cover
Titelseite

 

 

 

 

 

 

Für alle Veronica-Mars-Kickstarter-Sponsoren.
Ihr seid wie die Leute, die laut genug geklatscht haben, um Tinker Bell zurück ins Leben zu holen. Aber statt zu klatschen, habt ihr Geld geschickt. Und statt einer winzigen blonden Fee habt ihr eine kleine blonde Detektivin zum Leben erweckt.

PROLOG

Am späten Freitagnachmittag ging es los: Buslawinen walzten nach Neptune, Kalifornien, und vor Montag nahm das Ganze kein Ende. Staubig rollten sie an, die Windschutzscheiben verklebt mit toten Insekten und rissig vom Steinschlag. Sie ließen das Chaos auf der Interstate hinter sich und kamen neben der Strandpromenade zum Stehen, vibrierend vor aufgestautem Lärm, zitternd wie Hunde, die auf einen Befehl warten.

Ihre Routen bildeten ein Arteriennetz, verbanden die kleine Küstenstadt mit allen Universitätsstädten im Westen der Vereinigten Staaten. Mit L. A. und San Diego, der Bay Area und dem Inland Empire in Südkalifornien. Mit Phoenix, Tucson, Reno, Portland und Seattle, Boulder, Boise und sogar Provo. Strahlende, aufgeregte Gesichter spähten durch jedes Busfenster, die Nasen fest an das Glas gepresst.

Klappernd öffnete sich eine Falttür nach der anderen und Studenten strömten auf die Straßen hinaus. Sie schauten sich um, blickten auf den Strand, die Brandung, die erleuchteten Karussells entlang der Promenade und auf die riesigen Longdrinks. Einige von ihnen hatten erst am Abend zuvor ihre letzten Semesterarbeiten abgegeben, andere waren die ganze Nacht aufgeblieben und hatten für Prüfungen gelernt. Und jetzt erwachten sie plötzlich in einem Märchenland, das wie aus dem Nichts, einzig und allein zu ihrem Vergnügen, aufgetaucht war. Lachend und kreischend strömten sie in die Stadt. Betrunken stolperten sie durch die Straßen, darauf vertrauend, dass der Zauber, der sie hergebracht hatte, sie davor bewahren würde abzustürzen.

Und so war es auch. Für genau drei Nächte.

Am Mittwochmorgen wirkte die bei Nacht funkelnde Küstenstadt … alltäglich. Nicht einfach nur alltäglich. Dreckig. Pfützen von verschüttetem Bier sammelten sich in den Ritzen der Bürgersteige und der penetrante Gestank überfüllter Müllcontainer wehte aus den Gassen. Die transparenten Überreste gebrauchter Kondome vermüllten Hauseingänge und Büsche und die Straßen waren mit Glasscherben übersät.

Als die achtzehnjährige Bri Lafond in das Sea Nymph Motel stolperte, war es dort gespenstisch still. Fast alle Gäste waren Studenten, die ihre Frühjahrsferien hier verbrachten, um Party zu machen, und der Startschuss dafür fiel normalerweise nicht vor dem frühen Nachmittag. Bri war auf einem Rave am Rande der Stadt gewesen, und als sich die Feier um vier Uhr morgens langsam auflöste, hatte sie kein Taxi mehr bekommen. Sie war so high gewesen, dass ihr der Gedanke, zu Fuß zurück zum Hotel zu gehen, machbar erschien. Jetzt schleppte sie sich hundemüde über den sandigen Innenhof zu dem Zimmer, das sie eine Woche lang mit ihren drei besten Freundinnen aus Berkeley teilte. Es war das billigste Zimmer, das sie hatten bekommen können, mit Blick auf den Parkplatz und den Müllcontainer. Aber das war ihr gerade völlig egal. Sie kämpfte mit dem Türschloss und wollte sich nur noch auf eins der beiden Doppelbetten fallen lassen.

Die Fensterläden standen einen Spaltbreit offen und ließen einen Strahl fahlen Lichts herein. Immer noch in ihr Paillettenkleid von der Nacht zuvor gekleidet, lag Leah ausgestreckt auf dem Bett, den Kopf unter ein Kissen gesteckt. Ihre Beine waren verschrammt und mit Dreck beschmiert. Melanie lehnte mit dem Rücken am Kopfteil und nippte an einem Pappbecher von Starbucks. Sie trug Boardshorts und ein Bikinioberteil. Ihr langes blondes Haar war zerzaust und verschmiertes Make-up verkrustete ihre Augen. Als sie hörte, wie sich die Tür öffnete, blickte sie hoch.

»In einer halben Stunde habe ich Surfunterricht, echt jetzt, und ich bin immer noch betrunken«, stöhnte sie. Mühsam hielt sie den Blick auf Bri fixiert. »Wo warst du? Du siehst scheiße aus.«

»Besten Dank.« Bri beugte sich vor, um den Reißverschluss ihrer Stiefel zu öffnen. Ihre Füße pochten vor Schmerz. »Wo ist Hayley? Ist sie auch surfen?«

»Hab sie nicht gesehen.« Melanie schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand.

Bri erstarrte. Ein Stiefel war ausgezogen, der andere quälte immer noch ihre Zehen. Sie sah auf. »Seit wann?«

»Seit … seit der Party am Montag, glaube ich.« Melanie öffnete die Augen und zog die Stirn kraus. »Shit.«

Bri blinzelte und zog den anderen Stiefel vom Fuß. Dann ließ sie sich auf das Bett fallen und stieß Leah behutsam an. »Hey, Leah. Wach auf. Hast du Hayley gestern gesehen?«

Leah gab unter dem Kissen ein dumpfes Stöhnen von sich und rollte sich zusammen. Minutenlang stießen Bri und Melanie sie an und gurrten ihren Namen, bis Leah schließlich das Kissen wegzog und mit trübem Blick zu den beiden hochstarrte. »Hayley? Nicht seit … der Party am Montag.«

Ein kaltes, leeres Gefühl breitete sich in Bris Körper aus. Sie scrollte durch ihre Nachrichten. Nichts von Hayley seit Montagnachmittag.

 

Bin heute Abend auf eine Party in einer VILLA eingeladen. Wollt ihr mit?

 

Sie hatten drei Stunden damit verbracht, sich fertig zu machen. Hayley hatte ein für sie untypisch tief ausgeschnittenes, enges Kleid getragen, das ihre langen, gebräunten Beine zeigte. Sie hatte darauf bestanden, dass sie alle sich aufstylten. Sie war von einem Typen eingeladen worden, der ihr in der Cabo Cantina einen Mai Tai spendiert und gesagt hatte, sie solle ihre schärfsten Freundinnen mitbringen.

Sie waren gemeinsam hingegangen, die gewundene Privatstraße hinaufspaziert, wo zwei muskulöse Sicherheitsleute sie hereinwinkten. Das Haus war riesig und modern, eine kastenförmige, skulpturale Bauweise. Jeder Raum erstrahlte in Licht und Luxus. Melanie mischte sich sofort unters Partyvolk und ließ ihre Hüften im Takt der Musik kreisen. In der Küche entdeckte Leah einen Typen aus ihrem Biologiekurs und marschierte schnurstracks auf ihn zu. Hayley und Bri schoben sich durch das Haus bis zur Veranda, um sich erst einmal umzuschauen. Unter ihnen schimmerte ein riesiger aquamarinfarbener Pool und dahinter erstreckte sich der Strand schwarz im Mondlicht.

