Die Autorinnen und Autoren
Dr. Rachel MacKenzie ist als klinische Psychologin und als forensische Gutachterin in Melbourne tätig.
Dr. Troy McEwan ist als klinische und forensische Psychologin am Centre for Forensic Behavioural Science, Swinburne University of Technology tätig.
Dr. Michele Pathé ist Forensische Psychiaterin im Forensic Mental Health Service in Brisbane.
Dr. David James ist als Forensischer Psychiater in London tätig und Dozent für Forensische Psychiatrie am University College in London.
Professor James Ogloff ist Rechtsanwalt und Psychologe und Direktor des Centre for Forensic Behavioural Science an der Swinburne University of Technology.
Professor Paul Mullen ist emeritierter Professor der Monash Universität in Melbourne an der er zuletzt als Professor für Forensische Psychiatrie tätig war.
Danksagung: Die Übersetzer danken Herrn Professor Dr. Peter Gass (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheim) für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die wertvollen Anregungen.
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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Australische Originalausgabe:
Stalking Risk Profile. Guidelines for the Assessment and Management of Stalkers
Alle Rechte vorbehalten
© 2009 R. MacKenzie, T. McEwan, M. Pathé, D. James, J. Ogloff, P. Mullen
Für die deutschsprachige Ausgabe:
1. Auflage 2015
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-023063-7
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-028822-5
epub: ISBN 978-3-17-028823-2
mobi: ISBN 978-3-17-028824-9
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Während die wissenschaftliche und rechtliche Auseinandersetzung mit Stalking in den angelsächsischen und nordeuropäischen Ländern bereits Anfang der 1990er Jahre erfolgte, wurde die Brisanz dieser Problematik in Deutschland erst wesentlich später erkannt. Mittlerweile ist die Thematik aber sowohl in der Forschung, als auch in der Praxis der psychosozialen Beratung und der Gerichte angekommen. Es gibt hierzu inzwischen eine Reihe von wissenschaftlichen Publikationen (Übersicht bei Dreßing 2004, 2013) aber auch zusammenfassende Darstellungen in Form von Monografien (z. B. Dreßing & Gass 2005; Gallas et al. 2010).
Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wurde insbesondere durch spektakuläre Tötungsdelikte, denen ein Stalking vorausging, geweckt. Diese tragischen Verläufe stellten die Risikoeinschätzung und das Risikomanagement bei Stalkingfällen in den Fokus klinischer Forschung. Für diejenigen, die sich professionell mit Stalking beschäftigen, wurde ein empirisch fundiertes Instrument notwendig, das bei der Risikoabschätzung für gewalttätige Eskalationen hilft und die Anwendung angemessener Interventionen ermöglicht.
Das von englischen und australischen Kollegen publizierte »Stalking Risk Profile« ist hierfür sehr gut geeignet. Aufgrund unterschiedlicher Gesetzgebungen sind einige im englischsprachigen Manual vorgeschlagenen Interventionsstrategien – wie z. B. eine zwangsweise ambulante Behandlung – in Deutschland nicht umsetzbar. Auf diese Besonderheiten wird in der Übersetzung hingewiesen. Da es im Bereich der Stalkingliteratur kein vergleichbares Instrument zur Risikoeinschätzung und Interventionsplanung gibt, freuen wir uns sehr, dass die angelsächsischen Autoren dieses Werks einer Übersetzung in die deutsche Sprache zugestimmt haben. Mit der Herausgabe des Stalking Risk Profile in deutscher Sprache wird die außerordentlich fruchtbare Zusammenarbeit mit einigen der englischen und australischen Kollegen nun fortgesetzt.
