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Die Autorin

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Sandra Verena Müller,
PD Dr., Dipl.-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin, Klinische Neuropsychologin und Supervisorin GNP. Nach der Promotion 1997 klinische Tätigkeit in einer neurologischen Rehabilitationsklinik und an der Medizinischen Hochschule Hannover. Von 2001 bis 2007 wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Neuropsychologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Seit 2002 Aufbau und Leitung der neuropsychologischen Ambulanz an der Universität Magdeburg. 2007 Habilitation. Seit 2008 Leiterin der Sektion Neuropsychologie der Neurologischen Universitätsklinik Magdeburg.

Sandra Verena Müller

Störungen der Exekutivfunktionen – wenn die Handlungsplanung zum Problem wird

Ein Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute

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Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die Informationen in diesem Ratgeber sind von der Verfasserin und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Verfasserin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Besuchen Sie uns im Internet: www.schulz-kirchner.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur Reihe

Einleitung

Exekutivfunktionen – was verbirgt sich dahinter?

Exekutivfunktionen – ein Regenschirmbegriff

Geistige Defizite

Änderungen des Verhaltens bei Störungen der Exekutivfunktionen

Fehlende oder mangelnde Krankheitseinsicht

Antriebsminderung

Störungen des Sozialverhaltens

Mein Partner ist nicht mehr der Gleiche – Änderungen der Persönlichkeit

Wie kommt es zu Störungen der Exekutivfunktionen? - Ursachen und Besonderheiten

Neurologische Grunderkrankungen

Hinweise auf Störungen der Exekutivfunktionen

Wie werden Störungen der Exekutivfunktionen festgestellt?

Die psychologische Testung

Unterschiede von Selbst- und Fremdwahrnehmung

Fahreignung bei Störungen der Exekutivfunktionen

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Übende Verfahren

Strategien zur Verhaltensänderung

Methoden des Verhaltensmanagements bei Antriebsmangel

Anpassung der Umwelt an die Bedürfnisse des Patienten

Der Einsatz von Rehabilitationssoftware

Wie können Angehörige und Pflegende mit der neuen Situation umgehen?

Schwierigkeiten im sozialen Umgang

Informationen über Störungen der Exekutivfunktionen verbessern das Verständnis

Verhaltensbeobachtung und Weitergabe an den Therapeuten

Erste Strategien für den Alltag

Routinen und Rituale im Alltag

Eigene Auszeiten

Ein positiver Ausblick

Anhang

Wichtige Adressen

Weiterführende Literatur und Arbeitsmaterialien

Literatur

Übungsmaterialien

Glossar

Arbeitsblätter

Vorwort zur Reihe

Die „Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute“ vermitteln kurz und prägnant grundlegende Kenntnisse (auf wissenschaftlicher Basis) und geben Hilfestellung zu ausgewählten Themen aus den Bereichen Ergotherapie, Sprachtherapie, Neuropsychologie und Medizin. Die Autorinnen und Autoren dieser Reihe sind ausgewiesene Fachleute, die seit vielen Jahren als Therapeuten in der Behandlung und Beratung und/oder als Dozenten in der Aus- und Weiterbildung tätig sind. Sie sind jeweils für den Inhalt selbst verantwortlich und stehen Ihnen für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Im vorliegenden Band „Störungen der Exekutivfunktionen - wenn die Handlungsplanung zum Problem wird“ hat Frau PD Dr. Sandra Verena Müller ihre neuropsychologische Erfahrung in der Arbeit nicht nur mit Betroffenen, sondern auch mit deren Angehörigen zusammengefasst.

Mit viel Sorgfalt wurden die schwierigen und komplexen Zusammenhänge der Störungen der Exekutivfunktionen in eine nachvollziehbare Form gebracht. Hierdurch wird es Angehörigen, Patienten, aber auch Therapeuten ermöglicht, sich in die oft schwer nachvollziehbaren Probleme, die die Erkrankung mit sich bringt, einzudenken. Eine konkrete Darstellung verschiedener Behandlungsansätze wird ebenso aufgeführt, wie Ratschläge für Angehörige und Pflegende. Letztere sehen sich im Alltag oft mit einem scheinbar völlig neuen Menschen konfrontiert und können mit den aufgezeigten Tipps die große Herausforderung sicherlich besser meistern. Es folgt eine Übersicht mit wichtigen Kontaktadressen, vertiefender Literatur sowie konkreten Arbeitsmaterialien, die für die sofortige Umsetzung der Hinweise sehr hilfreich sind. Besonders hervorzuheben ist das umfangreiche Glossar, welches es auch medizinischen Laien erlaubt, die vielen Fachbegriffe nachzuvollziehen. Für Fachleute stellt es eine gute Zusammenfassung der Fachtermini dar.

Durch die kompakte Darstellung kann das Buch dazu beitragen, die im Behandlungsprozess oft mündlich gegebenen Informationen den Patienten und Angehörigen näher zu bringen. Es empfiehlt sich daher als gute Ergänzung der Behandlung. Der Behandlungserfolg und vor allem das Zusammenleben im Alltag können durch die größere Transparenz sicherlich verbessert werden.

Wir hoffen, mit diesem Ratgeber dazu beizutragen, dass der alltägliche Umgang mit Menschen mit Störungen der Exekutivfunktionen von weniger Schwierigkeiten geprägt ist und so die Belastungen der Betroffenen selbst und deren Angehörigen verringert werden können.