Hayleys Augen glänzten, reflektierten die bunten Lichter auf der Terrasse. Das ganze Wochenende über hatte sie zwischen Traurigkeit und wütendem Trotz geschwankt. In der einen Minute brach sie in Tränen aus, in der nächsten fauchte sie ihren Freundinnen ins Gesicht: »Chad kann mir nicht vorschreiben, was ich tun soll. Für wen hält er sich?« Sie und ihr Freund hatten sich zum hundertsten Mal getrennt, aber an jenem Abend wirkte Hayley unglaublich aufgedreht, als hätte sich die schwere Hülle des Liebeskummers von ihrem Körper gelöst und sie wie neu und befreit zurückgelassen. Hayley und Bri hatten sich in die Massen der tanzenden Körper gestürzt und für eine Weile vertrieb der trommelnde Bass sämtliche Gedanken aus Bris Kopf. Sie wusste nicht mehr, wie spät es war, wie viel sie getrunken hatte – und wo ihre Freundinnen steckten.

Bri erinnerte sich, beobachtet zu haben, wie Leah einige Lines Koks von einem antiken Beistelltisch zog und dabei ihr langes honigblondes Haar im Nacken festhielt. Bri erinnerte sich an Hände, die über ihre Hüften fuhren, an eine lallende männliche Stimme, die ihr sagte, dass sie echt heiß wäre, wenn sie sich die Haare wachsen lassen würde. Sie erinnerte sich an Hayley, die sich auf die Zehenspitzen stellte, um einem Jungen in einem perfekt sitzenden weißen Anzug mit langen, sinnlichen Wimpern, der so tat, als würde er schmollen, etwas ins Ohr zu flüstern.

Alles andere war verschwommen. Am nächsten Morgen war sie frierend in einem Liegestuhl neben dem Motelpool aufgewacht, die Handtasche unter ihrem Kopf. Sie hatte keine Ahnung, wie sie dort hingekommen war.

»Habt ihr gesehen, ob Hayley die Party mit jemandem verlassen hat?« Bri sah ihre Freundinnen an. Beide schüttelten langsam den Kopf.

»Es geht ihr bestimmt gut«, meinte Melanie zögernd. »Vermutlich ist sie bei irgendeinem Typen, den sie auf der Party kennengelernt hat. Früher oder später taucht sie schon wieder auf.«

»Aber wir haben versprochen, uns mindestens ein Mal am Tag zu melden. Das haben wir versprochen.« Bris Stimme klang schriller als beabsichtigt. Sie hatten auf der Hinfahrt den Pakt geschlossen, dass sie aufeinander aufpassen wollten, egal, wo sie waren und wie gut sie sich gerade amüsierten. Das kalte, leere Gefühl in ihrem Magen griff weiter um sich. Sie öffnete das Nachrichtenfenster auf ihrem iPhone und schrieb:

 

Wo steckst du? Komm mit uns frühstücken. Melde dich SO SCHNELL WIE MÖGLICH!

 

Jetzt konnten sie nur noch warten. Melanie hatte vermutlich recht. Hayley hatte jegliches Zeitgefühl verloren, so wie sie alle. Sie war irgendwo unterwegs und hatte gerade die beste Zeit ihres Lebens. Aber trotzdem.

Als Leah und Melanie aufstanden, um frühstücken zu gehen, schüttelte Bri den Kopf und umklammerte ihr Handy. Sie blieb allein im Motelzimmer zurück, fröstelnd in der kühlen Luft, aber zu müde, um sich umzuziehen. Sie schrieb noch eine Nachricht an Hayley. Und noch eine.

 

Sei nicht so egoistisch und antworte gefälligst, Hayley.

Wir machen uns Sorgen.
SCHREIB MIR.

Also gut – wenn du dich nicht innerhalb der nächsten zehn Minuten meldest, rufen wir die Polizei. Im Ernst.

Antworte bitte.

Bitte.

KAPITEL 1

»Und was ist hiermit?«

Veronica Mars saß auf einem harten Plastikstuhl in der Praxis der Neurologin. Ein Bein über das andere geschlagen, wippte ihr rechter Motorradstiefel auf und ab, während sie der Untersuchung ihres Vaters lauschte. Keith Mars saß an einem kleinen Tisch seiner Ärztin gegenüber, die mit bedächtigen, gewissenhaften Bewegungen eine Bildkarte nach der anderen umdrehte.

»Schubkarre«, antwortete er, ohne zu zögern.

Dr. Subramanian nickte weder noch schüttelte sie den Kopf. Mit unbewegter Miene legte sie die Karte links neben sich.

Im Sprechzimmer der Neurologin war es kühl und dämmrig. Statt der üblichen grellen Neonröhren an der Decke wie in den meisten Praxen wurde der Raum nur durch das angenehme Licht von Stehlampen beleuchtet. Hier drin schien es immer früher Abend zu sein.

Veronica tat so, als sei sie in eine vier Monate alte Ausgabe von Redbook vertieft. Ihr Blick huschte über einen Artikel mit der Überschrift Zwanzig Mitbringsel für unter zwanzig Dollar.

»Und das?«

»Krokodil.«

Veronica blickte zu ihrem Vater und dem Gehstock aus Titan, der an seinem Bein lehnte. Zwei Monate waren seit dem Autounfall vergangen, der ihn fast das Leben gekostet hatte. Keith war mit Deputy Jerry Sacks unterwegs gewesen. Sie hatten über die Korruption im Sheriff’s Department gesprochen, als ein Lkw mit voller Wucht in sie hineinkrachte – und dann zurücksetzte, um sie ein weiteres Mal zu rammen. Sacks starb am Unfallort und Keith kam nur mit dem Leben davon, weil Logan Echolls es schaffte, ihn aus dem Wagen zu ziehen, bevor dieser explodierte.

Die offizielle Geschichte – oder zumindest die, mit der Sheriff Dan Lamb Presse und Rundfunk abgefertigt hatte – sah so aus, dass Sacks von dem örtlichen Meth-Dealer Danny Sweet Bestechungsgelder angenommen hatte und der Lkw geschickt worden war, weil der Deputy zugelassen hatte, dass drei von Sweets Leuten wegen Drogenhandels hochgenommen wurden. Davon stimmte natürlich kein Wort, aber die lokalen Medien schienen nicht daran interessiert, sich die Sache genauer anzusehen.

Seit dieser Nacht versuchte Veronica, ihren Vater dazu zu bewegen, über den Unfall zu sprechen. Aber Keith rückte einfach nicht mit den Details heraus und sagte nur: »Mein Fall, nicht deiner.« Es war schon fast zu einem Spiel zwischen ihnen geworden. Jedes Mal, wenn sie ihn in ein Gespräch darüber verwickeln wollte und Vermutungen anstellte, wer am Steuer des Lkw gesessen haben könnte – Lamb? Ein anderer Deputy? Jemand ganz anderes? –, winkte er lässig ab. Alles, was er ihr erzählte, war, dass der Mörder hinter Sacks her gewesen sei und nicht hinter ihm und dass sie es dabei bewenden lassen solle.