Die erste epidemiologische Untersuchung in Deutschland zu diesem Thema wurde im Jahre 2005 unter der Federführung von einem der Übersetzer des vorliegenden Manuals (HD) durchgeführt. Die Verbreitung des Stalkings wurde dabei erstmals mittels einer Stichprobenuntersuchung der Mannheimer Bevölkerung systematisch erhoben. 2000 Personen aus der Einwohnermeldedatei der Stadt Mannheim wurden nach repräsentativen Kriterien ausgewählt und postalisch befragt. Die Ergebnisse dieser Studie sind vergleichbar mit denen der angelsächsischen Kollegen: 11,6 % der Befragten gaben an, mindestens einmal in ihrem Leben Opfer eines Stalkers gewesen zu sein. Die beschriebenen Episoden erfüllten die hierfür festgelegten Definitionskriterien (mehrere unerwünschte Kontaktaufnahmen, mindestens zwei verschiedene Stalking-Verhaltensweisen, Mindestdauer zwei Wochen, Angst bei den Betroffenen). Die Stalkingopfern waren zu 87,2 % Frauen und zu 12,8 % Männer (Dreßing et al. 2005). Damit waren insgesamt 17,3 % der befragten Frauen und 3,7 % der Männer mindestens einmal im Leben von Stalking betroffen.
Die Ergebnisse dieser deutschen Studie sind vergleichbar mit den Ergebnissen internationaler Studien: In den USA zeigte sich eine Lebenszeitprävalenz von 8 % bis 12 % bei Frauen und 2 % bis 4 % bei Männern (Tjaden & Thoennes 1998); in Großbritannien 16,1 % bei Frauen und 6,8 % bei Männern (Budd & Mattinson 2000). Je nach Breite der Stalkingdefinition ergaben sich in Australien Prävalenzraten von 14,9 % bis 32,4 % bei Frauen und 6,1 % bis 12,8 % bei Männern (Purcell et al. 2002). Unterschiede in den Prävalenzraten sind vor allem auf Unterschiede in den Kriterien (Dauer, Häufigkeit der Belästigung) zurückzuführen.
Als gemeinsames Ergebnis aller bisher durchgeführten epidemiologischen Untersuchungen ist festzuhalten, dass Stalking in Industrienationen ein weit verbreitetes Phänomen ist. Stalker versuchen ihre Opfer auf unterschiedliche Art und Weise zu verfolgen und zu bedrohen. In der in Deutschland durchgeführten epidemiologischen Studie wurden die Opfer durchschnittlich fünf verschiedenen Methoden der Verfolgung, Beeinträchtigung und Belästigung ausgesetzt. Von den Stalkern wurden dabei am häufigsten die folgenden Methoden verwendet: Unerwünschte Telefonanrufe (78,2 %), Herumtreiben in der Nähe (62,6 %), unerwünschte Briefe, E-Mails, SMS, Faxe (50 %), Verfolgen (38,5 %), Kontaktaufnahme über Dritte (35,9 %), vor der Haustür stehen (33,3 %), Auflauern (24,4 %), Nachrichten am Auto oder der Haustür hinterlassen (19,2 %), mit dem Auto verfolgen (19,2 %), Beschädigen von Eigentum (16,7 %), Eindringen in die Wohnung (15,4 %), Zusenden von Geschenken (17,9 %), Bestellungen im Auftrag des Opfers (10,3 %), Zusenden von schockierenden Dingen (9 %). Beschimpfungen und Verleumdungen erfolgten in 47,4 % der Fälle. Das Opfer mit Rechtsprozessen zu überziehen (»stalking by law«) ist als besonders perfide Stalkingmethode anzuführen. Zunehmend erfolgt Stalking auch über die sozialen Netzwerke und wird hier als Cyberstalking bezeichnet (Dreßing et al. 2011).
Stalking kann einige Wochen bis zu mehreren Jahren dauern und bei den Opfern chronischen und kaum kontrollierbaren Stress bewirken, der wiederum psychosomatische Beschwerden und psychiatrische Erkrankungen nach sich ziehen kann. Für die Häufung psychischer Störungen bei Stalkingopfern sind grundsätzlich zwei Erklärungsansätze denkbar, für die es jeweils empirische Belege gibt.
