Sebastian Schoepp

MEHR SÜDEN
WAGEN

Oder wie wir Europäer wieder zueinander finden

eBook Edition

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ISBN 978-3-86489-560-9

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2014
Satz: Publikations Atelier, Dreieich
Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany

Inhalt

Die Entzauberung

Gran Tour

Über die Alpen!

Toskanische Lektionen

Kastiliens Wald aus Stein

Auf der Suche nach einer Himmelsrichtung

Mediterrane Kargheit

PIGS: Vom Sehnsuchtsort zum Schweinestall

Römische Familienbande

Padre Padrone

Cäsaren der Wirtschaft

Der spanische Mythos des Ziegelsteins

Barcelona: Aufbruch in der Stadt der Ankunft

500 Jahre Krise

Ende der Fiesta

Plaza, Forum, Agora

Portugal trägt Schwarz

Helden der Demontage

Die Empörten von Madrid

Italien wacht auf

Vom Denken des Südens

Mehr Kontext wagen

Max Weber und der katholische Kontrast

Turiner Traurigkeit

Krematorium an der Costa Blanca

Lob der Siesta

Der Traum von Lateineuropa

Gesunden am Süden

La Convivencia: Vom Zusammenleben der Kulturen

Pilgerfahrt nach Santiago

Kraftraum Mittelmeer

Vom Stolz, ein Grieche zu sein

Die große Wanderung

Miteinander reden

Europäisches Herz

Anmerkungen

Literatur

Die Entzauberung

»Und doch lässt sich allem Anschein zum Trotz ein
vernünftiger Kern in all dem Irrsinn ausfindig machen.«

Angelo Bolaffi1

Er hatte alles erreicht – und das in atemberaubender Geschwindigkeit: 1889 hatte er in Jura promoviert, 1892 folgte die Habilitation in Handelsrecht. Im Jahr darauf wurde er außerordentlicher Professor in Berlin. 1894 erhielt er einen Lehrstuhl für Nationalökonomie in Freiburg, 1896 in Heidelberg. Eine steile Karriere nahm ihren Lauf. Auch privat lief es hervorragend für Max Weber. 1893 heiratete er eine entfernte Cousine, Marianne Schnitger, Tochter eines Leinenfabrikanten, wohlhabend, selbst Wissenschaftlerin und Frauenrechtlerin, in jeder Hinsicht eine gute Partie. Mit Anfang dreißig war Max Weber einer der geachtetsten Wissenschaftler Deutschlands, die akademische Welt riss sich um den Austausch mit dem vielversprechenden jungen Professor, der dazu ansetzte, die altehrwürdige, aber muffige Nationalökonomie zur modernen Sozialwissenschaft umzubauen. Was konnte ihm noch im Wege stehen? Nur sein stärkster Gegner – er selbst.

Weber arbeitet wie besessen, Tag und Nacht, »stopft sein Leben und sich voll, mit Terminen, Lektüren, Aufträgen, Arbeiten, Essen, Bier«.2 Bis zum Zusammenbruch. Im März 1898 wird bei Max Weber eine »Neurasthenie in Folge jahrelanger Überarbeitung diagnostiziert«.3 Er kann kaum noch sprechen, geschweige denn arbeiten. »Mir vergehen beim Blick auf mein Kollegheft einfach die Sinne«, klagt er. Einer der vielversprechendsten Sozialwissenschaftler Deutschlands sitzt nur noch da und »stumpft vor sich hin«. Sein Zustand, so heißt es, schließe »jeden geselligen Verkehr aus«.4

Ein klarer Burn-out, wie man heute sagen würde.

Max Weber verbringt Monate in Sanatorien und auf Kuren. Er wird therapiert mit frischer Luft, Ruhe, Hypnose, Alkoholverbot, Gymnastik, Tiefenatmung, Veronal, Heroin, Ermunterung zum Geschlechtsverkehr, wie sein Biograph Jürgen Kaube schreibt.5 Doch nichts hilft, um ihn aus dem »Nervenbankrott« herauszuholen. Bis er sich zu einer folgenreichen Entscheidung durchringt. Weber beschließt, es in Italien zu versuchen, wo schon Johann Wolfgang Goethe lebenslange »Leitung, Fördernis« und geistige Heilung gesucht hatte.6 In Rom, so Max Webers Hoffnung, könne auch er »Krankheit und Erdenschwere versenken in das gewaltige Meer der Eindrücke«. Der Kranke reist über die Alpen, nimmt über Monate Quartier in Rom, diskutiert mit Einheimischen, treibt sich in Künstlerkneipen und Archiven herum. Und siehe da: Jetzt, da ihn »die sonnenumflossene Daseinsfreude des Südens«7 umweht, geht es ihm spürbar besser.

Ein Entschluss beginnt zu reifen: Er gibt die Hochschulkarriere auf und wird sozusagen Privatgelehrter. Aber nicht nur, dass Rom ihm Erholung, Muße und Abstand zu seiner bedrückenden Heidelberger Studierstube verschafft, das Ambiente gibt ihm auch neue Kraft für eine Aufgabe, die seine größte werden soll. »Als Weber allmählich aus diesen Qualen wieder herauskommt (…), beginnt fast schlagartig jene Produktion, die ihn berühmt machen wird.«8 Das nun entstehende Werk wird den Titel Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus tragen und die Sozialforschung revolutionieren. Noch heute wird es häufiger zitiert als jedes andere, wenn es darum geht, die krankmachenden Mechanismen einer Wirtschaftsweise zu beschreiben, die das Prinzip der Gewinnanhäufung zum Selbstzweck erhoben hat.

War es ein Zufall, dass Max Weber sein Hauptwerk in Italien konzipierte? Viele seiner Biographen deuten an: wohl nicht. »In Italien hatte er eine Lebensweise kennengelernt, die diesen Druck zu negieren wusste und den Menschen unabhängig von seiner beruflichen Leistung beurteilte«, stellt etwa Silke Schmitt fest, die Webers Rom-Aufenthalt erforscht hat. »Hier wurde ihm eine weitere Option aufgezeigt, als Gegenteil zur Berufsethik, die er selber gelebt hatte und deren Folgen er in Rom auskurieren musste.«9

Jahrhundertelang war der Süden unsere Labsal, unsere Erholung, unsere Inspiration, unsere Zuflucht vor uns selbst und unserer Arbeitswut. Doch seit wir durch den Euro in einer Familie mit dem Süden leben, mögen wir ihn nicht mehr. Die Europäer haben wieder gelernt, sich zu hassen, konstatiert der italienische Politologe und Deutschland-Kenner Angelo Bolaffi.10 Die neue Währung hat, anstatt uns zu vereinen, eine Bruchlinie durch Europa gezogen: Die Mittelmeerregion ist vom Sehnsuchtsziel zur Krisenmetapher herabgesunken. Die Sonntagsreden zur Euro-Einführung, die Griechenland als Wiege der Demokratie und Italien als Geburtsort der Renaissance priesen, waren noch nicht verklungen, da wurde das feierliche Gesäusel schon übertönt vom Hetzgeschrei: Nördliche Schlagzeilerei über »faule Südländer« lieferte sich publizistische Scharmützel mit südlichen Karikaturen von Angela Merkel mit Hitler-Bärtchen. Die Mexikanisierung Südeuropas, die gedankliche Abtrennung eines vermeintlich rückständigen von einem prosperierenden Teil des Kontinents, ist seitdem in vollem Gange. Im Krisenjahr 2012 wurde in der deutschen Presse bereits der baldige »Abschied vom Süden« verkündet, der wohl unrettbar verloren sei.11 Tröstlich, dass sich auch die kundigsten Propheten manchmal irren.