»Kerze. Ring. Regenschirm«, sagte Keith laut.

Veronica musterte ihren Vater. Die violetten Blutergüsse auf seinem Körper waren verblasst. Aber die wirklich schweren Verletzungen – die gebrochenen Rippen, das angeknackste Becken, der Leberriss – mussten noch verheilen. Keith hatte einen Schädelbruch, eine Hirnblutung und eine leichte Hirnquetschung erlitten. Wochenlang waren seine Reaktionen verlangsamt gewesen. Während der ersten Tage, nachdem es gelungen war, ihn zu stabilisieren, hatte er Mühe gehabt, sich an Wörter zu erinnern. Manchmal hatte er ein paar Sekunden mit sich gerungen, ehe er etwas gesagt hatte. Mittlerweile aber beantwortete er die meisten von Dr. Subramanians Fragen schnell und sicher. Veronica merkte, wie er sich bei jeder Antwort etwas mehr aufrichtete, als würde er dadurch gesund werden, dass er die Bildkarten richtig erkannte.

»Sehr gut, Mr Mars.« Die Stimme der Ärztin mit dem Oxford-Akzent klang forsch, aber zufrieden. Sie schenkte ihm eins ihrer seltenen Lächeln und strich die Ecken der Bildkarten glatt.

Veronica legte die Zeitschrift weg. »Wie lautet nun das Urteil, Doc? Ist er so gut wie neu? Ist er bereit für eine Probefahrt?«

Dr. Subramanian warf ihr einen strengen Blick über den Rand ihrer Nickelbrille zu. Sie trug das grau melierte Haar zu einem Knoten hochgesteckt und einen Lippenstift, dessen Farbton vermutlich Kühle Sachlichkeit hieß. Veronica mochte sie.

»Als ›so gut wie neu‹ würde ich ihn nicht bezeichnen. Aber ich bin zufrieden mit den Fortschritten. Wie ist Ihre Reaktionszeit, Mr Mars?«

»Schneller als das Licht«, antwortete Keith und tat so, als würde er eine Waffe ziehen.

»Irgendwelche Stimmungsschwankungen, seltsamen Verhaltensweisen, Aussetzer?« Die Ärztin wandte sich Veronica zu.

»Nicht mehr als üblich.« Veronica lächelte ihren Vater an.

»Hm.« Dr. Subramanian blickte auf die Krankenakte in ihrer Hand. »Wie verläuft die Heilung ansonsten? Sie hatten doch Anfang der Woche einen Termin bei Ihrem Internisten?«

»Er sagte, ich wäre zwar noch nicht so weit, wieder Marathon zu laufen, aber ruhig am Schreibtisch sitzen und Büroklammern sortieren, das würde ich schaffen. Ich möchte so schnell wie möglich wieder arbeiten.« Keith zog sein Jackett glatt. Seit er aus dem Krankenhaus entlassen worden war, legte er Wert darauf, jeden Tag ein frisch gebügeltes Hemd und eine Krawatte anzuziehen, ganz so, als ginge er ins Büro.

»Hm.« Die Ärztin öffnete einen braunen Briefumschlag und zog ein paar körnige Kernspinaufnahmen heraus, die sie vor einen Leuchtkasten klemmte. Dann schaltete sie das Licht ein und schnappte sich einen Laserpointer, der an einem Schlüsselbund hing. »Also, die neuen Gehirnscans sehen schon viel besser aus. Die Schwellung ist fast verschwunden, wie Sie hier erkennen können …«

Erleichterung vernebelte Veronicas Blick und das Röntgenbild verschwand hinter einem Schleier. Verstohlen trocknete sie sich die Augen. Erst jetzt, als ihr Vater sich ganz sicher erholte, wurde ihr bewusst, wie viel Angst ihr die Vorstellung gemacht hatte, ihn zu verlieren. Er war alles, was sie an Familie hatte. Jeden Morgen war sie mit einem Druck in der Magengrube erwacht, darauf wartend, dass alles endlich wieder normal werden würde.

Normal – das ist die Parole, oder nicht? Sie lächelte in sich hinein. Nichts in ihrem Leben war normal gewesen, seit sie nach neun langen, ruhigen und vor allem normalen Jahren wieder nach Neptune zurückgekehrt war.

Als Teenager hatte sie nur noch weggewollt aus dieser Stadt, die von den Reichen und Korrupten regiert wurde – den Narben ihrer Jugend entfliehen wollen. Und sie hatte es geschafft – zumindest für eine Weile. Zuerst war sie nach Stanford gegangen und dann an die Columbia Law. Das Leben, das sie sich aufgebaut hatte, sah gar nicht so schlecht aus: ein klitzekleines Apartment in Brooklyn in Spuckweite des Prospect Parks, ein Jobangebot der Kanzlei Truman-Mann, wo sie bei den härtesten Anwälten New Yorks lernen konnte. Und ein süßer, talentierter und ausgeglichener Freund namens Piz.

Aber all das hatte sie zurückgelassen. Nur ein Anruf war nötig gewesen, um sie nach Neptune zurückzuholen. Als Logan, ihre Highschool-Liebe, zu Unrecht des Mordes an seiner Exfreundin bezichtigt worden war, hatte Veronica ihr gesamtes Leben stehen und liegen gelassen und war nach Hause geeilt, um seine Unschuld zu beweisen. Sie hatte den wahren Mörder überführt – und einen Teil von sich wiedergefunden, den sie verloren hatte, jenen Teil, der wusste, dass sie keine Anwältin sein wollte, sondern Privatdetektivin.

Und sie hatte Logan wieder. Nun war er ihr … Was eigentlich? Ihr neuer-Querstrich-alter Freund? Lover? Skype-Buddy? Brieffreund mit Extras?

Als was auch immer man ihn bezeichnen wollte, seine E-Mails füllten jedenfalls ihr Postfach. Manchmal schickte er fünf am Tag, kurz und witzig. Dann wieder schickte er längere, ernstere. Sie antwortete stets in lockerem Ton. Das war schon immer ihr Modus Operandi gewesen: ein Witz, eine sarkastische Spitze, alles, um davon abzulenken, was sie wirklich fühlte. Eine Methode, um den andauernden Schmerz darüber, dass sie ihn vermisste, nicht zu unerträglich werden zu lassen und damit leben zu können. Und mal ehrlich, was hätte sie denn auch sagen können, das auch nur annähernd wiedergab, was sie empfand?

Die Augenblicke, die sie miteinander verbracht hatten, bevor sich Logan zum nächsten Marine-Einsatz einschiffte, waren die friedvollsten, an die sie sich erinnern konnte – trotz der Angst um ihren Dad. Zum ersten Mal seit Langem hatte sie innere Ruhe verspürt, als würde ihr nichts fehlen. Und dann, einfach so, war er wieder weg gewesen.