Der erste Erklärungsansatz geht von der Annahme aus, dass Stalkingopfer bereits vor Beginn des Stalking an psychischen Störungen oder Auffälligkeiten litten, die sie als Stalkingopfer prädisponierten. In der in Deutschland durchgeführten epidemiologischen Studie fanden sich Hinweise dafür, dass Menschen mit einer dependenten Persönlichkeitsstruktur signifikant häufiger Opfer von Stalking wurden als Personen, die diese Persönlichkeitsstruktur nicht aufwiesen. Da es sich bei der Studie aber um eine Querschnittserhebung handelte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die dependenten Persönlichkeitsmerkmale eine Folge des anhaltenden Stalking darstellten und nicht schon zu Beginn des Stalking vorhanden waren (Dreßing et al. 2005). Allerdings zeigte eine weitere Untersuchung bei stationären psychiatrischen Patienten, dass deren Lebenszeitprävalenz für Stalking mit 20 % fast doppelt so hoch war, wie in der Allgemeinbevölkerung. Außerdem wurde bei mehr als der Hälfte dieser Stalkingopfer die psychische Störung bereits vor Beginn des Stalking diagnostiziert (Dreßing & Gass 2010). Diese Befunde bedeuten nicht, dass diese Personen selbst für das Stalking verantwortlich sind. Vielmehr handelt es sich bei psychisch kranken Personen um eine mit bestimmten Vulnerabilitäten assoziierte Risikogruppe, die auch von anderen Formen der Kriminalität häufiger betroffen ist.
Langjährige Erfahrungen aus einer Sprechstunde für Stalkingopfer haben deutlich gemacht, dass psychisch völlig gesunde Menschen als Folge des Stalkings psychisch erkranken können (Gallas et al. 2010). Der zweite Erklärungsansatz berücksichtigt diese Erfahrungen und befasst sich mit der signifikanten Korrelation von Stalking und psychischen Störungen bei den Stalkingopfern. Stalkingopfer erkranken in Folge des chronischen Stresserlebens häufiger an psychischen Störungen. Im Vergleich zu nicht-gestalkten Personen zeigen Stalkingopfer signifikant häufiger Symptome von posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen, generalisierten Angststörungen und somatoformen Störungen. Stalkingopfer nehmen auch signifikant häufiger Psychopharmaka ein. Die psychischen Störungen können persistieren, auch wenn die aktuelle Stalkingsituation bereits beendet ist (Kühner et al. 2007, 2012).
Grundsätzlich kann jeder Mensch – unabhängig von der sozialen Schicht und individuellen Persönlichkeitsstruktur – Opfer eines Stalkers werden. Mehr als 80 % der Opfer sind Frauen. Überzufällig häufig sind Stalkingopfer Singles und leben alleine oder sie haben eine Beziehung zu ihrem Stalker beendet. Menschen, die in exponierten Berufen arbeiten, haben ein erhöhtes Risiko, Opfer eines Stalkers zu werden. Dies gilt zum einen für berühmte Personen, aber auch für Berufe mit engeren professionellen Beziehungskontakten (z. B. Psychiater, Rechtsanwälte, Lehrer) oder für Personen, die in anderen exponierten Berufen arbeiten, wie z. B. Journalisten (Gass et al. 2009).
Neben »echten Opfern« gibt es auch »falsche Opfer«. In diesen Fällen wird fälschlicherweise angegeben, Opfer eines Stalkers zu sein. Der Anteil »falscher Opfer« beträgt in der von den deutschen Übersetzern geführten Spezialsprechstunde für Stalkingopfer zwischen 5 % und 10 %. Unter den »falschen Opfern« finden sich z. B. Menschen, die unter einem Verfolgungswahn leiden (Gallas et al. 2010).
In der deutschen Stichprobe wurden in 34,6 % der Fälle explizite gewalttätige Drohungen ausgesprochen und in 30,4 % tatsächliche Gewalthandlungen getätigt. Die forensische Relevanz von Stalkingverhaltensweisen wird durch diesen Befund unterstrichen. 24,4 % der Betroffenen berichteten, dass sie von dem Stalker gegen ihren Willen mit körperlicher Gewalt festgehalten wurden, 11,5 % wurden geschlagen, 9 % mit Gegenständen attackiert, 42,3 % sexuell belästigt und 19,2 % sexuell genötigt (Dreßing et al. 2005).