Arnd Longrée

Herausgeber für den DVE

Einleitung

Die Angehörigen von Patienten mit Störungen der Exekutivfunktionen erleben oft die Folgen schwerer kognitiver Defizite (Image Glossar) und gleichzeitig eine Verhaltensänderung des Patienten. Dementsprechend haben sie ein besonders großes Informationsbedürfnis. Darüber hinaus ist es bei diesem Störungsbild unerlässlich, die Rehabilitation alltagsnah zu gestalten, da die Übertragung in den Alltag oftmals nicht vom Patienten ausgeführt werden kann. Dies erfordert in der Regel die Einbeziehung von Angehörigen oder Pflegepersonen und dementsprechend eine professionelle Schulung derselben. Leider wird die Aufklärung und Einbeziehung von Angehörigen oder Pflegenden oft stiefmütterlich behandelt. Zwar mag die Aufklärung von Angehörigen von einzelnen Therapeuten vorbildlich umgesetzt werden, dennoch besteht für die Zukunft Entwicklungsbedarf an speziellen Angeboten. Der vorliegende Ratgeber soll diese Lücke schließen bzw. einen Anfang markieren.

Ziel des vorliegenden Ratgebers ist es, den Angehörigen durch die Vermittlung von Hintergrundwissen die Möglichkeit der Einordnung der vorhandenen Probleme zu geben und dadurch mehr Verständnis für die betroffenen Patienten zu entwickeln. Wissen um die Erkrankung erhöht in der Regel Verständnis und Geduld. Es sollen also Missverständnisse und Kränkungen so weit als möglich vermieden werden und konkrete Handlungsanweisungen und Hilfestellungen im Umgang mit dieser Patientengruppe vermittelt werden.

Schließlich möchte ich mich bei allen Patienten und Angehörigen, insbesondere bei Frau Petra Dietze, bedanken, die mit zahlreichen Erfahrungsberichten und Hinweisen auf Schwierigkeiten im Alltag bei der Erstellung dieses Ratgebers geholfen haben. Auch möchte ich mich bei folgenden Kollegen bedanken, die mir kritische Rückmeldungen gegeben haben, aber natürlich nicht für den Inhalt verantwortlich sind: Dipl.-Psych. Michael Brasse, Dipl.-Psych. Sandy Harth, Dipl.-Psych. Ulrike Klaue und Dr. Sabine Schneider.

PD Dr. Sandra Müller

Hannover im November 2008

Exekutivfunktionen – was verbirgt sich dahinter?

Wenn wir unseren Alltag erfolgreich bewältigen oder neue, unbekannte Aufgaben in Angriff nehmen wollen, erfolgt das mithilfe der sogenannten „Exekutivfunktionen“. Sie koordinieren unsere Handlungsplanung und zeigen uns Alternativen bei Komplikationen auf. Die Exekutivfunktionen spielen dementsprechend für die selbstständige Lebensführung des Menschen und seine berufliche Leistungsfähigkeit eine zentrale Rolle. Störungen der Exekutivfunktionen können nach unterschiedlichen Arten von Hirnschädigungen, die den vorderen Hirnlappen oder auch frontalen Kortex (Image Glossar) und/oder seine Verbindungen betreffen, auftreten.

Die Exekutivfunktionen und somit deren Störung umfassen auf der einen Seite kognitive (Image Glossar) Leistungen wie Planung, Organisation oder Arbeitsgedächtnisleistungen, auf der anderen Seite können sich die Defizite auf der Verhaltensebene zeigen, z.B. als überschießendes Verhalten, mangelnde Anpassungsfähigkeit oder mangelnde Selbstkontrolle. Ein typisches Verhaltensmuster von Patienten mit exekutiver Fehlfunktion ist ein Missachten der Instruktionen zur Durchführung von Aufgaben, ein sogenanntes „Regel-brechen“. Weiterhin fallen diese Patienten häufig durch eine Trennung von Wissen über erforderliches Verhalten und der Fähigkeit, dieses tatsächlich umzusetzen, auf. Ebenso zeigen sie häufig unorganisiertes und wenig zielgerichtetes Verhalten sowie eine mangelnde Voraussicht.

Je nachdem, welche Fähigkeiten im Detail betroffen sind bzw. ob die geistigen oder die Fähigkeiten zur Verhaltenssteuerung stärker betroffen sind, kann das Störungsprofil sehr unterschiedlich aussehen. Dies geht sogar so weit, dass eine Störung der Exekutivfunktionen zu völlig gegensätzlichen Symptomen führen kann, wie beispielsweise auf der einen Seite zu Willenlosigkeit und Antriebsminderung und auf der anderen Seite zu Impulsivität und enthemmtem, überschießendem Verhalten. Patienten mit exekutiven Fehlfunktionen können zudem unter Anosognosie (Image Glossar) leiden, d.h. sie zeigen trotz offensichtlicher Schwierigkeiten im Alltag wenig oder gar keine Krankheitseinsicht.

Die Exekutivfunktionen sind für die selbstständige Lebensführung eines Menschen von zentraler Bedeutung. Aufgrund mangelnder Alltagsnähe vieler Testverfahren bleiben bisher die Defizite vieler Patienten unerkannt. Das kann weitreichende Folgen nach sich ziehen, spielt doch gerade die Therapie von Störungen der Exekutivfunktionen eine wichtige Rolle für einen erfolgreichen Abschluss der Rehabilitation, gemessen an Selbstständigkeit im Alltag, beruflicher Wiedereingliederung und sozialer Integration.

Merke Exekutivfunktionen sind ein Oberbegriff, der verschiedenartige, teilweise sogar gegensätzliche kognitive Funktionen beschreibt. Exekutivfunktionen steuern, überwachen und verändern unser Verhalten. Eine Störung der Exekutivfunktionen kann sich auf der geistigen oder auf der Verhaltensebene zeigen.

Exekutivfunktionen – ein Regenschirmbegriff