»… deshalb möchte ich, dass Sie noch zwei Wochen warten, um ganz sicher zu sein. Und dann können Sie von mir aus langsam wieder anfangen. Vorausgesetzt, Sie überanstrengen sich nicht.« Dr. Subramanians Stimme drang wieder zu Veronica durch. »Ms Mars, ich übertrage Ihnen die Verantwortung, dass Ihr Vater sich nicht übernimmt. Falls er sich zu viel zumutet, haben Sie meine Erlaubnis, ihn sofort nach Hause zu schicken.«

»Hast du gehört?« Veronica zeigte auf Keith. »Mars Investigations hat soeben einen neuen schlecht bezahlten Praktikanten bekommen. Kopieren, Kaffee kochen und die Post, mein Freund.«

Ihr Vater schlug die Hände zusammen. »Darauf habe ich mein Leben lang hingearbeitet.«

Veronica zwang sich zu lächeln. Trotz ihrer Witzeleien verspürte sie ein vages Unbehagen in der Brust. Natürlich war sie erleichtert, dass ihr Vater bald wieder arbeiten durfte – sie wusste, wie wichtig ihm sein Job war. Als sie noch zur Highschool gegangen war, hatte sie in seiner Detektei, Mars Investigations, gejobbt. Offiziell war sie seine Rezeptionistin gewesen. Inoffiziell hatte sie sämtliche Fälle übernommen, für die er keine Zeit hatte aufbringen können.

Aber jetzt fragte sie sich, wie es wohl sein würde, als Partner mit ihm zusammenzuarbeiten. Würden Sie den Raum in der Mitte mit Klebeband teilen? War es überhaupt möglich, einen zweiten Schreibtisch hineinzuquetschen? Sie stellte sich einen spielzeuggroßen pinkfarbenen Plastiktisch neben dem Schreibtisch ihres Vaters vor, mit einem Aufkleber an einer Ecke: Fisher Price – mein erstes Büromöbel. Sie sah sich mit an die Brust gezogenen Knien dasitzen und wie wild auf einem Spielzeugcomputer herumtippen, während ihr Vater liebevoll zusah.

Das war lächerlich, schließlich hatten sie früher schon zusammengearbeitet. Aber Keith war nicht allzu glücklich über ihre Entscheidung, eine lukrative Karriere in einer Anwaltskanzlei aufzugeben, um mit dem Kameraobjektiv fremdgehenden Ehemännern hinterherzuspionieren. Während der vergangenen Monate hatte er sich einreden können, sie wäre da, weil er noch nicht wieder gesund war. Aber Veronica merkte zunehmend, wie es ihn wurmte. Wenn sie ihm mitteilte, dass sie erst spät nach Hause kommen würde, weil sie jemanden observierte, oder wenn sie etwas Lustiges oder Seltsames erwähnte, das sie bei einem Fall erlebt hatte, wurde Keith ganz still und wandte sich rasch ab. Als hätte sie sich lächerlich gemacht und es wäre ihm peinlich.

Er konnte nicht verstehen, warum sie zurückgekommen war. An manchen Tagen verstand sie es ja selbst nicht. Neptune war immer noch dieselbe funkelnde und doch schmuddelige Küstenstadt – wie ein angelaufener Bronzeengel, der über einem Friedhof wachte. Aber in dem Augenblick, als sie anfing, Logans Fall zu bearbeiten, hatte sie ihr Verlangen verspürt, zu ermitteln. Der Wunsch, die Wahrheit in einem Lügengeflecht zu entdecken, war wie ein Sog.

Ein paar Minuten später traten sie gemeinsam hinaus in den milden Sonnenschein. Veronica musterte ihren Vater kurz aus den Augenwinkeln und bemerkte, wie er die Lippen zusammenpresste, als sie die drei Stufen zum Parkplatz hinuntergingen. Keith Mars war ein kleiner, untersetzter Mann, fast glatzköpfig, aber mit einem dunklen Haarkranz an den Seiten. Sein kantiger Kiefer lief schon mittags Gefahr, einen Anflug von Bartstoppeln zu zeigen. Er sieht aus wie ein Cop, dachte sie und musste lächeln. Es war acht Jahre her, dass er zum letzten Mal eine Uniform getragen hatte, aber für sie würde er immer aussehen wie ein Polizist.

»Wie fühlt es sich an, deiner Topform einen Schritt näher zu sein?«

Keith klopfte mit seinem Stock auf den Bürgersteig. »Ich komm voran, einen winzigen Hinkeschritt nach dem anderen.«

»Hey.« Sie versetzte ihm einen sanften Stoß. »Spiel deine Karten richtig aus und ich lasse dich sogar das Aquarium sauber machen.«

Logans schnittiges mitternachtsblaues BMW-Cabrio stand auf einem Parkplatz voller Mittelklassewagen. Er hatte darauf beharrt, Veronica den Wagen während seines Einsatzes zu leihen. »Ich werde die nächsten sechs Monate auf einer riesigen Blechbüchse im Persischen Golf festsitzen. Was nutzt mir das Cabrio dort?«

Sie hatte versucht zu protestieren – der Wagen kostete mehr, als sie in den nächsten Jahren vermutlich verdienen würde –, aber sich auf den Fahrersitz gleiten zu lassen, gab ihr jedes Mal einen Kick. Und das lag nicht nur daran, dass das Armaturenbrett aussah wie in einem Raumschiff und die Ledersitze so weich waren wie ein Kinderpopo. Ein schwacher Geruch, warm und waldig, hing im Fahrersitz – ein entfernter Hauch von Logans Aftershave. Und wenn sie die Finger um das Lenkrad legte, konnte sie beinahe seine Hände unter den ihren spüren.

Du wirst weich, Mars, sagte sie sich, während Keith sich anschnallte. Du kannst dir den Luxus nicht mehr erlauben, dich wie ein liebeskranker Teenager aufzuführen.

Und überhaupt, schon zweieinhalb Monate waren vorbei – nur noch einhundertzwölf Tage, bis Logan zurückkam.

KAPITEL 2

Nachdem Veronica ihren Vater zu Hause abgesetzt hatte und wieder zurück in Richtung Mars Investigations fuhr, war der Verkehr bereits der reinste Albtraum. Die Frühjahrsferien waren in ihrer ganzen ausgelassenen Pracht über Neptune hereingebrochen, und obwohl der größte Teil der Feierwütigen die Strände und Promenaden bevölkerte, hatte sich die Party auch landeinwärts ausgebreitet, kroch die Geschäftsviertel und historischen Straßen der Innenstadt hinauf. Die Betrunkenen und Desorientierten überschwemmten die Bars, Restaurants und Geschäfte in ganz Neptune, sogar an einem Montag um die Mittagszeit. Das ging jetzt schon seit über einer Woche so und würde vor Mitte April nicht enden – die Küstenstadt war von Hunderten von Colleges aus leicht mit dem Auto erreichbar und jedes hatte einen eigenen Spring-Break-Termin.

Veronica warf einen Blick in den Rückspiegel. So weit das Auge reichte, lag die Autoschlange bewegungslos in der Sonne. Auf den Bürgersteigen wimmelte es von Studenten, die Freunden etwas zuriefen und Glasflaschen hoben, um sich spontan zuzuprosten. Die Gesetze bezüglich des Trinkens von Alkohol in der Öffentlichkeit waren offenkundig außer Kraft gesetzt. Aber das war während der dreiwöchigen Feriensaison nicht anders zu erwarten – in Neptune regierte das Geld und niemand verstand das besser als Sheriff Dan Lamb. Die meiste Zeit des Jahres verbrachte er damit, »unerwünschte Personen« (übersetzt: jeden, der sich nahe der Armutsgrenze bewegte) von den Straßen zu vertreiben, um dann wegzuschauen, wenn achtzehnjährige Komasäufer scharenweise dort auftauchten.

Irgendwo hupte jemand. Eine junge Frau mit Feder-Extensions im Haar beugte sich über den Rinnstein und erbrach sich. Dann richtete sie sich wieder auf und ging weiter, als wäre nichts gewesen. Eine Gruppe Mädchen in Bikinis stolperte auf ihren Rollerskates lachend über die Straße, während einige Jungs sie vom Bürgersteig aus mit ihren Handys filmten.

Veronica seufzte und drehte am Radio herum. Sie hatte Keith auf dem Rückweg einen Sender einstellen lassen und jetzt plärrte Blue Öyster Cult aus den Lautsprechern – die Kuhglocke bimmelte laut und stolz.

Dieses Teil empfängt fünfhundert Radiostationen und er landet zielsicher im Jahr 1976. Manchen Leuten ist einfach nicht zu helfen. Sie drückte gelangweilt auf die Knöpfe, suchte nach etwas, womit sie sich die Zeit vertreiben konnte.

»Das eine sage ich Ihnen: Ich würde meine Tochter nie während der Semesterferien nach Neptune fahren lassen.«

Veronica hielt inne. Sie hatte die Stimme sofort erkannt: Trish Turley, groß, blond, texanisch, durchschnitt mit der Stimmgewalt einer Rachegöttin die Radiowellen. Ihre Fernsehshow lief täglich auf CNN und Neptunes lokaler Radiosender brachte die Hörfassung.

»Dieser Ort ist doch der reinste Dampfkochtopf voller Hormone, Drogen und Alkohol. Den Kindern wird heutzutage nicht mehr beigebracht, ihre Grenzen zu respektieren. Und haben Sie gesehen, wie die Mädchen sich aufführen?« Man konnte förmlich sehen, wie Trish Turley den Kopf schüttelte. »Sie müssen Neptune nur im Internet suchen und Sie finden Video über Video, in denen sie ihre Brüste zeigen, um ein kostenloses Bier zu bekommen. Und dann sind wir geschockt, wenn jemand verletzt wird.«

Ah, die zwei bewährten Pfeiler des Skandaljournalismus: Schlampen anprangern und Schuldzuweisungen. Trish Turley bezeichnete sich gern als Sprachrohr der Opfer, aber jedes Mal, wenn sie einen Blick auf den allgemeinen Verfall der Gesellschaft warf (natürlich durch die getönten Brillengläser der weißen protestantischen Oberschicht), deckte sie stets alle Varianten ab. Die Verderbtheit der Jugend? Abgehakt. Verfall der Moral? Abgehakt. Vermisstes weißes Mädchen? Bingo!

Doch sogar Veronica musste zugeben, dass es verstörend war, wie wenig sich das Verschwinden der achtzehnjährigen Hayley Dewalt auf die Feierlaune ausgewirkt hatte. Am Wochenende war es in den Nachrichten gewesen: Hayley, die mit Freundinnen aus Berkeley hier die Ferien verbrachte, war seit fast einer Woche verschwunden. Bei der Partystimmung, die in der Stadt herrschte, wäre man allerdings nie darauf gekommen. Die Bässe dröhnten weiter und das Bier floss in Strömen. Veronica wusste nicht, wie diese Kids auf das Verschwinden eines Mädchens aus ihren Reihen reagieren sollten, aber diese blinde und glückselige Entschlossenheit, einfach weiterzumachen, als könnte ihnen nichts passieren, überraschte sie. Sie war sich nicht sicher, ob sie jemals dieses unbesiegbare, unzerstörbare Auftreten an den Tag gelegt hatte, selbst als sie jünger gewesen war.

»Und dann ist da dieser absolut unfähige Sheriff.«

Jetzt wurde Veronica hellhörig. Sie drehte das Radio etwas lauter.

»Dieser Dan Lamb. Was für ein Witzbold. Wer tritt denn allen Ernstes nach einem solchen Fall wie dem Verschwinden von Natalee Hollway noch vor die Kameras eines landesweiten Fernsehsenders, um zu sagen, wir sollen uns wegen eines vermissten Teenagers keine Sorgen machen? Ich hoffe, die Dewalts haben einen guten Anwalt an der Hand. Vielleicht würde eine Klage Lamb aufwecken.«

Ein Lächeln breitete sich auf Veronicas Gesicht aus. Trish, Trish, Trish. Wir haben so wenig gemeinsam, aber jetzt würde ich dich unheimlich gern küssen. Sie hatte Lamb schon seit Monaten im Visier und wartete auf eine Gelegenheit, ihn an die Wand zu nageln. Aber wenn er so weitermachte, würde er das ganz von allein tun.

Ins Rollen gebracht worden war das Ganze durch das Video, das Veronica an TMZ geschickt hatte. Sie hatte heimlich auf Band festgehalten, wie Lamb über den Bonnie-DeVille-Mordfall sprach: »Ist mir egal, wenn Logan Echolls es nicht war. Amerika hält ihn für schuldig, und das reicht mir völlig.« Dieser winzige Gesprächsfetzen hatte die Öffentlichkeit erschüttert und zum ersten Mal war die Wiederwahl des Sheriffs alles andere als sicher. Noch unterstützten ihn die reichsten Einwohner von Neptune – schließlich vertrat Lamb ihre Interessen –, aber seine Umfragewerte waren in den vergangenen Monaten in den Keller gestürzt.

»Lassen Sie uns seine Stellungnahme hören, als die Presse ihn Freitagnachmittag endlich vors Mikrofon bekam«, fuhr Turley fort. Die Tonqualität veränderte sich – Wind knisterte in ein billiges Aufnahmegerät. Sheriff Lambs Stimme klang ruhig, aber der Anflug von Ungeduld war nicht zu überhören.

»Natürlich halten wir Ausschau nach Miss Dewalt, aber bisher gibt es keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen. Zum jetzigen Zeitpunkt führen wir weder polizeiliche Ermittlungen noch eine Vermisstensuche durch. Hören Sie«, seine Stimme erhob sich über das anschwellende Murmeln der Menge, »so etwas passiert jedes Jahr. Kids werden von ihren Freunden getrennt. Sie haben ein bisschen zu viel Spaß, vergessen, sich bei den anderen zu melden, und schon verfallen alle in Panik. Ein paar Tage später tauchen die Betreffenden dann gesund und munter wieder auf. Neptune ist eine sichere Stadt.«

Ein Teil Lambs musste erkannt haben, dass es eine schlechte Idee gewesen war, aus dem Stegreif Fragen über ein vermisstes Mädchen zu beantworten. Aber er litt unter der pathologischen Unfähigkeit, die Aufmerksamkeit der Medien zu meiden. Das lag bei ihm in der Familie. Sein Bruder, Don, der Sheriff gewesen war, als Veronica noch zur Highschool ging, war aus demselben Holz geschnitzt gewesen. Und nun waren Lambs Zitate das ganze Wochenende im Radio zu hören und ließen Neptunes Sheriff’s Department hochmütig und unfähig wirken.

Der Verkehr begann wieder zu fließen. Veronica fuhr langsam weiter und hätte beinahe zwei Mädchen gestreift, die plötzlich mitten auf der Straße stehen blieben, um sich Zigaretten anzuzünden. Wie auf Kommando zeigten ihr die beiden den Mittelfinger. Veronica antwortete vergnügt mit derselben Geste und bog dann rechts ab in Richtung des Warehouse Districts.

Das rote Backsteingebäude, in dem sich Mars Investigations befand, hatte um die Jahrhundertwende eine Brauerei beherbergt und war im Laufe der vergangenen zehn Jahre in Lofts und Büros aufgeteilt worden. Veronica hatte sich noch immer nicht ganz daran gewöhnt. Als sie während der Highschool für ihren Dad gejobbt hatte, hatte das Büro in einem ruhigen Geschäftsviertel gelegen, umgeben von Buchläden und chinesischen Restaurants. Aber als ein Stück die Straße hinunter der ’09er eröffnet hatte, ein exklusiver neuer Nachtclub, waren die Mieten derartig in die Höhe geschossen, dass das Ein-Mann-Unternehmen ihres Vaters aus der Gegend katapultiert worden war. Im Warehouse District war die Miete bezahlbar. Wenn sie allerdings nicht bald einen guten Auftrag an Land zog, konnten sie sich auch die nicht mehr leisten.

Das Logo von Mars Investigations – ein stilisiertes Auge der Vorhersehung mit horizontalen Linien durch das Dreieck – befand sich in Glas geätzt über der Tür zur Treppe. Veronica stieg die knarrenden Stufen hinauf. Die Luft hier drin war typisch für alte Gebäude: trocken, staubig und warm. Oben auf dem Treppenabsatz stieß sie die Flügeltür zum Vorzimmer auf.

Der Raum war ordentlich, aber heruntergekommen. Licht schien durch die Fensterläden, fiel in langen Bahnen auf den Fußboden. Die Wände waren in einem braungrauen Ton gestrichen, der an den schattigen Stellen Trostlosigkeit verströmte. Die Farbe war wegen ihres günstigen Preises ausgesucht worden, nicht wegen ihrer ästhetischen Qualitäten. Unter den Fenstern stand ein Sofa aus einem Secondhandladen und in der Ecke vegetierte ein staubiger Gummibaum vor sich hin. Gegenüber dem Farbkopierer plätscherte leise das Aquarium.

Cindy Mackenzie saß am Empfang und sah sich auf dem größten der drei Bildschirme auf ihrem Schreibtisch Trish Turley an. Der kurze Haarschopf fiel über eins ihrer Augen und der ausgeleierte graue Pulli war über ihre schmale Schulter gerutscht. Veronica und Mac waren seit ihrem vorletzten Jahr an der Neptune High Freundinnen. Zusammengekommen waren sie aufgrund von Macs Fähigkeiten als Hackerin, aber es war ihr einvernehmliches Misstrauen Menschen gegenüber, das den Deal besiegelt hatte.

Mac sah auf, als Veronica ihre Lederjacke auszog und an den Kleiderhaken neben der Tür hängte. »Morgen, Boss.«

»Boss?« Veronica riss die Augen auf. »Habe ich etwa angefangen, dich zu bezahlen

»Nein«, erwiderte Mac und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm. »Aber es ist auch nicht wirklich Morgen.«

»Da würden dir Tausende von Spring Breakern widersprechen«, meinte Veronica.

»Touché.«

Ein paar Monate zuvor hatte Mac einen sicheren Arbeitsplatz bei Kane Software aufgegeben, um für Veronica bei Mars Investigations zu arbeiten. Die Bezahlung bei Kane war hervorragend gewesen, aber der Job selbst ein bisschen zu langweilig für eine selbst ernannte Gesetzlose der digitalen Welt. Neue und kreative Wege zu finden, wie man für Veronicas Klienten Dinge ans Tageslicht bringen konnte, war weitaus mehr nach Macs Geschmack. Als Titel hatten sie sich Technische Analystin überlegt, aber momentan war das mehr ein theoretisches Modell – die Auftragslage war seit Wochen mies und die wenigen Fälle, die sie zuvor zu lösen gehabt hatten, waren ziemlich anspruchslos gewesen. Fremdgehende Ehepartner, betrügerische Versicherungsansprüche, Überprüfen von Zahlungsfähigkeit. Dinge, die Veronica auch allein hinbekommen hätte.

»Hast du die Nachrichten gesehen?« Mac nickte in Richtung Monitor und drehte den Ton lauter. Trish Turleys üppiges Haar füllte den größten Teil des Bildschirms – eine steife blonde Föhnfrisur, die sich kein bisschen rührte, wenn Trish sich bewegte. Ihre Augen funkelten beim Reden, während sie jedes einzelne Wort mit selbstgerechter Empörung artikulierte.

»Ich möchte jeden dazu ermutigen, für den Findet-Hayley-Fonds zu spenden. Wenn dieser Sheriff sie nicht sucht, dann müssen wir handeln, liebe Zuschauer.«

»In dem Fonds sind schon fast 400 000 Dollar, dabei existiert er erst seit ein paar Tagen«, sagte Mac.

Veronica stieß einen leisen Pfiff aus. »Trish Turley mag ja eine opportunistische Parasitin sein, die sich von unserem kaputten Strafjustizsystem ernährt. Aber eins muss man ihr lassen: Sie kann eine Verkaufsparty schmeißen!« Sie ließ sich auf das abgewetzte Sofa fallen und lehnte den Kopf gegen die Wand. »Lass uns nächstes Jahr während der Frühlingsferien wegfahren, Mac. Irgendwohin, wo es keine kotzenden College-Kids gibt. Und keine Besäufnisse.«

»Alles klar, nächstes Jahr Frühlingsferien in Teheran. Ich buche auf der Stelle«, sagte Mac und blickte nicht einmal von ihrem Computer auf. »Wie geht’s deinem Dad?«

»Gut. Die Ärztin meinte, noch ein paar Wochen, dann darf er wieder Revierdienst schieben. Er kann es kaum erwarten.«

»Katastrophale Verletzungen sind bei manchen Leuten reine Verschwendung.« Mac schüttelte den Kopf. »Wenn mir so ziemlich jedes Organ gerissen wäre, würde ich aus der Sache rausholen, was nur ginge.«

Veronica starrte auf den zickzackförmigen Riss, der sich wie ein Sternbild die Decke entlangzog. Ihr schoss durch den Kopf, dass sie den Vermieter anrufen sollte. Aber mit Sven über die beschissene Decke zu reden, bedeutete, mit Sven auch über die Miete zu reden, die seit drei Tagen fällig war. Sie atmete laut aus und schloss die Augen. »Dir ist vielleicht aufgefallen, dass ein weiterer Freitag gekommen und gegangen ist, ohne dass sich dein Kontostand verändert hat.«

Mac unterbrach sie. »Ist schon gut, Veronica. Ich weiß, dass es momentan ein bisschen eng ist.«

Veronica öffnete die Augen und lächelte matt. »Mac, es tut mir leid. Ich habe mir das echt anders vorgestellt.«

»Hey«, sagte Mac tadelnd. »Wir wussten beide, dass es möglicherweise nicht funktioniert. Hör zu, ich habe mich bereits nach einem Nebenjob umgesehen. Nur um meine Rechnungen begleichen zu können, okay? Und wenn du mich brauchst, komme ich jederzeit vorbei, quasi als Beraterin.« Sie grinste schief. »Mein Beraterhonorar ist allerdings doppelt so hoch.«

»Selbstverständlich.« Veronica lächelte, aber innerlich duckte sie sich. Nicht nur, dass sie Mac hängen ließ, sie befürchtete zudem, dass es nie wieder einen Fall geben würde, der kompliziert genug war, um Macs technisches Know-how zu benötigen. Veronica hatte lange genug für ihren Dad gearbeitet, um zu wissen, wie es bei Privatdetekteien lief: Auf jeden interessanten Fall, auf jedes Puzzle auf Sherlock-Niveau, entfielen einhundert kleine langweilige Fälle. Und sie bekam noch nicht einmal von Letzteren genug zusammen.

Hatte sie sich allen Ernstes dafür entschieden? Gegen New York, gegen einen Anwaltsjob mit sechsstelligem Gehalt – die Prämienzahlungen nicht mitgerechnet? Nun, bei der Flaute war es eh bald wieder vorbei mit der Detektivarbeit. Falls sich nichts änderte, würde Mars Investigations – und die ganze Arbeit ihres Vaters – um sie herum zusammenbrechen.

Wie aufs Stichwort wurde die Tür aufgestoßen.

Eine Frau mit kastanienfarbenen Locken, die ihre hohen Wangenknochen umrahmten, und mit einem für ihre üppigen Kurven maßgeschneiderten, leichten Wollkostüm, trat ein. Ihre Pfennigabsätze klapperten über den Boden, während sie sich mit sinnlicher Anmut vorwärtsbewegte. Ihre dunklen, samtigen Augen schweiften durchs Zimmer, bis ihr Blick schließlich auf dem Sofa verharrte, wo Veronica saß. »Ich bin auf der Suche nach Keith Mars. Ich benötige seine Hilfe.«

KAPITEL 3

Veronica rappelte sich hoch und verfluchte innerlich das durchgesessene Sofa. Es war schlichtweg unmöglich, sich daraus stilvoll zu erheben. Nur mit einem kleinen Hüpfer konnte sie am Ende die Balance halten. »Mr Mars ist momentan beurlaubt. Ich übernehme in der Zwischenzeit seine Fälle.« Sie streckte die Hand aus. Die Frau zögerte kurz, bevor sie sie ergriff. »Ich bin Veronica Mars.«

»Petra Landros.« Ihre Stimme war tief und melodisch, mit einem Hauch von Akzent.

Veronica musterte sie kurz und registrierte schnell ein paar Fakten: Armani-Kostüm, Jimmy Choos, Diamantohrstecker und Diamantringe an den Fingern. Erste Anzeichen von Krähenfüßen zierten ihre Augenwinkel, aber ihr Körper war eindeutig das Ergebnis von schwarzer Magie, Pilates oder figurformender Unterwäsche. Die Frau kam ihr vage bekannt vor. Doch vor allem wirkte sie reich und verkörperte damit die Möglichkeit, den Betrieb eine weitere Woche aufrechtzuerhalten. Besonders, da sie bei Veronicas speziell gestaffelten Honoraren in die Reiche-Tussi-Rubrik fiel.

Petra runzelte die Stirn. »Das ist bedauerlich. Wie lange wird Mr Mars weg sein?«

»Die nächsten Monate.« Na ja, er würde wohl kaum früher in der Lage sein, heimlich durch Fenster zu spähen – es war also nicht wirklich gelogen. »Aber lassen Sie mich Ihnen versichern, dass wir unseren Klienten auch während seiner Abwesenheit denselben ausgezeichneten Service bieten.«

»Und mit ›wir‹ meinen Sie … sich, stimmt’s?« Landros sah sie zweifelnd an.

Veronica kannte diesen Blick – vor allem von weiblichen Klienten. Er bedeutete für gewöhnlich, dass ihr der Job durch die Lappen ging. Als sie noch eine Amateurin gewesen war, hatte es sich als Vorteil erwiesen, dass sie nicht wie eine Detektivin aussah. Die Leute waren unachtsam geworden und sie hatte sich überall frei bewegen können. Aber jetzt, da sie das Aushängeschild der Firma war, wurde schnell deutlich, dass ihre zierliche Statur und das blonde Haar nicht gerade das Vertrauen ihrer Kunden förderten.

Ein Anflug von Verärgerung stieg in Veronica hoch, und noch bevor sie sich zurückhalten konnte, zeigte sie zum Fenster. »Sehen Sie das Schild Mars Investigations? Ja, das bin ich. Ich bin Mars. Also, ja. Ich meine mich.«

Veronica sah flüchtig, wie Mac so tat, als würde sie mit der Stirn auf die Tischplatte knallen. Vielleicht müssen wir jemanden mit mehr Sozialkompetenz einstellen, dachte sie, aber als sie sich Petra zuwandte, wirkte diese amüsiert.

»Ich weiß, wer Sie sind, Ms Mars. Sie sind die Frau, die Bonnie DeVilles Mörder seiner gerechten Strafe zugeführt hat. Und Sie haben den Sheriff im landesweiten Fernsehen gedemütigt.«

Veronica zuckte mit den Schultern. »Lamb hat sich selbst gedemütigt. Ich habe nur dafür gesorgt, dass es während der besten Sendezeit passierte.«

Landros lächelte schief. »Genau deshalb wünschte ich, Ihr Vater wäre hier. Man sagte mir, er wäre ein wenig … diskreter. Aber die Situation ist nun mal nicht zu ändern …«

Mit einem Mal hielt Veronica eine Visitenkarte in der Hand und konnte nur mit Mühe verhindern, dass ihr die Kinnlade herunterklappte. Auf den linken Rand war das rot-goldene Logo des Neptune Grand Hotels geprägt. Unter Petra Landros’ Namen stand einfach nur: Eigentümerin.

Jetzt wusste sie, warum die Frau ihr so bekannt vorkam.

Petra Landros, ehemaliges Unterwäschemodel, das den führenden Luxushotelier Südkaliforniens geheiratet hatte. Veronica erinnerte sich, ihr Foto in Hochglanzmagazinen gesehen zu haben, die sie und Lilly Kane, ihre beste Freundin während der Highschool-Zeit, am Pool liegend verschlungen hatten. Petra Landros mit Schmollmund in einem diamantenbesetzten Halbschalen-BH posierend. Ein paar Jahre lang war sie in Veronicas Augen eine typische Trophäenfrau gewesen, bis ihr Mann im Alter von sechsundvierzig Jahren bei einem tragischen Skiunfall ums Leben gekommen war. Zur Überraschung aller hatte Petra Landros daraufhin die Leitung des Unternehmens übernommen. Anfangs war man in der Stadt damit umgegangen wie mit einem schlechten Witz. Aber falls das Landros’ Gefühle verletzt haben sollte, dann hatte sie während des Weinens immerhin kräftig Kohle gescheffelt. Sie hatte nicht nur die Umsätze des Neptune Grands gesteigert, sondern auch ein großes Stück der Promenade erworben und dort zwei neue Restaurants gebaut. Darüber hinaus hatte sie den Bruder ihres verstorbenen Mannes mit einer Rücksichtslosigkeit aus dem Aufsichtsrat gekickt, die Leona Helmsley die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte.

Mit anderen Worten: Veronicas Gebührensätze waren soeben drastisch in die Höhe geschossen.

»Wieso kommen Sie nicht mit in mein Büro?« Veronica deutete auf die offene Tür.

Veronicas Büro – Keiths Büro – war heller als das Vorzimmer und verfügte über zwei große Fenster, die nach Osten beziehungsweise Süden gingen. Die Wände waren in einem sonnigen Gelb gestrichen und die Schiffsmodelle ihres Vaters reihten sich entlang der Fensterbänke und oben auf den Aktenschränken.

Landros ging voraus, setzte sich in einen der tiefen Sessel und schlug die langen Beine übereinander. Veronica blieb gerade noch genug Zeit, einen verblüfften Blick mit Mac zu tauschen, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

»Also, was kann ich für Sie tun?« Veronica umrundete den Schreibtisch, um sich in den Lederstuhl ihres Vaters zu setzen. Sonnenlicht fiel durch das große Fenster hinter dem Schreibtisch und fing sich in jedem einzelnen von Landros’ Diamanten, die bei jeder ihrer Bewegungen funkelten.

»Ich bin im Namen von Neptunes Handelskammer hier. Sie haben vielleicht am Wochenende die Nachrichten gesehen.« Petra Landros schürzte ihre vollen Lippen. »Unser geliebter Sheriff hat so eine Art PR-Albtraum geschaffen.«

»Sie meinen das Verschwinden von Hayley Dewalt?«

Landros seufzte. »Natürlich. Wir hatten Lamb gebeten, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Stattdessen hat er es geschafft, uns wie eine Stadt voller herzloser Soziopathen erscheinen zu lassen. Und jetzt hat Trish Turley ihre Zähne in die Story geschlagen und erzählt den Eltern, sie sollen ihre Kinder während der Semesterferien nicht nach Neptune fahren lassen.«

Veronica runzelte die Stirn. »Verstehe. Sie wollten also, dass Lamb Hayleys Verschwinden herunterspielt, aber nicht so sehr, dass es aussieht, als würden uns die Dollars der Touristen mehr am Herzen liegen als das Leben eines Teenagers.«

»Geschäftsfrau sind Sie wirklich nicht, stimmt’s?« Landros zog eine der perfekt gepflegten Augenbrauen hoch. Der Sessel knarrte leise, als sie ihr Gewicht verlagerte. »Hören Sie, ich möchte Ihnen nichts vormachen, Ms Mars. Mein Hotel und die Tourismusbranche hier in Neptune erwirtschaften fast vierzig Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes während der Frühlingsferien. Wir können es uns nicht leisten, dieses Stück vom Kuchen zu verlieren. Also ja, ich möchte, dass das Verschwinden des Mädchens mit einem gewissen Fingerspitzengefühl behandelt wird. Aber das heißt nicht, dass wir Hayley nicht finden wollen.«

Veronica lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück und schaute aus dem Fenster. Selbst in dieser vergleichsweise ruhigen Gegend konnte sie das Dröhnen von Autoradios, das schallende Gelächter und das Klirren von zerbrechendem Glas aus den Geschäftsstraßen ein paar Blocks entfernt hören. »Klingt nicht so, als wäre das Geschäft stark eingebrochen.«

»Ein paar Straßen voller Teenager machen noch keine Frühlingsferien«, erwiderte Landros ruhig. »Das ist nichts im Vergleich zum letzten Jahr. Allein am Wochenende hatten wir Hunderte von Stornierungen. Das sind nicht nur Hunderte stornierter Zimmer, sondern auch Hunderte von Drinks, die nicht bestellt werden. Hunderte von Mahlzeiten, die nicht gegessen werden. Hunderte von Badeanzügen und Flip-Flops, die nicht gekauft werden. Hunderte von Taucherausrüstungen, Kajaks und Motorrollern, die nicht gemietet werden. Und jeden Tag ist Turley da draußen und erzählt den Eltern, dass es in Neptune nicht sicher sei, erzählt ihnen, ihre Töchter würden entführt oder vergewaltigt oder ermordet, sobald sie einen Fuß über die Stadtgrenze setzen.«

»Sie möchten also, dass ich …?«

»Finden Sie Hayley Dewalt.«

Veronica schenkte ihr einen langen, ausdruckslosen Blick. »Wäre das nicht die Aufgabe des Sheriffbüros?«

Petra beugte sich vor und sah Veronica fest in die Augen. »Glauben Sie ehrlich, dass Lamb dieses Mädchen finden wird?«

»Heißt das, die Handelskammer unterstützt Sheriff Lamb und seinen Wahlkampf nicht länger?«, erkundigte sich Veronica mit honigsüßer Stimme.

Landros spitzte die Lippen. Veronica konnte die Antwort in ihrem Gesicht lesen. Lamb, unfähig, wie er war, bot der Handelskammer einfach zu viele Vorteile, um ihn abzusägen. Er kümmerte sich zu gut um deren Interessen. Sie würden seine Kampagne finanzieren und gleichzeitig Veronica anheuern, um die eigentliche Polizeiarbeit zu erledigen. Das war ihnen den Preis wert.

»Übernehmen Sie den Auftrag?«, fragte Landros, ohne Veronica eine Antwort gegeben zu haben.

Veronica lauschte dem Straßenlärm. Irgendwo in ihrem Hinterkopf konnte sie Hayley Dewalt sehen – die adrette Brünette, deren Gesicht in der vergangenen Woche auf sämtlichen Fernsehkanälen zu sehen gewesen war – und sie verspürte ein heftiges Stechen. Sie hatte Hayley zwar nicht gekannt, aber sie kannte genügend Mädchen wie sie.

»Mein Honorar beträgt zweihundert die Stunde plus Spesen. Ich brauche einen täglichen Vorschuss von siebenhundert, solange ich an dem Fall arbeite. Sollte ich Hayley finden, steht mir die komplette Belohnung zusätzlich zu meinem Honorar zu.« Veronicas Stimme war fest und geschäftsmäßig. Sie verschränkte die Finger vor dem Kinn.

Veronica konnte sich den Luxus nicht leisten, ihre Beweggründe übertrieben gründlich zu analysieren. Wenn so viel Geld auf dem Spiel stand, würde die Handelskammer zahlen. Und wenn sie das vermisste Mädchen fand, während sie den Laden ihres Vaters am Laufen hielt, umso besser.

Die beiden Frauen beäugten einander einen Moment lang über den Tisch hinweg. Das Licht vom Fenster verfing sich in Landros’ linkem Ohrring. Der funkelte plötzlich so stark, dass Veronica blinzeln musste.

Schließlich nickte Landros. »Sie haben also doch Geschäftssinn.« Sie lächelte. »Abgemacht, Ms Mars. Sie haben den Auftrag.«

Veronica zog einen Stift aus dem fassförmigen Halter. »Was wissen Sie über den Fall? Wo wurde Hayley zuletzt gesehen?«