Vielleicht hätte man beizeiten auf einen früheren Propheten der europäischen Einigung hören sollen: Als der französische Außenminister Robert Schuman 1950 in einer Rede die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorschlug, die der Vorläufer der Europäischen Union werden sollte, sagte er: »Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.«12 Als sich fünfzig Jahre später die Euro-Länder zur Währungsunion zusammenschlossen, taten sie jedoch genau das, wovor Schuman gewarnt hatte: Sie schufen eine »einfache Zusammenfassung«, eine Ballung unterschiedlicher, teils konträrer Lebens-, Werte- und Wirtschaftssysteme, ohne sie einer genaueren Analyse unterzogen zu haben. Die gemeinsame Währung, der Konsum würden uns schon alle bald gleichmachen, so die Hoffnung.

Doch es kam anders. »Heute ist man sich weitgehend einig, dass die Entscheidung, den Euro entsprechend der im Vertrag von Maastricht vorgesehenen Fristen und Bedingungen einzuführen, eine Art Gründungsfehler darstellt (…)«, schreibt der Politologe Bolaffi.13 Allerdings sei es – nicht zuletzt angesichts der durch die deutsche Einheit entstandenen Dynamik in Europa – wahrscheinlich unvermeidlich gewesen, diesen Fehler zu begehen. Und schien der Euro nicht tatsächlich die Bedürfnisse aller zu befriedigen? Die Länder, die bis dato mit Deutschland nur durch dauernde Abwertung ihrer Währungen konkurrieren konnten, erhofften sich einen raschen Aufschwung. Deutschland wiederum durfte eine Stärkung seines Exports erwarten. In den ersten Jahren nach der Euro-Einführung 2002 schienen sich die Hoffnungen zu erfüllen: Die Südländer profitierten von niedrigen Zinsen, ein mächtiger Kapitalfluss von Nord nach Süd setzte ein, an dem auch deutsche Banken prächtig verdienten. Der Süden gab das Geld für die Erneuerung seiner Infrastruktur und die Anpassung seiner Sozialsysteme an nord- und mitteleuropäische Standards aus; das war im Norden auch so gewünscht, denn man wollte ja einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit gleichartigen Lebensbedingungen und starken Konsumenten.

Doch dann schoss der Süden in seinem Erneuerungswillen über das Ziel hinaus und kollabierte, während Deutschland immer stärker wurde. Es hätte vielleicht gutgehen können, wenn der Süden mehr Zeit gehabt und der internationale Finanzkapitalismus ihn nicht gleichzeitig als schlachtbares Opfer ausgemacht hätte. Während Hedgefonds gegen ganze Volkswirtschaften zu spekulieren begannen, setzte für die Menschen im Norden wie im Süden das große Leiden ein: Die Südländer mussten nach einem flüchtigen Boom alles Aufgebaute wieder in Grund und Boden sparen. Und der Norden fühlte sich als Zahlmeister, weil er für die fälligen Notkredite bürgen musste, die wenigstens den Mindeststandard retten sollten. Und ist es nicht wirklich viel verlangt, ja empörend, wenn deutsche Steuerzahler für die windigen Immobiliengeschäfte spanischer Banken eintreten sollen, die eine Spekulationsblase aufpumpten, die platzen musste? Ja, es ist empörend, aber niemand, der den Süden vorher kannte, wird abstreiten, dass solche Entwicklungen voraussehbar waren. Man hätte rechtzeitig wirksamere Ventile installieren können, anstatt wie besinnungslos Geld in ein Fass ohne Boden zu pumpen. Dafür aber hätte es einer intensiven Auseinandersetzung mit den sozialen und wirtschaftlichen Mechanismen des Südens bedurft.

Die Länder, die nun auf Hilfe bei der Lösung ihrer Finanzprobleme angewiesen sind, waren bis in die 1960er Jahre arm. Anders als in der nördlichen Verklärung war das Leben im Süden nie leicht. Die Städte waren eng und grau, das flache Land verkarstet und verlassen, die von Diktaturen ererbte Bürokratie marode, die Wirtschaft immobil und patriarchalisch strukturiert. Das Wachstum um die Jahrtausendwende war buchstäblich auf Sand gebaut. Der französische Historiker Fernand Braudel hat lange vor der Euro-Krise festgestellt, dass der Mittelmeerraum mit seinen ererbten agrarischen Patronagestrukturen eine »verlockende Beute für diesen Kapitalismus mit seiner jugendlichen Kraft und seinen scharfen Zähnen« sei.14

Der Süden hat sich in seinem Erneuerungswillen einem hastigen Prozess der Vernordung unterzogen. Spanien erklärte die Siesta zum Museumsstück, Griechen, Italiener und Portugiesen ergaben sich einem durchgetakteten Lebensstil zwischen Computerarbeitsplatz und Neubauwohnung. Doch hinter den modernen Fassaden lebten die alten, undynamischen und patriarchalischen Wirtschaftsmodelle fort. Liegt die Rettung nun darin, dass die Länder des Südens noch schneller zu der puritanischen Askesemoral erzogen werden, deren krankmachende Dogmen Max Weber beschrieben hat? Glaubt man den Vorbetern aus Berlin und Brüssel, dann ist diese Lektion »alternativlos«. Tatsächlich sind im Süden mehr Menschen bereit, über sich zu reflektieren und überkommene Strukturen zu reformieren, als man nördlich der Alpen Norden glaubt. Doch sie pochen darauf, dass dabei ihre Geschichte, ihr Wesen und ihre Lebensgewohnheiten berücksichtigt werden. Es ist ein Postulat, das der katalanische Journalist Enric Juliana in eine Forderung an einheimische und ausländische Politiker gekleidet hat: »Ich akzeptiere die Härte der Zeiten, aber demütigt mich nicht!«15

Das Brüsseler Direktorium, wie Juliana es nennt, schert sich um solche Stilfragen nicht. Im blindwütigen Glauben an die Mechanismen des Marktes erheben Brüssel und Berlin radikale politische Forderungen und deklarieren sie als wissenschaftliche Wahrheit, der sich jedwede humanitäre Erwägung unterzuordnen habe: Man müsse den Arbeitsmarkt und das Rentensystem umbauen, sparen, sparen, sparen, den Kündigungsschutz aufheben, die öffentlichen Investitionen stoppen, kurz: das Erreichte opfern – dann werde alles wieder gut, so die Botschaft der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission. Sie wird dabei sekundiert von Medien aus dem Norden, die den Euro zur Besserungsanstalt der Nationen erklärt haben.16 Beide machen dabei einen verhängnisvollen Fehler. Sie verkennen, dass man jahrhundertelang gewachsene Systeme nicht von heute auf morgen umbaut. Und sie verkennen, dass der Umbau, wenn überhaupt, nur in einem dialogischen Prozess bewerkstelligt werden kann, der auf einem Mindestmaß an Empathie fußt und das Wertesystem und die historischen Rahmenbedingungen der zu Reformierenden einbezieht.

