Ende der Lehmanngasse, ebenerdig, mit einem kleinen Vorgarten, in dem es so richtig spießig sprießte, weil meine Mutter Blumen so mochte. Als ich älter wurde bekam das geteilte Kinderzimmer einen neuen Reiz. Meine Schwester, damals schon „sweet seventeen“, nahm die Jungs, mit denen sie ging, mit auf unser Zimmer. Oft hatten wir drei oder vier Mal in der Woche Full House. Sie ging mit mehreren Jungs gleichzeitig, das erspart den Liebeskummer, sagte sie. Die neuesten Discoplatten brachten sie in Stimmung. Die Geräuschkulisse der Stereoanlage im Wohnzimmer erinnerte entfernt an einen Flugzeuglandeplatz. Mein Vater störte nicht, der saß in der Küche und trank sein Bier, der hatte keine Ahnung, dass seine zwei kleinen Mädchen schon ziemlich gewachsen waren. Meine Mutter war um diese Zeit bei Frau Salik und wischte die Böden. Ich hatte den Auftrag, mich unsichtbar zu machen. Leicht gesagt! Am frühen Abend verzog ich mich ins Bett und meine Taktik ging auf. Wenn Christi und ihr Traum für die nächsten Stunden anrauschten, löschte ich das Licht und stellte mich schlafend. Ich hatte das perfekt drauf! Ganz langsam atmete ich tief aus und ein, manchmal verließ ein pfblbl meine Lippen. Die Augen blieben dabei ganz ruhig, kein Gezittere, das war am schwierigsten. Wenn sich die beiden von meiner schauspielerischen Glanzleistung überzeugt hatten, ging es im anderen Bett zur Sache. Meine Schwester hatte wunderschöne Brüste, die schönsten Brüste die es gab, duftig und süß wie Vanillepudding in runden Schalen. Kein Mädchen in meiner Klasse konnte da mithalten. Sie waren sehr rund und sehr weiß, nicht zu groß und nicht zu klein. Die Brustwarze saß genau in der Mitte, wie eine kandierte Preiselbeere in sattem Rot, mit einer Zierborte rosagerüscht und eingerahmt. Das vollkommene Kunstwerk! Die Jungs konnten sich nicht sattsehen! Sie leckten und saugten an ihnen, wogen sie wieder und wieder in ihren Händen. Meine Schwester lag wie hingemalt da und genoss es. Sie mochte es auch, wenn einer mal auf wild und ungestüm machte und sie fester biss. Ich hörte ihr Japsen, ihr gurgelndes Lachen. In so einem Moment durfte ich nicht vergessen, ganz gleichmäßig weiterzuatmen. Hin und wieder baute ich einen Seufzer ein, damit auch dem ungläubigsten Schwachkopf klar war: Diese da schläft und merkt gar nichts!

Wenn die Lust meine Schwester in die Höhen des Matterhorns getrieben hatte, kamen die Jungs dran. Obwohl ich noch nie mit einem zusammen gewesen war, kannte ich schon einige Eigenarten. Ihre Schwänze waren ganz unterschiedlich. Da gab es die langen, ganz dünnen, dann die unentschlossenen, die erst im letzten Moment ihre wahre Größe zeigten, die schweren, großen, deren Moschusduft bis zu mir wehte, es gab helle und welche, die ins rotbraune gingen. Manche hatten Schieflage, wenn sie erregt waren, die fand ich besonders süß und witzig. Meine Schwester nahm sie in den Mund und badete sie oder, wenn sie einen besonders gerne mochte, dann bekam er einen Platz zwischen ihren unglaublich schönen Brüsten. Es gab welche, die schon nach zwei Minuten kamen, die wurden nicht prolongiert. Die erfahrenen Jungs hielten durch, die konnten mit ihrer Lust jonglieren, sie zurückhalten und rauszögern, um im Moment des Überschwangs so richtig zu explodieren!

Meine Schwester hatte fürchterliche Angst, schwanger zu werden. Sie schlief nur selten mit einem und wenn, dann nur kurz nach der Periode, wenn es sicher war. Manchesmal, wenn wir alleine waren, redeten wir über die Jungs. Welcher am sympathischsten war, welcher am besten küsste und so.

