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RABENSTARKE MÄRCHEN
MIT GOTTFRIED, DEM TURBORABEN

Ein Erst- und Vorlesebuch von
Yvonne Ramp und Christoph Fromm

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek.
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.de abrufbar.

Originalausgabe

Copyright © 2022 by Primero Verlag GmbH,
Herzogstraße 89, 80796 München

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat und Korrektorat: Sabrina Faber-Neidlinger

Illustration und Layout: Finja Skadi Vollbrecht

Druck und Bindung: FINIDR s.r.o.

ISBN 978-3-9819732-5-9

Die Schreibweise entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung.

Inhalt

DER BAYERISCHE BATMAN UND SEINE STADTMUSIKANTEN

ASCHENPUTTEL, ZAUBERSCHUHE UND EIN FUSSBALLPRINZ

SCHNEEWITTCHEN UND DIE SIEBEN FLAMINGODAMEN

Ich bin Enno, neun Jahre alt und komme aus Mali. Erst seit Kurzem lebe ich mit meinem Papa und meiner kleinen Schwester Kira in München. Unser allerbester Freund, Gottfried Primero, ist ein echter Turborabe! Er heißt so, weil er einen Turbodüsenmotor hat, mit dem er viel weiter und schneller fliegen kann als alle anderen Raben. Kira und ich haben schon viel mit Gottfried erlebt. Seid ihr bereit für ein paar neue Abenteuer?

DER BAYERISCHE BATMAN UND SEINE STADTMUSIKANTEN

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„Schneller, Gottfried! Flieg einen Looping!“, ruft Enno, aber seine kleine Schwester Kira protestiert: „Bloß nicht!“

Die beiden sitzen aneinandergequetscht auf dem feuerfesten Sitz von Gottfrieds Düsenmotor. Der Turborabe zischt mit den Geschwistern im Tiefflug über die letzten Dächer von München und fliegt weiter über Wiesen und Felder, da es auf dem Land laut Gottfried noch frischere und fettere Regenwürmer gibt als in der Stadt. Unter sich entdeckt Gottfried einen Bauernhof. Hinter dem Hof steht eine große Scheune aus Wellblech. Rund um die Scheune läuft ein hoher Zaun, der mit Stacheldraht gesichert ist. Gottfried landet auf dem Hof. Glaubt er etwa, hier Regenwürmer zu finden? Das wären die ersten Würmer, die laut gackern.

„Das ist ein Hühnerstall!“, ruft Kira.

„Boah, stinkt der!“, stöhnt Enno. „Das sind bestimmt Knast-Hühner!“

„Was?!“ Gottfried hat sich bisher nie sonderlich für Hühner interessiert. Er bevorzugt Flamingodamen.

Enno erklärt Gottfried und Kira, warum er sie Knast-Hühner nennt. Es gibt geldgierige Menschen, die so viele Hühner in Ställe einsperren, dass sie sich kaum umdrehen können. Den ganzen Tag dürfen sie nichts tun außer Eier legen. Sie leben wie im Gefängnis.

Deswegen heißen sie Knast-Hühner.

„Das ist ja schrecklich“, sagt Kira. „Wir müssen die armen Hühner sofort befreien.“

Gottfried fliegt ein Stück in die Höhe und späht durch eine der verdreckten Fensterscheiben. Als er wieder landet, ist sein Gesicht ernst. „Ihr habt recht“, sagt er, „diese Hühner müssen schleunigst an die frische Luft!“ Plötzlich hören sie ein quietschendes Geräusch. Ein großer, kräftiger Mann in grüner Arbeitskleidung und mit einer Tabakpfeife im Mund schiebt eine Schubkarre voll aufgeweichter Körner auf die Scheunentür zu. Offensichtlich das Mittagessen für die Hühner. Auf der Rückseite seiner Jacke steht in Großbuchstaben: EIERFARM HUBERT BICHLER. Gottfried, Enno und Kira können sich gerade noch hinter einem Misthaufen verstecken. Dort stinkt es beinahe noch schlimmer als auf dem Hühnerhof. Enno muss niesen. Hubert, der gerade den Schlüssel für die Scheunentür aus seiner Hosentasche geholt hat, dreht sich um. „Abflug!“, ruft Gottfried, aber er muss erstmal seinen Turbodüsenmotor starten.

Hubert läuft mit hochrotem Gesicht auf sie zu. „Ihr wollt wohl meine Eier stehlen!“, brüllt er wütend. „Verschwindet, sofort!“ Er packt eine Mistgabel und sticht damit nach Gottfried. Doch der ist inzwischen gestartet und weicht mit einem Flugsalto nach hinten aus. „Hohoho!“, lacht Gottfried und zischt ein paar Mal um Huberts Kopf, sodass dem Eierfabrikanten ganz schwindlig wird. Im Tiefflug saust er zwischen Huberts O-Beinen durch, sodass der das Gleichgewicht verliert und sich auf seinen Hosenboden setzt.

„Alle aufsteigen!“, ruft Gottfried. Das lassen sich Enno und Kira nicht zweimal sagen! Ehe Hubert seine Mistgabel nach ihnen werfen kann, ist Gottfried mit den beiden schon in den tiefblauen Nachmittagshimmel entwischt.

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Gottfried fliegt zur Sicherheit noch einige Kilometer weiter, bevor er mit den Kindern auf einem frischgepflügten Acker landet. „Wir müssen mit unserer Rettungsaktion warten, bis es dunkel wird“, sagt Gottfried. „Bis dahin muss ich mir einen genialen Gottfried-Primero-Plan ausdenken. Und am besten denken kann ich…“

„…wenn ich Regenwürmer mit Schlagsahne bekomme!“, vollenden Kira und Enno mit tiefer Gottfried-Stimme und lachen:

„Hohoho!“

Die beiden Kinder gehen suchend über den Acker und finden für ihren Turboraben ganz viele dicke, lecker glänzende Regenwürmer. Gottfried ist sehr zufrieden mit seinen Freunden. Wie mit einem Mixer schlägt er sich mit seinem Turbodüsenmotor etwas Schlagsahne und beginnt gierig zu schlucken. Natürlich wollen Enno und Kira aber sofort wissen, was er sich Tolles ausgedacht hat.

Besonders Kira ist sehr ungeduldig.

Vielleicht schlachtet dieser Eiermann sogar einige Hühner, wenn sie sich nicht beeilen. Für Kira als Vegetarierin ist allein der Gedanke ganz furchtbar.

„Wir müssen diesen Hubert so erschrecken, dass er vor Angst davonläuft und wir an seinen Schlüssel rankommen“, erklärt Gottfried Enno und Kira.

„Oje“, sagt Kira niedergeschlagen, „der hat doch niemals Angst vor uns.“

„Doch“, sagt Gottfried und reckt seinen Schnabel in die Höhe. „Wenn wir uns verkleiden! Ich zum Beispiel weiß schon, wer ich bin!“