Auch von anderen Autoren wurde der Zusammenhang von Stalking und schweren Gewaltdelikten gegen das Stalkingopfer beschrieben. So fand sich in einer Untersuchung von 141 Frauen, die von ihrem Ex-Partner getötet wurden, in 76 % der Fälle vorangegangenes Stalking (Campbell & Casoni 2005).
Stalking sollte keineswegs als harmlose Belästigung abgetan, sondern zumindest in bestimmten Risikokonstellationen als ein Vorbote von Gewalt betrachtet werden. Auch in anderen Untersuchungen fanden sich bei tatsächlicher Gewaltanwendung in 80 % der Fälle entsprechende vorangehende Drohungen. Drohungen von Stalkern sollten daher ernst genommen werden und in jedem Fall sollte eine individuelle Risikoanalyse erfolgen (James & Farnham 2003). Das Stalking Risk Profile stellt hierfür eine exzellente Arbeitsgrundlage dar.
Basierend auf den oben beschriebenen epidemiologischen Ergebnissen hat sich in Deutschland relativ rasch ein weitgespanntes Hilfs- und Beratungsangebot etabliert. Eine entscheidende und sehr förderliche Rolle spielte dabei der »Weisse Ring«, der mittlerweile vier Forschungsprojekte zum Thema Stalking – unter Federführung von einem der Übersetzer dieses Manuals (HD) – finanziell gefördert hat.
In der ersten Studie wurden die oben skizzierten epidemiologischen Befunde erhoben. Diese Studienergebnisse offenbarten eine Diskrepanz zwischen dem hohen Beratungs- und Therapiebedarf einerseits und dem Mangel an qualifizierten Beratungsangeboten andererseits. In einer Folgestudie wurde deshalb ein standardisiertes gruppentherapeutisches Programm für Stalkingopfer (2. Förderphase durch den »Weissen Ring«) entwickelt und wissenschaftlich evaluiert. In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass die psychische Befindlichkeit bei Stalkingopfern durch ein 8 Doppelstunden umfassendes gruppentherapeutisches Interventionsprogramm signifikant verbessert werden kann (Gallas et al. 2009).
Die genannten Studienergebnisse waren die Grundlage für ein drittes vom »Weissen Ring« gefördertes wissenschaftliches Projekt. Ziel dieses Projektes war es, die am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit entwickelten Beratungs- und Interventionsprogramme für Stalkingopfer breitenwirksam umzusetzen und weiter zu evaluieren. In diese Studie wurden psychosoziale Beratungsstellen aus unterschiedlichen Regionen mit einbezogen. Die Ergebnisse haben zu einer Modifizierung und Anpassung der Beratungs- und Interventionskonzepte geführt. Sie wurden daraufhin in einer abschließenden Monografie veröffentlicht (Gallas et al. 2010). Derzeit untersucht unsere Forschungsgruppe in einem vierten vom »Weissen Ring« geförderten Forschungsprojekt die biologischen Auswirkungen der chronischen Stresseinwirkung, die durch schweres Stalking bedingt werden können.
Dabei werden Veränderungen in der Regulation des Stresshormons Cortisol, sowie in der noradrenergen Stressregulation untersucht, die zu einer Dysregulation der Herzfrequenz sowie einer Pulsvariabilität führen kann. Sollten sich in dieser Studie gravierende Auswirkungen auf der biologischen Ebene zeigen, könnte eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz auch für solche Stalkingopfer geltend gemacht werden, die trotz des Fehlens eines körperlichen Angriffs physisch unter dem Stalking leiden.
Die Beratung und Psychotherapie von Stalkingopfern sollte immer in einem weiter gespannten und multiprofessionellen Hilfsnetz erfolgen, das neben Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern auch die Polizei, Rechtsanwälte, Staatsanwaltschaften und Gerichte einbeziehen kann.