Hin und wieder musste ich für Christi Amor-Dienste erledigen. Donna, das war supernervig! Was solls, ich bekam für jede Zustellung zwei Euro und Schokolinsen. Wenn sie keine Lust hatte, wurde ich mit einem kleinen Briefchen losgeschickt, so wie heute zu Klemen. Ich läutete Sturm und er machte ganz verschlafen auf.

„Da, eine Message aus dem Paradies!“

Er starrte mich verständnislos an und las. „Okay!“ Ich machte am Absatz kehrt, da rief er mir nach: „Magst du raufkommen?“ Na klar wollte ich. Klemen gehörte zu den Superlieben!

Wir tranken in der Küche grünen Tee aus kleinen Schalen, ganz auf japanisch, und er zeigte mir sein Zimmer.

„Wow, total geil!“ Poster bis zur Decke, eine Fender Stratocaster lehnte in der Ecke und auf der Heizung wurden Palmen gezüchtet. Klemen hatte Augen wie die Karibik. Ich musste ihn immerzu ansehen, da legte er den Arm um mich und kam ganz nahe. Ich spürte, wie seine Hand vorsichtig unter meine Bluse schlüpfte.

„Magst du sie nicht ausziehen?“ Ich traute mich nicht, ihn anzusehen. Umständlich öffnete ich die Knöpfe. Mein Busen war erst im Werden. Eine kleine Rundung war schon zu sehen, aber Klemen war ja an die Maße meiner Schwester gewöhnt! Ich spürte seine Hand an meiner Brustwarze, dann seinen Mund. „Sie sind schön! Sie sind sehr schön, wirklich wunderschön! Und wenn du jetzt jeden Tag zu mir kommst und dich der gedeihlichen Behandlung meiner Hände hingibst, dann verspreche ich dir: Sie werden voller und schöner als die deiner Schwester!“ Ich war im Himmel! Ich war auf Wolke Sieben! Nein, das war zu wenig - „Lost in Paradise“ - ja, das war´s!

Gipskorsett

Die Türe stand offen, Denis zwängte sich durch den schmalen Spalt. „Ich komme gleich, einen Moment!“ Jorge hatte ihn gebeten, heute für ihn als Modell einzuspringen. Amina war bei den letzten Vorbereitungen für eine Personale im Londlov-Musée, „The Exhibiton of the Year“. Die Bildhauerin brauchte noch den Gipsabdruck eines Torsos: „Männlich, in den Twenties, sehr groß und nicht zu muskulös!“, hatte sie gesagt. Aus dem Nebenraum hörte er das Geräusch von Wasser, das auf Plastik traf. Gespannt sah er sich in der Werkstatt um. Neben ihm wuchsen Regale bis an die Decke. Die Reihen waren vollgeräumt mit einem Sammelsurium kleiner Figuren aus Ton, darüber stapelten sich Silikonformen, um Bronzen zu gießen, und es gab Gips in allen Formen, Arme aus Gips, Beine, Gipsmasken und unzählige Ganzkörpergipsabdrücke, die sich in einer Ecke türmten. Denis hätte sich nie träumen lassen, in den Gipsmodellen eine Auswahl der verschlissenen Liebhaber der Künstlerin zu finden. Der Gipsabdruck war für die körperbessesene Bildhauerin der Einstieg, das berauschende Vorspiel, just for fun! Es war so einfach, die Boys standen schon nackt und in ihrer ganzen Pracht vor ihr, sie musste sie nur nehmen! Denis strich über die raue Textur der Hohlformen und atmete die fremden Gerüche. „Du machst dich schon mit dem Material vertraut, wie ich sehe! Gleich wirst du verpackt.“ Amina zeigte in die Mitte des Raumes. Hier gab es einen Bereich mit verfliestem Boden, dessen Originalfarbe, überdeckt von unzähligen Farb- und Gipsspritzern, kaum zu erkennen war. „Zieh dich dort drüben aus. Du bekommst von mir gleich eine Plastikschürze umgebunden!“ Denis warf seine Hose auf das Sofa. Er war nervös und fühlte sich nackter als nackt. Amina musterte Denis kurz und geriet in Verzückung, in ihren Augen glomm die Lust zum nächsten Beutezug auf. Sie war eine erfolgreiche Jägerin und dieser wohlgelungene Student reizte sie! In den Phasen ihrer sexuellen Adipositas entwickelte sie sich zum männerverschlingenden Vamp! Sie ging hinaus und kam mit einer Metallwanne wieder. Daneben stellte sie einen Karton mit Gipsbinden. Mit dem Plastikschurz um die Hüften fühlte sich Denis bedeutend wohler. Sie kam ganz nahe, bei der Rasiersession, die nun folgte, bis seine Brust glatt und weiß glänzte. „Jetzt wirst du in Vaseline gebadet, dein ganzer Oberkörper, bis hinauf zum Hals, bis jedes winzigste Härchen an dir bedeckt ist, sonst kleben sie am Gips fest und das tut scheußlich weh!“ Amina strich die Vaseline mehrere Millimeter dick auf Denis Oberkörper. Er schloss die Augen und genoss es, wie ihre Hände über seinen Körper wanderten. Seine Brustwarzen wurden hart und empfindsam, bis sie unter einer Lage Creme verschwanden. „Okay, let´s start! Dir wird ein bisschen warm werden, wenn der Gips trocknet, erschrick nicht!“ Denis drehte sich langsam vor Amina im Kreis. Eine Gipsrolle nach der anderen legte sich in mehreren Schichten um seinen Oberkörper. Aminas Hände verwischten die entstehenden Falten. Bei der Verbindung zum Hals und den Oberarmen kamen elastische Binden zum Einsatz.

„Fertig! Wie ein Profimodell hast du dich gehalten! Wie fühlt es sich an?“

„Eingegipst! Cool, der neue Look!“

„Mit diesem Styling raubst du jeder Frau den Atem!“

„Es ist crazy, aber ich könnte mich daran gewöhnen! Phuu, es beginnt tropisch zu werden unter diesem Gipskorsett!“ Denis schloss die Augen und summte: „In the summertime when the weather was hot!“

„In ein paar Minuten befreie ich dich wieder! Aber bis dahin bist du mir ausgeliefert!“

Amina zog im Vorbeigehen an den Zipfeln der Plastikschürze, die mit leisem Rascheln zu Boden fiel.

„Damit dir nicht zu warm wird! Oder magst du es heiß?“ Dabei sah sie Denis mit einem Blick an, der ihm die Röte ins Gesicht zauberte. Darauf war er nicht gefasst! Was war das für ein Spiel? Was wollte sie von ihm?

Sie stand vor ihm und strich mit einer verlangenden Bewegung über seinen Schwanz, der sich aufrichtete.

„Wir könnten uns ein bisschen amüsieren. Ein kleines, spontanes Abenteuer, so vergeht dir die Zeit des Wartens in Lichtgeschwindigkeit! Deine Arme liegen in Gips, verlass dich einfach auf meine Hände!“

Denis atmete heftig. Hey, was geht da ab? Das ist ja wie Kino! Fellini, come on, prime mich! Testosteron pulste durch seine Adern, berauschte und beflügelte seine Fantasie.

„Mein Körper gehört der Kunst!“

„Das ist die richtige Einstellung! Du meine brünftige, meine lüsterne Muse! Du wirst mich inspirieren!“

Aufgewühlt drückte sie Denis in die Knie und legte sich vor ihm auf den mit Gips bespritzten Boden. Sie nahm seinen Cherubim in die Hand. Das furiose Fingerspiel erregte Denis unglaublich. Sein Oberkörper, seine Arme in Gips, er konnte sich nicht bewegen, alles geschah mit ihm und es war gut so, wie es geschah. Amina wusste, wie sie ihn kirre machen konnte. Sie fiel über ihn her, beknabberte ihn gierig, sie war völlig enthemmt. Sie nahm seine feuchte Eichel in den Mund und ließ ihn hinein und hinausgleiten. Als seine Erregung fast am Höhepunkt war, entließ sie ihn aus ihrem Mund. „Jetzt werde ich dich aus dem Korsett befreien, bevor der Gips zu trocken wird!“ Sie kam mit mehreren Scheren angerückt. Die Befreiungsaktion verlief rasch. Amina war zufrieden, der Gipsabdruck ihres Kleinen war gelungen!