Das beginnt schon damit, dass, wer im Süden reüssieren will, sich der mediterranen Tradition von forum, agora und plaza stellen muss. Politik muss sich dort noch viel stärker als im Norden im öffentlichen Raum verständlich machen, rhetorisches Profil zeigen – und dazu, das weiß man seit Cicero, gehört es, sich mit dem Wesen dessen, den man überzeugen will, intensiv auseinanderzusetzen. Der mantrahaft vorgetragene Verweis auf das Vorbild Deutschland genügt nicht. Er zeugt vielmehr von einem besorgniserregenden Mangel an Einsicht in die simple Tatsache, dass Griechenland, Spanien, Italien oder Portugal nun mal nicht Deutschland sind.

Wie aber sind sie? Sind sie wirklich nur ökonomische Katastrophenfälle? Kann man über Jahrtausende gewachsene Kulturen auf ihre Performance an den Finanzmärkten reduzieren? Oder können ihre Werte und ihre Lebensvorstellungen nicht sogar das Ihre dazu beitragen, Europas Burn-out zu überwinden? Traurig genug, dass man im Europa des 21. Jahrhunderts überhaupt noch daran erinnern muss: an die wissenschaftliche Tradition Italiens von Galileo Galilei bis Leonardo da Vinci; daran, dass Portugal und Spanien lebendige Demokratien sind, die sich aus eigener Kraft und ohne Invasion in den 1970er Jahren von ihren Diktaturen befreit haben; daran, dass uns hellenische Gelassenheit noch bis vor kurzem als therapeutisches Gegenmodell zu selbstausbeuterischer Getriebenheit gepriesen wurde. Ja, aber die Wirtschaft? Glaubt man Max Webers Kollegen Werner Sombart, dann hat der Mittelmeerraum den Kapitalismus sogar erfunden.17 Es war jedoch ein anderer Kapitalismus als der, den uns später die Puritaner lehrten. Es war die wertebewusste Patrizierwirtschaft der vorindustriellen Epoche, ein Kapitalismus, der nicht an Geldanhäufung als Selbstzweck interessiert war, sondern Baudenkmäler und Städte hinterließ, durch die wir heute so kulturbeflissen schlendern, wenn wir uns gerade mal wieder vom Geldanhäufen erholen.

Und mehr noch: Der Mittelmeerraum mit seinem historischen Netz von Hafen- und Handelsstädten, seiner segensreichen Vermischung von Kulturen und Talenten, hat die Mechanismen der Globalisierung im Kleinen vorweggenommen. Und er hat eine Lehre hinterlassen: Die Mittelmeerbewohner verstanden es, die kulturelle Vielfalt zum ökonomischen Vorteil zu nutzen, anstatt nach Einebnung zu streben wie die Apple- und Google-Globalisierung. Es war die convivencia, das Prinzip des Zusammenlebens in der Vielfalt, das es der Welt des Mittelmeeres ermöglicht hat, die »wichtigsten Übersetzungsleistungen der europäischen und der Weltkultur« zu erbringen, wie der Politologe und Kulturwissenschaftler Claus Leggewie feststellt.18 Die convivencia ist die Seele des Mittelmeerraums geblieben, allen historischen Irrtümern und Angriffen zum Trotz. Sie lebt fort in Ländern, denen Rassismus grundsätzlich wesensfremd ist und die binnen weniger Jahre die Wandlung von Auswanderungs- zu Einwanderungsgesellschaften und zurück bewältigen mussten. Sie haben das überwiegend mit einer Integrationsfähigkeit bewerkstelligt, von der der Norden mit seiner anscheinend unausrottbaren Seuche der Fremdenfeindlichkeit nur lernen kann.

Gleichzeitig hat das soziale Gefüge des Südens einer Wirtschaftskrise standgehalten, die man sich in Deutschland nicht ausmalen mag. Was wäre hier los, gäbe es zwischen 40 und 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit? In Spanien, Italien, Griechenland oder Portugal protestieren die Menschen, vor allem die jungen, gegen Krisenrezepte, die ihnen alle Chancen zu nehmen scheinen – aber sie tun es in ihrer großen Mehrzahl mit Respekt für die demokratischen Institutionen. Diese Jugend ist entgegen einer häufig nachgebeteten Formel alles andere als eine verlorene Generation. Sie ist mobil, wissbegierig, umgänglich, gebildet, sozial hochkompetent. Sie wartet auf den Impuls, den sie braucht, um sich auch ökonomisch zu entfalten. Schwäbische Ingenieursbetriebe wissen das längst besser als die Politik. Sie heuern gut ausgebildete Griechen, Portugiesen, Italiener und Spanier an, die nicht nur gute Ingenieure sind, sondern Brücken bauen zu den Welten, aus denen sie kommen.

Diese junge Generation des Südens weiß auch – nicht zuletzt aus der Erfahrung durch die Krise –, dass zwischenmenschliche Solidarität und Familienzusammenhalt das soziale Gefüge letztlich besser stützen als individueller Erfolg und die biegsamen Versprechen staatlicher Institutionen, auf die der Norden sein Gemeinwesen aufgebaut hat. Dies gilt vor allem in einer Zeit, in der der neoliberale Welttrend das Versprechen einer institutionellen Wohlfahrt mehr und mehr aushöhlt. Möglich, dass man sich bald im Norden auf den von Robert Schuman postulierten, sehr südlichen Wert der »Solidarität der Tat« wird besinnen müssen.

Doch durch die Euro-Krise erscheint der Süden wie gelähmt, er ist sich seines eigenen Potenzials nicht recht bewusst. Die Forderung an das geeinte Europa muss daher lauten, dieses Potenzial zu neuem Leben zu erwecken – durch Impulse und Anleitung, einerseits; und andererseits, indem man Ambivalenzen akzeptiert, den Süden in seinem Anderssein annimmt. In einem hat der Italiener Bolaffi zweifellos recht: »Die Einheit Europas herzustellen ist weitaus schwieriger, als Hass und Ressentiments unter den Völkern zu schüren.«19 Doch paradoxerweise bietet genau der Konflikt die besten Voraussetzungen, Fortschritte auf dem Weg zur Einheit zu erzielen. Denn: Der Euro hat die »betulichen Rituale« Europas durcheinandergewirbelt.20 In den 1990er Jahren, zu Zeiten der Toskana-Fraktion, als der Euro vorbereitet wurde, galt man schon als Kenner der mediterranen Welt, wenn man den Unterschied zwischen Rosso und Brunello di Montalcino benennen konnte. Die Krise hat Europa zu einer weit grundlegenderen Auseinandersetzung mit sich selbst gezwungen, die auf vielfältigen Foren stattfindet: über die digitalen Kanäle, beim Protest vor den Pleitebanken, im Billigflieger, wo spanische Akademiker neben deutschen Pauschaltouristen sitzen; in den Büros in Schwäbisch-Hall, wo deutsche und portugiesische Ingenieure an gemeinsamen Projekten tüfteln; und über jene neue kämpferische, spannende und zänkische europäische Innenpolitik, deren Entstehen wir beiwohnen. Das gemeinsame Ringen um Werte und Wirtschaftsformen, um einen europäischen »Gesellschaftsvertrag«, wie ihn Claus Leggewie fordert,21 hat längst begonnen.

Dieses Buch soll einen Beitrag dazu leisten. Es lässt Philosophen und Politiker, Manager und Migranten, Schuhputzer und Wissenschaftler, Gescheiterte und Erfolgreiche, Demonstranten und Blogger, Mütter und Töchter, Fürsprecher und Kritiker des Südens zu Wort kommen und ein wenig auch mich selbst in meinen Rollen als Student und als Reisender, als Journalist und als Pilger, als Malocher und als Müßiggänger, als Suchender und als Findender. Das Buch ist das Zwischenergebnis einer lebenslangen Reise von Adrianopel bis Santiago de Compostela, von Bilbao bis Dubrovnik. Ich habe im Süden gelebt und geliebt, geschuftet und gefaulenzt, geschwitzt und gefroren, ich habe Euphorie und Enttäuschung erlebt, doch ein Grundgefühl hat alle Höhen und Tiefen überdauert: das Gefühl, als Mensch angenommen zu werden, unabhängig von der beruflichen Rolle oder Lebenssituation. Es ist diese mediterrane Humanität und ihre integrative Kraft, die Europa in seinem Ringen um einen neuen Gesellschaftsvertrag so dringend braucht.

Gran Tour

»Du sitzt bei an Olivenbaam
Und du spielst di mit an Staan
Es is so anders als daham.«

STS1

Wir hatten diesen roten Simca 1 500 ohne Aussicht auf neuen TÜV. Die linke Vordertür ging nicht auf, so dass der Fahrer auf dem Hosenboden zum Beifahrersitz rutschen musste, um einund auszusteigen. Auf dem Weg die alte Brennerstraße hinauf lockerte sich eine Zündkerze, die wir mit einem Schraubenschlüssel von der Tankstelle in Matrei wieder festzogen. Es war 1984, jene versunkene Epoche also, als es an Tankstellen noch keine Aufbackware aus Osteuropa gab, dafür aber Werkzeug. Wir brauchten vom Brenner aus drei Tage bis in die Toskana, wir hatten ja Zeit. Nachts schliefen wir im Simca oder auf entlegenen Parkplätzen, tagsüber vagabundierten wir barfuß durch San Gimignano oder Monteriggioni. Es war heiß, wir kauften billigen Chianti mit Kronkorken, tranken diesen, auf Treppen vor Kirchen sitzend. Wir bummelten durch zypressenbestandene Alleen und Weinberge, badeten nachts in den heißen Thermen von Saturnia und dösten unter knorrigen Steineichen.

Gerade waren Europawahlen gewesen, bei denen die PCI, die Kommunistische Partei Italiens, besonders gut abgeschnitten hatte. In den Dörfern wehten die roten Fahnen. Es sah aus wie nach einer Revolution, das fanden wir romantisch, denn wir kamen aus Bayern, wo die spießige CSU scheinbar auf ewig ihre tiefschwarze Macht zementiert hatte. Dass die Kommunisten in der Toskana auch spießig sein konnten, wussten wir nicht, wir wollten auch gar nichts wissen, was uns die Stimmung verdorben hätte. Wir verdienten uns ein paar tausend Lire durch Feuerspucken mit Duftpetroleum auf der Piazza de la Signoria in Florenz und glaubten, mit ein paar Brocken Italienisch tiefere Einsicht in die Lebenswirklichkeit der Einheimischen gewonnen zu haben, die wir uns locker und lebenslustig dachten, Leute eben, die »alles nicht so eng« sahen; Leute wie wir. Wir waren zwanzig und wähnten uns im Einklang mit der Welt um uns. Und der Simca lief.

Nach der Reise trat ich meinen Zivildienst in einem Erziehungsheim der katholischen Jugendfürsorge in Bayern an. Zu den Dienstpflichten gehörte es, in aller Frühe Brot aus der anstaltseigenen Bäckerei in die umliegenden Dörfer zu fahren. Ich hatte dafür einen Kombi mit defekter Lüftung zur Verfügung. Das Brot dampfte, die Scheiben beschlugen in Sekundenschnelle, man musste alle vier Fenster herunterkurbeln, um freie Sicht zu haben, und beim Fahren Mütze und Handschuhe tragen. Der eisige Wind fegte die Schneekristalle durchs Fenster. An einer Stelle gab die oberbayerische Hügellandschaft den Blick auf das Inntal frei, das verheißungsvoll die Alpenkette teilte. Im Radio lief dazu der aktuelle Hit der Austropop-Band STS: Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz trällerten vom letzten Sommer, den sie offenbar in einer griechischen Bucht verbracht hatten, »die Sonne wie Feuer auf der Haut«. Schon nach zwei, drei Wochen sei klar gewesen: Man habe »das Lebensgefühl dort inhaliert«. Die Sänger schoben sogleich nach, was das aus nordalpiner Sicht bedeutete: »Die Gedanken dreh’n si um. Was z’haus wichtig war, is jetzt ganz dumm.« Der Refrain brachte das Sehnen zum Überlaufen: »Und irgendwann bleib I dann durt«, summte ich vor mich hin, als ich die Brotkörbe durch den Schnee schleppte. Ich beschloss, auf meine persönliche Gran Tour zu gehen.

Über die Alpen!

»Das Ziel meiner innigsten Sehnsucht, deren Qual
mein ganzes Inneres erfüllte, war Italien.«

Johann Wolfgang von Goethe2

Die Gran Tour war eine Erfindung des 17. und 18. Jahrhunderts. Unter sinnsuchenden Aristokraten und ausgebrannten Industriellen aus dem Norden machte sich damals die Gewohnheit breit, auf eine »Sentimental Journey« zu gehen, bei der eine Grundvoraussetzung gewahrt sein musste: Es sollte »Empfindsamkeit« beim Reisenden im Spiel sein, erst dann wird das Reisen »ein Schritt zu seiner Selbsterkenntniß seyn«, wie es der britische Schriftsteller Laurence Sterne nicht frei von Ironie ausgedrückt hat.3 »Es war der Blick auf die Altertümer und die Werke der Kunst, das Interesse an der enzyklopädischen Erkundung seiner Besonderheiten, die Begeisterung für die Schönheiten der Natur und manches andere, was die Reise nach Italien zum umfassenden Curriculum der Welterfahrung und Selbstbildung« machte, schreibt der Germanist und Kulturwissenschaftler Dieter Richter in seiner Geschichte einer Himmelsrichtung.4 Die Gran Tour »weitet sich zur existenziellen Metapher eines anderen, eines besseren Lebens«.5 Allerdings reiste man anders als heute. Die Unternehmungen waren länger, intensiver, gefährlicher als die Urlaubsreise, und sie dienten oft persönlichen Forschungsprojekten, schließlich befand man sich im Zeitalter der Aufklärung: »Sie bedeutete Akklimatisierung an die Fremde (…), Thermometer und Barometer gehörten zum Gepäck.«6

Im 19. Jahrhundert folgten diesen touristischen Pionieren das zu Geld gekommene Bürgertum sowie Dichter und Denker. Goethe, Heine, Nietzsche, Keats, Shelley, Lord Byron brachen nach Venedig, Rom und Neapel auf. In aller Regel scheinen die Reisenden dort gefunden zu haben, was sie suchten, denn die Literatur, die aus den Unternehmungen entstand, war in der Mehrzahl schwärmerisch und hat unser Bild vom Süden geprägt: Goethe spricht von seiner »Wiedergeburt in Rom«, Herder möchte in Neapel »nur atmen«, hofft, »gesund und gestärkt zurückzukehren«. Schinkel fühlt sich auf Capri »unbeschreiblich glücklich« in der »ätherisch reinen Luft«.7 Heinrich Heine schwärmt: »Ich bin den ganzen Tag in Florenz herumgeschlendert, mit offenen Augen und träumendem Herzen. (…) Wenn Italien, wie die Dichter singen, mit einer schönen Frau vergleichbar, so ist Florenz der Blumenstrauß an ihrem Herzen.«8

Und sogar der sonst so grimmige Nietzsche dichtete:

 

»Das weiße Meer liegt eingeschlafen,

Und purpurn steht ein Segel drauf.

Fels, Feigenbäume, Turm und Hafen,

Idylle rings, Geblök von Schafen –

Unschuld des Südens nimm mich auf!«9

 

Wenn nur, ach, die Menschen nicht gewesen wären!

Zwar gestanden die meisten Reisenden aus dem Norden den Südländern zu, besonders wohlgestaltet zu sein. Der Griechenland-Verehrer Johann Joachim Winckelmann schrieb 1764: »Dort, im Süden, lebten die schönsten Menschen, die vollkommensten Modelle für den Künstler.«10 In der Tat hellten sich unter dem Einfluss der südlichen Sonne die bis dato recht düsteren Werke mitteleuropäischer Künstler auf. Doch charakterlich fällten viele Autoren ein Verdammungsurteil über die Menschen des Südens. »Die niedrigste Brut, die mir je untergekommen ist«, verwünschte der Bildhauer Ernst Rietschel die Neapolitaner in einem Brief 1830. Der preußische Assessor Gustav Nicolai verfasste 1834 gar ein ganzes Buch über Italien wie es wirklich ist, gedacht als »Warnungsstimme« für »alle, welche sich dahin sehnen«. Es sei »ein erbärmliches Land«, voller betrügerischer Gastwirte und unverschämter Bettler.11 Für Goethe lebte inmitten der künstlerischen Schätze des reichen mediterranen Erbes eine »arme und primitive Gesellschaft«.12 Dieter Richter folgert so kurz wie zutreffend: »Die Idealisierung der Menschen des Südens in der Literatur des Nordens musste mit der erlebten Realität in Konflikt geraten.«13

Noch das Mindeste war es, den Menschen des Südens »Nachlässigkeit im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Zukunftsplanung« zu unterstellen, wie es der Genfer Schriftsteller Karl Viktor von Bonstetten tat, der Anfang des 19. Jahrhunderts als einer der ersten jene Art charakterliche Zweiteilung der Europäer in Nord- und Südmenschen vornahm, die in den Zeiten der Euro-Krise eine so mächtige Auferstehung erlebt. Der Mensch des Südens, so Bonstetten, handele mehr aus Antrieb, der des Nordens nach Überlegung. Anders als der »Mensch des Nordens« verabscheue der Südländer die Trunkenheit und den Selbstmord. Davor schütze ihn der Trost, den er im »Rausch der Liebe« finde.14 Aus diesen Mutmaßungen entwickelte sich eine zwiespältige Haltung: Der Süden wurde zwar als rückständig angesehen, gleichzeitig aber als Hort »unverdorbener Authentizität, von Leidenschaftlichkeit und Natürlichkeit, von weiblichen Reizen und männlichem Heldentum«.15 Er erfüllte eine doppelte Funktion: Einerseits konnten die Reisenden sich überlegen fühlen, weil sie ja aus materiell wohlhabenderen Gegenden kamen; gleichzeitig bot der Süden die Gelegenheit, sich von den belastenden Folgen dieses Wohlstands zu erholen, vor allem in der Epoche der Romantik des 19. Jahrhunderts, die im Ursprünglichen Zuflucht vor den Schloten des Fortschritts suchte.

Dass das 18. und 19. Jahrhundert auch in Italien eine Zeit tiefgehender Selbstreflexion und identitätsstiftender geistiger Produktion war, bekamen die wenigsten Nordländer mit. Dazu hätte es ja einiger Sprachkenntnisse und der Bereitschaft bedurft, sich mit den Geistesgrößen der Epoche – wie Ugo Foscolo, Alessandro Manzoni oder Giacomo Leopardi – auseinanderzusetzen. Die frühen Touristen aber betrachteten lieber ruinierte Tempel, neapolitanische Dienstmägde oder Lustknaben auf Capri. Aus der sozial bedingten Bildungsuntiefe ihres touristischen Servicepersonals zogen sie wie der moderne Urlauber leichtfertige Rückschlüsse auf die ganze Gesellschaft des Gastlandes.

Die Gran Tour war in jeder Hinsicht eine ichfixierte Unternehmung. Bonstetten etwa stellte nach intensiver Eigenbeobachtung fest, dass »jeder aufmerksame Beobachter seiner Empfindungen findet, dass er ein ganz anderer Mensch ist, wenn er sich diesseits oder jenseits der großen Barriere aufhält«.16 Er grübelte: »Ich weiß nicht, warum man in Italien ein Gefühl von persönlicher Unabhängigkeit genießt, wie man es nie so vollständig im Norden hat?«17 Nun, es ist anzunehmen, dass diese Wandlung nur mittelbar mit Italien zu tun hatte, schon eher mit der Tatsache, dass man sich auf einer Reise befand, in einer wohltuenden Ausnahmesituation, im Urlaub.

So wurde der Italiener, wie Dieter Richter zutreffend psychologisiert, für viele Nordländer zu einer Art »Alter Ego der eigenen Identität«. In der »Liebe zum fernen Fremden« sei der »Hass gegenüber dem unterdrückten Eigenen« zum Vorschein gekommen.18 Oder, wie Thomas Steinfeld in seinem Buch über Axel Munthe, den schwedischen Arzt von Capri, schreibt: »Fast jeder dieser Besucher erfuhr das Leben im Süden als Offenbarung, als hätte ihre eigentliche Bestimmung von vorneherein im Süden gelegen und als wäre der Norden ein furchtbarer (…) Irrtum.«19

Wie der Süden das alles fand, darüber stellte als einer der wenigen Goethe Beobachtungen an: Die Neapolitaner glaubten, im Besitz des Paradieses zu sein, stellte er fest, machten sich im Gegenzug vom Norden aber ein reichlich trübes Bild: »Sempre neve, case di legno, gran ignoranza, ma danari assai« – »Immer Schnee, hölzerne Häuser, große Unwissenheit, aber Geld genug.«20 In Italien kannte man die Deutschen bald unter ihrem bis heute gebräuchlichen Spitznamen: grucchi – sture Esel mit Scheuklappen.

Toskanische Lektionen

»Denn warum ein Volk von einem anderen geliebt werden will,
statt sich selbst so zu lieben, wie es ist –
das ist den Italienern vollkommen unverständlich.«

Kirstin Hausen21

In meine Gran Tour investierte ich das Entlassungsgeld vom Zivildienst – und zwar in einen Sprachkurs an der Scuola per Stranieri in Siena. Diese war eine von der örtlichen Bank Monte dei Paschi, dem angeblich ältesten Geldhaus der Welt, gesponserte halbakademische Bildungseinrichtung, deren Abschluss zum Studium an einer italienischen Universität berechtigte, weshalb von einer gewissen Ernsthaftigkeit des Lehrangebots auszugehen war. Die Kurse wurden besucht von deutschen Medizinstudenten, die zu Hause den Numerus clausus verfehlt hatten und nun in Italien studieren wollten, wo es keinen solchen gab; von Griechen aus guter Familie, bildungshungrigen Belgiern und Kanadiern, aber auch einer größeren Gruppe Somalier, die in den Pausen auf dem Gang ihre Teppiche zum Gebet ausbreiteten.

Zur Ernsthaftigkeit trug bei, dass der Kurs im Winter stattfand. Ich kam Ende September in Siena an, es war nachts empfindlich kalt, was sich umso stärker bemerkbar machte, als Heizen in Italien erst ab Mitte Oktober erlaubt war, wie der Zimmerwirt mitteilte. Auch ansonsten war von Lockerheit wenig zu spüren. Man musste bei diktatorischen Bürokraten auf der Questura wegen einer Aufenthaltsgenehmigung vorsprechen und in einem düsteren Verwaltungsbau um ein italienisches Krankenkassenheft anstehen. Das Befremdlichste aber war, dass die ortsansässigen Italiener an uns Sprachstudenten nur mildes Interesse zeigten. Dass das mit unseren noch rudimentären Italienischkenntnissen zu tun haben mochte, kam uns erst mal nicht in den Sinn. Anstatt auf Englisch zu parlieren, zogen junge Sienesen lieber in mittelalterlichen Kostümen trommelschlagend durch die Gassen. Viele verbrachten ihre Freizeit in den Komitees der Contraden, wie die Stadtviertel heißen, die im Sommer das weltberühmte Reiterfestival Palio veranstalten und einander in fanatischer Rivalität gegenüberstehen.

Gebrauchsitalienisch lernte ich vorerst von meinen Mitbewohnern, dem somalischen Pharmaziestudenten Abdi und Vahid, einem angehenden Arzt aus dem Iran, der in Italien Zuflucht vor Ayatollah Khomeinis islamistischen Revolutionswächtern gefunden hatte.

Am frühen Abend zogen die sienesi Kreise um die Piazza del Campo, jenen muschelförmigen Platz, auf dem wir zwei Sommer zuvor unsere Chiantiflasche geleert hatten. »Fare il giro« hieß die Abendbeschäftigung, eine Runde drehen, aus der meist viele Runden wurden. Hier gab es zwei Dinge zu lernen: Die Gesellschaft, in der ich mich bewegte, betrachtete Trachten und Bräuche nicht als verzopfte Hinterwäldlerei, sondern als gelebte Wirklichkeit. Und sie gab sich als Schmiermittel für stundenlange Geselligkeit mit einem winzigen Tässchen Espresso zufrieden, anstatt wie festgeschraubt auf Kneipenstühlen zu sitzen und literweise Bier in sich hineinzuschütten. Die verspäteten Touristen, die da in der spätherbstlichen Restsonne immer noch auf der Piazza saßen, wurden von den sienesi mit milder Herablassung betrachtet. Italiener sitzen nicht gern auf schmutzigen Treppen herum. Dafür lieben sie ihre Kleidung zu sehr. Und Rotwein trinken sie nur zum Essen.

Politisch schien dieses Italien immer noch so zu funktionieren, wie es der 50er-Jahre-Kintopp parodiert hatte: Es lebte der Gegensatz zwischen Don Camillo, dem Priester, der nicht zufällig die gleichen Anfangsbuchstaben trug wie die Regierungspartei Democrazia Cristiana, und Peppone, dem polternden kommunistischen Bürgermeister. Der Händel, den beide um die Herzen und Hirne der Bewohner eines Dorfes in der Emilia Romagna ausfechten, endet im Film stets in einem gutmütigen Unentschieden. In der politischen Wirklichkeit war es jedoch ein sehr schiefes Patt, aus dem die DC die Vorteile zog. Pate dieses Patts war der christdemokratische Strippenzieher Giulio Andreotti, der von 1945 bis 1999 an insgesamt 33 italienischen Regierungen beteiligt und siebenmal Ministerpräsident war. Er tarierte die Gewichte aus, kungelte mit der Mafia und sorgte dafür, dass trotz ständig wechselnder Regierungen in Italien stets alles beim Alten blieb.

Leute wie Andreotti waren Garanten dafür, dass in den fast vierzig Jahren dieses speziellen Zwei-Lager-Systems eine Seite, die linke nämlich, nicht ein einziges Mal die Macht in Rom eroberte. Man überließ den Kommunisten die ideologische Alimentierung rebellischer Studenten und Arbeiter, einen Fernsehsender und freundlicherweise die Regionen wie die Toskana, die sie – im Unterschied zu den konservativen Provinzregierungen von Latium oder Kampanien – auch sehr ordentlich verwalteten. Nur in bedeutungslosen Europa-Wahlen durfte die PCI sich landesweit als Sieger fühlen und ihre Fahnen hissen. Wohl nicht zu Unrecht vermuteten linke Intellektuelle finstere Geheimlogen und transatlantische Mächte als Drahtzieher im Hintergrund, die nie aufhörten zu fürchten, Italien könnte bei einem Sieg der Kommunisten eine fünfte Kolonne der Sowjetunion werden.

Das spezifische Kennzeichen des italienischen Eurokommunismus war seine Zahnlosigkeit, weshalb sich Dutzende Splittergruppen links von der PCI bildeten, deren zum Teil gewalttätige Aktivitäten das Bild Italiens in den 1970er Jahren verfinsterten. Doch auch sie spielten auf gewisse Weise ihre Rolle in diesem wohlaustarierten Gleichgewicht aus Anarchismus und Anpassung. Es bescherte Italien nicht nur ein beachtliches Wirtschaftswachstum, es sorgte auch für ein hohes Maß an Selbstzufriedenheit, denn ideologisch waren alle abgefüttert. Während die Industrie in der Hand konservativer Familieneliten erblühte, war die Linke zuständig für Kultur und revolutionären Symbolismus. In der Toskana manifestierte sich der Kommunismus in Gestalt der Feste dell’Unità22, pastoralen Parteiveranstaltungen der PCI, auf denen man kräutergewürzten Schweinsbraten kaute, billigen Wein trank und ein Akkordeonspieler »Avanti Popolo« dudelte. Meinen Zimmerwirt Eugenio Bernabei hielt seine sozialistische Grundüberzeugung nicht davon ab, bei Monte dei Paschi Geldtransfers abzuwickeln. Seine Revolution bestand im Sammeln historischer Wahlplakate mit Jugendstiloptik, auf denen muskelbepackte Proletarier sehnsuchtsvoll die Beine voluptuöser, rotgewandeter Göttinnen des Klassenkampfs umklammerten. Die Poster schmückten sein zypressenumstandenes Backsteinhaus in den Hügeln südlich der Porta Romana. Abends saß er vor dem Kamin und ermahnte uns studentische Mieter mit Recht, die pulizia, die Sauberkeit im Bad, nicht zu vernachlässigen.

Im Januar 1987 wechselte ich an die Unversità per Stranieri in Perugia. Es gibt die Ausländeruniversität seit den 1920er Jahren, ihre selbstgestellte Aufgabe ist es, die italienische Kultur auf der Welt zu verbreiten. Sie residiert im Palazzo Gallenga, einem barocken früheren Adelssitz aus dem 18. Jahrhundert, wo schon der junge Dichter Carlo Goldoni seine aristokratischen Gastgeber unterhielt. Mehr als 2 000 Ausländer studierten hier unter abblätternden Fresken und an zerfurchten Pulten.

In Perugia war das akademische Niveau höher als in Siena, dafür war es aber auf dem Felssporn, auf dem die mittelalterliche Stadt liegt, auch deutlich kälter. Blaugefroren zog man des Abends den Corso Vannucci auf und ab, der Januarwind pfiff waagerecht von den schneebezuckerten umbrischen Bergen herab. Ich wohnte in einem nur mühsam von einem alten Gasofen beheizten Zimmer, zog mich morgens unter schweren Wolldecken an, steckte von dort aus die Füße direkt in die vor dem Bett bereitstehenden Stiefel und rannte in der Hoffnung auf Warmwasser ins Bad. Gabriella, unsere Zimmerwirtin, rationierte jeden Tropfen. »Das richtige Frieren lernt man überhaupt nur im Süden«, schrieb Victor Klemperer, als er 1914/15 Lektor an der Universität Neapel war.23 In den städtischen Bussen roch es aus den Pelzmänteln der alten Damen scharf nach Naphtalin, das die Motten vertreibt.

Um in unser Zimmer zu gelangen, mussten wir die Wohnhöhle der Wirtin durchqueren, die in einem riesigen Bett thronte und auf Gesprächspartner wartete. Die chiaccheriata, die Plauderei, mit der padrona vor dem Zubettgehen, war Pflicht, während in der Ecke der Fernseher flimmerte. Das war die nächste Lektion: Man mietete sich in Italien nicht irgendwo ein, um dann seiner Wege zu gehen. Ein Zimmer nehmen bedeutete, zum Vermieter zu ziehen, ein Mindestmaß an Anteilnahme war auf beiden Seiten erwünscht. Das war zwar anfangs etwas anstrengend, doch ich lernte, dass es Sprachkenntnisse und Integration eindeutig verbesserte, wenn man sich nicht wie ein nordischer Troll benahm und nicht nach Betreten der Wohnung sofort die Zimmertür hinter sich schloss. Das hätte im Übrigen auch gar nichts geholfen. Doppelzimmer waren damals die Regel in italienischen Universitätsstädten, genau genommen mietete man ein Bett, ein posto letto. Mein Zimmergenosse hieß Giuseppe, er studierte Chemie, saß meistens über seine Bücher gebeugt und freute sich auf den Freitag, an dem er heim nach Taranto im äußersten Süden fuhr. Kaum ein italienischer Student hielt sich länger als unbedingt nötig in Perugia auf.

»Verbringst du denn nie ein Wochenende mit Freunden?«, fragte ich Giuseppe.

»Wozu? Ich habe doch meine Familie«, antwortete er.

Schon wieder eine Lektion: In Deutschland strebte man danach, so früh wie möglich dem Elternhaus den Rücken zu kehren. Hier sehnten sich die Studenten nach der Rückkehr ins familiäre Heim. Ich wollte Giuseppe fragen, ob es deswegen in Perugia an Studentenkneipen mangelte. Aber dann fiel mir auf, dass es im Italienischen gar kein Wort für Kneipe gab. »Ein Lokal wie eine Trattoria, aber ohne teures Essen, nur zum Biertrinken«, versuchte ich zu erklären. Das Konzept wollte Giuseppe nicht einleuchten. Wenn er schon Geld ausgebe, dann wolle er doch wenigstens gut essen!

Blieb doch mal mehr als ein Mieter am Wochenende in der Stadt, wurde nicht lange über Ausflüge nachgegrübelt, sondern Gabriella kochte für uns Pasta, Pollo, Panna cotta. Auf dem Weg zurück zum pisolino, zum Verdauungsnickerchen ins Bett, begriff ich die vielleicht wichtigste Lektion: Essen, das war der Grundpfeiler italienischen Soziallebens.

Ich versuchte, mich italienischer zu verhalten, nach dem Essen keinen Cappuccino zu trinken, sondern Espresso, dann aber an der Bar nicht »Espresso« zu sagen, sondern caffè. Ich übte, nicht schnell über die Piazza zu marschieren, sondern zu schlendern und die Sonnenbrille so auf der Stirn zu platzieren, dass sie nicht auf die Nase fiel. Doch unerreicht blieb die Meisterschaft eines Kommilitonen an der Ausländeruniversität: Der lief stets in italienischen Prachtklamotten neuester Mode herum (in jenem Winter waren es hellbeige Trenchcoats und gelbe Schuhe), er feilte an seinem Akzent und ließ sich »Enrico« nennen. Im Bus lästerte er gegenüber den befremdeten einheimischen Fahrgästen über die deutsche Mentalität, die ihm gar nicht gefalle. Er bastelte sich sogar eine Biographie mit südländischen Vorfahren zurecht (vorsichtshalber keine Italiener, um Nachfragen zu vermeiden) – dabei hieß er Heinrich, war Sohn eines protestantischen Pastors in Würzburg und so deutsch wie eine fränkische Bratwurst.

Natürlich erzielt solche Mimikry das Gegenteil des beabsichtigten Effekts. »Dieses Sich-anpassen, dieses Gefallen-wollen, genau das ist für die Italiener fatalerweise typisch deutsch«, schreibt die in Italien arbeitende deutsche Journalistin Kirstin Hausen: »Italiener tun im Ausland alles, um als Italiener erkannt zu werden. Deutsche tun genau das Gegenteil – und das ist verdächtig.«24 Ist es deswegen so verdächtig, weil nicht ganz zu Unrecht hinter dem Buhlen um Anerkennung ein Komplex vermutet wird, der so gar nicht zum sonst zur Schau getragenen Überlegenheitsgefühl der Deutschen passen will? Die Deutschen, so schreibt Kirstin Hausen, wollten eben »nicht nur geachtet – sondern auch geliebt werden«.25 Diesem Ziel kamen sie nie sehr nahe – seit der Euro-Krise sind sie weiter davon entfernt denn je. Auch ich fühlte mich von Italien nicht geliebt. Ich hatte eine lockerere Ausgabe Deutschlands mit besserem Wetter gesucht. Gefunden hatte ich eine Welt, in die man einheiraten musste, um wirklich dazuzugehören. So jedenfalls kam es mir vor. Und die Familie brauchte man offenkundig nicht nur für das Sozialleben. Eine deutsche Kommilitonin fuhr nach Rom, um einen Job zu suchen. Sie kehrte konsterniert zurück. »Meine Bewerbungsunterlagen haben sie kaum angeschaut. Weißt du, was sie mich stattdessen gefragt haben? – Ma chi ti conosce? Wer kennt dich?«

War die Schwärmerei vergangener Urlaubstage vielleicht nur eine Projektion unserer Träume eines anderen Lebens gewesen? Die wahre Lebensweise in Italien schien den Vorstellungen von Lebensfreiheit auf toskanischen Treppen diametral entgegengesetzt zu sein. Das hatte im Übrigen gar nichts mit den Italienern zu tun, sie waren einfach nur sie selbst, behandelten mich freundlich und in dem Maße integrativ, wie es ein Fremder, der weiter nach seinen eigenen sozialen Codices lebt, erwarten kann. Um tiefer in die Gesellschaft einzudringen, hätte ich ein paar von meinen individualistischen nordischen Schrulligkeiten ablegen und mich stärker auf die Lebensvorstellungen des Landes einlassen müssen. Gefragt waren dabei weder Mimikry noch Überheblichkeit, sondern ein gewisses Maß an Empathie, Offenheit für Selbstreflexion und Bereitschaft zur Veränderung. Italien hatte sich Mühe mit mir gegeben, doch die große Freiheit, die ich suchte, hatte es nicht zu bieten. Das war die letzte Lektion: Wer die Idylle will, bleibt besser auf toskanischen Treppen sitzen, träumt weiter und lernt bei der Volkshochschule eben so viel Italienisch, dass es zum Pizzabestellen langt.

Manchmal scheint es so, als wäre die gesamte europäische Einigungsidee aus solchen und ähnlichen Projektionen entstanden. Man hatte von Einheit, Frieden und Wirtschaftskraft geträumt und offenbar gehofft, dass sich historische und kulturelle Differenzen irgendwie von allein auflösen würden – so man sie überhaupt zur Kenntnis nahm. Dabei musste man nicht mal auf Gran Tour gehen, um ein paar Dinge über italienische Wirtschaft und Finanzen zu wissen: Dass Italien währungstechnisch nach einem völlig anderen Prinzip funktionierte als Deutschland, konnte jeder Tourist erleben, der im August vierzehn Tage in Bibione verbrachte und jedes Jahr mehr Lire für seine D-Mark bekam. Konnte man überrascht sein von den abweichenden Vorstellungen über Geldwert, Kredit- und Haushaltsdisziplin?

Doch der »Süden als Ziel der Sehnsucht« (…) stellt eben leider eine »Region fernab von den Sphären der eigenen Vernunft«26 dar, wie zu Recht ein sozialwissenschaftliches Werk festhält, das leider erst nach der Euro-Einführung erschienen ist. Wobei dieser Sachverhalt weniger über den Süden aussagt als darüber, wie es um die Vernunft des Nordens bestellt ist, auf die er so viel hält.

Ich jedenfalls wollte einen anderen Süden. Also beschloss ich, es noch woanders zu versuchen.

Kastiliens Wald aus Stein

»In Italien kommt es einem oft so vor,
als wären die Schätze übereinander gehäuft,
das Auge wird trunken vom Schauen,
das große Füllhorn wird ausgeschüttet,
geht nie zur Neige. In Spanien (…) muss man selbst etwas tun (…),
das Land muss erobert werden«.

Cees Nooteboom27

Das Licht versank über der staubigen Einöde Aragoniens in tausend Tönen von dunkelblau bis violett. Hinter Zaragoza hörte die Autobahn auf und ging über in eine rumpelige Landstraße voller Schlaglöcher und fast ohne Markierung, die durch felsige Täler führte. Die Nacht fiel herab wie ein schwarzes Wachstuch. Riesige Lastwagen der Marke Pegaso, die halbe Häuser transportierten, quälten sich die Kurven entlang, nur der erste Wagen hinter ihnen hatte im Dunklen eine Chance zu überholen. Und das musste der Fahrer auch, wenn er dem Gewitter aus Gehupe und Blendblitzen der Ungeduldigen hinter ihm entkommen wollte. Irgendwann war ich erschöpft in einen Feldweg eingebogen und hatte mich auf der Ladefläche des Kombis schlafen gelegt.

Vom ersten Licht wachte ich auf und blickte ins – Nichts. Eine ungeheure, leere Fläche tat sich vor mir auf, nur das einsame, schüchterne Piepsen eines Vogels war zu hören, der auf dem einzigen Baum weit und breit saß, eigentlich nicht wirklich ein Baum, nur ein verkrüppelter Überrest davon. Die Sonne stieg am Horizont empor, ein roter Feuerball, dessen Strahlung eine Landschaft ins Licht setzte, die aussah wie die Palette eines Malers, der das ganze Spektrum der Brauntöne einzufangen versuchte.

Die Hochebene von Kastilien, die Meseta, bildet das Kernland Spaniens. 60 Millionen Touristen bereisen jedes Jahr die zugebauten Küsten des Landes, aber den Weg ins Innere finden die wenigsten. Den Eindruck, den die ariden Landschaften bei Fremden aus dem grünen, nassen Norden wachrufen, hat Cees Nooteboom in Worte gefasst: »Der Reisende«, schreibt der Niederländer, werde »ein einsamer Schwimmer in einem Meer von Erde, das sich bis an den Horizont erstreckt, und diese Erde wird die Farben von Gebeinen, Sand, zerbröckelten Muscheln, rostigem Eisen, vermodertem Holz haben, doch sogar über den dunkelsten Farben liegt ein Licht, das in der Ferne zu einem Schleier wird.«28 In Kastilien sei »die Zeit wirklich geschmolzen und danach für immer erstarrt«.29

Ich startete den Toyota und fuhr durch leere, halb verfallene Dörfer, deren Mauern Nooteboom wie »Visionen aus hitzegetränktem Ocker«3031