In jedem Fall muss eine fortlaufende Risikoanalyse erfolgen. Als standardisiertes Instrument dient hierzu das nun auch in deutscher Sprache vorliegende Stalking Risk Profile.
Sofern sich aufgrund der Risikoanalyse eine hohe Gefahr für das Opfer ergibt, sind zunächst konkrete Schutzmaßnahmen einzuleiten. Mittlerweile haben sich an vielen Orten spezialisierte Anlaufstellen bei der Polizei etabliert. Es empfiehlt sich, vorab mit diesen Stellen Kontakt aufzunehmen. In einer konkreten Gefährdungssituation können die Betroffenen dorthin vermittelt werden.
Neben einer sorgfältigen Risikoeinschätzung und Einleitung eventuell notwendiger Schutzmaßnahmen, sollte das Stalkingopfer auch über allgemein gültige Anti-Stalkingregeln informiert werden ( Tab. 0.1). Die lernpsychologischen Prinzipien der operanten Konditionierung und der intermittierenden Verstärkung sollten hier verdeutlicht werden. Diese Grundsätze spiegeln sich auch in den Anti-Stalkingregeln wider. Wenn sich Betroffene aus falsch verstandenem Mitleid oder Schuldgefühlen heraus – z. B. wenn der Stalker mit Suizid droht – nach langer Kommunikationspause, doch noch einmal auf ein Gespräch mit dem Stalker einlassen (intermittierende Verstärkung), wird dessen Verhalten maximal verstärkt. Mit einer intermittierenden Verstärkung wird ein besonders löschungsresistentes Verhalten geprägt. Der Stalker wird sein Verhalten aufrechterhalten, da er gelernt hat, dass persistierendes Verhalten erfolgreich sein wird.
1. Nur eine, dafür aber unmissverständliche Erklärung, dass kein Kontakt gewünscht wird.
Tab. 0.1: Anti-Stalkingregeln
Spezifische Interventionen, die gezielt am Umgang mit Stalking und den damit verbundenen Problemen ansetzen, ersetzen nicht die Behandlung manifester psychischer Störungen. Psychische Störungen von Stalkingopfern sind nach den gängigen psychopharmakologischen und psychotherapeutischen Richtlinien zu behandeln. Darüber hinaus können auch Module eines manualisierten Beratungs- und Interventionsprogramms für Stalkingopfer genutzt werden (Gallas et al. 2010). Die einzelnen Module dieses Programms sind in Tabelle 0.2 dargestellt und können je nach Bedarf einzeln oder in einem 8 Doppelstunden umfassenden Gruppenprogramm eingesetzt werden.
Stalking stellt ein kriminelles Verhalten dar, das durch einen eigenen Straftatbestand (§ 238 StGB, Nachstellung) verfolgt wird. Wie auch bei anderen Formen kriminellen Verhaltens ist es die Aufgabe des Therapeuten, die psychisch kranken Stalker zu diagnostizieren und zu behandeln und die nicht erkrankten Stalker den Institutionen der Strafverfolgung zu überlassen.
Stalker sind häufig uneinsichtig und setzen ihr Verhalten hartnäckig fort. Dies stellt aber noch keine Grundlage für die Diagnose einer psychischen Krankheit dar. Hierfür ist das Vorhandensein weiterer psychopathologischer Symptome notwendig, die über das Stalkingverhalten hinausgehen. Von einem der Übersetzer dieses Manuals (HD) wurde eine multiaxiale Stalkertypologie entwickelt, die sich spezifisch auf die rechtlichen Bedingungen in Deutschland bezieht ( Tab. 0.3). Wesentliche Aspekte der im Stalking Risk Profile verwendeten Typologie sind auch in dieser multiaxialen Klassifikation integriert.
Erstberatung • Erfassung der Stalkingsituation
Tab. 0.2: Spezifische Interventionen für Stalkingopfer (Gallas, Klein & Dreßing, 2010)
Tab. 0.3: Multiaxiale Klassifikation von Stalking (Dreßing & Gass 2007)
Für die Behandlungsplanung und Begutachtung von Stalkern ist die psychopathologische Ebene besonders wichtig (Dreßing et al. 2011). Stalkingverhalten kann als Folge von wahnhaften Störungen, schizophrenen Psychosen oder Manien auftreten. Der Anteil psychotischer Stalker an allen Stalkingfällen beträgt vermutlich weniger als 10 %. Repräsentative Studien zur psychiatrischen Morbidität von Stalkern gibt es aber bisher nicht. Diese Gruppe von Stalkern muss so schnell wie möglich einer psychiatrischen Behandlung zugeführt werden. Ihre Schuldfähigkeit ist in der Regel beeinträchtigt oder aufgehoben.
Vor allem beim so genannten Ex-Partner Stalking kann eine weitere Gruppe von Stalkingfällen in die Kategorie der progredienten psychopathologischen Entwicklung eingeordnet werden. Der zuvor psychisch unauffällige Stalker entwickelt dabei psychiatrische Symptome wie z. B. eine zunehmende Einengung des Denkens, eine Störung der Realitätsprüfung und/oder eine affektive Einengung. Auf der Verhaltensebene kann das Stalkingverhalten den gesamten Lebensrhythmus bestimmen. Das Geschehen verselbständigt sich und die Haltungen und Verhaltensweisen lösen sich zunehmend von real vorhandenen Problemen. Besonders bei der progredienten psychopathologischen Entwicklung kann es zu gewalttätigen Eskalationen kommen, die in der Tötung des ehemaligen Partners kulminieren können. Auch diese Gruppe von Stalkern sollte umgehend einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung zugeführt werden. Sofern es zu weiteren Straftaten kommt, kann die Schuldfähigkeit dieser Stalker unter Umständen erheblich gemindert sein.
Bei der größten Gruppe der Stalkingfälle ist beim Täter jedoch keine gravierende psychiatrische Diagnose zu stellen. Zwar finden sich auch in dieser Gruppe häufig Akzentuierungen der Persönlichkeitsstruktur oder sogar Persönlichkeitsstörungen. Diese sind aber nicht so stark ausgeprägt, dass sie die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Stalkers beeinträchtigen. Diese Stalker sollten frühzeitig strafrechtlich sanktioniert werden.
Grundsätzlich ist bei der Behandlung von Stalkern zwischen psychotischen und nicht-psychotischen Tätern zu unterscheiden. Die Therapie psychotischer Stalker ist eindeutig eine Domäne der Psychiatrie und kann sich an etablierten Behandlungsrichtlinien für diese Störungen orientieren. Schwieriger ist es, die Kompetenz der Psychiatrie und Psychotherapie für die nicht-psychotischen Stalker zu definieren. Nicht jeder Stalker sollte unreflektiert einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung zugeführt werden, da es eine große Zahl von Stalkern mit vorwiegend dissozialen Persönlichkeitszügen gibt, die ihre Verhaltensweisen aus egoistischen Motiven heraus betreiben. Diese Stalker wollen über einen anderen Menschen Macht ausüben, ihn beherrschen und kontrollieren. Für diese Tätergruppe ist in erster Linie das Strafsystem zuständig und nicht die Psychotherapie.
Neben diesen beiden relativ eindeutig zuordenbaren Stalkergruppen gibt es aber einen nicht unerheblichen Überlappungsbereich von Stalkern mit ausgeprägten Persönlichkeitsakzentuierungen oder psychischen Fehlentwicklungen im Verlauf des Stalking (progrediente psychopathologische Entwicklung). Bei dieser Tätergruppe kann das Stalking eine obsessive und suchtartige Entwicklung annehmen und insofern auch Krankheitswert bekommen. Die Therapie dieser Tätergruppe ist schwierig, da in der Regel keine Krankheitseinsicht und keine Therapiemotivation bestehen. Die Behandlung beginnt oft gegen den Willen des Betroffenen, z. B. als gerichtliche Auflage. Die empirische Forschung aus forensischen Settings hat gezeigt, dass ein solcher Behandlungsbeginn einer erfolgreichen Behandlung nicht unbedingt entgegensteht. Eine solche Therapie muss aber multimodal angelegt sein und zunächst eine Behandlungsmotivation erreichen. Es ist dabei hilfreich, dem Stalker die persönlichen und materiellen Kosten des Stalkings für ihn selbst zu verdeutlichen und aufzuzeigen welche positiven Ergebnisse eine Therapie nach sich ziehen könnte. Diese »Kosten/Nutzen-Rechnung« kann eine erste Behandlungsmotivation schaffen, da viele exzessive Stalker z. B. alle persönlichen Tätigkeiten zugunsten des Stalking vernachlässigen. Nicht wenige geben z. B. auch ihren Beruf auf, um genügend Zeit für die Stalkingaktivitäten zu haben.
Neben dem therapeutischen Fokus auf die vorhandene soziale Isolation und mangelnde soziale Kompetenz ist auch die Förderung von Fertigkeiten wichtig, die zum Aufbau und Aufrechterhalten von befriedigenden Beziehungen notwendig sind (Dreßing & Kersting, 2013). Im Stalking Risk Profile finden sich weitere konkrete Vorschläge für Interventionen in spezifischen Risikosituationen.
Maßnahmen gegen Stalker auf rechtlichem Gebiet sind in Deutschland nach dem Polizeirecht, dem Strafrecht und dem Zivilrecht möglich.
Häufig wenden sich Stalkingopfern zunächst an die Polizei. Die Problematik kann durch die Polizei zwar nicht immer nachhaltig gelöst werden, dennoch gelingt es ihr immer wieder den Stalker im persönlichen Gespräch mittels der sogenannten »Gefährderansprache« nachhaltig zur Korrektur seines Verhaltens zu bringen. Diese Maßnahme ist umso wirksamer, je früher sie ergriffen wird. Eigene Nachuntersuchungen haben ergeben, dass fast 50 % aller Stalker ihr Verhalten nach einer frühzeitig durchgeführten Gefährderansprache beenden. Die Polizei ist (neben der Staatsanwaltschaft) auch für die Aufklärung vergangener Straftaten zuständig. Die Kenntnisse vieler Polizeidienststellen zum Thema Stalking haben sich in den letzten Jahren durch Fortbildungsveranstaltungen erheblich erweitert. In einigen Bezirken wurden im Bereich der Staatsanwaltschaften auch spezielle Zuständigkeitsbereiche für Stalking geschaffen. Die Unterstützung durch die Polizei und Staatsanwaltschaften bei Stalking hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Das nun auch in deutscher Sprache vorliegende Stalking Risk Profile wird die Arbeit der Polizei und Staatsanwaltschaften nachhaltig unterstützen können. In angelsächsischen Ländern wird das Manual für Trainingskurse der Polizei und Staatsanwaltschaften bereits erfolgreich verwendet.
Regelmäßig wird das Opfer den Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft) Straftaten schildern. Im Gegensatz zu den zivilrechtlichen Verfahren ermittelt die Polizei und die Staatsanwaltschaft dann von Amts wegen alles Erforderliche. Das Opfer wird darüber aber nicht in Kenntnis gesetzt. Die folgenden Straftatbestände kommen bei Stalking grundsätzlich in Betracht:
• Nötigung (§ 240 StGB)
• Bedrohung (§ 241StGB)
• Hausfriedensbruch (§ 123StGB)
• Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
• Körperverletzung (§ 223 StGB)
• Beleidigung (§ 185 StGB)
• Nachstellung (§ 238 StGB)
Im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern wurde in Deutschland mit § 238 StGB erst relativ spät (2007) ein eigener Straftatbestand für das Stalking eingeführt. Der § 238 StGB (Nachstellung) lautet wie folgt: